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Taufen und Konfirmationen in der DDR

Religionsbezogene Daten für die Zeit in der DDR sind nur sehr bruchstückhaft vorhanden. Beispielhaft für die DDR lassen sich für das Land Sachsen die Veränderungen in der evangelischen Kirchenmitgliedschaft verdeutlichen. Die Ausgangssituation 1946 in Sachsen waren 4,7 Mio. evangelische Kirchenmitglieder, nach 40 Jahren waren es 1,5 Mio. Mitglieder.

Die östlichen Bundesländer gelten heute als eine der konfessionsfreiesten Regionen in Europa. 1946 waren von der Bevölkerung (17,3 Mio. Einwohner) jedoch 14,2 Mio. (= 82,1 Prozent) evangelische und 2,1 Mio. (= 12,2 Prozent) römisch-katholische Kirchenmitglieder. (vgl. Tabelle 1). Die Veränderungen über die Jahre sind jedoch kein abrupter Vorgang innerhalb weniger Jahre, sondern eine kontinuierliche Verringerung der Kirchenmitgliedschaft. Eine langsame ‚Entkirchlichung‘ in einer Gesellschaft, in der es nicht als Vorteil oder karrierefördernd galt, wenn man Kirchenmitglied war, wie es in den westlichen Bundesländern der Fall war und ist.

Für Sachsen liegen (bis auf die Jahre 1951 bis 1953) Zeitreihen für die evangelischen Kirchenmitglieder von 1949 bis 1989 vor. Die Recherche und Veröffentlichung dieser Daten sind dem Religionssoziologen Detlef Pollack zu verdanken.

1946 lebten in Sachsen rund 32 Prozent der Wohnbevölkerung der damaligen Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR. Die evangelischen Christen in Sachsen waren damit 27 Prozent dieser gesamten Wohnbevölkerung. Dieser Anteil verringert sich, nach einem kurzen Anstieg, seit 1949 kontinuierlich und beträgt 1989 noch 9,2 Prozent der Wohnbevölkerung der DDR. (vgl. Tabelle 2)

Für die DDR gibt es keine valide Kirchenaustrittsstatistik, da die Kirchenmitgliedschaft keine formalen zivilrechtlichen Konsequenzen hatte, wie die Kirchensteuerpflicht und das staatliche Inkasso der Kirchensteuer in Westdeutschland. Der formal vorgesehene Kirchenaustritt bei einem staatlichen Notariat der DDR wurde nicht durchgängig beachtet, was nach 1989 zu einem plötzlichen und erheblichen Anstieg der Kirchenaustritte führte, um die westdeutschen Bedingungen nachzuvollziehen.

Es lassen sich jedoch Einflussgrößen feststellen, die zu einer Verminderung der Zahl der Kirchenmitglieder führte.

Es ist hier nicht der Ort über die verschiedenen Phasen der Kirchenpolitik der SED sowie der Evangelischen Kirche selber gegenüber dem Staat zu referieren – die Literatur dazu ist reichlich und leicht zu finden. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf den innerkirchlichen Verhaltensweisen.

Die Zahlen zu den Taufen in Sachsen zeigen bis 1950 einen Anstieg auf 70.000 Taufen pro Jahr, denen – 14 Jahre später – 1964, nur eine Konfirmationsquote dieses Tauf-Jahrgangs von 29 Prozent entspricht. (Tabelle 3)

Mit der sinkenden Zahl der Taufen, die auch der Verringerung der Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder entspricht, verringert sich zwar die absolute Zahl der Taufen, aber – nach der Logik, dass die verbleibenden Kirchenmitglieder die glaubensstärkeren sind -, steigt der Anteil der Konfirmationen recht kontinuierlich auf 94 Prozent des darauf bezogenen Täuflings-Jahrgangs. Mit anderen Worten, die Zahl der Kirchenmitglieder verringert sich, aber das evangelische Milieu in Sachsen wird gleichzeitig in sich geschlossener und überzeugter.

Dies zeigt sich auch darin, dass die Anzahl der Taufen seit 1976 ansteigt (Tabelle 2), was heißt, dass Kirchenmitglieder selber vorher mehr darauf verzichtet haben, ihre Kinder taufen zu lassen.

Dass die evangelischen Kirchenmitglieder in Sachsen sich dabei besonders geschlossen verhalten, zeigt der Vergleich der Taufen (und nach 14 Jahren der Konfirmationen) mit den Landeskirchen Anhalt und Mecklenburg.

Die Tendenz ist bei allen drei Gruppen, dass die verbliebenen Jugendlichen unter den Kirchenmitgliedern sich (seit 1978) wieder mehr konfirmieren lassen. Das entspricht der Logik, dass die Zweifler vorher eher ausgetreten sind. Während die evangelischen Sachsen jedoch bis 1989 eine Konfirmationsquote von 94 Prozent realisieren, sind es bei den evangelischen Mecklenburgern 73 Prozent und bei den Anhaltinern 52 Prozent.

Das wiederum verweist darauf, dass die evangelischen Milieus auf die gesellschaftlich-politischen Situationen unterschiedlich reagiert haben.

Das wäre eine Aufgabe für weitere Recherchen. Ob das allerdings bei der lückenhaften Datenlage Erfolg haben könnte, bleibt offen.

(CF)