Jugendweihe in Deutschland
Mitte des 19. Jahrhunderts hat das Humanitätsideal der Aufklärung, die Verbindung von Humanität und Toleranz, entscheidenden Einfluss auf die Entstehung der Freidenkerbewegung und damit auch der Jugendweihe. Die Jugendweihe oder auch Jugendfeier gilt immer noch als Ritual des Überganges von der Kindheit zum Erwachsensein oder besser zur Jugendphase. Neben dem Jugendweiheverband Deutschland e. V. richten seit 1989 inzwischen weitere 21 Vereine in 14 Bundesländern Jugendweihefeiern aus.
Vor über 160 Jahren entstand die Jugendweihe als Fest für nicht konfessionell gebundene Jugendliche und deren Familien bei sogenannter "erlangter Verstandsreife”. 1852 wird erstmals der Begriff "Jugendweihe” für die weltliche Feier, mit der die Familie den Eintritt ihrer Kinder ins Jugendalter festlich begehen, verwendet.
In Berlin fand die erste große Feier zur Jugendweihe am 14. April 1889 im Großen Saal des Konzerthauses Leipziger Straße statt. Damals begingen 37 Jugendliche inmitten von 1.500 Besuchern das Fest der Jugendweihe. In Hamburg fand die erste "proletarische” Jugendweihefeier am 24. März 1890 im "Victoriagarten" statt. Die Teilnehmerzahl stieg sehr schnell an. Zur Zeit der Weimarer Republik nahm fast ein Drittel der 14-jährigen Jugendlichen an der Jugendweihe teil.
In der DDR wurden ebenfalls anknüpfend an die Traditionen der Arbeiterbewegung ab 1955 Jugendweihen durchgeführt. Durch den "Zentralen Ausschuß für Jugendweihen” und viele Personen des öffentlichen Lebens wurde erwartet, dass dieser Tag zu einem Erlebnis werde, der "Kraft und Selbstbewusstsein für den weiteren Lebensweg” gibt. Im Mittelpunkt der Jugendweihe in der DDR stand ein öffentliches Gelöbnis als Bekenntnis zu diesem Staat mit marxistisch-leninistischer Ausrichtung. 1955 nahmen knapp 18 Prozent aller Jugendlichen an der Jugendweihe teil, 5 Jahre später bereits 90 Prozent. In den 70er und 80er Jahren nahmen jährlich etwa 98 Prozent der Schülerinnen und Schüler an den Jugendweihefeiern teil. Dass dies nicht nur gesellschaftlicher "Zwang” war und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung hatte, macht das bleibende Interesse an dieser Feier auch nach der Wende deutlich. Ab den 1970er Jahren war es sogar üblich, für Jugendliche, die konfessionell gebunden waren und sich nicht ausgrenzen lassen wollten, an beiden Feiern teilzunehmen. (Da Jugendweihe grundsätzlich in der 8. Klasse stattfand, wurde Konfirmation/Kommunion im darauffolgenden Jahr gefeiert.)
Neben dem Jugendweiheverband Deutschland e. V. richten seit 1989 inzwischen weitere 21 Vereine in 14 Bundesländern Jugendweihefeiern aus, wie z. B. der zweitgrößte Anbieter, der Humanistische Verband Deutschlands, sowie der Sächsische Verband für Jugendarbeit und Jugendweihe e. V., Jugendweihe Berlin/Brandenburg e. V., Barnimer Jugendweihe e. V., Roter Baum Dresden oder auch einfach Veranstaltungsbetriebe wie in Chemnitz Midea oder Mignon, die den Trend der Zeit erkannt haben und Jugendweihefeiern als Veranstaltung ausrichten (immerhin auch für ca. 600 Schülerinnen und Schüler der Region).
Im früheren Bundesgebiet setzte sich der Geburtenrückgang bis Mitte der 1980er Jahre fort. Zwischen 1975 und 1985 erreichte die Zahl der Geborenen nur etwa 56 Prozent des Niveaus des Jahres 1964. Ab 1988 sank die Geburtenzahl von 893.000 auf 672.000 im Jahr 2005. In den neuen Ländern wurde diese Entwicklung in Folge der wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche nach der Deutschen Vereinigung beschleunigt. Von 1990 bis 1994 sank die Zahl der jährlich Geborenen drastisch um mehr als die Hälfte von 178.000 auf 79.000. Danach nahm die Zahl der Geburten wieder leicht zu.
Für die Rückgänge der Jugendweihen von 2002 bis 2007 gibt es mehrere Gründe. Der Hauptgrund liegt in dem erheblichen Geburtenrückgang der relevanten Jahrgänge, sowie in der Abwanderung vieler Familien in die westlichen Bundesländer. Dort gab es entsprechende Strukturen nicht mehr. Nur Hamburg, Westberlin, Nürnberg, Cuxhaven sowie einzelne Städte in Nordrhein-Westfalen führten noch Jugendweihen in historischer Tradition durch. Andere Anbieter für Jugendweihe/Jugendfeier spielten eine eher symbolische Rolle.