Affenhaltung in Zoos
Die Tierhaltung in Zoos ist nicht ohne Widerstreit. Pointiert wird die generelle Auseinandersetzung an der Haltung von Menschenaffen thematisiert, die von Tierschutzorganisationen aus ethischen Gründen abgelehnt, von Zooleitungen verteidigt wird. YouGov hat dazu - im Auftrag des Great Ape Project (GAP) – sechs Fragen gestellt, die verschiedene Facetten des Umgangs des Menschen mit Affen thematisieren.
Einführung
1. Menschenaffen in Zoos?
2. Affen in Zoos?
Exkurs: Zoobesuch?
3. Affen als Haustiere?
4. Affen im Zirkus?
5. Affen in der Pharmaindustrie?
Zwischenfazit
6. Menschenaffenhaus im Krefelder Zoo?
Einführung
Zoos – gemeinhin auch „Zoologische Gärten“ genannt, in Analogie zum „Botanischen Garten“, in dem Pflanzen kultiviert und ausgestellt werden – sind vor allem eine Erfindung des späten 19. Jahrhunderts, als damit begonnen wurde, ‚exotische‘ Tiere (und Menschen) der Schaulust des städtischen Publikums öffentlich darzubieten und wie eine Ware auszustellen. Als mit „Hagenbecks Tiergarten“ 1907 der „erste gitterlose Tierpark“ eröffnet wurde, blieben jedoch u. a. die Affen in Käfigen – hinter dicken, ausbruchssicheren Glasscheiben. Es war für die Großeltern eine schöne Gelegenheit mit den Enkelkindern in den autofreien „Tiergarten“ zu gehen. Dort gab es neben einem großen Kinderspielplatz ein Eiscafé und die Kleinen hatten ihren Spaß mit den Affen, vor allem den Schimpansen, ‚Grimassen zu schneiden‘. Diese Sichtweise ist jedoch im Wandel. Tierschutzorganisationen stellen diese Art der Tierhaltung seit Jahrzehnten in Frage, insbesondere im Zuge des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) von 1973.
Menschenaffen zählen seit je zu den Hauptattraktionen hiesiger Zoos. Schon seit den 1980ern wird kontrovers diskutiert, ob es ethisch überhaupt vertretbar ist, Primaten, die sich in kognitiver, emotionaler, sozialer und kommunikativer Hinsicht vom Menschen allenfalls graduell unterscheiden, hinter Eisengittern und Panzerglas einzusperren und gegen Entgelt zur Schau zu stellen. Dennoch ist es bis heute legal, dies zu tun: In nicht weniger als 34 Zoos hierzulande werden hunderte von Orang Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos einem zahlenden Publikum vorgeführt (wie man das bis herauf in die 1930ern auch mit eigens zu diesem Zweck importierten „wilden Menschen“ gemacht hat).
Das Great Ape Project (GAP) fordert „Grundrechte für Menschenaffen“ in allen gesellschaftlichen Bereichen und hat dazu aktuell durch das Marktforschungsinstitut YouGov die Auffassung der Bevölkerung hinsichtlich des Umgangs mit Affen erfragen lassen: in Zoos, als Haustiere, im Zirkus und in der Pharmaindustrie.
1. Menschenaffen in Zoos?
Auf die Frage: „Wie stehen Sie zur Haltung von Menschenaffen (Schimpansen, Gorillas, Orang Utans u.a.) in Zoos?“ antwortet die Mehrheit der Befragten (52 Prozent), dass sie dieser Haltung „negativ gegenüber“ stehen (34 Prozent) bzw. das „rundheraus ablehnen“ (14 Prozent). 28 Prozent der Befragten stimmen der Haltung zu und sehen das „positiv“ (23 Prozent) bzw. „befürworten das sehr“ (5 Prozent).
Folgt man der Logik von politischen Abstimmungen (wie bei Parlamentswahlen) wären die ‚Meinungslosen‘ wie ‚Nichtwähler‘ zu betrachten und die Basis der Auszählung begrenzt sich auf die ‚gültigen Stimmen‘, die eine Meinung geäußert haben. In dieser Logik (in Tabelle 1.1. die Zeilen 10 und 11) sind es zwei Drittel (65 Prozent), die eine Haltung von Menschenaffen ablehnen und ein Drittel (35 Prozent), die dem zustimmen.
Zwischen Männern und Frauen besteht insofern ein signifikanter Unterschied (d. h. die Abstände der Anteile liegen außerhalb der Fehlertoleranz), dass die Frauen sich mit deutlicher Mehrheit (56 Prozent) ablehnend äußern, während die Männer das weniger ausgeprägt sehen (49 Prozent).
Ebenso deutlich sind die Unterschiede in den Altersgruppen: Je älter die Befragten sind, desto positiver sehen sie die Haltung von Menschenaffen in Zoos. Sind es bei den 18-24-Jährigen nur 18 Prozent, so sind es, in ansteigender Tendenz, bei den 55-Jährigen und Älteren 33 Prozent. Die Ablehnung beträgt entsprechend bei den Jüngeren 58 Prozent, bei den Ältesten 52 Prozent. Zählt man nur diejenigen, die eine Meinung zum Thema artikuliert haben, liegt die Ablehnung der Affenhaltung in Zoos bei den 18-24-Jährigen sogar bei 76 Prozent.
Hinsichtlich der Schulabschlüsse zeigen sich in den Einstelllungen keine signifikanten Unterschiede. Die hohe Ablehnung bei denen, die sich noch in schulischer Ausbildung befinden, bestätigt die Tendenz, dass die Jüngeren sich stärker ablehnend gegen die Haltung von Menschaffen in Zoos äußern.
Die Frage der Religionszugehörigkeit spielt insofern eine Rolle, da die Konfessionsfreien die einzigen sind, die sich signifikant überdurchschnittlich (58 Prozent) ablehnend äußern. Während die römischen Katholiken und die Muslime im Gesamttrend liegen (54 bzw. 50 Prozent Ablehnung), haben die evangelischen Lutheraner eine deutlich überdurchschnittliche positive Einstellung.
In den Parteipräferenzen bei der vergangenen Bundestagwahl sind die Wähler der Partei die Linke und die Wähler von Bündnis90/Die Grünen mit über 60 Prozent in ihrer Ablehnung der Haltung von Menschenaffen in Zoos deutlich von den Wählern der SPD, CDU/CSU und AfD zu unterscheiden, die das überdurchschnittlich positiv sehen. Allerdings bilden auch in diesen Parteien diejenigen, welche die Affenhaltung im Zoo ablehnen die Mehrheit gegenüber denjenigen, die sie begrüßen.
Im Ost-West-Vergleich zeigt sich kein Unterschied in den Auffassungen, während es eine Tendenz gibt, dass mit steigendem politischem Interesse auch die Zustimmung zur Menschenaffenhaltung steigt.
In den Regionen zeigen sich keine signifikanten Unterschiede zu der Gesamtverteilung. Der Unterschied in Berlin ist aufgrund der geringen Befragtenzahl nur eine Tendenz, wobei allerdings anzumerken ist, dass Berlin die einzige Stadt in Deutschland ist, in der zwei Zoos bestehen.
2. Affen in Zoos?
Um abzuklären, ob es einen Unterschied in den Einstelllungen zwischen den Menschenaffen (Schimpansen, Gorillas, Orang Utans u.a.) und anderen Affen (Makaken, Paviane, Meerkatzen u.a.) gibt, wurde das in einer eigenen Frage berücksichtigt. Dabei zeigte sich, dass es keine nennenswerten Unterschiede gibt.
Die Gesamtverteilungen sind annähernd gleich. Die Haltung kleinerer Affen lehnen 50 Prozent der Befragten ab, während sich 29 Prozent zustimmend äußern. Auch hier zeigt sich eine stärkere Präferenz von Frauen, Affenhaltung in Zoos abzulehnen (53 Prozent) sowie eine höhere Ablehnung bei jüngeren Menschen.
Exkurs: Zoobesuch
YouGov hatte sich bereits in einer Umfrage vom Mai 2020 mit Aspekten des Zoobesuchs beschäftigt. Die Mehrheit der Befragten (53 Prozent) war in den vergangenen fünf Jahren 1-4-mal im Zoo gewesen, ein knappes Drittel (31 Prozent) niemals. 60 Prozent derjenigen, die häufig einen Zoo besuchen, gehen mit den eigenen, verwandten oder Kindern von Freunden dorthin. Dies erklärt auch, warum 68 Prozent der Deutschen mit einem Zoobesuch „schöne Kindheitserinnerungen“ verbinden. Allerdings lehnen 32 Prozent den Zoobesuch ab, weil sie die Käfighaltung der Tiere nicht unterstützen wollen.
3. Affen als Haustiere?
Der Haltung von Affen als Haustiere können nur sieben Prozent der Befragten etwas Positives abgewinnen, 82 Prozent lehnen das ab.
Wenn auch auf diesem niedrigen Niveau sind es eher die jüngeren Männer, die sich Affen als Haustiere vorstellen können.
4. Affen im Zirkus?
Affennummern sind bzw. waren ein fester Bestandteil von Zirkusprogrammen. Das wird inzwischen von Dreivierteln der Befragten (75 Prozent) abgelehnt. Und, ebenso wie bei den Haustieren, ist dabei die Gruppe, die das ganz entschieden, also „rundheraus“ ablehnt, die größte Teilgruppe (50 Prozent).
5. Affen in der Pharmaindustrie?
Auch in dem dritten gesellschaftlichen Bereich ist die Ablehnung sehr ausgeprägt. Vier Fünftel der Befragten (81 Prozent) lehnen die Haltung von Affen in der Pharmaindustrie ab. Knapp Dreiviertel der Frauen (72 Prozent) lehnen die Haltung von Affen in der Pharmaindustrie sogar „rundheraus“ ab.
Zwischenfazit
Analysiert man die Antworten auf die fünf Fragen, zeigt sich, dass die Ablehnung der Affenhaltung dort besonders groß ist, wo sie nicht mit „schönen Kindheitserinnerungen“ verknüpft ist. Zwar lehnt die Mehrheit die Befragten auch die Affenhaltung in Zoos ab, aber sie fällt deutlich geringer aus als die Ablehnung der Haltung von Affen als Haustiere, als unfreiwillige Entertainer im Zirkus oder als Versuchstiere in der Pharmaindustrie. Offenkundig sorgen „schöne Erinnerungen“ aus der eigenen Kindheit dafür, dass man dazu neigt, Kinder oder Enkel mit Affen im Zoo „bespaßen“ zu wollen.
6. Menschenaffenhaus im Krefelder Zoo
Zum Hintergrund: In der Silvesternacht 2019/20 ist das Affenhaus des Krefelder Zoos niedergebrannt. Dabei starben über 50 Tiere, darunter ein Schimpanse, zwei Gorillas und fünf Orang-Utans. Nur zwei Menschenaffen überlebten die Brandnacht.
Im März 2021 hatten elf Tierschutzorganisationen eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sowohl der Neubau eines Menschenaffenhaus im Krefelder Zoo als auch die Haltung von Menschenaffen aus ethischen Gründen entschieden abgelehnt wurde.
„Schon kurz nach der Katastrophe gab der Zoo bekannt, ein neues Tierhaus bauen und dort erneut bis zu 40 Menschenaffen ausstellen zu wollen. Dafür soll ein zweistelliger Millionenbetrag investiert werden. Aus Sicht der unterzeichnenden Verbände wäre die Weiterführung der Haltung von Menschenaffen im Sinne des Tier- und Artenschutzes eine gravierende Fehlentscheidung. Menschenaffen sind unsere nächsten Verwandten im Tierreich. Sie sind hoch soziale Individuen mit ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten, einem Ich-Bewusstsein und entsprechender Leidensfähigkeit. […]
Mit den finanziellen Mitteln, die hierzulande für die Zucht und Haltung von Menschenaffen eingesetzt werden, könnten im natürlichen Lebensraum große Flächen über viele Jahre geschützt werden und so wesentlich besser zum Arterhalt beitragen.
Die unterzeichnenden Tier- und Artenschutzverbände lehnen daher den Bau einer neuen Menschenaffenhaltung im Krefelder Zoo aus ethischen Gründen entschieden ab.“
Die Pläne für das neue „Artenschutz-Zentrum Affenpark“ (so die offizielle Bezeichnung des Krefelder Zoos) gingen im November 2021 in die Medien und der Krefelder Zoo nannte (ohne genaues Datum) 2022 als Baubeginn.
Die Umfrage des Great-Ape-Project widmete sich auch dieser Frage: „Wie stehen Sie zum geplanten Neubau eines Menschenaffenhauses im Krefelder Zoo?“. Nicht überraschend ist, dass ein Drittel der Befragten (34 Prozent) „keine klare Meinung“ dazu hatten, da diese spezielle Thematik (Krefeld) nicht unbedingt deutschlandweit beachtet wurde.
Der Anteil der Zustimmung (29 Prozent) ist geringer als die Ablehnung (36 Prozent). Rechnet man diese Verteilungen auf die ‚gültigen Stimmen‘ um (ohne Berücksichtigung von Angaben „keine Meinung“ und „Weiß nicht“), zeigt sich diese Mehrheit noch deutlicher. Von denen, die eine Meinung geäußert haben, sind 53 Prozent gegen den Neubau. Nur in der Gruppe der Ältesten (Befragte ab 55 Jahren – der zahlenmäßig größten Altersgruppe der Befragung) gibt es eine leichte Mehrheit für den Neubau.
Während Frauen und Männer sich in den Verteilungen nicht unterscheiden, gibt es eine ausgeprägte Altersverteilung. Je älter die Befragten sind, um so höher ist der Anteil der Zustimmung bzw. je jünger die Befragten sind, desto ausgeprägter ist die Ablehnung: Bei den 18-24-Jährigen sind dies beachtliche 80 Prozent – was noch einmal zeigt, dass tierethische Argumente in der jüngeren Generation sehr viel stärker verankert sind als bei Älteren. Für die Zukunft ist somit zu erwarten, dass die Ablehnung der Affenhaltung in Zoos noch deutlich schärfer ausfallen wird als heute – was Politikerinnen und Politiker berücksichtigen sollten, wenn sie kostenintensive Projekte wie den Neubau des „Affenparks“ im Krefelder Zoo planen.
(CF)