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Wallfahrten Medjugorje

Nach einem Bericht des ORF befindet sich der Pilgertourismus weltweit im Aufwind. Zwischen 300 und 330 Millionen Menschen unternehmen jährlich eine Pilgerreise. Etliche katholische Heiligtümer gehören zu den meistbesuchten Tourismuszielen. Wirtschaftsleistung: über 18 Milliarden Euro. Wallfahrtsorte spielen dabei eine besondere Rolle. Ob sie anerkannt sind oder nicht, spielt für die Pilger eine eigene Rolle. Eine Skizze.

Am 24.6.1981 geschah es in Medjugorje, um 18 Uhr, dass Jugendliche, die auf dem Feld die Schafe hüteten, eine Marienerscheinung erlebt haben (wollen). Das wäre für die katholische Weltanschauung nichts Neues, denn seit 1830 häufen sich die Marienerscheinungen.

Maria hat offensichtlich eine Vorliebe für Erscheinungen bei relativ ungebildeten Mädchen und Jungen („Hirtenkindern“) in wirtschaftlich abgelegen Regionen (Lourdes, Fatima). Das Besondere an Medjugorje ist aber, dass diese Jugendlichen seit 1981 sagen, dass diese Maria ihnen, individuell bei den einzelnen „Seherinnen und Sehern“ unterschiedlich  – zwischen einmal im Jahr bis hin zu täglich - seitdem erscheine und mit ihnen spreche. Das allerdings verstößt gegen die Regeln katholischer Hierachie und wird nicht anerkannt.

Herren des religiösen Geschehens sind die Ordenspriester der Franziskaner. Alles ist strikt organisiert. So gibt es Gebetsordnungen für verschiedene Jahreszeiten und in der Sommerzeit kann man täglich an mehreren „Heiligen Messen“ teilnehmen.

Medial ist das Ganze umfassend organisiert. Mit den Livestreams des österreichischen katholischen Fernsehsender KIT-TV („Kirche ist toll“) oder im WebTV und WebRadio. Die umfangreiche Internetseite gibt es in neun Sprachen und die ausführlichen „Ratschläge und Informationen für die Pilger“ legen genaue Regeln fest.

Die Zahl der Pilger hat allerdings ihren Gipfelpunkt – August im Jahr 2011 mit 406.000 Teilnehmern – überschritten.

Bei den Teilnehmerzahlen  ist allerdings Vorsicht geboten, es sind die Zahlen der „verteilten Heiligen Kommunionen“. Seit 1905 (Dekret von Pius X) gibt es die tägliche Kommunion. Das heißt, ein Pilger, der drei Tage vor Ort ist und an jedem Tag die „heilige Kommunion“ (die Oblaten als „Der Leib Christi“) empfängt, der zählt als drei. Da keine weiteren Informationen dazu bekannt sind, sollten die Zahlen (die nach dem gleichen Prinzip erhoben werden) vorrangig nur als Tendenzaussage von mehr bzw. weniger dienen.

Seit 1985 wird gezählt und bis 1990 steigen die Zahlen. Von 1991 bis 1995 sinken sie – es sind die Jahre des „Balkankrieges“ - auf deutlich unter einer Million pro Jahr, ab 1996 steigen die Zahlen wieder und erreichen 2011 rund 192.000 Teilnehmer an der „heiligen Kommunion“. Seitdem verringern sich die Zahlen. Es stellt sich die Frage, wenn man diese Entwicklung mit den Taize-Jugendtreffen vergleicht, ob die Teilnehmerzahlen sich über die Jahre in ähnlicher Weise verändern?

In den Monatszahlen zeigt sich eine durch alle Jahre gleich bleibende Verteilung. Einen ersten Gipfel im Juni des Jahres und einen Hauptzeitraum von August bis Oktober, mit dem August als Gipfelmonat.

Während die Medien sich vorrangig mit der Frage beschäftigen, ob der Vatikan die Marien-Erscheinungen als „echt“ anerkennt oder nicht,  hat der österreichische Journalist Christoph Baumgarten, der sich insbesondere mit dem Balkan beschäftigt zu Medjugorje etwas Genaueres zu sagen.

„Soweit ich das beurteilen kann, findet Medjugorje aus zwei Gründen regen Anklang. Da wären die westlichen Esoteriker und Mystiker innerhalb vor allem der katholischen Kirche und ein paar evangelikaler Gruppen. Denen gefällt es, dass Maria dort täglich erscheint und halt irgendwas plappert. Da hat man eine schöne Show mit wunderbar kitschigem Hintergrund - immerhin waren das ja seinerzeit Kinder und die erhalten bis heute als Erwachsene die Eingebungen. (Außerdem ist die Gegend ja sehr schön und billig ist‘s auch.) Außerdem gehört das ja den Franziskanern und weil‘s nicht vom Heiligen Stuhl anerkannt ist, kann man sich dort ganz toll widerständig vorkommen, so auf dem Pfad der echten Spiritualität. So entnehme ich das jedenfalls den Schilderungen aus dieser Ecke, die mir in den vergangenen Jahren untergekommen sind.

Und dann ist das seit 35 Jahren auch ein Anziehungspunkt für kroatische Nationalisten und Neofaschisten und geistesverwandte Rechtskatholiken aller Art. Da haben sie sich in den 80-ern unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit gesammelt und vernetzt und - ganz erfolgreich - auf ein Ende des kommunistischen Jugoslawiens hingearbeitet. Der balkanesische Nationalismus funktioniert eben vorwiegend über die Religionszugehörigkeit und der Katholizismus ist das Kampfinstrument der nationalistischen Kroaten. Das gilt ganz besonders für die westliche Herzegovina. Die war immer schon der Boden, auf dem der kroatische Nationalismus am eifrigsten gedieh. Nicht umsonst attestiert ja Opus-Dei-Psychiater Raphael Bonelli in einem Aufsatz den ‚Sehern‘ der Maria mehr oder weniger offen unter Berufung auf seine ärztlichen Fähigkeiten, dass sie auf keinen Fall lügen und sich auf keinen Fall ihre Visionen einbilden - dass sie also Maria tatsächlich sehen. Nicht zu vergessen: Es sind die Franziskaner, die das ‚Heiligtum‘ verwalten - die sind in der Herzegovina das klerikale Rückgrat des Neofaschismus. Diese Gruppe ist natürlich auch ein starker Bestandteil des Tourismus nach Medjugorje.“

(CF)