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Weibliche Genitalverstümmelung (FGM) in Ägypten

Die UN-WOMEN-Studie „International Men and Gender Equality Survey – Middle East and North Africa (IMAGES MENA) beinhaltet quantitative wie qualitative Interviews mit Frauen und Männern von 18 bis 59 Jahren in Ägypten, im Libanon, Marokko und Palästina. In einzelnen Ländern wurden spezielle Frage­stellungen untersucht, so (2016) in Ägypten die weibliche Genital­verstümmelung. 92 Prozent der Frauen sind dort genital verstümmelt - sei es weil die Tradition oder die Religion es verlangen würden.

In der Veröffentlichung „Understanding Masculinities“ wird untersucht, was es bedeutet, heute ein Mann in Ägypten, Libanon, Marokko und Palästina zu sein. Es geht um die Erforschung der Schlüssel­probleme zu Hause und am Arbeitsplatz, im öffentlichen und privaten Leben. Die Ergebnisse konfrontieren viele der Stereotypen, die häufig mit Männern in der Region verbunden sind.

Zu den Ergebnissen der Forschung in Ägypten zu Fragen der weiblichen Genital­verstümmelung heißt es (nachfolgend als Übersetzung):

„Die Unterstützung der weiblichen Beschneidung ist bei Frauen und Männern gleich. Eine über­wältigende Mehrheit der Frauen in der Stichprobe, 92 Prozent, berichteten, dass sie beschnitten wurden, was im Einklang mit anderen nationalen Erhebungen steht.

Während diese und andere Studien die Ein­stellung der Frauen zu und die Erfahrung von FGM im Detail untersucht haben, gehört IMAGES MENA Ägypten zu den wenigen Studien, um die Unter­stützung der Männer für FGM zu messen und die Ein­stellung und das Engagement der Männer in der Praxis zu quanti­fizieren.

In Ägypten sind Mädchen in der Regel um 10 Jahre alt, wenn sie beschnitten werden. Konventionelle Weisheit und die bestehende Literatur behaupten, dass Mütter und Großmütter die wichtigsten Entscheidungsträger für die FGM sind, und die Männern der Familie in solchen intimen Ange­legen­heiten nur Neben­sache seien.

Allerdings stellt IMAGES MENA Ägypten fest, dass mehr als 80 Prozent der Frauen und 90 Prozent der Männer sich einig sind, dass Männer daran beteiligt sind, zu entscheiden, ob eine Tochter beschnitten wird - mit etwa zwei Dritteln aller Befragten, die berichten, dass männliche und weibliche Familien­mitglieder zusammen das letzte Wort in der Sache haben. (Tabelle 1).

Ägypten hat jahrzehntelange nationale Kampagnen und Gemeinschaftsinitiativen gesehen, um die FGM auszurotten, was in einem Gesetz von 2008 gipfelte, das die Praxis kriminalisiert. Solche Initiativen, die sich auf die Veränderung von Einstellungen und Praktiken bei Frauen konzentriert haben, scheinen sich auszuzahlen: Knapp mehr als die Hälfte der weiblichen Befragten in dieser Studie genehmigt FGM oder glaubte, dass die Praxis fortgesetzt werden sollte (Tabelle 2), ein starker Rückgang der Zu­stimmungs­raten, wie sie in früheren nationalen Erhebungen gefunden wurden.

In der Tat sind die Männer signifikant stärker für FGM als Frauen: Rund 70 Prozent genehmigten die Praxis und unterstützten die Beschneidung ihrer Töchter. Männer waren auch engagierter als Frauen, die Praxis fortzusetzen - wegen der Tradition, wegen ihres Status als eine wahr­genommene religiöse Verpflichtung [1] und wegen der Bedeutung, die sie auf die Einhaltung der Gemein­schafts­normen setzen.

Mehr als die Hälfte der Männer und Frauen gleicher­maßen waren skeptisch über die medizinischen Risiken im Zusammen­hang mit FGM oder seine Auswirkungen auf die sexuelle Lust der Männer. Allerdings stimmen sie darin überein, was die Aus­wirkungen auf die weibliche Sexualität betrifft: Mehr als zwei Fünftel glaubten, dass die FGM das sexuelle Vergnügen der Frauen reduziert und mehr als die Hälfte der Frauen und zwei Drittel der Männer glaubten, dass es Frauen sexuell weniger anspruchs­voll macht.

Qualitative Forschung zeigt die Komplexität der männlichen Engagements in der Entscheidungs­findung über FGM. Einige Männer und Frauen behaupteten, in quali­tativen Interviews, dass Männer keine wichtige Rolle bei FGM Entscheidungen im Haus spielen, und dass die Ent­scheidung bei der Mutter liegt. Auf der anderen Seite haben einige Befragte auch argumentiert, dass weitgehend westliche Online-Porno­grafie die Unter­stützung der Männer für FGM erhöht hatte; da die westlichen Frauen unbe­schnitten sind, wird davon ausgegangen, dass solche Bilder männliche Argumente verstärken, dass das Verfahren notwendig ist, um das weibliche sexuelle Verlangen einzu­dämmen und die Ent­schlossenheit der Männer zu stärken, ihre eigenen Töchter beschneiden zu lassen.

Zur gleichen Zeit äußert eine bedeutende Minderheit von Männern, die FGM nicht zu unterstützen: Rund ein Drittel der befragten Männer (32 Prozent) waren dagegen, ihre Töchter beschneiden zu lassen, und ein Drittel wäre bereit, entweder selbst eine unbeschnittene Frau zu heiraten oder dass der Sohn eine unbeschnittene Frau heiraten würde. Urbane, wohlhabendere Männer, sowie diejenigen mit Hochschulbildung waren signifikant eher gegen FGM als andere männliche Befragte.“

Die Zustimmung zur Genitalverstümmelung der Tochter wird nur von rund der Hälfte der Frauen (53 Prozent) gebilligt und ebenso viele (51 Prozent) hätten nichts dagegen, wenn ihr Sohn eine unbeschnittene Frau heiraten würde.

Die Schlussfolgerung der Verfasserinnen von UN-WOMEN  ist u. a., dass die Kampagnen gegen FGM in Ägypten zwar bereits einen positiven Effekt in der Bereitschaft zur Verringerung der Genitalverstümmelung haben, aber die Kampagnen, die sich bisher vorrangig an Frauen richteten, stärker auch für Männer konzipiert werden müssen.

 (Übersetzung: CF)

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[1] Aufgrund von offiziellen Beschränkungen hat IMAGES MENA nicht nach dem persönlichen Glauben oder der Glaubenspraxis gefragt.