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Mehrheit gegen religiöse Symbole im Schuldienst

49 Prozent der Deutschen befürworten ein Gesetz, das Lehrerinnen und Lehrern das sichtbare Tragen von religiösen Symbolen oder Kleidungsstücken in öffentlichen Schulen verbietet, 43 Prozent sind gegen ein solches Gesetz, 7 Prozent unentschieden. Dies ist das Ergebnis einer EMNID-Studie, die anlässlich der Debatte um das „Berliner Neutralitätsgesetz“ von der Giordano-Bruno-Stiftung und der Forschungsgruppe Weltanschauung in Deutschland (fowid) in Auftrag gegeben wurde.

Das seit 2005 in Berlin geltende „Neutralitätsgesetz“ verbietet das sichtbare Tragen von religiösen Symbolen und Kleidungsstücken wie Kopftuch, Kreuz oder Kippa im Staatsdienst. Seit einiger Zeit wird im Berliner Abgeordnetenhaus darüber gestritten, ob das Gesetz aufrechterhalten wird oder grundsätzlich revidiert werden sollte. Klar ist, dass der weltanschaulich neutrale Staat seinen Bediensteten nicht allein das islamische Kopftuch verbieten darf, wofür es eindeutige Mehrheiten  in der Bevölkerung gibt, sondern dass er das Verbot auf sämtliche religiösen oder weltanschaulichen Symbole und Kleidungsstücke ausdehnen muss. Wie aber wird dies in der Bevölkerung eingeschätzt?

Um hierzu verlässliche Daten zu gewinnen, hat EMNID im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung und der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) eine repräsentative Befragung durchgeführt. Bewusst wurde die Frage dabei so offen formuliert, dass sie sich nicht nur auf das „Berliner Neutralitätsgesetz“ bezieht, das in weiten Teilen Deutschlands kaum bekannt ist. Zudem wurde die Frage auf Lehrkräfte begrenzt, um die ohnehin komplizierte Fragestellung durch den Verweis auf Richter oder Polizisten nicht noch schwieriger zu gestalten.

Die Frage, die EMNID stellte, lautete: „Es wird ja verschiedentlich über das sichtbare Tragen von religiösen Symbolen oder Kleidungsstücken wie Kopftuch, Kreuz oder Kippa in öffentlichen Schulen diskutiert. Wie ist Ihre Einstellung zu einem Gesetz, demzufolge Lehrkräfte in öffentlichen Schulen KEINE sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole oder Kleidungsstücke wie Kopftuch, Kreuz oder Kippa tragen dürfen?“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung konnten diese Frage mit „Befürworte ich“ oder „Lehne ich ab“ beantworten.

Auch wenn in einzelnen Untergruppen der Ergebnisse die Anzahl der Befragten relativ gering ist, lassen sich bei der Beantwortung der Frage interessante Tendenzen benennen. So finden sich die Befürworter einer strikten Neutralität im Staatsdienst eher im Westen der Republik (50 vs. 41) sowie unter Männern (53 vs. 41). Die jüngeren Altersgruppen sind entweder unentschieden (46 vs. 46) oder lehnen eine solche Regelung mehrheitlich ab (42 vs. 52), während die Älteren mehrheitlich ein Verbot sichtbarer religiöser Symbole und Kleidungsstücke im schulischen Unterricht befürworten (56 vs. 35 / 49 vs. 42 / 52 vs. 42).

Hinsichtlich der formalen Bildungsabschlüsse befürworten die Schüler (52 vs. 41), die Hauptschüler (47 vs. 41) und vor allem die Befragten mit einem mittleren Bildungsabschluss (58 vs. 39) eine solche gesetzliche Regelung, während die Befragten mit Abitur oder Studium das mehrheitlich ablehnen (41 vs. 53).

Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit befürworten die Konfessionsfreien eine Neutralitätsregelung (55 vs. 40) während die Kirchenmitglieder eher unentschieden sind (Katholiken: 44 vs. 42, Evangelische: 47 vs. 50).

Hinsichtlich der Regionen in Deutschland äußern sich überdurchschnittlich viele Befürworter eines Neutralitätsgesetzes in Berlin (59 vs. 31), in den nördlichen drei der östlichen Bundesländer (56 vs. 42), in Hessen (55 vs. 40) und in Baden-Württemberg (54 vs. 38). In den drei nördlichen der westlichen Bundesländer stellen die Befürworter ebenfalls die Mehrheit (50 vs. 43), ebenso wie in Bayern (45 vs. 39), wobei auffällt, dass der Anteil der Unentschiedenen in Bayern besonders hoch ist (16 Prozent). In Nordrhein-Westfalen besteht eine leichte Mehrheit der Ablehnenden (46 vs. 48), während Sachsen und Thüringen eine Sonderrolle spielen – mit 62 Prozent, die ein Verbot religiös-weltanschaulicher Symbole ablehnen, und nur 32 Prozent, die ein solches Verbot befürworten. Vermutlich ist dies nicht darauf zurückzuführen, dass ausgerechnet in den „PEGIDA-Hochburgen“ Sachsen und Thüringen ungewöhnlich viele Menschen Lehrerinnen mit Kopftuch begrüßen würden, sondern darauf, dass ihnen die im Berliner Neutralitätsgesetz verankerte Gleichbehandlung von Kopftuch und Kreuz missfällt.

In der Regionsgrößenklassen/Zahl der Einwohner sind die Einwohner von Großstädten unentschieden (46 vs. 45), während die Einwohner von Regionen mit geringeren Einwohnerzahlen mehrheitlich zu den Befürwortern eines Neutralitätsgesetzes zählen (58 vs. 38 / 53 vs. 41 / 51 vs. 41).

Bezogen auf die „Politische Stimmung“ einer geäußerten Wahlpräferenz äußern die Sympathisanten von CDU/CSU (40 vs. 54), der Bündnis90/DieGrünen (46 vs. 52) ebenso wie die der LINKE (45 vs. 51) mehrheitlich ihre Ablehnung einer gesetzlichen Regelung der religiösen Neutralität im Schuldienst. Die Sympathisanten der SPD befürworten mehrheitlich (48 vs. 41) eine solche Regelung, ebenso wie die Mehrheit der großen Gruppe der Nichtwähler (53 vs. 39) und der FDP (54 vs. 40).

Auch wenn die Abstände zwischen den Befürwortern einer gesetzlichen Regelung und denjenigen, die das ablehnen, nicht allzu groß sind – was dafür spricht, dass die regionalen Unterschiede stark variieren können -, sind sie doch eindeutig in der Mehrheit der Befürworter. Besonderes Schwergewicht dabei haben die Älteren (und vor allem die mittlere Altersgruppe der 40-49 Jährigen), die Befragten mit einem mittleren Bildungsabschluss, die Konfessionsfreien und vor allem die Nichtwähler.

Eine Hypothese, dass die Konfessionsfreien eine wesentliche Rolle in diesem Diskurs spielen könnten, wäre zu prüfen. Sie ist aber eher unwahrscheinlich, da – wie andere Untersuchungen ergeben haben – die Anteile der Konfessionsfreien unter den Sympathisanten der Bündnis90/Die Grünen und der Partei DIE LINKE besonders hoch sind, die sich in dieser Umfrage mehrheitlich gegen eine gesetzliche Neutralitätsregelung ausgesprochen haben.

(CF)