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Konfrontative Religionsbekundung

Fowid-Politikbeobachter: Das Thema der Diskriminierung – vor allem muslimischer Schüler als Opfer –, begleitet die Berliner Schulen seit Jahren. Ein Papier: „Bestandsaufnahme konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln“ (Dezember 2021) sorgt nun für Diskussionen, da es das konfrontative Verhalten von – vor allem – muslimischen Schülern thematisiert. Damit werden peripher auch das Berliner Neutralitätsgesetz und Rassismuskampagnen zum Thema. Eine Bestandsaufnahme.

1. Zur Sache
2. Zur Thematik
3. Zur Begrifflichkeit „Konfrontative Religionsbekundung“
4. Berichterstattung in den Medien
5. Stellungnahmen
    5.1. Gegner
    5.2. Befürworter
6. Mit dem Thema verbundene Themenkreise
     6. 1. „Antimuslimischer Rassismus“ (seit 2010)
     6.2. Islamismus und konfrontative Religionsbekundung (2016)
     6.3. Berliner „Neutralitätsgesetz“ (2005/2022)
7. Finanzielle Förderungen
8. Fazit

1. Zur Sache

Aufgrund von anhaltenden Meldungen über eine mangelnde religiöse Toleranz an Schulen erteilte das Bezirksamt Berlin-Neukölln dem „Verein für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung“ (DEVI e.V.) den Auftrag, eine erste Bestandsaufnahme dazu erarbeiten. Der DEVI e.V. besteht seit 2012.

„Seine Mitglieder sind erfahrene Bildungsreferent*innen und Projektleiter*innen in der Prävention von Rechtsextremismus, Diskriminierung und religiös begründetem Extremismus, Lehrer*innen aus Berliner Oberstufenzentren (OSZ) und Personen, die mit diesem Engagement in Schule und beruflicher Bildung eng verbunden sind. Unsere Leitlinie ist die Förderung von Demokratie als Herrschafts-, Gesellschafts- und Lebensform.“

Der DEVI-Vorsitzende Michael Hammerbacher erläuterte gegenüber dem Tagesspiegel(+):

„Untersuchungsauftrag war, herauszufinden, inwieweit solche Vorfälle verbreitet sind. Darunter verstehen wir ein religiös begründetes Verhalten, das schulöffentlich ausgelebt wird. Und dabei auf die Herstellung von Aufmerksamkeit zielt, provozieren, andere erniedrigen und – sehr wichtig – Dominanz herstellen soll.“

Das entstandene Dokument (I) „Bestandsaufnahme konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln“ ist genau das: eine erste Bestandsaufnahme an zehn Schulen in Neukölln, die im Zeitraum von Mitte Oktober bis Dezember 2021 erfolgte. Die Interviews und die Schulen wurden komplett anonymisiert und auf 46 Seiten werden Facetten aus dem Schulalltag zitiert. Die thematische Gliederung umfasst u. a.: Die Schulen / Der Sozialraum / Probleme und Konflikte / Themencluster Lebensregeln des Islam / Themencluster Umgang mit anderen Religionen und Minderheiten / Themencluster Geschlechterrollen und Sexualität / Themencluster Besondere Vorfälle und Radikalisierungstendenzen / Die Elternhäuser / Ideen, Vorschläge und Wünsche.

Dieser Bestandsaufnahme war ein Projekt in der Lehrerfortbildung vorausgegangen: „Berliner Berufsschulen für weltanschauliche und religiöse Vielfalt“ (2018).

„In den letzten Jahren wurde verstärkt und besorgniserregend über religiöses Mobbing und konfrontative Religionsbekundung auf Berliner Schulhöfen berichtet. Für alle Pädagoginnen und Pädagogen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie im Schulalltag mit konfrontativer Religionsbekundung oder islamistischer Radikalisierung von Schülerinnen und Schülern umzugehen ist. Das DEVI-Projekt „Berliner (Berufs-)Schulen für weltanschauliche und religiöse Vielfalt“ reagiert auf demokratie- und menschenrechtsfeindliche Entwicklungen in diesem Kontext mit einem fachlich fundierten und praxistauglichen Fortbildungsangebot, das auf vier Grundpfeilern beruht: -Fortbildung von Lehrkräften zu Beratungslehrkräften für weltanschauliche und religiöse Vielfalt / -Schulberatung und -entwicklung / - Foren und Klassentage zum Thema Prävention von Radikalisierung/Extremismus für Schülerinnen und Schüler und Auszubildende / -Begleitung und Unterstützung der Beratungslehrkräfte nach Abschluss der Ausbildung.“

Im Dezember 2021 wurde ebenfalls eine zweite DEVI-Ausarbeitung (II) „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ (Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Dezember 2021) veröffentlicht. Diese Ausarbeitung zur Beantragung einer Anlauf- und Dokumentationsstelle (55 Seiten) besteht aus einem Geleitwort (2 Seiten) / Einleitung (3) / Konflikte in den Schulen urbaner Zentren: Berlin (6) / Konfrontative Religionsbekundung (23) mit den Abschnitten „Zwischen Islamismus und religiös konnotiertem Alltagverhalten?“, „Zur Rezeption der „konfrontativen Religionsbekundung“, „Keine allein deutsche Debatte: Beispiel Frankreich“ / Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung (14), mit den Abschnitten: „Grundannahmen“, „Grundrechtsklarheit als pädagogischer Auftrag“, „Pädagogische Begleitung der angetragenen (Vor)Fälle konfrontativer Religionsbekundung“, „Beratungsphasen“, „Standards der pädagogischen Begleitung“ / Fazit / Impressum.

In seinem Geleitwort schreibt der Bezirksbürgermeister von Neukölln (ein Berliner Stadtbezirk mit rund 337.000 Einwohnern), Martin Hikel (SPD), von Hilferufen aus Bildungseinrichtungen hinsichtlich religiöser Intoleranz.

„Immer wieder erreichten uns in den letzten Jahren Hilferufe aus Bildungseinrichtungen, weil bestimmte Religionsinterpretationen keinen Spielraum, keine Toleranz für andere Meinungen oder sogar auch für wissenschaftliche Erkenntnisse zulassen. Friedliches Miteinander kann aber nur existieren, wenn jeder*jede ein Recht auf individuelle, freie Meinung und Entscheidung hat, auch auf seine*ihre Interpretation von Religion und Weltanschauung.
Letzteres sollte nicht als Instrument zur Selbstüberhöhung des “Eigenen” und zur Diskriminierung und zum Ausschluss des “Anderen” missbraucht werden, sondern Kindern und Jugendlichen, ermöglichen sich selbst zu erfahren - selbstbestimmt, individuell und frei.“

Insofern wäre die zu schaffende „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontativer Religionsbekundung“ eine Ergänzung bzw. ein Kontrapunkt zur Arbeit und den Veröffentlichungen der „Anlaufstelle Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS)“, die seit 2016 besteht und diesem Diskriminierungsschutz nicht gerecht geworden ist, sondern eher das Narrativ der Muslime als Opfer bedient.

Als dritter Teil dieses ‚Informationspaketes‘ für das DEVI-Projekt und seiner der wissenschaftlichen Bewertung hat Prof. Susanne Schröter (Ethologin, Universität Frankfurt/Main, Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam) einen umfangreichen „Evaluationsbericht Anlauf und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ veröffentlicht.

„Er gliedert sich in acht Teile. Im ersten Teil wird die Bedeutung von Schule in der sich schnell verändernden Einwanderungsgesellschaft Deutschland erörtert. Im zweiten Teil geht es um den Begriff des Schulfriedens und Aspekte seiner Gefährdung anhand der prägnantesten Beispiele, die in den vergangenen 30 Jahren in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Der dritte Teil befasst sich mit der von DeVi durchgeführten Studie in Neukölln, der Methodik und den inhaltlichen Ergebnissen. Im vierten Teil erfolgt eine Beurteilung der von DeVi vorgeschlagenen Schlüsselbegriffe „konfrontative Religionsbekundung“, „Grundrechtsklarheit“ und „Schulfrieden“. Im fünften Part DeVis Begründung für die Einrichtung der „Anlauf- und Dokumentationsstelle Konfrontative Religionsbekundung“ überprüft, im sechsten und siebten Teil werden Indikatoren für die weitere Dokumentation und die angestrebte Beratungstätigkeit vorgeschlagen und der achte Teil besteht aus dem abschließenden Fazit.“

Im Fazit wird eine Weiterführung des Projektes dringend angeraten.

„Die ‚Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundungen‘ ist bundesweit der erste Versuch, das Phänomen systematisch zu erfassen, zu bearbeiten und entsprechende Beratungen und Fortbildungen anzubieten. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, das Signal-wirkung im gesamten Bundesgebiet entfalten könnte. Es ist auch deshalb ein Desiderat, weil Phänomene, die zu islamischem Extremismus führen können, bislang in Projekten zur Extremismusprävention nur unzureichend adressiert und vielfach sogar explizit ausgeblendet wurden.
Im Ergebnis konnten sich Strukturen in Schulen etablieren, die nicht nur dem Topos der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zuzurechnen sind, sondern auch einer Rekrutierung junger Menschen in islamistisch-extremistische Gruppierungen Vorschub leisten. Eine Weiterführung des beantragten Vorhabens, das sich zu einem bundesweiten Leuchtturmprojekt entwickeln könnte, ist aus den genannten Gründen dringend anzuraten.“

Beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) – einer selbständigen Bundesoberbehörde (früher Bundesamt für den Zivildienst) im Geschäftsbereich des BMFSFJ -. hat das Bezirksamt Neukölln (am 02. Juni 2021) eine ‚Start-Förderung‘ von 59.000 Euro bis zur Einrichtung dieser Anlauf- und Dokumentationsstelle beantragt, was (am 9. September 2021) bis Ende 2021 bewilligt wurde.

Dazu schreibt das Bezirksamt Neukölln ausdrücklich, dass nicht immer eine religiöse Radikalisierung gegeben sei, aber das müsse verlässlich dokumentiert werden.

„Nicht immer steckt eine tatsächliche religiöse Radikalisierung dahinter. Gerade bei Jugendlichen sind es oft auch alterstypische Delinquenz oder kulturelle Konflikte, die dahinterstehen. Genau hinsehen müssen wir aber in jedem Fall. Konfrontative Religionsausübung ist damit nicht zwingende Vorstufe einer islamistischen oder anderweitigen Radikalisierung, sondern zunächst ein individuelles Phänomen, das eine pädagogische – nicht in jedem Fall polizeiliche – Intervention beim handelnden Jugendlichen auslösen muss. Gleichzeitig müssen Radikalisierungstendenzen aber mitgedacht werden und können so noch frühzeitiger systematisch erfasst werden. Solche Fälle verlässlich zu dokumentieren schließt auch eine Lücke in der bisher nur auf Einzelfälle beschränkten Wahrnehmung.“

Derzeitiger Stand (1. Februar 2022) der beantragten Förderung = Null und das DEVI bittet um Spenden.

„Die ‚Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung‘ und andere Projekte zum Thema beim DEVI e.V. erhalten zur Zeit keine öffentlichen Förderungen. Um die notwendigen Strukturen für mögliche Projektstarts zum Sommer 2022 aufrechterhalten zu können, diese vorzubereiten und weiterhin für die Schulen ansprechbar zu sein benötigen wir eine Summe von 25.000,00 €. Wir bitten nun auf diesem Wege um Unterstützung und um Spenden dafür.“

2. Zur Thematik

Die generelle Thematik, dass es innerhalb der Muslime kleine radikale Gruppen gibt, die aber so nicht benannt werden wollen/sollen, ist in Berlin hinlänglich bekannt. Nur wenige Hinweise – durch die Jahre – mögen das illustrieren.

2000: Die Tageszeitung im Februar 2000 unter: „Lügen im Namen Gottes“ über die Umgebung der Boppstraße 4 – einem Gebäudekomplex mit mehreren muslimischen Einrichtungen, u. a. einer muslimischen Grundschule und den Büros der Islamischen Föderation – dass Belästigungen dort an der Tagesordnung seien.

„Der Wechsel im Selbstverständnis [muslimischer Organisationen] hat stattgefunden. Europa wird nun als Dar al-islam betrachtet. Das heißt, Muslime sind hier zu Hause und müssen nach Regeln der Scharia leben können. Da dies für die Minderheit nur bedingt möglich ist, sind zumindest islamisierte Räume zu schaffen, in denen eine vom Islam bestimmte moralische Ordnung gilt. Das kann eine Schulklasse sein, ein Straßenzug oder ein Stadtviertel. Nur so könne der soziale Frieden gewahrt und könnten Drogensucht und Kriminalität bekämpft werden. […] Wie weit diese Entwicklung von Parallelgesellschaften bereits fortgeschritten ist, lässt sich im Umfeld der Boppstraße in Berlin-Kreuzberg studieren. Dort häufen sich Klagen von Anwohnern, die von extremen Muslimen ob ihrer ‚freizügigen‘ Kleidung angemacht oder manchmal sogar bespuckt werden.“

2004: Im März veröffentlicht der Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration, Günter Piening, die Dokumentation der offenen Diskussionsveranstaltung: “Wie verändert der Islam die Schule im Kiez?

„Wenn es darum geht, den Islam einzubürgern und nicht auszugrenzen, wie es meine Bundeskollegin Marieluise Beck formuliert hat, gehört zu einer solchen Einbürgerung auch, sich über Spielregeln zu verständigen, das Verhältnis von Religion und säkularem Staat auszuhandeln und Grenzen zu ziehen bei Entwicklungen, die mit einer demokratischen Gesellschaft nicht in Einklang zu bringen sind.“

Und zum Islamischen Religionsunterricht und den muslimischen Organisationen heißt es in der Zusammenfassung, dass nicht „der Islam“ das Problem ist.

„Selbst den Lehrern für Islamunterricht fällt es schwer, den Mittelweg zwischen den verschiedenen Strömungen im Islam zu finden. Für die einen Eltern ist der Unterricht nicht „islamisch“ genug, für die anderen ist er zu fundamentalistisch. Auch kommt es vor, dass muslimische Eltern ihre Kinder aus Schulen abmelden, an denen es nach ihrer Meinung zu viele fundamentalistische Eltern gibt. Oder Islamisten versuchen Einfluss auf Schulen zu gewinnen. Es fragt sich, wie und ob die Schule diese Probleme lösen kann. Hier geht es letztendlich um Probleme, die nicht nur Schule, sondern ganze Stadteile betreffen, in welchen fundamentalistische Gruppen in vielfältiger Weise testen, ob es ihnen gelingt Dominanz zu erreichen und die Religion als Maß aller Dinge zu instrumentalisieren und zu etablieren. […]
Problematisiert wird die Rolle der islamistischen Institutionen. So lange solche Gruppen z.B. Vordrucke für das Abmelden von Kindern aus dem Unterricht verteilen, ist es schwer, Dialog und Vertrauen aufzubauen. Viele Diskutantinnen und Diskutanten betonten, dass ihr Misstrauen sich nicht gegen ‚den Islam‘ sondern gegen die Organisationen richtet.“

2008-2011: Ein muslimischer Schüler verlangt, dass er in seiner Schule die Möglichkeit bekomme, täglich zu beten, was die Direktorin nicht zulässt. Der Schüler klagt dagegen und das Verwaltungsgericht gibt ihm 2008 recht. Der Bildungssenator klagt 2009 dagegen vor dem Oberverwaltungsgericht. Im Mai 2010 bekommt die Schulverwaltung recht: „Urteil zur Religionsausübung: Gebet gefährdet Schulfrieden“. Der Schüler geht vor dem Bundesverwaltungsgericht in Revision, dass Ende November 2011 sein Urteil spricht. Das Bundesverwaltungsgericht gibt der Schulverwaltung Recht, dass an der Schule kein Gebetsraum vorzusehen sei und generell nicht gebetet werden dürfe. Allerdings sei das eine Einzelfallentscheidung.

„Der Vorsitzende Richter Werner Neumann sagte: ‚Die Schule muss sehen, ob es wirklich zur Wahrung des Schulfriedens nötig ist, die Glaubensfreiheit einzuschränken.‘ Das Gericht verwies in diesem Fall auf die besondere Situation am Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding. Die Schüler dort gehören fünf Weltreligionen an. Da dies zu Konflikten geführt habe, habe die Schulleitung einschreiten müssen. Grundsätzlich müsse der Staat wegen der Glaubensfreiheit aber religiöse Bezüge in Schulen zulassen, sagte der Vorsitzende Richter (Az.: BVerwG 6 C 20.10).“

2012: Das „Mobile Beratungsteam ‚Ostkreuz‘ für Demokratieentwicklung, Menschenrechte und Integration“ veröffentlicht die Studie: „Vorurteilsbezogene Konflikte und Vorurteilsmotivierte Gewalt an Berliner Schulen“. Es handelt sich, mit einem Geleitwort der Bildungssenatorin, um die „Auswertung einer Befragung von Schulleitungen zu konkreten Problem- und Bedarfslagen im 4. Quartal 2011/1. Quartal 2012. Unter Punkt 2.4. wird auch „Religiöser Chauvinismus/Konfessionalismus“ angesprochen.

„In engem Zusammenhang mit mutmaßlich ethnischen und ethnisierten Konflikten stehen offenbar die religiös begründeten bzw. als religiös motiviert gedeuteten Konflikte. Bei der Befragung entstand der Eindruck, dass religiös aufgeladene oder als religiös begründet wahrgenommene Konflikte häufig nicht von den als ethnisch wahrgenommenen Konflikten unterschieden und differenziert werden. Daher ist eine eindeutige und klare Trennung dieser beider Kategorien auch bei der Auswertung der Befragung nur schwer möglich. Ein interessantes Ergebnis der Untersuchung war, dass nach Angaben der Befragten religiös aufgeladene oder als solche wahrgenommene Konflikte häufiger an den Berliner Grundschulen auftreten als an den Oberschulen.“

2017: Das American Jewish Committee Berlin legt 2017 eine Dokumentation vor: „Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen: Erfahrungsberichte aus dem Schulalltag“. Darin heißt es u. a., dass es weder eine systematischer Erfassung noch eine fundierte empirische Untersuchung von Islamismus und Radikalisierung an Berliner Schulen gibt.

„Bislang jedoch gibt es weder eine systematische Erfassung antisemitischer Vorfälle noch eine fundierte empirische Untersuchung von Islamismus und Radikalisierung an Berliner Schulen – obwohl diese Themen nicht erst seit gestern auf der Tagesordnung stehen.
Diese Dokumentation versucht daher, auf der Grundlage von Interviews mit Lehrerinnen und Lehrern an Berliner Schulen etwas Licht ins Dunkel zu bringen: Wenngleich sie nur erste Einblicke geben kann, so sind die Aussagen der interviewten Lehrerinnen und Lehrer dennoch aufschlussreich. Streng religiöse Aspekte des Islam nehmen einen immer größeren Platz in vielen Schulen ein und stehen manchmal sogar in Konflikt zum Bildungsauftrag. Auch zeigt die Auswertung, dass es Lehrern oftmals an Hintergrundwissen über Grundsätze des Islam, salafistische Radikalisierungsprozesse und die antisemitischen Bestandteile dieser Ideologie fehlt.
Diese Dokumentation rückt somit ein Thema in den Fokus, das bislang aufgrund von Unsicherheit und mangelnder Informationen schwierig anzusprechen war oder wenig wahrgenommen wurde.“

2017: Im Oktober zeigt eine Arte-Dokumentation „Muslimische Jungs schlagen jüdischen Schüler“, der in der Schule erwähnte, dass er Jude sei.

2018: Im März wird „eine Zweitklässlerin von älteren Schülern aus muslimischen Familien als Jüdin beschimpft. Ein Mitschüler soll gedroht haben, sie umzubringen, weil sie nicht an Allah glaube. Es war kein Einzelfall: „Import ins Klassenzimmer: Mobbing aus religiösen Gründen.

2018: Im März berichtet der Stern: „Nicht nur in Berlin Hass auf Juden an deutschen Schulen - Eltern schildern erschütternde Vorfälle“.

„Judenhass und antisemitisches Mobbing an Schulen ist offenbar kein Problem, das sich nur auf Berlin beschränkt. Als ‚Jude‘ beschimpft zu werden, ist da noch harmlos. Manche Kinder gehen mit Angst zum Unterricht, weil sie massiv bedroht werden.“

2020: Im November veröffentlicht der FOCUS eine Artikel: „‚Kannst du dich nicht verhüllen?‘: Berliner Lehrer über Arbeit mit muslimischen Schülern“, in dem über Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie berichtet wird.

„Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie: Berliner Lehrer erzählen von ihren Erlebnissen mit muslimischen Kindern. Ein Imam erklärt im Gespräch mit FOCUS Online, was gegen Hass und Vorurteile helfen kann.“

2020: Im Dezember berichtet EMMA über „Schüler bedrohen Lehrerinnen…

„… im Namen des Propheten. Kinder aus orthodoxen bzw. islamistischen Familien und ihre Väter machen Druck in Schulen: gegen Aufklärung und Emanzipation. ‚Ich mache mit dir das gleiche wie der Junge mit dem Lehrer in Frankreich.‘ Das sagte ein 11-Jähriger zu einer Lehrerin in Berlin. Der 18-Jährige hatte den Lehrer Paty geköpft.“

2021: Im Februar spricht Mouhanad Khorchide, Professor und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, mit dem Deutschen Schulportal zum Thema: „Wenn Lehrer sich nicht trauen, über Islamismus zu sprechen“ und stellt dazu fest: „Das Thema Islamismus ist an vielen Schulen fast ein Tabu.“

3. Zur Begrifflichkeit „Konfrontative Religionsbekundung“

Der DEVI e.V. schreibt zur Definition der „konfrontativen Religionsbekundung“:

„Wir arbeiten mit folgender Definition: ‚Unter konfrontativer Religionsbekundung an Schulen verstehen wir religiöse Praxen sowie religiös konnotiertes (Alltags)Verhalten, die in der (Schul-) Öffentlichkeit ausgelebt und ausagiert werden, auf die Herstellung von Aufmerksamkeit zielen, provozieren wollen, erniedrigen und/oder Dominanz herstellen sollen.‘ Diese Definition ist klar und grenzt das Phänomen nachvollziehbar und deutlich ein.“

Wie der DEVI e.V. selber in seiner Vorabversion für die Beantragung einer „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ in der Einleitung ausführlich beschreibt, ist der Begriff und das Thema nicht eine eigene ‚Erfindung‘ sondern bereits seit 2013 bekannt.

Im Februar/März 2014 berichten verschiedene Medien (wie z. B. der Deutschlandfunk) über einen internen, fünfseitigen Vermerk des Hamburger Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung mit dem Titel „Religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen“ vom 4.12.2013. In diesem Papier wird erstmalig von „Religionsbezeugungen in konfrontativer Absicht“ (S.2/3) geschrieben. Medien (wie die Taz) berichten darüber unter der Überschrift: „Islamismus an Hamburger Schulen“ und der zuständige Hamburger Schulsenator Ties Rabe wird zitiert mit: „Schulsenator droht religiösen Eiferern mit Schulverweis“. In dem Vermerk heißt es u.a.:

„Geschildert wurden Nötigungsvorfälle im öffentlichen Raum - Nichtmuslime werden von Gruppen von Jugendlichen aufgefordert, bestimmte Läden oder Zonen nicht zu betreten: Mädchen und Frauen werden aufgefordert, sich religiös zu kleiden. In Moscheevereinen ist es zu salafistischen Übergriffen u.a. mit Gewaltandrohung gekommen, so dass die Polizei um Hilfe gebeten werden musste.“

Schließlich beschließt die Hamburgische Bürgerschaft, auf Antrag der CDU (Drucksache 21/4888 vom 15.06.2016) „Religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen“ im Blick behalten.

„Die Bürgerschaft möge beschließen: Der Senat wird ersucht, 1. dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung den Auftrag zu geben, eine Aktualisierung des Berichts „Religiös gefärbte Konfliktlagen an Hamburger Schulen“ aus dem Jahre 2014 vorzunehmen und künftig jährlich einen Bericht zu erstellen, 2. zu diesem Zweck die Schulen anzuhalten, über besondere Ereignisse der genannten Art die Schulaufsicht und die zuständige Stelle im LI in Kenntnis zu setzen, 3. der Bürgerschaft den jeweils aktuellen Bericht jährlich zuzuleiten.“

Am 5. 11.2020 schreibt die FAZ unter der Überschrift: „Schule und Islamismus: Der Prophet im Klassenzimmer“.

„Wenn der Koran spricht, schweigen die Schulbehörden: Der Islamismus ist auch an deutschen Schulen ein großes Problem. Die Lehrer werden damit allein gelassen. […]
Nach der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty war die Diskussion aufgekommen, ob der radikale Islam auch in deutsche Klassenzimmer einzogen sei. Der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sprach von einem Klima der Einschüchterung. Seine Quelle war neben Erfahrungsberichten das Buch ‚Die Macht der Moschee‘ des Fernsehjournalisten Joachim Wagner, der darin zu dem Ergebnis kam, dass der Islamismus an vielen Schulen mit hohem Anteil an muslimischen Schülern kein Randphänomen mehr sei. Wagner hatte für sein Buch 21 Schulen von Nürnberg bis Hamburg besucht und dort mit Lehrern, Direktoren und Schülern gesprochen. Wie Meidinger geht er davon aus, dass die Islamisierung des Unterrichts nicht alle Schulen betreffe und nicht von der Mehrheit der muslimischen Schüler getragen werde. Das Phänomen sei aber stark im Wachstum begriffen.“

Im Januar 2021 veröffentlicht die Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrer Reihe Analysen & Argumente eine Studie unter dem Titel „Konfrontative Religionsausübungen von muslimischen Schülerinnen und Schülern. Problemlagen und Handlungsmöglichkeiten“.

Am 08. April 2021 ist dem Ufug e.V. aufgefallen, dass der Begriff der „Konfrontativen Religionsausübung“ immer häufiger verwendet wird.

„In aktuellen Beiträgen zu religiös gefärbten Konflikten in der Bildungsarbeit findet sich immer häufiger der Begriff der „konfrontativen Religionsausübung“ (oder „-bekundung“), um provokative und konfliktschürende Einstellungen und Verhaltensweisen insbesondere von muslimischen Jugendlichen zu beschreiben. So steht eine aktuelle Veröffentlichung der Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Titel „Konfrontative Religionsausübungen von muslimischen Schülerinnen und Schülern. Problemlagen und Handlungsmöglichkeiten“.Behandelt werden darin nicht nur Mobbing und das Ausüben von sozialem Druck, sondern auch unterschiedliche Stadien islamistischer Radikalisierung. […] Götz Nordbruch, Co-Geschäftsführer von ufuq.de, kritisiert in seinem Beitrag eine solche Verwendung des Begriffes: Sie verstellt den Blick auf die Motive, aus denen Jugendliche agieren, und suggeriert eine besondere Dringlichkeit, dieses Verhalten zu sanktionieren.“

4. Berichterstattung in den Medien

11.06.2021 (Deutschlandfunk): Kurz nach der Pressemitteilung des Bezirksamts Neukölln zum Antrag auf Bewilligung einer Anlauf- und Dokumentationsstelle, berichtet der Deutschlandfunk über: „Konfrontative Religionsausübung an Schulen. Neukölln will einen Anlaufpunkt für Problemfälle schaffen.
Dann ist ein halbes Jahr Stille.

27.12.2021 (taz): „Schulprojekt gegen Religionskonflikte: Stört Religion den Schulfrieden?

„Neukölln will ein Projekt gegen Schulkonflikte infolge „konfrontativer Religionsbekundung“ aufsetzen. Kritiker halten es für ‚antimuslimisch‘. […]
Das Projekt mit dem sperrigen Titel „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ befasst sich mit einem seit Jahren bekannten Phänomen: religiös konnotierten Konflikten an Schulen. Träger ist der Verein DeVi (Demokratie und Vielfalt), der seit 10 Jahren Schulen bei Problemen mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung unterstützt. DeVi sieht in solchen Konflikten eine zunehmende Gefahr für den Schulfrieden.“

28.12.2021 (Die Welt): „Religiöses Mobbing an Schulen? Grüne und Linke halten Studie für antimuslimisch.“

29.12.2021 (BZ-Berlin): „Religions-Streit eskaliert an Neuköllns Schulen“.

23.01.2022 (BZ-Berlin): „Neuköllns Bürgermeister will Geld im Kampf gegen Religions-Mobbing.

24.01.2022 (Tagesspiegel): „Neuköllner Projekt ‚in vielfacher Hinsicht problematisch‘ Wissenschaftler kritisieren geplante Berliner Stelle für ‚konfrontative Religionsbekundung’.“

„Neukölln plant eine Dokumentationsstelle für religiös motiviertes Dominanzverhalten an Schulen. Wissenschaftler und Organisationen lehnen den Plan ab.“ […]
Ein informelles Bündnis von rund 120 Wissenschaftlern, Mitgliedern der Zivilgesellschaft sowie Organisationen haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme kritisch zur geplanten Neuköllner Registerstelle für „konfrontative Religionsbekundung“ positioniert. Sie fordern die ‚Unterlassung der (Weiter-)Förderung des Projekts durch öffentliche Mittel‘.
Erstunterzeichner sind der frühere Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) sowie Aleksander Dzembritzki (SPD), ehemaliger Staatssekretär in der Senatsinnenverwaltung.“

26.01.2022 (Tagesspiegel): „Konflikte seien bloß ‚religiös codiert‘. Experten widersprechen Neuköllner Schul-Studie.

5. Stellungnahmen

5.1. Gegner

Die verschiedenen Stellungnahmen gegen die Einrichtung einer solchen Anlauf- und Dokumentationsstelle haben Ähnlichkeiten miteinander. Kritisiert wird u. a. eine fehlende Wissenschaftlichkeit, die allerdings für eine erste explorative Studie im Sinne einer Stichprobe nicht behauptet wurde. Es seien soziale und pubertäre Konflikte, denen fälschlicherweise eine religiöse Bedeutung zugeschrieben werde. Die Begrifflichkeit der „konfrontativen Religionsbekundung“ sei nicht definiert, was nicht zutrifft. Die Muslime insgesamt würden dadurch diskriminiert und kriminalisiert. Das Ganze habe nur politische Zwecke. Eine kleine Auswahl.

Yasemin El-Menouar, Projektleiterin des „Religionsmonitors der Bertelsmann-Stiftung“ twittert (am 14. Juni 2021), als persönliche Meinung etwas über „Kriminalisierung von Muslimen“.

„Was tun gegen religiöse #Konflikte auf d. Schulhof? Neukölln antwortet mit „Anlauf- und Dokumentationsstelle gegen konfrontative Religionsbekundung“. Das leistet einer Kriminalisierung religiöser - vor allem muslimischer Praktiken Vorschub. Falsches Signal.“

Anlass ist der Artikel auf Deutschlandfunk Kultur: „Konfrontative Religionsausübung an Schulen. Neukölln will einen Anlaufpunkt für Problemfälle schaffen.

Von der Organisation Reach Out e.V. wird (am 24. Januar 2022) in einer Pressemitteilung „Namhafte Vertreter*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft kritisieren das geplante Neuköllner Projekt einer Registerstelle für konfrontatives Religionsverhalten“ ebenfalls die Einrichtung einer solchen Anlauf- und Dokumentationsstelle kritisiert.

„Die Expert*innen kommen zu der Einschätzung:

  • Die geplante Registerstelle wird eher zu einer Verschärfung von Konflikten führen als zum Schulfrieden beizutragen.
  • Der Begriff der „konfrontativen Religionsbekundung“ ist zu unscharf und deshalb ungeeignet, schulische Konflikte in Zusammenhang mit religiös gefärbtem Konformitätsdruck und Mobbing zu adressieren.
  • DEVI hatte zur Ermittlung des Bedarfs zuvor zehn Interviews mit Neuköllner Schulen durchgeführt und in Form einer Bestandsaufnahme veröffentlicht. Das methodische Vorgehen wird von den unterzeichnenden Forscher*innen als unwissenschaftlich kritisiert.
  • Zudem legt das Projekt den Verdacht nahe, dass damit schulische Konflikte für politische Interessen instrumentalisiert werden sollen.“

Ebenfalls am 24. Januar 2022 äußert sich der „Rat Berliner Imame“ mit einer Stellungnahme zur geplanten „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundungen“ im Rahmen von „Interbibe² - Interreligiöse & Interkulturelle Bildung für Moscheeleitende“, die an der umstrittenen NBS (Neuköllner Begegnungsstätte) / Dar Assalam Moschee angesiedelt ist.

„Unter anderem durch das Fehlen wissenschaftlicher Kriterien zur Einordnung des Begriffs ‚konfrontative Religionsbekundungen‘, ist eine vorurteilsfreie Untersuchung nicht möglich. Kinder und Jugendliche sind der persönlichen Einschätzung und Einstellung zu religiösem Verhalten ihrer Lehrkräfte ausgesetzt. Ihre Perspektive, die ihrer Familien oder anderer Expert*innen ihrer religiösen Welten, werden in keiner Weise berücksichtigt. Dieses Vorgehen führt zwangsläufig dazu, dass einige Konflikte theologisiert, andere nicht erkannt und die meisten verschärft werden.
Die unreflektierten Äußerungen zur Arbeit von Moscheegemeinden diskreditieren unser Bemühen, Muslim*innen, die unsere Moscheen aufsuchen, Pluralität zu vermitteln und für eine Meinungs- und Handlungsvielfalt zu werben. Sie untergraben unser Bemühen, Menschen über den wahren Sinn und Zweck von Ritualen, Vorschriften und religiösen Regeln aufzuklären und ihnen ein ausgewogenes Religionsbild zu vermitteln.“

24.01.: NDO „Was ist konfrontative Religionsbekundung? ‚Es ist ja schon das Wort ‚Allah‘.“

„Das Vorhaben ist aus fachlich-pädagogischer Perspektive in vielfacher Hinsicht problematisch. Es weist gravierende konzeptionelle Schwächen auf und droht – entgegen dem erklärten Ziel, zum Schulfrieden beizutragen – vielmehr Konflikte zu verschärfen.“

Als Kritikpunkte werden ausführlich fünf Aspekte genannt:

„1. Gravierende konzeptionelle Schwächen, 2. Politische Instrumentalisierung schulischer Konflikte, 3. Gefährdung der Grundrechtskonformität schulischer Demokratiebildung, 4. Bestehende Konflikte ernst nehmen – aber richtig!, 5. Hilferufe aus der Praxis?“

Es folgt eine Liste von rund 120 Erstunterzeichnern aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Verbände / Vereine / Initiativen.

26.01.2022: Die Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus (BAG RelEx) – ebenfalls Mitglied bei den NDO – distanziert sich von dem Papier ihres Mitglieds DEVI: In der Öffentlichen Stellungnahme der BAG RelEx zur Auseinandersetzung mit „konfrontativer Religionsbekundung“. In der Stellungnahme heißt es u. a.:

„Die BAG RelEx distanziert sich entschieden von der fachlichen, inhaltlichen und politischen Ausrichtung des Vorhabens der „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“.

Die BAG RelEx weist die Behauptung zurück, dass in der Träger- und Förderlandschaft ein „hegemonialer Mainstream“ (Ebd.: Seite 21) existiere und ordnet diesen als politischen und ideologischen Kampfbegriff ein.“

Ebenfalls genannt wird auch die Verbindung zur Debatte um das Berliner Neutralitätsgesetz:

„Die ideologische und politische Ausrichtung des Vorhabens [einer „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“] steht in enger personeller und inhaltlicher Verbindung mit aktivistischen Forderungen in der Debatte um das Berliner Neutralitätsgesetz (www.pro.neutralitaetsgesetz.de, abgerufen am 23.01.2022). Das Projekt DEVIs erscheint hier als Mittel zum Zweck, das darauf abzielt, alarmierende und pauschalisierende pseudowissenschaftliche Scheinfakten über als muslimisch gelesene Jugendliche, deren Familien, Moscheen und „den“ Islam als Ganzes zu produzieren.“

Ebenso hat das „Kompetenznetzwerk islamistischer Extremismus“, in dem auch die BAG RelEx Mitglied ist, am 26. Januar 2022 eine Stellungnahme veröffentlicht: „Stellungnahme des Kompetenznetzwerks ‚Islamistischer Extremismus‘ (KN:IX) zum Ansatz der ‚Konfrontativen Religionsbekundung‘ und zur medialen Darstellung der Islamismusprävention“. Darin werden primär der DeVi-Leiter, Michael Hammerbacher, und Susanne Schröter, Ethnologin, Professorin und Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, attackiert.

„Dabei sprechen sie von ‚konfrontativer Religionsbekundung‘ und fassen darunter Fragen und Konflikte, die sich im Schulalltag tagtäglich stellen und in denen es, so behaupten etwa Schröter und Hammerbacher mit Verweis auf rechtsextremistische Strategien aus den 1990ern, islamistischen Jugendlichen um die Errichtung ‚befreiter Zonen‘ ginge. Wer diese Phänomene und Entwicklungen kritisch anspreche […] würde, so Schröter in der NZZ, von eben jenen Kreisen und Organisationen als rassistisch denunziert und ‚passend zum linksintellektuellen Zeitgeist‘ zum Schweigen gebracht. Tatsächlich sind all diese (und viele andere) Fragen und Konflikte aus dem Schulalltag – darunter auch religiöser Konformitätsdruck oder religiös begründetes Mobbing – den zivilgesellschaftlichen Trägern außerschulischer pädagogischer Angebote und Präventionsarbeit gut bekannt.“

Susanne Schröter hatte in der NZZ geschrieben: „Islamismus an Schulen – in Deutschland spitzt sich das Problem zu, aber die linke Politik redet es klein“.

Warum das Kompetenznetzwerk IX nicht selber bereits eine derartige Dokumentationsstelle eingerichtet oder beantragt hat, wenn die Probleme doch alltäglich und gut bekannt seien, wird nicht erläutert.

Prof. Werner Schiffauer veröffentlicht (am 25. Januar 2022) auf der Internetseite des Rat für Integration seine persönliche „Stellungnahme zur DEVI-Studie: Bestandsaufnahme Konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln.“ In der Vorbemerkung wird auch das Berliner Neutralitätsgesetz genannt:

„Die Studie besteht im Wesentlichen aus der Wiedergabe von Zitaten bzw. der inhaltlichen Wiedergabe von Gesprächen mit Hort- und Schulleitungen. Erfasst wurden zehn Schulen. Die Wiedergabe ist anonymisiert; aus Anonymisierungsgründen wird auch völlig darauf verzichtet, die Schulen genauer zu lokalisieren. Die Studie wurde offenbar im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über das Berliner Neutralitätsgesetz erstellt.“

Seine Einschätzung nennt er in 9 Punkten: Studie gibt Gesprächsinhalte genau wieder / Nicht-religiöse Konflikte werden auf Religion zurückgeführt / Der Kontext fehlt / Explizite Voreingenommenheit / Unkritische Wiedergabe von Äußerungen / Homogenisierung des Interviewmaterials / Studie hat Suggestivkraft / Vorfälle werden nicht datiert / Kritische Überprüfung fehlt. Und abschließend schreibt er von der ‚Frontstellung gegen den Islam‘ und einer ‚systematischen Brüskierung islamischer Gemeinden‘“:

„Es ist verdienstvoll, wenn in der Studie die Problematik des Mobbings angesprochen wird. Dies ist auf keinen Fall hinzunehmen. Die Studie liefert jedoch keinen Beleg dafür, dass dies auf den Islam, wie er von den islamischen Organisationen vertreten wird, zurückgeführt werden kann.
Diese Frontstellung gegen den Islam bedeutet aber vor allem, dass die islamische Gemeinden, die bei der Bewältigung der Probleme als Gesprächs- und Bündnispartner eine Rolle spielen könnten, systematisch brüskiert werden.“

Exkurs: Werner Schiffauer

Eine der beständigsten wie allgegenwärtigsten und ein auch in der aktuellen Konfrontation engagierter Wissenschaftler ist Werner Schiffauer, Ethnologe, Prof. em. für Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie an der Viadrina-Universität Frankfurt/Oder. Seit seiner Dissertation (1987) über ein muslimisches Dorf in der Türkei („Weltbild und Selbstverständnis der Bauern von Subay – Eine Ethnographie“) vertritt er die Meinung, nur er und seine ihm gesonnenen Kollegen würden den Islam und die Muslime verstehen, was beim Verfassungsschutz oder Politikern nicht der Fall sei. So sorgte er nicht nur dafür, dass der Inssan e.V. im Berliner Verfassungsschutzbericht 2010 nicht mehr erwähnt wurde und damit die staatlichen Fördergelder für Inssan Projekte fließen konnten. An seinem Lehrstuhl wurden auch führende Aktivisten der Muslimischen Jugend Deutschlands (wie Hakan Tosuner, Funktionär der MJD auch auf europäischer Ebene, heute Geschäftsführer des muslimischen Begabtenförderungswerk Avicenna, zu dessen Kuratorium Schiffauer ebenfalls gehört) und des Inssan e.V. (wie Nina Mühe, Inssan-Mitglied und spätere Leiterin der CLAIM-Allianz.) ausgebildet. Lt. seinem Wikipedia-Eintrag erhielt Schiffauer 2004 den „Falaturi Friedenspreis für Dialog und Toleranz“ der „Gesellschaft muslimischer Sozial- und Geisteswissenschaftler e.V.“ (Im Vorstand dieser Vereinigung sitzt beispielsweise Ibrahim El-Zayat, der Muslimbruder und Zentralfigur im deutschen Islamismus ist.)

Wie „Dialog und Toleranz“ im Verständnis von Werner Schiffauer aussehen können, darauf verweist eine Publikation aus dem Jahr 1983: „Die Gewalt der Ehre“ („Erklärungen zu einem türkisch-deutschen Sexualkonflikt.“ Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1983, 145 Seiten.) In der Verlagswerbung heißt es dazu, dass es sich bei der Vergewaltigung, von der das Buch handelt, um ein „Missverständnis“ handele, was nur Ethnologen bewerten können.

„In der Nacht vom 20. zum 21. Mai 1978 wurde in einem Kreuzberger Hinterhaus die achtzehnjährige Petra K. von dreizehn türkischen Jugendlichen und einem Erwachsenen vergewaltigt - so jedenfalls sah der Tatbestand vor Gericht aus. Näheres Zusehen lehrt, daß es sich bei dem Tatbestand um ein perfektes Mißverständnis handelt: den Ausbruch eines Kulturkonflikts zwischen Deutschen und Türken. Schiffauers Untersuchung demonstriert eindrucksvoll, daß Diskussionen über die Türken in der Bundesrepublik ohne ethnologische Kenntnis der türkischen Dorfkultur zwangsläufig gehaltlos bleiben.“

Auf 142 Seiten werden abgehandelt: die Biographien von acht der Beklagten, Fragen der „Ehre“ und „Männerfreundschaften“ sowie „Frauen in der Männergruppe“. Der Schlusssatz des Buches lautet: „Ich habe mich nie getraut, Petra Kaiser [das Opfer der Vergewaltigung] zu besuchen und sie über den Fall zu befragen.“

2008 – 2018 war Schiffauer Vorstandvorsitzender des „Rates für Migration“, einem privaten Verein von rund 150 Migrationswissenschaftlern, dessen Bezeichnung aber nach offiziellem Status klingt. Im Mai 2014 schreibt Schiffauer in dem Beitrag: „Islam in Deutschland - Verfassungsschutz als Reformbremser“ und von „Gesinnungsschnüffelei“, denn es sei Tatsache:

„dass sich in all diesen Gemeinden eine postislamistische Wende vollzogen hat. Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre hat in den Organisationen eine zweite Generation das Ruder übernommen.“ […] „Wenn jetzt der Verfassungsschutz allmählich seine Position revidiert, sollte das kein Anlass sein, sich beruhigt zurückzulehnen. Vielmehr sollte die Arbeit grundsätzlich neu bewertet werden. Die Beobachtung von Gruppierungen, von denen keine Gewalt ausgeht und die nicht zum Umsturz der Verfassung aufrufen, ist Gesinnungsschnüffelei.“

Im Juni 2019 ist Schiffauer einer der Unterzeichner von „Offener Brief: Einrichtung einer Expert*innenkommission ‚Antimuslimischer Rassismus‘“, dessen Liste der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner eine hohe Überschneidung mit aktuellen Stellungnahmen (z. B. des Rat für Migration) hat.

5.2. Befürworter

Neben den Gegnern einer Anlauf- und Dokumentationsstelle gibt es auch Befürworter. An erster Stelle sind es der Bezirksbürgermeister und die Integrationsbeauftragte des Bezirks Neukölln, Güner Balci, zu nennen, gegen deren Ernennung bereits Linke und Grüne protestierten.

Wesentliche wissenschaftliche Befürworterin ist die eingangs bereits genannte Prof. Susanne Schröter, die für die Beantragung des Projektes einen „Evaluationsbericht Anlauf und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ veröffentlicht hat

In den Parteien gibt es verschiedene Fraktionen. So heißt es u. a. (am 26.1.2022): „‘Säkulare Grüne‘ in Berlin unterstützen Neuköllner Projekt“. Auch Falco Liecke (CDU), bis vor kurzem Jugend- und Gesundheitsstadtrat in Neukölln, möchte eine Anlaufstelle.

6. Mit dem Thema verbundene Themenkreise

6. 1. „Antimuslimischer Rassismus“

Im fowid-Artikel zum „Islamischen Lobbyismus“ ist unter Abschnitt „6.1. Das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit ausführlich beschrieben, wie der Inssan e.V., der zum organisatorischen Zusammenhang der Muslimbruderschaft zu zählen ist, sich erfolgreich in der Berliner Schulpolitik positioniert hat.

Im gleichen Zeitraum (Sommer/Herbst 2010), als sich im August das Inssan-Netzwerk gründete, hat es im Oktober einen Workshop der Berlin GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) gegeben, der sich (laut FAZ: „Das Gift der muslimischen Intoleranz“) mit dem „seit Jahren schwelenden Konflikt überbordender, häufig gewalttätiger Intoleranz an Schulen mit einem hohen Anteil an muslimischen Schülern“ beschäftigte. Dieser Workshop basierte auf einem Artikel in der „Berliner Lehrerzeitung“ , November 2009. Der Bericht hat den Titel: „Deutschenfeindlichkeit in Schulen – Über die Ursachen einer zunehmenden Tendenz unter türkisch- und arabischstämmigen Jugendlichen“ und war zwischenzeitig gelöscht, ist nun aber wieder auffindbar. In dem FAZ-Bericht heißt es zu den Erfahrungen eines Lehrers, wie die Thematik „abgewiegelt wird“:

„Der Hauptschullehrer Wolfgang Schenk etwa, einst Sprecher der Alternativen Liste, hat einschlägige Erfahrungen sammeln müssen, wie Gewerkschaft und Schulbehörde ihn abwiegelten, wenn er sich wegen frauenfeindlicher Übergriffe auf Lehrerinnen oder Beschimpfungen wie „Nazi“, „Schlampen“, „Rassist“ oder der drohenden Zwangsverheiratung einer Schülerin an sie wandte. Man bedeutete ihm, sich ruhig zu verhalten, um den Rechtsradikalen keine Vorlage zu liefern. Diese erbarmungslose Ignoranz wird durchgehalten bis heute. Schon in den frühen neunziger Jahren habe sich der Einfluss der Islamverbände und bestimmter Moscheevereine bemerkbar gemacht, deren antiwestliche, antidemokratische Ressentiments inzwischen das Klima an vielen Schulen immer erfolgreicher vergifteten, sagt Schenk. Die ‚Deutschenfeindlichkeit‘ sei tatsächlich nur eines von vielen Ausgrenzungsphänomenen.“

Die GEW selber hat sich auf der Landesdelegiertenversammlung einen Monat später (02. - 03.11.2010) solidarisch erklärt und beschlossen, dass sie den „wachsenden antimuslimischen Rassismus“ verurteile und den Begriff der Deutschenfeindlichkeit ablehnt: Die GEW BERLIN „ - verurteilt den wachsenden antimuslimischen Rassismus / - tritt ein für die positive und negative Religionsfreiheit, wie sie im Grundgesetz und in der Deklaration der Menschenrechte garantiert werden / - lehnt die Verwendung des Begriffs Deutschenfeindlichkeit ab, der von Rechtspopulisten als Kampfbegriff gegen das Wort Ausländerfeindlichkeit erfunden wurde und die soziale Realität demagogisch verdreht.“

Diese Sichtweisen haben mittlerweile (im Januar 2022) die offizielle Senatspolitik in Berlin erreicht, die unter der Verwendung der Begrifflichkeit der Muslime als Rasse („Antimuslimischer Rassismus“) aktuell (am 21.1.2022) eine vierteilige Plakatkampagne dazu veröffentlicht hat: „Antimuslimischer Rassismus verträgt sich nicht mit einem toleranten und offenen Berlin!

Dazu schreibt (am 26. Januar 2022) die „Aktion 3.Welt saar“: „Kampagne der Berliner Senatsinnenverwaltung gegen ‚antimuslimischen Rassismus‘ nützt Islamisten.

„‘Antimuslimischer Rassismus‘ ist ein Kampfbegriff des politischen Islam, mit dem Kritiker islamisch begründeter Menschenrechtsverletzungen als Menschenfeinde denunziert und mundtot gemacht werden sollen.“

6.2. Islamismus und konfrontative Religionsbekundung (2016)

Bereits am 25.2.2016 hielt Kurt Edler im Berliner Oberstufenzentrum Georg-Schlesinger-Schule im Rahmen der Werkstattgespräche des DEVI e.V. den Vortrag „Umgang mit Islamismus und konfrontativer Religionsbekundung in Schulen“.

„Salafistische Propaganda fällt besonders bei Jugendlichen, die auf der Suche nach Sinn und Anerkennung sind, auf fruchtbaren Boden. Um als Lehrer*in, Sozialpädagog*in oder Ausbilder*in präventiv handeln zu können, ist Hintergrundwissen notwendig. Der Mitschnitt und Vortrag dient der Sensibilisierung für diese Gefahren, informiert über Hintergründe und Verhaltensmuster konfrontativer Religionsbekundung.“

Bis zum 31.12.2019 wird vom Bundesfamilienministerium im Rahmen von Demokratie Leben! das Projekt „Berliner (Berufs-)Schulen für weltanschauliche und religiöse Vielfalt -Prävention von religiös begründeten demokratie- und menschenrechtsfeindlichen Einstellungen, konfrontativer Religionsbekundung und islamistischer Radikalisierung“ gefördert. Folgeanträge zur Förderung wurden im Spätsommer 2019 nicht mehr bewilligt.

Zur Kritik an dem Konzept und der DEVI-Arbeit heißt es in der „Bestandsaufnahme konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln“ (Dezember 2021):

„Kritiker*innen am Konzept der konfrontativen Religionsbekundung führen immer wieder an, dass dieser Begriff nicht definiert sei und jede*r für sich selbst entscheiden könne, was unter „konfrontativ“ verstanden werden könne. Dies ist aber falsch. Wir arbeiten mit folgender Definition: „Unter konfrontativer Religionsbekundung an Schulen verstehen wir religiöse Praxen sowie religiös konnotiertes (Alltags)Verhalten, die in der (Schul-) Öffentlichkeit ausgelebt und ausagiert werden, auf die Herstellung von Aufmerksamkeit zielen, provozieren wollen, erniedrigen und/oder Dominanz herstellen sollen.“ Diese Definition ist klar und grenzt das Phänomen nachvollziehbar und deutlich ein.
Die Themen konfrontative Religionsbekundung und Islamismus in Schulen sind bis heute nicht genügend erforscht und zusätzlich sind die Themen politisch extrem aufgeladen. Denn schon allein die Beschäftigung mit dem Thema in Schulen gilt bei manchen irrtümlich als verdächtig nah an rechtspopulistischer Stimmungsmache und als Diskriminierung von religiösen Kindern und Jugendlichen. Gibt man diesem Druck aber nach, entsteht ein blinder Fleck in der Präventionsarbeit an Schulen und öffnet Tore für menschenrechts- und demokratiefeindliche religiös begründete Haltungen unter Schüler*innen. Die Schulen werden mit dem Problem allein gelassen.“

Mediale oder politische Reaktionen: nicht feststellbar. Weil es um die Berufsschulen geht, in denen laut § 3 des Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005 („Neutralitätsgesetz“) Lehrerinnen nicht untersagt ist, demonstrative Religionszugehörigkeiten zu zeigen, also Kopftücher ggf. getragen werden können?

6.3. Berliner „Neutralitätsgesetz“ (2005/2022)

Das Berliner „Neutralitätsgesetz“ (2005) formuliert in §2, dass Lehrkräfte keine demonstrativen Zugehörigkeiten zu einer Religionsgemeinschaft zeigen und keine auffallenden religiösen oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen dürfen.

„Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.“

Während die Lehrkräfte verschiedenster Religionsgemeinschaften damit kein Problem haben, wird dieses Neutralitätsgesetz von einer Anzahl muslimischer Verbände und politischen Gesinnungsfreunden (bei den Grünen und in der Partei Die Linke) ausschließlich auf das nicht erlaubte Tragen von Kopftüchern verengt und als „Berufsverbot“ bezeichnet. Entsprechend bildete sich ein „Bündnis #Berufsverbot“, das eine Abschaffung des Neutralitätsgesetzes fordert und dessen Mitglieder überwiegend zum Organisationskreis der Muslimbruderschaft gerechnet werden.

Derzeitiger Stand (Anfang 2022) ist, dass ein Urteil des Landesarbeitsgerichtes Berlin vom 27.11.2018 - entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2015) – besagt: „Ein Kopftuchverbot, wie § 2 VerfArt29G BE 2005 [Berliner Neutralitätsgesetz] es vorsieht, kann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSv § 8 AGG [Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz] nur dann darstellen, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder den Schulfrieden besteht.“

Gegen dieses Urteil hat das Land Berlin beim Bundesarbeitsgericht Revision eingelegt, die am 27. August 2020 zurückgewiesen wurde und das BAG urteilte, der § 2 des Neutralitätsgesetzes „müsse verfassungskonform ausgestaltet werden“.

Daraufhin legte die Senatorin für Bildung (im Februar 2021) Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, über die bisher noch nicht entschieden wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2015 (Leitsätze) das Tragen einer Kopfbedeckung aus religiösen Gründen generell als zulässig erklärt und für ein Verbot die Anforderung des Nachweises einer „konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens“ formuliert:

„Wird in bestimmten Schulen oder Schulbezirken aufgrund substantieller Konfliktlagen über das richtige religiöse Verhalten bereichsspezifisch die Schwelle zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität in einer beachtlichen Zahl von Fällen erreicht, kann ein verfassungsrechtlich anzuerkennendes Bedürfnis bestehen, äußere religiöse Bekundungen nicht erst im konkreten Einzelfall, sondern etwa für bestimmte Schulen oder Schulbezirke über eine gewisse Zeit auch allgemeiner zu unterbinden.“

Die vorläufige Bestandsaufnahme des DEVI erbringt nun – als Nebenprodukt - erste Informationen über diese „konkrete Gefährdung und Störung des Schulfriedens“ mit einer Vielzahl von Beispielen.

7. Finanzielle Förderungen

Die gegenwärtige Situation hat auf den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit mit 2010, aber die Positionen haben sich wesentlich verändert.

Musste sich der Inssan e.V. 2010 noch mit 26.799 Euro für sein gegründetes „Netzwerk gegen Diskriminierung“ bescheiden, so haben Inssan e.V./CLAIM-Allianz, sowie die Arbeitsgemeinschaft Evangelische Jugend (aej) und das Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur e.V. (ZEOK), die sich im „Kompetenznetzwerk zur Prävention von Islam- und Muslimfeindlichkeit“ zusammengefunden haben, für die Jahre 2020 bis 2024 aus dem Bundesprogramm „Demokratie lebt“ 1,05 Mio. Euro erhalten.

Die Fördersummen im Einzelnen. CLAIM/Teilseiend e.V. 2020: 459.997,80 Euro und 2021: 555.501,55 Euro / ZEOK – Zentrum für Europäische und Orientalische Kultur e. V., 2020: 178.846,33 Euro und 2021: 450.066,03 Euro / Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej): 2020: 411.153,67 Euro und 2021: 495.000,00 Euro.

Das sind, nur für die Jahre 2020 (1.049.997,80 Euro) und 2021 (1.500.567,58 Euro) zusammen 2.039.997,80 Euro, also für diese beiden Jahre bereits rund das Doppelte von dem, was vom BMFSFJ für den Zeitraum 2020-2024 bewilligt wurde. Ein Hinweis, dass noch andere Geldgeber an der Förderung dieses Kompetenzzentrums beteiligt sind und es sich dabei um beachtliche Größenordnungen handelt. Sofern die Förderungen für 2022 und 2023 in der gleichen Größenordnung bleiben, wird es eine Gesamtfördersumme nur für dieses eine Netzwerk von rund vier Millionen Euro sein.

Um nur noch zwei weitere Projekte im Themenkreis zu nennen: Das „Kompetenznetzwerk Islamistischer Extremismus“ KN-IX, erhält für die Jahre 2020-2024 vom BMFSFJ, ebenfalls aus dem Haushaltstitel für „Demokratie leben!“ ein Budget von 1,1 Mio. Euro (1.099.316,89). Koordinierungsstelle von KN-IX ist die Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus, BAG RelEx, die alleine 2020: 396.972,83 Euro und 2021: 481.939,64 Euro als Fördersummen erhielt.

Die “neue deutsche organisationen - das postmigrantische netzwerk e.V” (NDO),  die eine der entschiedensten Ablehnungen gegen die Anlauf- und Dokumentationsstelle formuliert hatte, ist einer von fünf Verbänden im „Kompetenznetzwerk für das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft“. Dieses Kompetenznetzwerk wird ebenfalls vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert. Für den Zeitraum 2020-2024 (BMFSFJ) mit 3,6 Mio. Euro (3.590.108,73).

8. Fazit

Geht man dann auf der Zeitleiste etwas weiter zurück, und beachtet man einige der Akteure, stellt man fest, dass die CLAIM-Allianz am 26. Juni 2018 gründet wurde, drei Monate nach der Rückkehr einer Besuchsgruppe von RAA/Inssan/JUMA aus den USA (am 15.März 2018) wo die Delegation drei der wichtigsten US-Organisationen der Muslimbruderschaft besucht hatte. Zur Gründung der CLAIM-Allianz gibt es eine Pressekonferenz im Haus der Bundespressekonferenz.

Das Besondere daran ist die Teilnahme von Thomas Heppener vom BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Referatsleiter Demokratie und Vielfalt, Programm „Demokratie leben!“ Mit der Teilnahme bekennt er sich persönlich zu den Zielen des „Antimuslimischen Rassismus“ der CLAIM-Allianz.

Die Zeit geht weiter: Bis zum 31.12.2019 wird vom Bundesfamilienministerium im Rahmen von Demokratie Leben! das DEVI-Projekt „Berliner (Berufs-)Schulen für weltanschauliche und religiöse Vielfalt - Prävention von religiös begründeten demokratie- und menschenrechtsfeindlichen Einstellungen, konfrontativer Religionsbekundung und islamistischer Radikalisierung“ gefördert. Folgeanträge zur Förderung wurden im Spätsommer 2019 nicht mehr bewilligt. Damit hatte das BMFSFJ/Referat Demokratie und Vielfalt/Projekt „Demokratie leben“ vollständig im Sinne der CLAIM-Allianz gehandelt.

Dezember 2021: Dieses bisher erfolgreich verhinderte DEVI-Projekt taucht wieder auf der politischen Bühne auf und will gefördert werden? Das geht nun gar nicht. Das gilt es zu verhindern. Und wenn das nicht gelingt, soll das Projekt wenigstens diskreditiert werden: als „islamfeindlich“ oder als „unwissenschaftlich“ oder als ‚was auch immer‘.

Wenn diese zu schaffende Dokumentationsstelle weitere Fälle von ‚Störung des Schulfriedens‘ aus religiösen Gründen erfasst, wird die Exklusivität von Muslimen als Opfer von Diskriminierung realitätsgerechter formuliert werden müssen. Ebenso wie die Absurdität von Religion = Rasse deutlicher werden kann. Das einzig Gemeinsame dieser Begriffe ist es, dass beide mit einem „R“ beginnen. Dieser „RR“ (Rolly-Royce) unter den Kampagnen mit den großen Buchstaben (ANTIMUSLIMISCHER RASSISMUS!) wird dann eventuell ebenfalls auf seine Realitätsgerechtigkeit zurückgeführt werden. Ebenso wie die juristische Korrektur des Mantra, dass Religionsfreiheit (Art.4 GG) eine Art Super-/Mega-Grundrecht sei, dem sich alle anderen Grundrechte und Gesetze unterzuordnen haben. Das gilt es – aus der Sicht der sich beteiligenden islamischen Organisationen ihrer Freunde und einiger ihrer staatlich geförderter Kompetenzzentren – zu verhindern. Es geht um Geld und (Deutungs-)Macht. Beides zu verteidigen oder zu bekommen: Das ist Politik.

Carsten Frerk.