Realität und Wahrnehmung in 14 Ländern
Meinungen und Stimmungen werden davon beeinflusst, wie wir unsere Umwelt und die Gesellschaft wahrnehmen. Diese Wahrnehmungen beruhen häufig auf Annahmen, die mit der Realität - mehr oder minder ausgeprägt - nicht übereinstimmen. Den höchsten Grad der „Ignoranz“ gegenüber der Realität findet sich bei Italienern, gefolgt von US-Amerikanern, Süd-Koreanern und Polen.
Die internationale IPSOS MORI – Gruppe, mit Zentrum in London, recherchiert seit 2014 eine Studienreihe „Perils of Perception“ (etwa „Gefahren der Wahrnehmung“), in der die Unterschiede zwischen der gesellschaftlichen Realität und der Wahrnehmung bei den Befragten erfasst wird.
In der Studie „Perils of Perception 2014“, deren Daten zwischen dem 12. Bis 26. August 2014 erhoben wurden, geht es u. a. um die Anteile von Migranten, von Muslimen, Christen, Arbeitslosen und älteren Mitbürgern.
In allen teilnehmenden Ländern wird der Anteil der Migranten an der Bevölkerung überschätzt. In Italien um das Vierfache (Annahme 30 %, Realität 7 %), in den USA, Belgien und Frankreich um das etwas Dreifache. Bemerkenswert sind zudem die Differenzen in Ungarn (16 % vs. 2 %) und Polen (4 % vs. 1,75 %).
Ebenso wird der Anteil der Muslime in allen Ländern zu hoch geschätzt. Besonders stark sind diese ‚Überschätzungen‘ in Frankreich und Belgien.
Während in Süd-Korea, Japan und Ungarn der Anteil der Christen an der Bevölkerung überschätzt wird, wird dieser Anteil von den Briten, den Kanadiern und den US-Amerikanern unterschätzt.
In allen Ländern wird der Anteil der Über-65-Jährigen deutlich überschätzt. Am stärksten in Italien und Polen.
Die größte Differenz zwischen der tatsächlichen Arbeitslosenquote und der individuellen Wahrnehmung zeigt sich in Süd-Korea (Achtfach), den USA (Fünffach), gefolgt von weiteren Ländern mit vierfacher Überschätzung.
„Index der Ignoranz“
Aus den Antworten auf insgesamt acht Fragen und Einschätzungen sowie ihrer Abweichungen von der Realität haben die IPSOS-Forscher einen „Index of Ignorance“ errechnet.
Als Spitzenreiter, das heißt, mit den größten Unterschieden zwischen den Annahmen/Meinungen und der Realität werden die Italiener genannt, gefolgt von den US-Amerikanern, den Süd-Koreanern und den Polen. Ungarn, Frankreich und Kanada folgen auf den weiteren Plätzen.
Der Frage, wie diese Diskrepanzen entstehen, wird in der Studie nicht nachgegangen. Vermutlich ist es eine Mischung aus formaler Bildung, medialer Berichterstattung, Emotionalisierung eines Themas, Vorurteilen und sich jeweils verstärkendem ‚Gruppen-Wissen‘.
Politische Bedeutung erhalten aber diese Annahmen, weil sie für den Einzelnen seine Realität abbilden, egal ob es stimmt oder nicht.
Es wäre eine Hypothese, dass Politiker wie Silvio Berlusconi (in Italien) und Donald Trump (in den USA) durch eine dort verbreitete Haltung, „Was schert mich die Realität“ befördert werden.