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Islamic Relief Deutschland

Islamic Relief Deutschland (IRD) ist eine weltweit tätige Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in Köln. IRD versteht sich als Wohltätigkeitsorganisation, die ihr Handeln an islamischen Werten ausrichtet. Aufgrund aktueller Ereignisse besteht Aufklärungsbedarf zu folgenden Fragen: Wie ist diese Organisation entstanden? Wie finanziert sie sich? Wie ist sie in die Wohltätigkeitsbranche eingebunden? Ist sie Teil eines größeren politisch-missionarischen Netzwerkes? Der nachfolgende Artikel versucht, diese Fragen zu beantworten.

Von Carsten Frerk.

1. Das Fundament
2. Die Gründung von Islamic Relief
3. Islamic Relief Deutschland
4. Partner und Netzwerke
5. Muslimisches Seelsorgetelefon
6. Speisen für Waisen
7. Finanzdaten
8. Muslimbruderschaft / HAMAS / Antisemitismus
9. Fazit

1. Das Fundament

1.1. Zakat, die religiöse Sozialabgabe

Gläubige Muslime sollen die „Fünf Säulen des Islam“ achten: 1. Schahada/Glaubensbekenntnis, 2. Salah/Rituelles Gebet, 3. Zakat/Religiöse Sozialabgabe, 4. Sawm/Fasten im Ramadan, 5. Hadsch/Pilgerfahrt. Angemessenes Spenden (Zakat) bildet demnach die dritte Säule der religiösen Grundpflichten. Die Höhe der Spende ist dabei nicht beliebig, sondern kann genau berechnet werden. Dazu schreibt Islamic Relief:

„Alle Muslime, die die Pubertät erreicht haben und mündig sind, sind aufgefordert, Zakat zu zahlen, sobald ihr Besitz einen Mindestbetrag übersteigt. Dieser Nisab [Mindestwert des Vermögens] entspricht dem Wert für 85 Gramm Gold [Mitte Dezember 2020: rund 4.200 Euro]. Liegt das Vermögen, das Sie ein Mondjahr lang besitzen, über diesem Wert, geben Sie 2,5 Prozent Ihres Vermögens als Zakat an Bedürftige ab. Berechnen Sie Ihre Zakat ganz einfach online. Wir unterstützen Sie und beraten Sie gerne persönlich.“

Die hohe religiöse Bedeutung dieser Spende wird mit Koranstellen veranschaulicht, in denen ausdrücklich auf die Almosensteuer Bezug genommen wird. Ein Beispiel:

„Denen, die glauben und tun, was recht ist, das Gebet verrichten und die Almosensteuer geben, steht bei ihrem Herrn ihr Lohn zu, und sie brauchen (wegen des Gerichts) keine Angst zu haben, und sie werden (nach der Abrechnung am jüngsten Tag) nicht traurig sein.“ (Koran 2: 277).

Nach einer Berechnung von Islamic Relief sind es für 30.000 Euro Vermögen (Ersparnisse, Grund- und Immobilienbesitz, etc. abzüglich der Schulden, Kredite) 750 Euro, bei 100.000 Euro Vermögen sind es jährlich 2.500 Euro als Zakat-Spende.

Sofern das gut organisiert wird, ist es eine beständige Geldquelle, denn aus der freiwilligen Spende wird eine zumindest moralische Pflichtabgabe, die durchaus der berechenbaren christlichen Kirchensteuer gleicht. (Die muslimischen 2,5 Prozent des Vermögens entsprechen in etwa den 8 bis 9 Prozent der christlichen Kirchensteuer in Deutschland auf die Einkommenssteuer der Kirchenmitglieder).

Der wesentliche Unterschied dazu besteht in der fehlenden Anbindung an staatliche Informationsquellen über die Einkommensverhältnisse der Religionsmitglieder – wodurch automatisch alle steuerpflichtigen Mitglieder erfasst sind (Überlassung der staatlichen Steuerunterlagen). Das Defizit der Spendeneinnahmen muss daher durch einen entsprechend hohen Werbeaufwand ausgeglichen werden. Aus diesem Grund starten muslimische Organisationen immer wieder PR-Kampagnen, die weit in den Alltag der Muslime hineinreichen, wie es der Tagesspiegel für IRD in Berlin beschreibt:

„Sie gehören ganz selbstverständlich zum Inventar: In vielen Geschäften in Kreuzberg und Neukölln stehen Spendendosen, auf denen eine Moschee mit zwei Minaretten abgebildet ist – das Symbol der muslimischen Hilfsorganisation ‚Islamic Relief‘. Die Besitzer der Läden sind meist selbst Muslime. Ebenso die meisten, die Geld hineinwerfen.“

Da dieses Spendenprinzip zur Finanzierung für alle Muslime gilt, ist IRD nur eine unter mehreren muslimischen Spenden-/Hilfsorganisationen. Daneben bestehen noch u. a.:

1.2. Weitere Spendensammlungen

Der Zakat ist als „dritte Säule des Islam“ zwar die wesentliche Einnahmequelle, aber daneben gibt es noch „freiwillige, religiöse Spenden“ („Aus Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer“), die auch so weitergegeben werden. Rund die Hälfte und mehr der direkten Projektförderungen von Islamic Relief Deutschland (IRD) gehen in exklusiv muslimisch-religiöse Zusammenhänge. Ramadan (Iftar-Lebensmittelpakete, die u. a. in den Moscheen verteilt werden), Kurban (Fleisch von Opfertieren), Adak (Dank für erfüllte Wünsche) und Aqiqa (Dank für die Geburt eines Kindes) dienen der Festigung und Bestärkung des Glaubens, ebenso wie andere Spendenaufrufe (für Waisen, Frauen, Nothilfen, u. a. m.) Zu den Größenordnungen dieser verschiedenen Einnahmequellen werden jedoch keinerlei Angaben publiziert.

1.3. Wes Brot ich ess, …

Eine alte und bewährte Strategie des sozial-politischen Handels war schon den Politikern im alten Rom und im Mittelalter bekannt: „Cuius enim panem manduco, carmina canto“ (lateinisch), „Whose bread I eat, his song I sing“(englisch), „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ (deutsch).

Diesem Prinzip folgen nicht nur, aber vor allem, die religiösen Hilfsorganisationen, indem sie auf den von ihnen überreichten Kartons, Tüten, Reissäcken, Zelten, Transparenten groß und gut sichtbar den Schriftzug und/oder das Logo ihrer Organisation aufbringen und die MitarbeiterInnen in einer unübersehbaren ‚Corporate Identity‘ entsprechende Kleidung tragen. Bei Islamic Relief ist diese Strategie nicht nur stark ausgeprägt, sondern die Wort-Bild-Marke ist unmissverständlicher religiöser, als man es von den heutigen christlichen Hilfs- und Missionswerken kennt. Die beiden überragenden Minarette in der Bildmarke machen auf Anhieb deutlich, um was für eine Organisation es sich handelt.


2. Die Gründung von Islamic Relief (Worldwide)

2.1. Die Geschichte: Personen und Organisationen.

„Islamic Relief wurde 1984 in Birmingham von zwei dem sunnitischen Islam zugehörigen Medizin-Studenten als Reaktion auf die Hungersnot im Horn von Afrika [Sudan, Äthiopien] gegründet.“ Aktuell bestehen 100 Büros in 40 Ländern und Islamic Relief Worldwide beschreibt sich in der Selbstdarstellung als „eine der größten islamischen NGOs der Welt“.

„Im Laufe von 34 Jahren ist Islamic Relief durch die Gnade Allahs (SWT) zu einer der größten islamischen NGOs der Welt herangewachsen. Mit Blick auf die Zukunft sind wir stets bestrebt, zu lernen, uns weiterzuentwickeln und unsere Arbeit zu verbessern, um den Bedürftigsten zu helfen. Unser Ziel ist es, dies alles im Einklang mit unseren Schlüsselwerten zu tun, die wir unserem islamischen Glauben entnommen haben: Mitgefühl, Gerechtigkeit, Vormundschaft, Aufrichtigkeit und Exzellenz.“

Dass diese Selbstdarstellung zutrifft, zeigt eine Übersicht (aus dem Jahr 2011) von Marie Juul PetersenIslamizing Aid: Transnational Muslim NGOs After 9.11“. Sie schätzt, dass rund 400 islamische transnationale religiöse NGOs bestehen. (Die „Union of NGOs of the Islamic World“ nennt 354 Organisationen, darunter auch Islamic Relief.) Zu den größten Organisationen in diesem Feld (mit den Jahresdurchschnitten der Budgets 2005 – 2009) zählen 23 Organisationen, mit einem Gesamtbudget von 341 Mio. USD.

Die erste Gründungs-Spende soll 1984, der Legende nach, mit 20 Pence von dem neunjährigen Bassem, dem Neffen von Hany El-Banna erfolgt sein. Die Gründer von Islamic Relief Worldwide (IRW) waren, entsprechend dem NGO Monitor, Hany El-Banna und Essam El-Haddad.

Zur Erläuterung, in welchem Kontext die IRW entstanden ist, seien die Hintergründe von vier Personen kurz skizziert, die im Jahresbericht 2009 von Islamic Relief Worldwide, als die vier wichtigsten „Trustees /Directors“ genannt werden: Dr. Mohammed El-Alfy (Vorsitzender), Dr. Essam El-Haddad, Nader Al-Nouri und Ibrahim El-Zayat.

Für Hany El-Banna (Ägypter, Jg. 1950) gibt es auf der britischen Kontaktplattform Linkedin eine ausführliche Selbstdarstellung. Darin heißt es u. a.

„Ein unermüdlicher Aktivist, Gründer von Islamic Relief, erfolgreicher Hauptredner auf nationaler und internationaler Ebene, mit humanitären Aktivitäten seit 30 Jahren, engagiert in interreligiösem Dialog, Gemeinde- und Jugendarbeit.
Hatte hochrangige Treffen mit Königin Elisabeth II., Prinz Charles, Staatsoberhäuptern, UN-Beamten, nationalen und internationalen Regierungsvertretern, Prinzen und Prinzessinnen des Nahen Ostens sowie anderen VIPs.“

In dieser Selbstdarstellung wird nicht erwähnt, dass er ein „OBE“ ist (Member of the Order of the British Empire), sondern nur sachlich die Abfolge seiner Tätigkeiten genannt: Bachelor der Medizin und Diplom in Islamische Studien an der Al Azhar Universität in Kairo, Doktor der Medizin an der Universität Birmingham. 1977-1994 Arbeit als Arzt, 1984-1999 Gründungsmitglied und Treuhänder von Muslim Aid UK, 1984–2008 Gründer und Präsident von Islamic Relief Worldwide, seit Juli 2008 Vorsitzender des Internationalen HIV Fonds, seit November 2008 Vorsitzender des Muslim Charities Forum, seit 2009 Vorsitzender des Zakat House.

Nach Darstellung des Middle-East-Forums in einem Dossier zu Islamic Relief „Charity / Extremism / Terror“ ist Hany El-Banna seit seinen Studienzeiten im Netzwerk der Muslimbruderschaft aktiv.

„Hany El-Banna OBE - Gründer von Islamic Relief und ehemaliger Treuhänder mehrerer Wohltätigkeitsorganisationen, denen Verbindungen zu islamistischem Extremismus und Terror vorgeworfen werden. El-Banna gründete Islamic Relief, während er als Student in Kreisen der Muslimbruderschaft aktiv war. Im Jahr 2016 gab El-Banna ein Interview mit Al-Aqsa Voice, dem offiziellen Radiosender der Terrorgruppe Hamas, in dem er zu einer ‚starken Koalition‘ zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Hamas-Regierung aufrief, um ‚alle ausländischen Ideen und bösartigen Eindringlinge abzuwehren.‘“

Essam El Haddad - Mitbegründer von Islamic Relief und außenpolitischer Berater des (inzwischen abgesetzten und verstorbenen) ägyptischen Muslimbruderschaftspräsidenten Mohamed Morsi. Die ägyptische Strafverfolgung behauptet, dass Haddad Islamic Relief benutzt hat, um die ägyptische Muslimbruderschaft zu finanzieren. Die ägyptische Staatsanwaltschaft behauptete auch, dass Haddad „Terrorismus finanzierte, indem er globale Wohltätigkeitsorganisationen wie Islamic Relief benutzte.“

Nader Al Nouri – ein in Europa nicht so bekannter, aber deshalb nicht unwichtigerer Mann:

„Scheich Nader Al-Nouri, einer der prominentesten Führer der Da`wah und der Wohltätigkeitsarbeit in Kuwait, Vorsitzender der `Abdullah Al-Nouri Charity Society und ehemaliger Vorsitzender des Islamic Presentation Committee in Kuwait (IPC) […] ist einer der Begründer der islamischen Bewegung in Kuwait. Er war ein Gefährte von Scheich ‚Abudllaah Al-Mutawa‘ (Abu Badr), dem Vorsitzenden der Social Reform Society. Er hatte mit seiner Bescheidenheit, Askese, seinem Wissen und seinen Umgangsformen eine große Wirkung auf die Jugend des Erwachens.“

Oder wie es die RAND-Corporation (2015) in dem Bericht „Foreign financing of Islamic institutions in the Netherlands“ (auf S. 66) schreibt:

„Laut einer unabhängigen Nachrichtenquelle war der kürzlich verstorbene Gründer der Gesellschaft, Scheich Nader Abd Al Azziz Al Nouri, ein Gründungsmitglied des Kuratoriums der in Großbritannien ansässigen Islamic Relief Worldwide. Unter seiner Herrschaft und seit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 2001 hatte die Al Nouri Charity Society in 73 Ländern gearbeitet: Davon lagen nur Großbritannien, Deutschland und die Niederlande in Westeuropa.“

Ibrahim El-Zayat (Jg. 1968), ein Deutscher, spielt ebenfalls eine Rolle. Nach den Angaben im Company House (Handelsregister) war Ibrahim El -Zayat vom 15. Februar 1998 bis zum 13. Juli 2015 Kuratoriumsvorsitzender („Chairman Board of Trustees“) von Islamic Relief Wordwide (IRW) und vom 16. Januar 2005 bis zum 17. September 2017 Direktor von Islamic Relief (UK). In der Funktion als Vorsitzender des Kuratoriums von IRW unterzeichnet El-Zayat z. B. 2014 „eine bahnbrechende Vereinbarung mit der Afrikanischen Union“ zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Armut und den Auswirkungen von Katastrophen in Afrika. In Südafrika ist Ibrahim Farouck El-Zayat (lt. Jahresbericht 2019 von IR Südafrika) einer der fünf Direktoren der dortigen Organisation in Kapstadt. In Australien ist El-Zayat (entsprechend dem Jahresbericht 2020) Mitglied des Kuratoriums („Trustees“) von Islamic Relief Australia.

Ibrahim El-Zayat hat eine Vielzahl von Verbindungen zu Organisationen, die der Muslimbruderschaft (MB) zugeordnet werden, wie beispielsweise der Federation of Islamic Organisations in Europe (FIOE), der Federation of Muslim Youth and Students Organisations (FEMYSO), war Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD), die sich in Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) umbenannt hat und jede personelle oder organisatorische Verbindung zur MB abstreitet.

Drei der vier dargestellten Personen von Islamic Relief Worldwide aus der Gründungszeit werden direkt oder indirekt dem MB-Netzwerk zugeordnet.

Es gibt zahlreiche weitere Anhaltspunkte. Zwei Beispiele:

Khaled Lamada - Vorsitzender der USA-Niederlassung von Islamic Relief und Gründer der Egyptian Americans for Democracy and Human Rights (EADHR). Sie gilt als wichtige Lobbygruppe der Bruderschaft in den USA. Lamada schrieb und teilte Facebook-Posts meist auf Arabisch und verbreitete Texte, in denen er den „Dschihad“ der „Mudschahidin von Ägypten“ dafür lobte, „den Juden viele Niederlagen zuzufügen.“ Er hat auf Facebook Behauptungen veröffentlicht, in denen er die HAMAS dafür lobt, dass sie dem „zionistischen Gebilde“ eine „riesige Niederlage“ zugefügt hat.

Ahmed Al-Rawi - ein ehemaliger Direktor von Islamic Relief Worldwide, der auch als Direktor der Muslim Association of Britain fungierte, die der Daily Telegraph als die „wichtigste britische Zweigstelle der Muslimbruderschaft“ bezeichnet hat. Im Jahr 2004 unterzeichnete Al-Rawi eine Erklärung zur Unterstützung des Dschihad gegen die britischen und amerikanischen Streitkräfte im Irak.

Dieser Bezug auf Personen hat einen einfachen Grund: Die Mitgliedschaft von Organisationen in MB-Netzwerken wird weitestgehend geleugnet, von vielen Personen ebenso. Man nähert sich also einer Organisation, deren Intransparenz intentional ist. Die Erwartung, man würde in Westeuropa eine ähnliche, formal und straff organisierte und geführte Organisation vorfinden, wie seinerzeit in Ägypten oder Jordanien, geht ins Leere. Lorenzo Vidino hat es in “The Muslim Brotherhood in the West: Evolution and Western Policies” (S. 8-9) als informelles „Netzwerk persönlicher Beziehungen“ charakterisiert:

„Im Wesentlichen besteht die westliche Bruderschaft aus Verbindungen und Kollaborationen, die um ein Netzwerk persönlicher Beziehungen herum aufgebaut werden. Sie entspricht kaum einem wohldefinierten Masterplan oder einer fein abgestimmten Verschwörung, sondern entsteht aus der Interaktion einer kleinen Gruppe von klugen, gebildeten und motivierten Individuen. Es handelt sich im Wesentlichen um ein recht kleines, informelles Netzwerk von Aktivisten, die durch Heirat, geschäftliche Beziehungen, alte Freundschaften und vor allem durch eine gemeinsame Vision miteinander verbunden sind. Jede Organisation, die der Bewegung angehört, agiert unabhängig und passt ihre Handlungen an das Umfeld an, in dem sie tätig ist, aber ein Fundament von gemeinsam akzeptierten Prinzipien und Zielen verbindet sie alle.
Es ist daher vielleicht korrekter, von den Bruderschaften im Westen als ‚New Western Brothers‘ zu sprechen. Der Begriff ‚Brüder‘ weist darauf hin, dass diese Netzwerke verschiedene Verbindungen zur Muslimbruderschaft haben, deutet aber keineswegs darauf hin, dass die im Westen operierenden Organisationen durch ein Abhängigkeitsverhältnis mit dem ägyptischen oder einem anderen nahöstlichen Zweig der Bruderschaft verbunden sind.“

Eine detaillierte Darstellung von Islamic Relief, mit umfangreichen Verlinkungen und Belegen für die Zugehörigkeit zum MB-Netzwerk, ist die Studie des Middle East Forums: „Islamic Relief: Charity, Extremism / Terror.“ (Ein Hinweis zum Middle East Forum: die Darstellung des Middle East Forums auf Wikipedia als „islamfeindlicher Think Tank“ beruht auf einem Artikel in ZEIT-ONLINE „Stresemann-Stiftung erhielt Geld rechter US-Finanziers“, der mit dem nebulösen Kernsatz: „Das belegen Dokumente, die ZEIT ONLINE vorliegen.“ die AfD ins Spiel bringt. Ein zweiter Nachweis wird angeführt, der aus einem Beitrag im „Militarist Monitor“ aus dem Jahr 2015 stammt.

2.2. Finanzierung

In einer IRW-eigenen grafischen Darstellung wird sichtbar, dass die Anfangsjahre Zeiten mit geringen Einnahmen waren. Erst nach zwanzig Jahren des Bestehens wird erstmalig 2005 die 20-Millionen-Pfund-Marke an Einnahmen überschritten.

IRW publiziert detaillierte Jahresberichte, die über verschiedenste Aspekte der Arbeit und der Finanzierung informieren. Kern sind die aufgeschlüsselten Einnahmen/Ausgaben, mit weiteren Informationen.

In den dargestellten 12 Jahren (von 2008–2019) steigen die Einnahmen von IRW von 48 Mio. Pfund (2008) auf 144 Mio. Pfund (2019). Das ist eine Verdreifachung.

Eine Aufschlüsselung nach den „Quellen“ (Spenden, andere eigene Aktivitäten, institutionelle Zuschüsse) zeigt die Steigerung der Einnahmen aus den Zuweisungen der IR-Partner-Organisationen, die von 63,5 Prozent der Einnahmen auf 78,5 Prozent ansteigen.

Mit anderen Worten: Im Laufe der vergangenen zwölf Jahre ist die Abhängigkeit des IRW von institutionellen, zumeist staatlichen Projektzuschüssen gesunken und beläuft sich 2019 nur noch auf 13,4 Prozent. Die IRW-Partner-Organisationen, sozusagen die ‚Islamic-Relief Familie‘, wird selbstständiger. Unter den IR-Partnern haben die Überweisungen von Islamic-Relief-USA den größten Anteil.

Auch wenn die Überweisungen von IR-USA an IRW relativ geringer geworden sind, bleiben die IR-Partner in den USA, Kanada, Schweden und Deutschland mit Abstand die vier größten Finanzierer.

Zu dieser Übersicht der Partnerorganisationen schreibt IRW (im Jahresbericht 2019, S. 77), wie die Konstruktion zwischen IRW und den Partnern aussieht:

„Alle Partner sind eigenständige juristische Personen, die vor Ort in ihrem jeweiligen Land Bericht erstatten. Diese Beträge stellen die an Islamic Relief Worldwide überwiesenen Beträge dar, die für die Projekte von Islamic Relief Worldwide  verwendet werden.“

Das heißt also, dass die nationalen IR-Organisationen transparent darstellen müssen, was sie über und für IRW-Projekte leisten und was ausschließlich ihre eigenen Projekte sind.

Allerdings wird die Art der Geschäftsbeziehung zwischen IRD und IRW als „eigenständige Partner“ auch anders gesehen. So beschreibt das Muslimische Seelsorgetelefon, dessen alleiniger Träger Islamic Relief ist, dass Islamic Relief Deutschland als Spendensammler für Islamic Relief Worldwide aktiv ist.

„Islamic Relief Deutschland übernimmt von Islamic Relief Worldwide einzelne Entwicklungsprojekte mit dem Ziel, Spenden für die Finanzierung der Projekte zu akquirieren. Darüber hinaus sammeln Islamic Relief Deutschland Spenden für Islamic Relief Worldwide-Aufrufe in Krisenzeiten. Durch langfristige Fundraising-Aktivitäten in Deutschland ist Islamic Relief Deutschland in der Lage, die übernommenen Entwicklungsprojekte zu finanzieren.“

Diese IR-Partner sind jedoch nicht die einzigen Geldgeber. In der Darstellung des NGO Monitor, die sich auf die Listen des „Financial Tracking Service“ der UNOCHA (dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) bezieht, erhält IRW finanzielle Zuwendungen aus verschiedensten Quellen auch in Europa, z. B. von der Europäischen Kommission (für Hilfen im Sudan) und der deutschen Bundesregierung (für Hilfen in Syrien), aber auch vom Lutherischen Weltbund oder der Katholische Kirche Irlands.

Unter den Zuwendungsgebern aus Europa für IRW hat Deutschland (mit 12,6 Mio. USD) den absoluten Spitzenplatz, gefolgt von Islamic Relief Frankreich (mit 7,9 Mio. Euro) und Schweden (mit 6 Mio. USD). Das ist jedoch nur der europäische Ausschnitt aus den Zuwendungen. Auf den Seiten der UNOCHA lässt sich auch eine Übersicht über die staatlichen Gesamtzuwendungen pro Jahr für Islamic Relief Worldwide recherchieren.

In dieser Hinsicht ist anzumerken, dass eine Darstellung „Das Auswärtige Amt in Deutschland zahlt an Islamic Relief …“ nicht den Sachverhalt trifft, zumindest aus staatlicher Sicht. Es werden, z. B. von Organisationen der Vereinten Nationen, Hilfsprogramme für jeweilige Staaten und Notsituationen formuliert, mit recht genau genannter Zweckbindung, z. B. der „ 2018 Humanitarian Response Plan (HRP)“ der UNCHR (dem Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen) für Syrien. Für diese Projekte können sich Hilfsorganisationen bewerben oder im Rahmen der Vorgaben selber Projekte formulieren und können dann nach sachlicher Prüfung den Zuschlag und die Finanzierung dafür bekommen. Das Auswärtige Amt hat dazu eine Liste der „Hilfsorganisationen im Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe“ publiziert, in der auch Islamic Relief Deutschland genannt wird. Das ist insofern kein Widerspruch, da ein ehemaliger Außenminister (Frank-Walter Steinmeier) als „Testimonial“ für ein Projekt von IRD auftritt.

Vom Auswärtigen Amt heißt es dann in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP (Bundestagsdrucksache 19/24269 vom 13.11.2020), dass die Ausgaben zweckgebunden seien:

„Die Zuwendungen des AA an IRD erfolgten im Rahmen von Projektförderungen und waren zweckgebunden für die Umsetzung humanitärer Hilfe in Syrien, insbesondere zur Unterstützung von Gesundheitseinrichtungen mit Medikamenten und medizinischen Verbrauchsmaterialien. Wie alle anderen Zuwendungsempfänger unterlag auch IRD den Vorgaben der Allgemeinen Nebenbestimmungen zur Projektförderung (ANBest-P) und der Besonderen Nebenbestimmungen des AA für die Gewährung von Zuwendungen (BNBest-AA) in der jeweils gültigen Fassung sowie weiteren im Zuwendungsbescheid vorgegebenen Berichtspflichten inhaltlicher und finanzieller Natur. Für jedes geförderte Projekt müssen die Zuwendungsempfänger nach Beendigung des jeweiligen Projekts vollständige Nachweise über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel oder bei überjährigen Projekten auch Zwischennachweise einreichen, anhand derer die Mittelverwendung nachvollzogen werden kann.“

Die Notwendigkeit, sich nicht an staatliche Finanzierungen orientieren zu müssen – wie es bei misereor und Brot für die Welt der Fall ist – beruht auch auf dem offensichtlichen religiös-missionarischen Ansatz von Islamic Relief. Es ist nicht nur der unmissverständliche Namensbestandteil „Islamische Hilfe“, sondern der Aspekt, dass die Spendengelder religiös begründet sind („Aus Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer“) und auch so weitergegeben werden. Rund die Hälfte und mehr der direkten Projektförderungen gehen in exklusiv muslimisch-religiöse Zusammenhänge. Ramadan (Lebensmittelpakete), Kurban (Fleisch von Opfertieren), Adak (Dank für erfüllte Wünsche) und Aqiqa (Dank für die Geburt eines Kindes) dienen der Festigung und Bestärkung des Glaubens. Ein wesentlicher Punkt in der Agenda der Muslimbruderschaft ist die Verteidigung des Glaubens gegen Ungläubige und insbesondere gegen Säkulare. Das allerdings wird – in Mitteleuropa – von staatlichen Hilfsprogrammen offiziell nicht finanziell gefördert.

Das kann man allerdings auch anders sehen. So untersuchte Marie Juul Petersen — die am Dänischen Institut für Menschrechte forscht —, zwei Islamic Relief Organisationen. In ihrem Bericht „Islamizing Aid: Transnational Muslim NGOs After 9.11“ ist es zum einen die „International Islamic Relief Organisation“ - IIROSA (in Saudi Arabien) und zum anderen „Islamic Relief“ (IR-UK im Vereinigten Königreich). Sie kontrastiert die beiden Organisationen, indem sie der saudischen IIROSA attestiert, vom Islam durchdrungen zu sein und alles unter religiöser Perspektive zu betrachten, während IR-UK eine säkulare Organisation sei, die sehr genau zwischen der primär humanitären Hilfen und dem zweitrangigem religiösen Engagement unterscheide.

„So ist bei Islamic Relief der Diskurs der Entwicklung und humanitären Hilfe die Hauptsprache. Der Islam wird als weitgehend unsichtbar und scharf abgegrenzt von den Hilfsaktivitäten der Organisation, primär relevant in Bezug auf die persönliche Motivation und Werte der Organisation und immer subsidiär zu den allgemeinen humanitären und entwicklungspolitischen Prinzipien. Die Förderung dieser abgeschotteten, fast säkularen Art des Islam, gekoppelt mit Mainstream-Hilfsdiskursen, erleichtert die Inklusion in das Feld der Entwicklungs- und humanitären Hilfe. Das Feld kann diese Art von Religion beherbergen, weil sie die grundlegend säkularistischen Annahmen der Entwicklungs- und humanitären Hilfe nicht in Frage stellt und humanitären Hilfe in Frage stellt, sondern auf der Unterscheidung zwischen Hilfe und Religion aufbaut.“

Das wesentliche Trennkriterium ist dabei, dass die arabischen NGOs jede Zusammenarbeit mit westlichen NGOs ablehnen, während Islamic Relief sich mit diversen NGOs im Vereinigten Königreich gut vernetzt habe und gesellschaftlich akzeptiert werde.

Andererseits kann Marie Juul Petersen nicht darüber hinweg sehen, dass bereits das Logo der Organisation unmissverständlich religiös ist und der größte Teil der Aktivitäten in einem religiösen Kontext stattfindet. So sieht sie die Notwendigkeit von Islamic Relief, sich auch als religiöse Organisation darzustellen und spricht von einer „Zweisprachigkeit“.

„Die fast säkulare Religiosität von Islamic Relief und seine Ablehnung der Dichotomie zwischen ‚muslimisch‘ und ‚westlich‘ bedeutet nicht unbedingt, dass die Unterscheidung zwischen ‚religiös‘ und ‚säkular‘ in der Organisation nicht relevant ist. […] Ohne die Unterscheidung zwischen religiösen und säkularen NGOs würde Islamic Relief sein Markenzeichen und seinen ‚Mehrwert‘ für die institutionellen Spender verlieren, die immer auf der Suche nach ‚moderaten‘ FBOs [Faith Based Organisations] sind, die sie unterstützen können. Daher muss Islamic Relief diejenigen religiösen Aspekte fördern, die für die Spender akzeptabel - und vorzugsweise sogar nützlich - sind. Gleichzeitig erwarten auch die Einzelspender von Islamic Relief einen gewissen Hauch von Religion in den Aktivitäten der Organisation. Viele von ihnen sind konservative Muslime und ziehen es vor, ihre Spenden an eine muslimische Organisation zu zahlen und nicht an eine säkulare NGO. Wenn die Organisation ihre Unterstützung nicht hat, verliert sie nicht nur einen großen Teil ihrer Finanzierung, sondern verliert auch ihren Anspruch auf religiöse Legitimität. Als solche Islamic Relief muss also ständig darauf achten, dass die Organisation ‚religiös genug‘ ist, um die Erwartungen der einzelnen Spender zu erfüllen. […] In dieser Perspektive muss Islamic Relief zweisprachig sein und sowohl die Sprache der Entwicklung als auch die des Islam beherrschen. Dieses zweisprachige Gleichgewicht ist weder einfach noch leicht.“

Je nach Standpunkt kann man diese „Zweisprachigkeit“ allerdings auch als „Doppelzüngigkeit“ verstehen.

2.3. Vernetzung

Ein wesentliches Element der Arbeitsorganisation und der Mittelbeschaffung ist dabei die Vernetzung. Zum einen mit anderen Akteuren der gleichen Branche, zum anderen mit institutionellen Organisationen. Insofern hat Islamic Relief in Großbritannien das Muslim Charities Forum (MCF) mit begründet. Dazu heißt es im IRW-Jahresbericht 2009:

„Im Jahr 2009 hat das Muslim Charities Forum (MCF), dessen Gründungsmitglied Islamic Relief war, sein Sekretariat bei IRW um ein Kuratorium erweitert. Das MCF wurde im Jahr 2007 von vier britischen muslimisch geführten internationalen NGOs gegründet. Ziel des Forums ist es den Beitrag britischer muslimischer Wohlfahrtsverbände zur internationalen Entwicklung durch den Austausch von Erfahrungen, Ideen und Informationen unter seinen Mitgliedern, zwischen Netzwerken von NGOs im Vereinigten Königreich und international sowie mit Regierungen zu fördern.“

Der Geschäftsführer (CEO) von Islamic Relief Worldwide von Juni 2008 bis Februar 2012, Saleh Saeed, ist seit September 2012 der CEO beim Disasters Emergency Committee (DEC), das 1963 gegründet wurde.

„Das Disasters Emergency Committee bringt 14 führende britische Hilfsorganisationen zusammen, um in Zeiten humanitärer Krisen in ärmeren Ländern Geld zu sammeln. Indem wir zusammenarbeiten, können wir mehr Geld aufbringen, um Leben zu retten und zerstörte Gemeinden wiederaufzubauen.“

Diese Elemente werden von dem CEO Saleh Saeed in einem Vortrag erläutert und visualisiert.

Saleh Saeed beschreibt dabei in seinem Vortrag (Folie 17) das DEC-Modell als vergleichbar mit Bündnissen in anderen Ländern, in Deutschland mit dem Aktionsbündnis Deutschland Hilft (ADH).

Beim DEC-Modell ist bemerkenswert, dass auch weitere wichtige gesellschaftliche Akteure, vor allem Medien, ausdrücklich als Partner genannt werden, was in Deutschland zwar ebenso geschieht (Spendenaufrufe für die „Aktion Deutschland Hilft“ in ARD, ZDF, u.a.), aber so nicht benannt wird.

Diese Netzwerke und Kooperationen haben bisweilen ein unübersichtliches Ausmaß an Querverbindungen und Überschneidungen, wie es sich an den 119 Mitglieder der CHS-Alliance zeigen lässt, bei der nicht nur das DEC Mitglied ist, sondern auch Islamic Relief Worldwide und Islamic Relief Deutschland.

3. Islamic Relief Deutschland (IRD)

Islamic Relief Deutschland (IRD) wurde im August 1996 in Köln gegründet und im März 1997 in das Vereinsregister eingetragen. Laut Protokoll der Gründungsversammlung des Vereins „Islamic Relief in Deutschland e. V.“ (am 12.8.1996) traf sich in der Neusser Straße 387 in Köln (eine Adresse der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs) eine Versammlung. Versammlungsleiter war Herr Dr. Aly Hassanein, der den Zweck der Versammlung erläuterte. Zum Protokollführer wurde Herr Ibrahim El-Zayat gewählt, der anschließend einen Satzungsentwurf verteilte, dem nach Diskussion zugestimmt wurde. „Aus dem Kreis der Versammlung wurde Herr Dr. Hany El Banna als Vorsitzender, Herr Hakan Aydin als stellvertretender Vorsitzender und Herr El-Zayat vorgeschlagen“ und per Handzeichen mit 7 Ja-Stimmen gewählt. Als Gründungsmitglieder unterschreiben: Dr. Ussama Al Sibai (Radiologe aus Hemer), Dr Mohammed Omar Al Alfie (Businessmann, Croydon, GB), Dr. Nabil Oulabi (Tierarzt, Bad Vilbel), Dr. Samir Zahir (Gynäkologe, Paisley, GB), Ibrahim F. El-Zayat (Diplom-Volkswirt, Köln), Dr Hany El Banna (Managing Director, Small Heath, GB) und Dr Aly Hassanein (Physiker, Garching).

Hany El-Banna ist Vorsitzender und Vorstandsmitglied vom August 1996 bis Mai 2017, Ibrahim El-Zayat vom August 1996 bis Januar 2007, Hakan Aydin verlässt nach fünf Monaten im August 1997 den Vorstand.*) Sein Nachfolger wird Dr. Almoutaz Tayara, der seit Juli 2015 Mitglied des Aufsichtsrates der IRW ist und im Mai 2016 der 1. Vorsitzende des IRD-Vorstands wird. Beide Ämter legte er im August 2020 nieder, nachdem antisemitische Äußerungen von ihm bekannt wurden, die den Ruf der Organisation beschädigten (siehe unten).

(Nicht geklärt werden konnte, ob es möglicherweise eine Vorläuferorganisation / Parallelorganisation gegeben hat, da die Datenbank von North Data eine „Islamic Relief Zweigniederlassung Köln“ für 1992 anzeigt, die im Herbst 1996 gelöscht wird.)

Der aktuelle Vorstand von IRD, der im Oktober 2020 nach dem Rücktritt von Dr. Almoutaz Tayara gewählt wurde, besteht aus dem britischen Mediziner und Manager Dr. Hossam Husain Said (Jg. 1956) als Vorstandsvorsitzender. Seit Oktober 2012 ist er bereits Mitglied im Vorstand von IRD, im Mai 2016 wurde er, nach dem Ausscheiden von Dr. Hany El-Banna, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des IRD. Dr. Hossam Said ist zugleich “Managing Director at Humanitarian Academy for Development (HAD) = Islamic Relief Academy” ist, die 2013 als „Lern- und Entwicklungszweig von Islamic Relief Worldwide (IRW)“ gegründet wurde. In dieser Funktion ist er aktuell einer der fünf Direktoren/Vorstandsmitglieder von IRW. Bis 2013 war er Direktor für Internationale Programme von IRW. Seit 2005 ist er Mitglied des “Islamic Relief Worldwide Board of Management and Executive Committee” und seit März 2018 „Interim Head of Corporate Services” von Islamic Relief UK.

Zweite Vorsitzende ist die Kölner Frauenärztin Dr. med. Samar Hababa (Jg. 1960). Sie ist seit Dezember 2014 Vorstandsmitglied. Drittes Vorstandsmitglied und Schatzmeister ist Usama Al-Sibai (Jg. 1951), Allgemeinmediziner und Radiologe in Hemer, seit Januar 2007 Mitglied des Vorstands. Von einem Neuanfang kann also kaum die Rede sein.

Eine, nach demokratischen Grundsätzen, eigenartige Bestimmung besteht laut IRD-Satzung für das Antrags- und Stimmrecht der Mitglieder, das nur den Gründungsmitgliedern, als ordentliche Mitglieder, vorbehalten ist.

§ 4: Mitgliedschaft
1.) Es ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen außerordentlichen Mitgliedern und ordentlichen Mitgliedern. Die Gründungsmitglieder sind ordentliche Mitglieder.
2.) Außerordentliches Mitglied des Vereins kann jeder Muslim und jede Muslima werden, der oder die die Zwecke und die Ziele des Vereins unterstützt. Über den Antrag auf Aufnahme entscheidet der Vorstand mit einfacher Mehrheit.
3.) Die Mitglieder haben das Recht, an der Generalversammlung des Vereins teilzunehmen. Nur ordentliche Mitglieder haben das Recht, Anträge zu stellen und das Stimmrecht auszuüben.

Das Registergericht in Köln hat diese Bestimmung durchgehen lassen, obwohl sie faktisch bedeutet, dass jede demokratische Veränderung auf die Gründungsmitglieder beschränkt bleibt.

Sitz der IRD-Zentrale ist in Köln, der Stadt mit dem Hauptsitz auch einer weiteren Anzahl von islamischen Organisationen, wie die Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), dem Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. (VIKZ), der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG, in Kerpen bei Köln) sowie dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V. und ebenso der Koordinationsrat der Muslime (KRM). Man könnte also beinahe sagen, Köln sei die ‚Hauptstadt der islamischen Organisationen in Deutschland‘, im Bundesland Nordrhein-Westfalen gelegen, in dem rund ein Drittel der in Deutschland lebenden Muslime wohnen.

Weitere IRD-Büros befinden sich in Berlin, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg und München. Es sind stets die größten urbanen Ballungszentren. Die Büros sind nicht nur für die Städte zuständig, sondern für Regionen: Das Büro in Berlin ist ebenfalls zuständig für Norddeutschland.

In der Bundestagsdrucksache 18/10923 werden dazu (am 16. Januar 2017, S. 6), auf die Anfrage des MdB Volker Beck, nicht nur die Beziehungen zwischen IRW und IRD dargestellt, sondern ebenfalls die Einbettung des IRD in das MB-Netzwerk:

„‘Islamic Relief Deutschland e. V.‘ ist gemäß seiner Satzung ‚Kooperationspartner der internationalen Hilfsorganisation ,Islamic Relief Worldwide‘. Die Hilfsarbeit von ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ werde durch das ‚internationale Büro in Birmingham‘ koordiniert.
Verbindungen zwischen ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ und ‚Islamic Relief Worldwide‘ ergeben sich auch aus personellen Verflechtungen. So sind/waren Vorstandsmitglieder von ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ in leitenden Funktionen von ‚Islamic Relief Worldwide‘ vertreten.
Zu Verbindungen zu Bestrebungen im Sinne des § 3 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG): ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ trat als Hauptsponsor für das Jahrestreffen der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) am 13. Dezember 2015 auf und war dort mit einem Redebeitrag vertreten. Die IGD ist die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland und eine Bestrebung im Sinne des § 3 BVerfSchG. ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ sponserte zudem im Frühjahr 2016 diverse Veranstaltungen der Organisation ‚Muslimische Jugend in Deutschland e. V.‘ (MJD), einer formal unabhängigen Jugendorganisation, die enge Verbindungen zur IGD unterhält. Auch auf personeller Ebene bestehen Verbindungen zwischen ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ und der IGD.“

Die Querverbindungen von Islamic Relief Worldwide (IRW) und Islamic Relief Deutschland (IRD) sowie die ‚Einbettungen‘ von Islamic Relief Deutschland in das MB-Netzwerk lassen sich übersichtlich an der Person des bereits mehrfach genannten Ibrahim El-Zayat darstellen.

El-Zayat, den der SPIEGEL 2008 ausführlich als „wendigen Weltmann“ beschreibt, saß im Vorstand von Islamic Relief Deutschland sowie Islamic Relief Worldwide und ist seit 1996 Generalbevollmächtigter der EMUG (Europäische Moscheebau- und Unterstützungsgemeinschaft), die in Deutschland mittlerweile rund 300 Millî-Görüş -Moscheen verwaltet. „Auch familiär steht El-Zayat für die Verbindung der beiden Milieus: Seine Ehefrau Sabiha El-Zayat-Erbakan ist die Schwester des früheren Vorsitzenden von Millî Görüş in Deutschland, Mehmet Erbakan. Der 2011 verstorbene Gründer der Organisation, der türkische Islamist Necmettin Erbakan, war ihr Onkel.“

Neben den bereits geschilderten internationalen Aktivitäten war Ibrahim El-Zayat von 2002 bis 2010 Präsident der Islamischen Gemeinschaft Deutschland (IGD), seit 2018 Deutsche Muslimische Gemeinschaft e. V. (DMG), die vom Verfassungsschutz als „Zweig der Muslimbruderschaft“ eingeordnet wird. Er bestreitet zwar seine Zugehörigkeit zur MB, wurde jedoch vom derzeitigen Führer der MB, Mohammad Mahdi Akif, in einem Interview der ARD, das am 23. Februar 2007 ausgestrahlt wurde, als der „Chef der Muslimbrüder in Deutschland“ bezeichnet. Als die Zeitung Die Welt diese Aussage in einem Artikel verbreitete, erwirkte El-Zayat eine Gegendarstellung. (Berliner Verfassungsschutzbericht 2008, S. 188)

4. Partner und Netzwerke

IRD nennt eine Anzahl von Partnerschaften mit weiteren Netzwerken. Einige sind vorrangig zur Spendengewinnung nützlich, wie die Mitgliedschaft im Deutschen Spendenrat, andere für das Image und den Zugang zu Ministerien und Behörden und deren Projektgelder, wie die Klima-Allianz oder VENRO bzw. Gemeinsam für Afrika oder die CHS Alliance, andere für politische Kontakte, wie die in ECHO (European Union Humanitarian Aid and Civil Protection).

Es ist hier nicht der Ort, die einzelnen Partnerschaften genauer zu untersuchen. So kann die Darstellung von IRD selbser sowie der Bundesregierung (BT-Drucksache 18/10923, Seite 7), über eine Partnerschaftsrahmenvereinbarung mit der EU-Kommission (DG ECHO - European Union Humanitarian Aid and Civil Protection), nicht eindeutig bestätigt werden. Wie aus einer Übersicht der EU (aus dem Jahr 2018) zu den ECHO-Partnern hervorgeht (offizielle Liste der Organisationen, die den Partnerschaftsrahmenvertrag von 2014 unterzeichnet haben), hat nicht IRD sondern nur IRW die grundlegende Partnerschaftsvereinbarung unterzeichnet. Dass diese Vertragsvereinbarungen nicht einfach in der jeweiligen „Familie“ weitergereicht werden können, darauf verweist, dass z. B. World Vision Europa und World Vision Deutschland diesen EU-Partnerschaftsvertrag jeweils einzeln unterzeichnet haben, sowie auch, dass alle nationalen Organisationen des Roten Kreuzes einzeln unterschrieben haben.

IRD ist - als bisher einzige muslimische Organisation – Gastmitglied (2010) und Mitglied (ab 2011) in der “Aktion Deutschland Hilft“, dem „Zusammenschluss renommierter deutscher Hilfsorganisationen“. Im September 2020 wurde die Mitgliedschaft allerdings bis vorerst Ende 2021 suspendiert.

In der „Aktion Deutschland Hilft – Bündnis deutscher Hilfsorganisationen“, haben sich elf deutsche Organisationen zusammengeschlossen.

Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass die religiösen Hilfs- und Missionswerke in diesem Bündnis in der Überzahl sind. Nur drei der dreizehn Mitglieder (AWO, Der Paritätische und ASB) sind nicht religiös konnotiert.

An zweiter Stelle wird die Mitgliedschaft von IRD im Deutschen Spendenrat (seit Dezember 2011) genannt. Das ist vergleichsweise einfach, denn für die Mitgliedschaft und das „Spendenzertifikat“ werden nur Formalien geprüft.

„Mitglieder des Deutschen Spendenrates können nur spendensammelnde und im Sinne der Abgabenordnung gemeinnützige juristische Personen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland sein. Die Mitgliedsorganisationen verpflichten sich, keine sittenwidrige Werbung einzusetzen und hohe Qualitätsstandards einzuhalten. Unter anderem sind Strukturen, Tätigkeiten und Finanzen im Rahmen eines Jahresberichts jährlich und transparent offenzulegen.“

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass sich die Büroräume des Deutschen Spendenrat e.V. (Leitsatz: „Die gute Tat  im Blick“) in Berlin in der Bernauer Straße 115 – 118 befinden, im Gebäude des Lazarus-Hauses Berlin, einer Pflegeeinrichtung der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal innerhalb der evangelischen Diakonie. Dort ist Islamic Relief Deutschland nicht nur Mitglied, sondern der Geschäftsführer von IRD hatte auch einen Sitz im Vorstand. Tarek Abdelalem, seit 2005 Geschäftsführer von Islamic Relief Deutschland, ist seit 2016 Beisitzer im Vorstand des Deutschen Spendenrates e. V.. Dazu heißt es allerdings im Jahresbericht 2018 des Spendenrats (S. 2) ohne weitere Erläuterungen:

„Im allseitigen Einvernehmen ruht das Vorstandsmandat des Besitzers im Vorstand von Tarek Abdelalem, Islamic Relief Deutschland e.V. seit dem 10. Oktober 2018.“

Ein weiteres Beispiel dafür, dass vor allem die interreligiösen Partnerschaften die Grundlage für den Erfolg von IRD (und anderer Mitglieder der ‚MB-Familie‘) sind, sich in deutsche Strukturen ‚einzubinden‘. Eine Zeitleiste mag das veranschaulichen.

Zeitleiste I

  • 1994: Die „Muslimische Jugend Deutschlands“ (MJD) wird im „Haus des Islams“ gegründet.
  • 1996: Gründung des „Islamic Relief Deutschland für Humanitäre Hilfe e. V.“ in Köln.
  • 2001: Der „Muslimische Jugend Deutschlands e. V.“ wird ins Berliner Vereinsregister eingetragen.
  • 2002: Gründung des „Inssan für interkulturelle Interaktion e. V.“ in Berlin.
  • 2008: Diese drei Organisationen haben drei ehemalige Ladengeschäfte als Büros direkt nebeneinander in der Gitschiner Straße 16/17 in Berlin-Kreuzberg. Inssan e.V. und Muslimische Jugend in Deutschland stehen unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes und werden der Muslimbruderschaft zugeordnet. Seit 2003 ist der Büroleiter von Islamic Relief Deutschland (IRD) Mitglied im Beirat des Inssan für interkulturelle Interaktion e.V.
  • 2009: Inssan e.V. und Muslimische Jugend kommen auf der Tagung der Evangelischen Akademie Loccum „Coole Muslime?“ in direkten, persönlichen Kontakt zum Referatsleiter des Bundesjugendplans des BMFSFJ.
  • 2009: IRD gründet – auf Veranlassung, im Schulterschluss und mit Unterstützung der christlichen Telefonseelsorge ‒ das „Muslimische Seelsorgetelefon“ (MuTeS).
  • 2010 Der Inssan e.V. wird nicht mehr im Verfassungsschutzbericht genannt, kann damit staatlich finanziert werden, und beginnt das erste Projekt: „Netzwerk gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit“.
  • 2010: Das Muslimische Seelsorgetelefon (MuTeS) wird vom Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT) mit dem Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz 2009“ ausgezeichnet.
  • 2010: Islamic Relief Deutschland wird Gastmitglied im „Aktionsbündnis Deutschland Hilft“ (ADH).
  • 2011: Das „Projekt Dialogbereit – Jugendliche Muslime und Christen im Gespräch“ der Muslimischen Jugend Deutschland und der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz wird mit dem „Goldenen Hammer“ des Landesjugendring Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet – als Vorbild gegen Gewalt und Rassismus und für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz.
  • 2011: Das Muslimische Seelsorgetelefon von IRD erhält den „Aspirin Sozialpreis 2011“.
  • 2011: Seit Dezember 2011 ist Islamic Relief Deutschland Mitglied im Deutschen Spendenrat, einem Dachverband gemeinnütziger Organisationen.
  • 2011: IRD wird gleichberechtigtes Bündnismitglied in der „Aktion Deutschland Hilft“.
  • 2012 (Februar): Die Muslimische Jugend Deutschlands (MJD) setzt gerichtlich durch, dass die Organisation – die seit 2004 vom Verfassungsschutz beobachtet wird – nicht mehr in den Verfassungsschutzberichten genannt werden darf.
  • 2012: Inssan e. V. streicht das „interkulturelle Interaktion“ aus dem Vereinsnamen. Die Camouflage wird nicht mehr gebraucht, es war und ist eine rein muslimische Organisation.

Zwei unterschiedliche Strategien, das gleiche Ziel und 2010/2011 mit Erfolg erreicht: Inssan e. V. wird staatlich finanzierter Projektträger für die Missionierung und „Integration“ von jungen Muslimen, Islamic Relief wird Teil der nationalen „Aktion Deutschland Hilft“. Es ist wie eine Illustration des Satzes von Bundespräsident a. D. Christian Wulff (vom 3. Oktober 2010): „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“.

Diese Erfolgsgeschichte der Vernetzung und Anerkennung wird stetig weiter ausgebaut, beispielsweise in der Vergabe und dem Erhalt von Auszeichnungen.

Zeitleiste II

  • 2012: 2. Platz der Ausschreibung der Auszeichnung „Berliner Tulpe für den deutsch-türkischen Gemeinsinn“ der Körber-Stiftung.
  • 2013: Beginn der professionellen Kampagne „Speisen für Waisen“, mit der sehr erfolgreich öffentliche Testimonials bekannter Politiker präsentiert werden.
  • 2016: Islamic Relief erhält „3 Stars-Anerkennung für Excellence“. „Die Initiative Ludwig-Erhard-Preis (ILEP) hat bei einem feierlichen Festakt am 12. Februar 2016 Islamic Relief Deutschland mit der ‚3 Stars-Anerkennung für Excellence‘ der European Foundation for Quality Management ausgezeichnet. […] Der Ludwig-Erhard-Preis, der alljährlich von ILEP vergeben wird, steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.“
  • 2017: Islamic Relief Deutschland erhält das Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrates „für den verantwortungsvollen und transparenten Umgang mit Spendenmitteln“.
  • 2018: „4 Sterne-Anerkennung für Excellence“ der European Foundation for Quality Management (EFQM).
  • 2020: IRD erhält zum zweiten Mal des Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats.
  • 2020: Erwähnenswert ist aber auch: Die Erfolgsgeschichte der IRD erhält einen Dämpfer, denn seit dem 4. September 2020 ruht die Mitgliedschaft von Islamic Relief in der „Aktion Deutschland Hilft“ bis vorerst Ende 2021. „Hintergrund für die aktuelle Entscheidung ist der aus Sicht des Bündnisses nicht entschiedene Umgang mit den Verstößen von Individualpersonen in der Organisation. Dieser lässt sich nicht mit dem Wertekodex von Aktion Deutschland Hilft vereinbaren.  Aktion Deutschland Hilft erwartet von jeder seiner Mitgliedsorganisationen bei Fehlverhalten ein zügiges und entschiedenes Handeln sowie starke Prüfmechanismen, vor allem in der Behandlung rassistischer, antisemitischer oder diskriminierender Aussagen.“

5. Muslimisches Seelsorgetelefon (MuTeS)

In einer Pressemitteilung der Spendenberatung SCHENcK wird berichtet, wie die Gründung des MuTeS vom Berliner Senat mit dem Fall der Berliner Mauer verglichen worden sei ‒ was vermutlich heißen soll, dass dieses „interreligiöse Projekt in der Trägerschaft von Islamic Relief e. V. – in Kooperation mit dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. (DWBO) und dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin e. V.“ konfessionelle Abgrenzungen durchbrochen hat.

„Am gestrigen Mittwochabend (02.09.09, ab 18.30 Uhr) fand die Gründungsfeier des weltweit ersten Muslimischen SeelsorgeTelefons im Festsaal des Roten Rathauses statt. Bei der Begrüßung vor 140 Gästen aus der Berliner Landespolitik, den christlichen Kirchen, den muslimischen Vereinen und Verbänden, sowie den vielen ehrenamtlichen TelefonSeelsorgern, verglich die Beauftragte für Bürgerschaftliches Engagement, Staatssekretärin Monika Helbig, die Kooperation zwischen dem islamischen Trägervereins Islamic Relief und den christlichen Hilfsorganisationen Diakonie und Caritas beim gemeinsamen Muslimischen SeelsorgeTelefon, mit dem Sturz der Berliner Mauer vor 20 Jahren.“

Der Vorstandsvorsitzende von Islamic Relief Worldwide (IRW), Saleh Saeed, war aus London angereist.

Das Muslimische Seelsorgetelefon war ursprünglich keine IRD-Idee, sondern ist IRD gleichsam zugewachsen. Entstanden ist MuTeS, wie es in einer Selbstdarstellung heißt, aus einem „Kontakt bei einem Treffen der Berliner Mitglieder des Fundraisingverbandes im Jahre 2006, der zwischen dem damaligen Büroleiter von Islamic Relief in Berlin und dem Fundraiser der Kirchlichen TelefonSeelsorge Berlin (KTS) entstand.“

Der Berliner IRD-Büroleiter Imran Sagir (Jg. 1973) war von 2007 bis 2013 Mitglied des Vorstands des Inssan e. V. und davor (2001) einer der Vorsitzenden der Muslimischen Jugend Deutschland. Als Berliner Büroleiter von IRD war er auch für das Fundraising in Norddeutschland zuständig. Man kennt sich, und so sprach ihn auf dieser Tagung der Leiter der Kirchlichen TelefonSeelsorge Berlin (KTS) darauf an, dass seitens der KTS der Wunsch bestehe, eine türkischsprachige Telefonseelsorge aufzubauen. Imran Sagir machte schnell klar, das das nicht ausreiche und ein muslimischer Ansatz notwendig sei. Das überzeugte und so wurde ein Kooperationsvertrag zwischen den Trägern der KTS (Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (DWBO), Caritasverband des Erzbistum Berlin) und IRD geschlossen, in dem festgelegt wurde, dass IRD der alleinige Projektträger ist und DWBO und Caritas Kooperationspartner. Der Begriff „Telefonseelsorge“ durfte jedoch nicht verwendet werden, da er von den KTS-Kirchen markenrechtlich geschützt ist. Insofern ist die Darstellung von IRD (im Jahresbericht 2009) „Das Muslimische SeelsorgeTelefon ist eine Initiative von Islamic Relief Deutschland“ nicht ganz zutreffend. Die christliche KTS übernahm Ausbildung, Weiterbildung, Supervision und am 1. Mai 2009 wurde der Dienst mit 22 Ehrenamtlichen aufgenommen.

Seit dem 1. März 2013 wird eine Sieben-Tage/24 Stunden-Bereitschaft durch 83 Ehrenamtliche realisiert und für das Jahr 2019 werden 4.950 seelsorgerische Beratungsgespräche gezählt. Das sind durchschnittlich 14 Gespräche am Tag und bleibt im Bereich des Übersichtlichen.

Für Islamic Relief Deutschland ist die MuTeS nicht nur ein (mehrfach) ausgezeichneter Image-Träger, sondern es hat insofern eine Bedeutung, da es das erste Projekt von IRD ist, das in Deutschland realisiert wurde.

Zur Finanzierung heißt es in der Drucksache 18/15738 des Berliner Abgeordnetenhauses:

„Das Muslimische SeelsorgeTelefon wird auf Beschluss des Abgeordnetenhauses zum Doppelhaushalt 2016/17 seit 2016 mit jährlich rd. 150.000 € gefördert. Für das Jahr 2018 wurden 143.000 € beantragt und mit Zuwendungsbescheid bewilligt.“

2019 wurden (laut IRD-Jahresbericht, S.63) von den Gesamtkosten (221.993,55 Euro) 193.109,60 (= 87 Prozent) vom Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales sowie der EU (Erasmus +) finanziert. Die Gelder aus dem Erasmus+ Programm der EU werden über IFOTES  (International Federation of Telephone Emergency Services) und das Schulungsprogramm „Listening skills“ organisiert.

6. „Speisen für Waisen“

Am 27. Januar 2013 (nach der islamischen Überlieferung dem Geburtstag des Propheten Mohammed) startete IRD seine PR-Kampagne für „Speisen für Waisen“ . Sie wurde als deutsch-muslimische Hilfsaktion professionell von der „Deutsche Fundraising Company GmbH“ (DFC) konzipiert und organisiert sowie von manchen Medien, z. B. von Daniel Bax in der taz unkritisch im Sinne des Kampagnenziels begleitet.

Das ist das Normale und machen alle Organisationen so, dass Agenturen und Profis solche Kampagnen planen und organisieren. Das bleibt jedoch im Hintergrund der Kampagnen, die „zu Herzen gehen“, und es nicht deutlich werden soll, dass es professionell ausgeklügelte PR-Strategien sind. Für „Brot für die Welt“ wird das hier beschrieben, ein Beispiel für die Caritas und bei IRD lautet das dann so:

Mit eigener Internetseite und professioneller PR ist die Aktion erfolgreich und schmückt sich bald mit namhaften Prominenten als Unterstützer („Testimonials“), die bei genauerer Betrachtung alle engagierte Religiöse und vor allem christliche PolitikerInnen sind. Es ist ein großer Schritt zum Erreichen gesellschaftlicher Akzeptanz.

Bereits im November 2016 sind es u. a. : Frank-Walter Steinmeier (SPD, damals, 2013, SPD-Fraktionsvorsitzender, dann Außenminister, jetzt Bundespräsident: 10. Juni 2017 Fastenbrechen mit JUMA im Roten Rathaus Berlin), Christian Wulff (CDU, Bundespräsident a. D.), Aydan Özuguz (SPD, Staatsministerin), Hüseyin Avni Karslıoğlu (Botschafter der Türkei), Navid Kermani (Schriftsteller, Friedenspreisträger), Dieter Reiter (SPD, Oberbürgermeister München), Dilek Kolat (SPD, Senatorin Berlin), Aiman Mazyek (Zentralrat der Muslime), Cem Özdemir (damals Bundesvorsitzender von Bündnis90/DIE GRÜNEN).

Die Auswahl 2013-2018 nennt weitere Politiker und Prominente. Die auffallende Häufigkeit von SPD-PolitikerInnen erklärt sich vielleicht dadurch, dass die Vorsitzende des Inssan e. V., der sein Büro direkt neben Islamic Relief in der Gitschiner Straße Nr. 17 in Berlin hat und der ebenso zum Netzwerk der Muslimbruderschaft zu zählen ist, Gründungsmitglied und Sprecherin des AK Muslime in der SPD ist.

Auch wenn diese Unterstützungen meist einmalig sind bzw. waren, so werden sie von IRD weiterhin beständig eingesetzt. Dass man das beenden kann, darauf verweist die Antwort auf eine AfD-Anfrage im Landtag von NRW (Drucksache 17/7152), ob die Staatssekretärin Serap Güler, die 2018 diese Kampagne ebenfalls unterstützt hatte, diese Kampagne weiterhin unterstütze, und die Antwort lautete Nein:

„Nach Kenntnisnahme der Informationen über Beziehungen des Trägervereins zum Umfeld der Muslimbruderschaft [siehe BT-Drs. 19/9415] hat Staatssekretärin Güler sofort von jeglicher Unterstützung Abstand genommen und um Entfernung von der Internetseite gebeten.“

7. Finanzdaten

7.1. Einnahmen / Mittelverwendung

Die Finanzdaten des Vereins Islamic Relief Deutschland werden in den Jahresberichten mit Bilanz, Einnahmen und Ausgaben regelmäßig und testiert publiziert.

Es ist eine finanzielle Erfolgsgeschichte. In dem publizierten Zeitraum (2005 – 2019) steigen die Einnahmen jedes Jahr und erreichen 2019 rund 22 Millionen Euro, von denen Dreiviertel (74 Prozent) selbst erwirtschafte Spenden sind.

Einer der Gründe ist sicherlich der hohe Aufwand für „Werbung und Selbstdarstellung“.

Während die Anteile für „Allgemeine Verwaltung“ im Bereich von 4 Prozent der Ausgaben verbleiben – 2020 sind es 85 MitarbeiterInnen ‒ und die „Projektbegleitung“ sich (bei einem Mittelwert von 7 Prozent) in einer Spanne von 5 bis 11 Prozent bewegt, ist es für „Werbung und Selbstdarstellung“ (bei einem Mittelwert von 14 Prozent) eine Spanne von 9 bis 18 Prozent. Die Gesamtsumme dieser „Organisationskosten“ hat damit (bei einem Mittelwert von 26 Prozent) eine Spannweite von 21 bis 28 Prozent. (Misereor nennt für „Verwaltung und Werbung“ 6,5 Prozent der Ausgaben, „Brot für die Welt“ 8,4 Prozent.

Islamic Relief Deutschland hat, soviel bekannt ist, bisher kein DZI-Spendensiegel beantragt. Es steht allerdings auch nicht auf der Liste der Organisationen, vor denen das DZI warnt. Allerdings gibt es auch Gründe, auf das DZI-Spendensiegel zu verzichten, da es (nach Darstellung des Handelsblatts) durchaus kostspielig ist.

„Das Spendensiegel kostet Geld. Auf eine Grundgebühr von 500 Euro kommen zusätzlich noch 0,035 Prozent der jährlichen Gesamteinnahmen der Organisation oben drauf. Das macht bei einer Organisation, die im Jahr etwa 50.000 Euro einnimmt, knapp 600 Euro Prüfungskosten jährlich. Geld, das nicht in den Projekten landet. Darum verzichten viele kleine Organisationen auf das Siegel.“

Islamic Relief hat das „Spendenzertifikat“ des Deutschen Spendenrats, zu dem es heißt, es sei die „Geprüfte Transparenz“:

„Das neue Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats e.V. ist das Prüfverfahren in Deutschland, bei dem Wirtschaftsprüfer die Qualitätskontrolle des Spendenzertifikats übernehmen. Damit wird eine zweckgerichtete, wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung der Spenden- und Fördergelder sowie die Einhaltung der Grundsätze des Spendenrates überprüft. Das Spendenzertifikat genießt daher schon jetzt ein großes Ansehen bei Bundesbehörden sowie den öffentlich-rechtlichen Medien- und Rundfunkanstalten.“

Im Grunde wird dabei nur eine buchhalterisch korrekte Buchführung bestätigt, wird aber wie eine Art Auszeichnung genannt.

7.2. Informationen der Bundesregierung

Wie in einer Auskunft der Bundesregierung vom 13.11.2020 benannt wurde (BT-Drucksache 19/24269), erhielt Islamic Relief Deutschland seit 2013 (vgl. Tabelle 4.1.) rund 16 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt (Auswärtiges Amt 15,2 Mio., BMZ/GIZ 965.040 Euro).

Die Bundesregierung erklärte (im April 2019), dass der größte Teil der Einnahmen von Islamic Relief Deutschland an Islamic Relief Worldwide in Großbritannien überwiesen werde (BT-Drucksache 19/9415):

„[Frage] 53. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Weiterüberweisung von Mitteln der Islamic Relief Deutschland an Islamic Relief Worldwide und deren andere nationale Zweige, und wie beurteilt die Bundesregierung dies?
Antwort] Aus den öffentlich zugänglichen Jahresberichten von ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ und ‚Islamic Relief Worldwide‘ ist bekannt, dass ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ den größten Teil finanzieller Projektförderungen an ‚Islamic Relief Worldwide‘ überweist.“

Diese Darstellung lässt sich aufgrund der Finanzübersicht von Islamic Relief Deutschland nicht bestätigen. Nur in den Jahren 2007, 2008, 2010 und 2011 werden derartige Transfers genannt, die nur 2010/2011 einen erheblichen Teil der Mittelverwendung darstellen: 2010 sind es 3,5 Mio. (= 46 Prozent) und 2011 sind es 4,2 Mio. Euro (= 38 Prozent). Allerdings lässt sich die Darstellung der Bundesregierung aus den Jahresberichten von IRW nicht belegen. In dieser Hinsicht lässt die Transparenz der IRD-Finanzberichte noch zu wünschen übrig.

Nach Umrechnung der IRW-Angaben (in Britischen Pfund) auf Euro (im Jahresmittel) ergibt sich nur ein Anteil von rund 50 Prozent, die von den IRD-Einnahmen an den IRW fließen.

7.3. Ansprüche und Eigentümlichkeiten

Die finanzielle Erfolgsgeschichte zeigt sich auch im Umfeld und im Auftreten von Islamic Relief Deutschland. In einem Bericht über die Kooperation von christlichen Hilfswerken und „deutschen muslimischen Hilfsgruppen“, in der Zeitschrift Überblick aus dem Jahr 2005, wird ein „großes Misstrauen“ beschrieben.

„Auch Ahmad von Denffer, der Vorsitzende von „Muslime Helfen“, beschreibt einen fehlgeschlagenen Versuch, eine christlich-muslimische Zusammenarbeit ins Leben zu rufen. Er hat über Monate christliche Organisationen angeschrieben auf der Suche nach einem Kooperationspartner für die Unterstützung einer Blutbank in Gaza. Die Bemühungen waren vergeblich. […]
Auch die finanziellen Voraussetzungen sind ungleich. Wegen der immensen Unterschiede im Budget der christlichen und der muslimischen Werke kann man „nicht auf Augenhöhe argumentieren“, sagt Mustafa Yoldas. Während die muslimischen Organisationen über Spendengelder in einer Höhe von je rund einer bis drei Millionen Euro verfügen, plant der EED beispielsweise mit einem Haushaltsvolumen von rund 140 Millionen Euro pro Jahr.“

Im Jahresbericht 2019 von IRD (S. 11) heißt dagegen sehr selbstbewusst, dass man aufgrund des finanziellen Erfolges eine neue Strategie 2016-2021 formuliert habe.

„Die neue Strategie enthält vier strategische Schwerpunkte. Sie sind zugleich die wichtigsten Ziele der Organisation, die bis 2021 wie folgt erreicht sein sollen:
1. Wir haben eine signifikante Steigerung der Mittel für humanitäre Projekte erreicht.
2. Wir zeigen ein klares Profil und übernehmen eine führende Rolle im humanitären Sektor in Deutschland.
3. Wir sind engagierter Partner der weltweiten Islamic Relief-Familie.
4. Wir haben die Voraussetzungen und Fähigkeiten für die zukünftige qualitative und quantitative Entwicklung von Islamic Relief geschaffen.“

Der Punkt 2, dass IRD eine „eine führende Rolle im humanitären Sektor in Deutschland“ übernimmt, geht jedoch an der Realität vorbei. Wenn man es auf das muslimische Segment bezieht, mag das stimmen, aber „Deutschland“, das sind rund 230 Spendenorganisationen, u. a. Misereor mit Einnahmen von 232 Mio. Euro (lt. Jahresbericht 2019) oder „Brot für die Welt“ mit Einnahmen von 313 Mio. Euro (lt. Jahresbericht 2019, S. 42).  Auch wenn man die „Staatsanteile“ aus den Einnahmen herausrechnet und nur die Spenden zählt, so sind es für Islamic Relief 14 Mio., für Misereor 57 Mio. und für Brot für die Welt 64 Mio. Euro.

Vergleichsdaten für andere muslimische Hilfsorganisationen sind selten zu finden. So veröffentlicht „Muslime helfen“ für die Jahre 2010 – 2017 jeweilige Projektübersichten (ausgezahlte Projektgelder 2017: Euro 3.153.556 / IRD: 11.059.310). Für Hasene, Ansaar und WEFA ließen sich solche Übersichten nicht feststellen. Insofern ist die Mitgliedschaft von Islamic Relief Deutschland im deutschen Spendenrat für muslimische NGOs ein Alleinstellungsmerkmal, da die geforderte Transparenz insoweit geleistet wird.

Das Eigenartige an den IRD-Finanzübersichten, weil ungewöhnlich und auch in diesem Zusammenhang sachlich unpassend, ist das „Kleingedruckte“. So heißt es im Finanzbericht 2019, S.54, dass der IRD sich im Anschluss an seine Bilanz „zur Einhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes“ bekennt.

„Als Mitglied im Deutschen Spendenrat e. V. verpflichtet sich Islamic Relief Deutschand e.V. die ethischen Grundsätze im Spendenwesen zu wahren und zu fördern und den ordnungsgemäßen Umgang mit Spendengeldern sicherzustellen. Wir verpflichten uns zur Veröffentlichung des Jahresberichts spätestens neun Monate nach Ende eines Geschäftsjahres. Unser Jahresbericht informiert wahrheitsgemäß, transparent, verständlich und umfassend.
Die Prüfung des Jahresabschlusses und der Vier-Sparten-Rechnung erfolgt nach Maßgabe des Deutschen Spendenrates e. V., den jeweils gültigen Richtlinien des Institutes der Wirtschaftsprüfer (IDW) und den Grundsätzen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts. Wir bekennen uns zur Einhaltung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und bestätigen dem Deutschen Spendenrat e. V. im Rahmen der jährlichen Selbstverpflichtungserklärung unter anderem das Vorliegen unserer Gemeinnützigkeit und die Beachtung der gesetzlichen Regelungen des Datenschutzes und der Richtlinien zum Verbraucherschutz.“

7.4. Transparenz?

Ist diese Zahlenübersicht aber tatsächlich transparent? Schaut man sich eine Visualisierung der Einsatzländer an, muss man diese Frage verneinen.

Es werden zwar die Länder markiert, in denen Projekte von IRD finanziert werden, aber die Finanzangaben erfolgen nur pauschal in Oberrubriken wie „Humanitäre Hilfe“, „Entwicklungszusammenarbeit“, „Waisenpatenschaften“, u. a. m. Was sich auf den ersten Blick – so viele Zahlen – als transparent darstellt, ist es tatsächlich jedoch nicht.

Auch Islamic Relief Worldwide verfährt in dieser Hinsicht nicht anders. Es wird ebenfalls eine Weltkarte mit den Einsatzländern gezeigt und es wird die Anzahl der erreichten Menschen genannt (mit einer unrealistischen Genauigkeit). Wie viele Finanzmittel in die jeweiligen Länder fließen, wird nicht genannt.

Bis 2010 fehlt in den IRD-Jahresberichten eine detailliertere Aufstellung über Projekt/Länder/Summen. Diese Aufstellung ist erstmalig im Jahresbericht 2010 (S. 50 ff.) vorhanden. (Allerdings ist dieser Jahresbericht auf der IRD-Internetseite mit Jahresbeginn 2021 nicht mehr vorhanden, die seitdem erst mit 2011 beginnen.) Dort werden in sechs Spalten die Informationen nach Ländern / Projekten /Summen dargestellt.

Daraus wird ersichtlich, das rund die Hälfte der Ausgaben (46 Prozent) direkt für die Unterstützung der innerreligiösen Anlässe (Kurban und Ramadan) eingesetzt werden. Wie weit die Hilfen für Waisen („Waisenpatenschaften“) ebenfalls konfessionell gebunden sind, wäre zu klären. Da aber anzunehmen ist, dass diese Hilfen MFB („Muslim Faith Based“) sind, würde der Anteil der religiösen Stützungen sich dann auf rund zwei Drittel (68,1 Prozent) der Ausgaben belaufen.

Dabei treten dann im Jahresbericht 2010 Unstimmigkeiten auf. Zum einen wird auf der Folgeseite noch eine Übersicht „Im Überblick“ gezeigt, auf der „Kurban/Ramadan“ zusammengefasst rubriziert werden – wobei jedoch nur die Summe für „Kurban“ genannt wird – und in der folgenden Zeile – in der die Summe für „Ramadan“ genannt wird – steht: „Lebensmittelverteilung“.

Neben den drei Projekten (Kurban/Ramadan/Waisen), deren Summe für „Alle Länder“ zusammengefasst sind, werden noch zwanzig Projekte nach Ländern genannt, neun davon in „Palästina (Gaza)“. Die Ausgaben für „Palästina (Gaza)“ betragen 469.920 Euro oder 11,6 Prozent des Jahresbudgets 2010. Auf der folgenden Seite des Jahresberichts gibt es dann eine Darstellung „Unterstützung nach Projektländern in 2010“, d. h. die Kategorie „Alle Länder“ wurde aufgelöst. In dieser Übersicht (für 30 Empfängerländer) erhält „Palästina“ 854.198 Euro oder 21,1 Prozent des Budgets für 2010.

Ab dem Jahresbericht 2011 (und in allen weiteren) erfolgt dann eine andere Darstellung, indem (z. B. für 2019) über mehrere Seiten sehr detailliert in vier Gruppen (Humanitäre Hilfe / Entwicklungszusammenarbeit / Einzelprojekte / Weitere Projekte) und in neun Kategorien (Land / Projekt / Laufzeit / Direkt Begünstigte / Implementierungspartner / Zuwendungsgeber / Gesamtkosten / Mittelzugang 2019 / Projektaushaben 2019) 68 Projekte aufgelistet werden. Das ist zwar auf den ersten Blick beeindruckend und sieht sehr transparent aus, ist aber das Gegenteil, weil es jede Übersichtlichkeit durch eine Vielzahl von Informationen verschüttet, oder, wie es im Sprichwort heißt: „Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht“.

Um eine gewünschte Transparenz zu erreichen ist eine eigene, durchaus zeitaufwändige Aufschlüsslung notwendig. Sie führt, als Beispiele, zu zwei Ergebnissen. Für die Projekte der Gruppe „Einzelprojekte“ – bei der es sich weitestgehend um die innerreligiösen Missionsprojekte der Waisenpatenschaften, von Ramadan, Kurban, Adal und Aqiqa handelt – werden von den „Projektausgaben 2019“ von insgesamt 14.535.28 Euro in dieser Gruppe 7.513.828 Euro ausgegeben, das sind 51,7 Prozent.

In einer eigens neu erstellten Übersicht der 68 Projekte 2019 und den Gesamtkosten zeigt sich eine bemerkenswerte Mittelverwendung. Die Hälfte der Gesamtkosten werden über 23 Projekte verteilt, für die vor Ort Islamic Relief Worldwide als Implementierungspartner auftritt. Ob das im Sinne der Spender für die „Aktion Deutschland hilft“ ist, die mit gut zwei Mio. Euro daran beteiligt sind, mögen diese selbst bewerten.

Bei den Projekten gibt es zudem eigenartige Verbindungen zwischen Zuwendungsempfänger / Zuwendungsgeber / Implementierungspartner. So ist Islamic Relief Deutschland der Zuwendungsempfänger für das Projekt „Beitrag zur Aufrechterhaltung der medizinischen Grundversorgung in Syrien“, bei dem es um den Notbetrieb von Krankenhäusern geht. IRD erhält dafür vom Auswärtigen Amt für den Zeitraum 01.04.2017 bis 31.03.2020 Fördersummen von insgesamt 4.444.364,74 Euro, die dann jeweils an den Implementierungspartner „Deutsch-Syrischer Verein zur Förderung der Freiheiten und Menschenrechte e.V. (DSV)“ weitergereicht werden, der auf Krankenversorgung spezialisiert ist. Sitz des DSV ist ebenfalls in Deutschland, in Darmstadt. Warum ist der DSV nicht der direkte Zuwendungsempfänger?

8. Muslimbruderschaft / HAMAS / Antisemitismus

Die Diskussion um Islamic Relief Deutschland (IRD) in Deutschland hat vorrangig zwei Fixpunkte. Zum einen die Frage, inwiefern die IRD zum Netzwerk der Muslimbrüderschaft (Netzwerk MB) gehört, zum anderen in der Frage, wie sie zur HAMAS in Palästina steht und ob sie selber antisemitische Positionen einnimmt.

8.1. Zugehörigkeit zur Muslimbruderschaft

Die Frage , ob die IRD zum Netzwerk der Muslimbruderschaft (MB) gehört, ist nicht nur durch die Gründungsgeschichte belegt (vgl. Punkt 2. und 3.) sondern wird auch durch die Antworten der Bundesregierung (BT-Drucksache 19/24269, S. 2 vom 12. 11. 2020) als „signifikante personelle Verbindungen“ bestätigt:

„Nach Kenntnis der Bundesregierung verfügen sowohl ‚Islamic Relief Worldwide‘ (IRW) als auch ‚Relief Deutschland e.V.‘ (IRD) über signifikante personelle Verbindungen zur ‚Muslimbruderschaft‘ oder ihr nahestehende Organisationen.“

Die Frage einer Zugehörigkeit zum MB-Netzwerk kann also für IRW und IRD als geklärt angesehen werden.

8.2. Positionierung zur HAMAS / Antisemitismus

Die zweite Frage, wie die IRD zur HAMAS steht, ist jedoch von politischer und juristischer Bedeutung.

Die HAMAS (Harakat Al-Muquawama Al-Islamiya / islamische Widerstandsbewegung) gilt als palästinensische Variante der ursprünglich ägyptischen Muslimbruderschaft, deren Hauptziel die Vernichtung des Staates Israel sei.

Bereits im Verfassungsschutzbericht von Baden Württemberg 2009 wurde in einem Artikel über die Muslimische Jugend Deutschland (MJD) auch IRD und IRW erwähnt und ein Zusammenhang mit der HAMAS angedeutet.

„Auf der MJD-Website wird Stellung zum politischen Tagesgeschehen genommen und zu ‚Solidarität mit Gaza“ aufgefordert. 76 Spendenaufrufe erfolgen über zwei muslimische Wohlfahrtsorganisationen, unter anderem über ‚Islamic Relief Deutschland‘ mit Sitz in Köln. Die Dachorganisation „Islamic Relief Worldwide“ (IRW) gilt als wichtige wohltätige Organisation aus dem Umfeld der MB. Die Aktivitäten der IRW sollen in den palästinensischen Autonomiegebieten personell und ideologisch mit der HAMAS verknüpft sein.“

In den Finanzberichten wurde bis 2011 für die nationalen IR-Organisationen relativ detailliert dargestellt, für welche Zwecke/Länder die Überweisungen bestimmt waren, die IRW jeweils erhielt. Bei den Überweisungen von Islamic Relief Deutschland besteht zwar der größte Teil für die allgemeinen religiösen Lebensmittel-/Fleischbeschaffungsprojekte, aber in den länderspezifischen Zuweisungen haben die besetzten Gebiete Palästinas einen überwiegenden Anteil.

Damit stellt sich die Frage, was genau finanziert wurde. Dieser Aspekt wurde im Deutschen Bundestag im April 2019 (Drucksache19/9415) behandelt. Die Antwort der Bundesregierung ist einerseits eindeutig und andererseits wieder nicht.

„[Frage] 45. Welche Erkenntnisse über Islamic Relief und Islamic Relief Deutschland hat das Überprüfungsverfahren des Bundesrechnungshofes in Bezug auf die Zu-wendungen des Auswärtigen Amtes an Islamic Relief Deutschland gebracht?
[Antwort] Die Prüfung der Zuwendungen des Auswärtigen Amts an ‚Islamic Relief Deutschland e. V.‘ (Projektförderungen der humanitären Hilfe der Bundesregierung im Ausland im Kontext der Syrienkrise) durch den Bundesrechnungshof ist noch nicht abgeschlossen.

[Frage] 46. Seit wann ist der Bundesregierung bekannt, dass Islamic Relief Worldwide inklusive des deutschen Zweiges Islamic Relief Deutschland seit 2014 in Israel verboten sind und Israel diese Organisationen als Teil des Finanzsystems der Hamas und der Muslimbrüderbewegung ansieht und deshalb als Terrororganisation einstuft?
[Antwort] Der Bundesregierung ist das Verbot seit dem Jahr 2014 bekannt.

[Frage] 47. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Einstufungen im Hinblick auf die Zuwendung von Mitteln an diese Organisationen, und wie will sie hiermit künftig verfahren?
[Antwort] Auf die Antwort zu Frage 45 und die laufende Bundesrechnungshofprüfung wird verwiesen.

[Frage] 48. Wann, und in welcher Form hat sich die Bundesregierung bei israelischen Stellen über die Islamic Relief Worldwide und Islamic Relief Deutschland erkundigt?
[Frage] 49. Wie hat die Bundesregierung überprüft, dass von Islamic Relief Deutsch-land, Islamic Relief Worldwide oder einer ihrer Zweige keine Mittel an die Hamas, ihr Personal oder ihre Vorfeldorganisationen geflossen sind?
[Antwort] Die Fragen 48 und 49 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Eine Beantwortung ist aus Gründen des Staatswohls nicht möglich, da die vorliegenden Erkenntnisse für eine Verwendung im nationalen Bereich nicht freigeben sind. Die Übermittlung der Erkenntnisse würde eine Verletzung der ‚Third Party Rule‘ darstellen, nach der ausgetauschte Informationen nicht ohne Zustimmung des Informationsgebers an Dritte weitergegeben werden dürfen, vgl. BverfGE vom 13. Oktober 2016, 2 BvE 2/15. Dies würde die zukünftige Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten bei der Aufklärung des internationalen Terrorismus und damit die Aufgabenerfüllung des BfV erschweren. Somit wäre im Fall der Informationsweitergabe das Staatswohl gefährdet.“

Diese Information wurde im Abgeordnetenhaus von Berlin im Dezember 2016 wiederholt. (Drucksache 18/10 104).

„Dem Berliner Senat ist bekannt, dass die Organisation ‚Islamic Relief Worldwide‘ (IRW) von israelischen Behörden im Juni 2014 verboten wurde, da die Organisation dem Finanzierungsapparat der HAMAS zugehörig sei.“

Islamic Relief Worldwide wurde 1984 gegründet, die HAMAS 1986. Sie besteht aus den paramilitärischen Kassam-Brigaden, einem humanitären Hilfswerk und einer politischen Partei. Es besteht ein direkter Bezug zur MB. Ein Grund dafür ist der Gründer und geistige sowie politische Führer der Hamas, Sheikh Ahmad Yassin, ein unbestrittener Muslimbruder, der im April 2004 gezielt von den Israelis getötet wurde.

In der politischen Bewertung der HAMAS gibt es Unterschiede. Nachdem die Regierung Israels 2014 für Islamic Relief ein Betätigungsverbot auf der Westbank ausgesprochen hatte, sah sich die britische The Jewish Chronicle im August 2014 veranlasst, diese Entscheidung zu begründen: „Who are Islamic Relief — and just what is Israel’s case against them?

„Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Islamic Relief von der britischen Regierung daran gehindert wird, in Gaza zu arbeiten, selbst wenn Israel nachweisen kann, dass sie Gelder an Organisationen mit Verbindungen zur Hamas überwiesen haben. Der Grund dafür ist, dass das Auswärtige Amt [des Vereinigten Königreichs] eine andere Auffassung als die Israelis, die Amerikaner und einige andere Regierungen wie Deutschland hat, was die Finanzierung der Hamas betrifft.
Integraler Bestandteil der Hamas-Bewegung ist ihre Wohlfahrtsinfrastruktur, die Wohltätigkeitsorganisationen im Gazastreifen und im Westjordanland betreibt. Im Laufe der Jahre wurden Millionenbeträge von Interpal und der Union for Good an diese Organisationen geschickt oder weitergeleitet.
Obwohl es keine Beweise dafür gibt, dass mit diesem Geld Waffen gekauft wurden, haben die Amerikaner und andere dies dennoch als Finanzierung der Hamas angesehen, weil die Hamas-Führer selbst die nahtlose Natur der drei Bestandteile der Bewegung betont haben: sozial, politisch und militärisch. Die Wohlfahrtsorganisationen der Hamas sind Teil ihres politischen Flügels, und der Gründer der Hamas, der verstorbene Scheich Ahmed Jassin, sagte, der politische und der militärische Flügel seien ‚ein Körper‘. Wir können den Flügel nicht vom Körper trennen. Wenn wir das tun, wird der Körper nicht in der Lage sein zu fliegen.“

Die der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş nahestehende „Internationale Humanitäre Hilfsorganisation (IHH) wurde 2010 in Deutschland verboten, weil sie die HAMAS unterstützt habe. Das Bundesverwaltungsgericht hat im April 2012 das Verbot des Vereins bestätigt und die Klage hiergegen abgewiesen. Zu den Gründen heißt es:

„[…] das soziale Engagement des Vereins Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH) für die HAMAS [fördert] deren Akzeptanz im Gazastreifen und erleichtert ihr die Rekrutierung von Aktivisten, die sich an terroristischen Handlungen beteiligen. […]
Obwohl den leitenden Mitgliedern der IHH diese Entscheidung nach der Überzeugung des BverwG bekannt war, habe die Vereinigung ihre Unterstützungstätigkeit aufgenommen und überdies zu verschleiern gesucht. Dadurch habe sie verdeutlicht, dass sie sich mit der HAMAS einschließlich der von dieser Organisation ausgehenden Gewalttaten identifiziert (Urt. v. 18.04.2012, Az. 6 A 2.10).
Für das BverwG steht fest, dass die IHH von ihr gesammelte Spendengelder in beträchtlichem Umfang und über einen langen Zeitraum zunächst der Islamic Society und hieran anschließend der Salam Society for Relief & Development überlassen hat. Diese im Gazastreifen tätigen Sozialvereine seien nach den zutreffenden Feststellungen des Bundesministeriums des Innern Bestandteile des Gesamtgefüges der HAMAS, die terroristische Handlungen begeht und dadurch Gewalt in das Verhältnis des israelischen und des palästinensischen Volkes hineinträgt.“

Das Verbot im Jahr 2010 ist zudem kein Einzelfall und hat als Anknüpfungspunkt den Art. 9, Abs. 2 Grundgesetz:

„Organisationen, die sich unmittelbar oder mittelbar von deutschem Boden aus gegen das Existenzrecht des Staates Israel richten, haben ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit verwirkt“, erklärte de Maizière. Das Innenministerium hatte in den vergangenen Jahren mehrere islamistische Vereine verboten; seit 1964 erließen deutsche Behörden 98 Verbote gegen Gruppen und Vereinigungen, die zumeist rechts- oder ausländerextremistische Gesinnungen aufwiesen.
Gesetzlicher Anknüpfungspunkt eines solchen Verbotes ist Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz, wonach Vereine verboten sind, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“.  

Dieses Verbot wurde 2018 vom Bundesfassungsgericht bestätigt, wegen „Spenden-Weiterleitung an Sozialvereine der Terrororganisation Hamas.“

Das Verbot der IHH in Deutschland (2010) hinderte Islamic Relief Deutschland allerdings nicht, 2012 – im Rahmen des „Aktionsbündnis Deutschland Hilft“ – mit der IHH (Türkei) als „Implementierungspartner“ in der Versorgungs-Hilfe für Binnenflüchtlinge in Syrien zusammen zu arbeiten.

In der Publikation des Aktionsbündnis Deutschland Hilft (Dezember 2012) zur Syrien-Hilfe von IRD ist davon keine Rede.

Die Frage, ob die beiden IHH-Organisationen (in Deutschland sowie in der Türkei) etwas miteinander zu tun haben, wird in der tageszeitung positiv eingeschätzt:

„Beide Organisationen sind nicht direkt miteinander verbunden, laut Sicherheitskreisen haben sie jedoch gemeinsame Wurzeln. Die IHH wurde demnach 1992 in Freiburg gegründet, spaltete sich fünf Jahre später aber in eine deutsche und eine türkische Organisation. Heute sehen Islamexperten keine personellen Verbindungen zwischen der deutschen und der türkischen IHH, wohl aber ideologische: Eben, dass beide Teil der Milli-Görüs-Bewegung sind.“

Bereits 2002 war die Organisation „Al-Aqsa“ wegen des Verdachts der Unterstützung der HAMAS und des Terrors gegen Israel in Deutschland verboten worden, ebenso wie 2005 deren Nachfolgeorganisation „Yatim Kinderhilfe“. Auch der Verein Ansaar International steht im Verdacht, die HAMAS unterstützt zu haben und zum Umfeld des Salafismus zu gehören. Im Unterschied zu Islamic Relief Deutschland, deren Funktionäre sich strikt defensiv im Kontakt zu öffentlich auftretenden Islamisten verhalten, hatte Ansaar mit bekannten Salafisten-Predigern in Deutschland gemeinsame Sache gemacht.

Allerdings ist bei allen Diskussionen um die Hilfen für die „Besetzten palästinenschen Gebiete“ (so lautet die UN-Bezeichnung: „occupied Palestinian territory“) große Vorsicht geboten. Laut einer Übersicht der UNOCHA (Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) belaufen sich die humanitären Hilfen für die besetzten palästinensischen Gebiete jährlich im Bereich von 200 bis 400 Mio. USD. und die deutsche Bundesregierung ist im Bereich von rund 20 bis 80 Mio. USD jährlich dabei.

Es ist hier weder Platz noch Ort, vertieft auf das Thema „Palästina“ einzugehen, sondern es sei auf die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages: „Der israelisch-palästinensische Konflikt von 1991 bis 2020“ verwiesen:

„Wiederkehrende Muster sind dabei nicht nur der Bau von israelischen Siedlungen und Siedlungsinfrastruktur sowie die Verstärkung israelischer Sicherheitskontrollen, etwa der Abriegelung des Gaza-Streifens. Zu den wiederkehrenden Mustern zählen auch die Gewaltbereitschaft und Gewalt auf palästinensischer Seite, denen regelmäßig israelische Militäraktionen folgen, die politische Gespaltenheit der palästinensischen Führung sowie deren unilaterales Streben nach Legitimierung durch die Staatengemeinschaft und anschließende Erlangung der Staatlichkeit. Jeder Schritt in diese Richtung – etwa die Anerkennung Palästinas als Staat durch ein Land, die Aufnahme Palästinas in internationale Organisationen – wird regelmäßig durch die Ankündigung neuer Siedlungsvorhaben etc. beantwortet und ist z.B. der Grund für Israels 2018 erfolgten Aus-tritt aus der UNESCO.“

Nützlich ist auch der Beitrag: „Die Anwälte“ - ein Streitgespräch zwischen zwei internationalen Juristen.

Die pauschalen Beschuldigungen, eine „Terrororganisation“ zu sein, beruhen auf dem jeweiligen politischen Standpunkt und ist durch seinen inflationären Gebrauch sinnentleert worden. Wenn zudem für derartige Zuweisungen Erkenntnisse der Geheimdienste als Begründung angegeben werden, die man jedoch aus nationalem Sicherheitsinteresse nicht veröffentlichen dürfe, werden solche Etikettierungen beliebig. Zudem ist anzumerken, dass die EU und die USA die Muslimbruderschaft bisher nicht als Terrororganisation eingestuft haben. (Dokumentationsstelle, S. 36)

„Die Anwendung von Gewalt im Fall der Bruderschaft unterscheidet sich daher sowohl konzeptionell als auch methodisch vom Terrorismus von Organisationen wie al-Qaʿida und vor allem dem Islamischen Staat. Die Muslimbruderschaft wurde daher bisher weder von der EU noch den Vereinigten Staaten, trotz dahingehender Versuche, als terroristische Organisation eingestuft.“

Islamic Relief Worldwide hat gegen den Vorwurf Klage eingereicht. Dazu schreibt der Guardian im Juli 2020:

„Israel hat eine angespannte Beziehung zu vielen humanitären Gruppen, die in den palästinensischen Gebieten tätig sind. In einem separaten, aber ähnlichen Fall wurde der Gaza-Direktor einer christlichen Hilfsorganisation, World Vision, beschuldigt, Gelder an die Hamas abgezweigt zu haben. Die Vorwürfe basierten ebenfalls auf geheimen Aussagen von Geheimdienstmitarbeitern. Interne Untersuchungen von World Vision und eine Untersuchung der australischen Regierung fanden keine Beweise dafür, dass Gelder missbraucht worden waren.“

Die Frage hat sich dann jedoch durch führende IRW- und IRD-Funktionäre selbst beantwortet. Der komplette Vorstand von Islamic Relief Worldwide musste im August 2020 zurücktreten, nachdem Äußerungen durch die Times sowie Times of Israel und andere Medien bekannt geworden waren, in denen Almoutaz Tayara die HAMAS verherrlichte.

„Der Treuhänder und Direktor von Islamic Relief Worldwide, Almoutaz Tayara, der im letzten Monat dem Vorstand beitrat, nachdem sein in Ungnade gefallener Vorgänger wegen antisemitischer Äußerungen zurückgetreten war, hat die Anführer der Hamas-Terrorgruppe als ‚große Männer‘ bezeichnet, die dem ‚göttlichen und heiligen Ruf der Muslimbruderschaft‘ folgten.
‚Die al-Qassem-Helden haben keinen Abschluss an den Militärakademien Großbritanniens und der USA gemacht, im Gegensatz zu den Herrschern und Königen der arabischen Welt, die dort auf Feigheit und Treue zu den Ausländern - Großbritannien und den USA - erzogen wurden‘, schrieb Tayara und bezog sich dabei auf den militärischen Flügel der Hamas.
Tayara sagte der Zeitung, er sei ‚zutiefst beschämt. Ich unterstütze keine terroristische Bewegung. Ich unterstütze weder die Muslimbruderschaft noch die Izz al-Din al-Qassem-Brigaden. Ich bin kein Antisemit‘, sagte er.“

Sein Vorgänger als Direktor des IRW, Heschmat Khalifa, hatte sich bereits 2014 und 2015 grob antisemitisch und bewundernd zur HAMAS geäußert:

„Die Juden seien ‚Enkel von Affen und Schweinen‘, ein häufiger Refrain unter antisemitischen Muslimen, basierend auf einem umstrittenen Koranvers. In anderen Beiträgen nannte er den ägyptischen Präsidenten Abdel-Fattah el-Sissi wegen seiner Unterstützung Israels einen ‚zionistischen Zuhälter‘, sowie ein ‚zionistisches Schwein‘, einen ‚zionistischen Verräter‘ und einen ‚zionistischen Verbrecher‘. Er nannte auch die Hamas-Terrororganisation, die für Tausende von Toten unter israelischen Zivilisten verantwortlich ist, ‚die reinste Widerstandsbewegung der modernen Geschichte‘.“

Dr. Almountaz Tayara war 1997 bis 2018 bei Islamic Relief Deutschland erst Mitglied und dann (seit 2016) 1. Vorsitzender des Vorstands. Von ihm selber waren bereits 2017 antisemitische Äußerungen bekannt geworden, über die im September 2020 noch einmal berichtet wurde.

„Neben der Glorifizierung der Qassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, hatte er 2014 eine Karikatur verbreitet, in der der damalige Präsident der USA, Barack Obama, eine Krawatte mit einem Davidstern trägt. Nach Bekanntwerden dieser Beiträge trat Tayara von seinen Ämtern beim IRW zurück, auch für das Amt des Vorsitzenden des IRD kandidiert er bei den Wahlen im Oktober nicht mehr.
Die Organisation schrieb in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme, Tayara habe ‚zwischen 2014 und 2015 insgesamt drei Posts auf seinem privaten Facebook-Account geteilt, die unangemessen und mit den Werten und Grundsätzen von IRD nicht vereinbar waren‘. Man habe vor drei Jahren von den Postings erfahren und den damaligen Vorsitzenden damit konfrontiert. Der Arzt habe sich nach eigenen Angaben über den ‚Krieg zwischen Israel und Palästina sehr emotionalisiert‘ und deshalb ‚zu diesen Posts hinreißen lassen‘. In einem Gespräch soll sich Tayara damals eindeutig von Form und Inhalt der Postings distanziert haben. Der IRD nahm die Entschuldigung an.“

9. Fazit

1. Gemeinnützigkeit fragwürdig: „Islamic Relief Humanitäre Organisation in Deutschland e. V.“ ist nach der Einschätzung des Kölner Finanzamtes ein gemeinnütziger Verein. Es liegen Anhaltspunkte vor, die Fragen an der Gemeinnützigkeit aufwerfen. Hierzu gehören Antisemitismus und Unterstützung der Terrororganisation der Hamas durch Führungspersönlichkeiten von IRD und deren Duldung durch weite Kreise in der Organisation. Die programmatische Absicht („Wir handeln ungeachtet politischer Überzeugungen, nationaler oder ethnischer Herkunft, Geschlecht und Religion sowie ohne Erwartung von Gegenleistung.“) ist an der Realität zerschellt

2. Missionierungsabsicht im weltweiten Netzwerk: IRD verbindet humanitäre Hilfen mit einer ausdrücklichen muslimischen Missionierungsabsicht. Sie gehört zur sunnitischen Strömung im Islam, ist überwiegend arabisch dominiert und versteht sich als Teil der weltweiten „Islamic-Relief-Familie“. Deutschland war ursprünglich nur eine Basis für die Einnahmenerzielung über die „Zakat-Spenden“ (Dritte Säule des Islams) und weiteren Spendeneinnahmen (Ramadan, Kurban, Adak und Aqiqa). Diese wurden vor allem für Lebensmittelpakete und Fleischspenden (Opfertiere) zu den religiösen Feiertagen verwendet. Das entspricht der religiös-sozialen Agenda der Muslimbruderschaft, die soziale, humanitäre Fürsorge (kostenlose Speisen und medizinische Versorgung der Armen) mit einer Verteidigung des Glaubens (vor allem gegen Ungläubige) verbindet.

3. Dialektik des Handels: Muslimische Organisationen – auf deren Agenda die Bekämpfung ‚des Westens‘ und der Säkularität steht – gründen Spendensammelorganisationen in eben diesem ‚Westen‘ (Westeuropa, Kanada, USA, Australien etc.), die vergleichsweise stabile politische Verhältnisse haben, eine hohe Bildung und Wirtschaftsleistung, so dass dort auch muslimische Zuwanderer gute Einkommen und Wohlstand erreichen. Von diesen dort Ansässigen werden dann Spenden eingesammelt und in die Ursprungsländer transferiert, in denen die Verhältnisse durchaus prekär sind. Insofern gibt Deutschland IRD die Möglichkeit, in Deutschland Finanzmittel zu erwirtschaften.

4. Kirchliche und politische Flankierung: Mit Hilfe christlicher Kirchenfunktionäre – vor allem der evangelischen Kirche ‒ und prominenten PolitikerInnen – vor allem aus der SPD – als Testimonials („Speisen für Waisen“) ist es IRD gelungen, einen akzeptierten Platz im Organisationsgefüge der deutschen Wohltätigkeitsbranche („Aktion Deutschland Hilft“) zu bekommen – auch wenn das derzeit zur Disposition steht.

5. Arbeitsteilung: Innerhalb der „MB-Familie“ besteht eine klare Arbeitsteilung. Islamic Relief Deutschland ist für gutes Image in Deutschland zuständig – auch wenn dieser „gute Ruf“ 2020 Schaden genommen hat ‒ und ebenso für die Stabilisierung des Islam in überwiegend ‚muslimischen‘ Ländern. Inssan e. V./CLAIM machen in Deutschland die PR für die „Opferrolle“ der Muslime, die Muslimische Jugend organisiert die korangemäße, geschlechtergetrennte Jugendarbeit und JUMA e.V. kümmert sich um die Remissionierung der akademischen Jugend.

6. Intransparenz: Die Transparenz entspricht buchhalterischen Kriterien, mehr nicht. Die beeindruckend vielen Zahlen und Daten werden nicht verständlich zusammengefasst und aufbereitet.

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*) Dieser Artikel wurde am 27.01.2020 korrigiert, da das Gründungsmitglied von Islamic Relief Deutschland, Hakan Aydin, nicht identisch ist mit einem anderen Hakan Aydin (seit 2020 stellv. Leiter der Bildungsabteilung der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) und Vorsitzender des konfessionellen Beirates des Seminars für Islamische Theologie der Universität Paderborn), wie es fälschlicherweise im Text stand.