Zuwendungen des Bundes an Religionsgemeinschaften
Die althistorischen Staatsleistungen an die Kirchen, deren Ablösung nun nach dem »Ampelaus« in weite Ferne zu rücken scheint, tragen allein die Bundesländer. Bei der öffentlichen Diskussion über diese Zahlungen innerhalb der letzten Jahre ist aus dem Blick geraten, dass auch der Bund die Religionsgemeinschaften in Deutschland finanziell unterstützt. Im Zeitraum des Wirkens der Ampelkoalition sind es über die drei Jahre von Oktober 2021 bis September 2024 offiziell insgesamt rund 544 Mio. EUR.
Von Christian Casutt.
Die einzelnen Zahlbeträge entstammen der Antwort der Bundesregierung vom 9.12.2024 auf eine Anfrage der AfD-Fraktion (BT-Drucksache 20/14141) vom September des vergangenen Jahres. (Vgl. Tabelle 1) Dies ist die dritte Anfrage der Fraktion, nach vergleichbaren aus den Jahren 2018 (BT-Drucksache 19/5658) und 2022 (BT-Drucksache 20/365).
Erhoben wurden die aktuellen Daten durch eine Ressortabfrage, auf die die Ministerien Außen, Innen, Justiz, Ernährung und Landwirtschaft, Umwelt, Wohnen, sowie das Bundeskanzleramt und die allgemeine Finanzverwaltung mit einer Zusammenstellung von entsprechenden Haushaltstiteln antworteten.
Dass eine Reihe von Zuwendungen an Religionsgemeinschaften in den Daten aus der Bundestagsdrucksache 20/14141 nicht enthalten sind, räumt die Bundesregierung in dieser selbst ein. So fehlen unter anderem Angaben zur Militärseelsorge (Ressort Verteidigung), zur »Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben der Kirchen« (Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit), zur Unterstützung des »House of One« oder zu Maßnahmen und Projekten im Zusammenhang mit der Deutschen Islamkonferenz. Man wird nicht fehlgehen, wenn man daher bei der genannten Summe einen Aufschlag von mindestens 60 Prozent veranschlagt, um zu einem einigermaßen der Realität angemessenen Betrag zu kommen.
Ebenfalls interessant ist die Begründung der Bundesregierung hinsichtlich der Abgrenzung einzelner Vorhaben mit einem Bezug zu Religionsgemeinschaften. »Da es sich bei der kirchlichen Trägerschaft […] um kein einschlägig relevantes Auswertungsmerkmal handelt und Abgrenzungen in den meisten Fällen überhaupt nicht vorgenommen werden können, ist eine vollständige, umfassend belastbare und letztlich aussagekräftige Beantwortung nicht möglich«, lautet es in der Antwort auf die erste Anfrage aus dem Jahr 2018. Mit anderen Worten: die Bundesregierung (eines säkularen Staates) fördert Religionsgemeinschaften und ist in vielen Fällen nicht daran interessiert, dass es sich um Religionsgemeinschaften handelt.
Dass eine inhaltliche Abgrenzung allerdings auch bei klar zugeordneten Begünstigten aus dem Umfeld von Religionsgemeinschaften oft schwierig ist, zeigt die Förderung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Hier kann man beispielsweise bei der Unterstützung des Internationalen Ausschwitz Komitees oder der Antisemitismusforschung keinen rein religiösen Bezug erkennen, wenn überhaupt.
Auch wenn die Zuwendungen für den Zeitraum der Ampelregierung nicht vollständig sind, ist ihre Analyse dennoch aufschlussreich.
So betragen die Zahlungen an die beiden Großkirchen und ihre Organisationen (inkl. Caritas, Diakonie und andere) für die drei Jahre insgesamt 378 Mio. EUR und damit 69 Prozent der Gesamtsumme von 544 Mio. EUR. (S. Tabelle 1) Dabei schien die katholische Kirche (289 Mio. EUR) deutlich besser weggekommen zu sein als die evangelische (64 Mio. EUR), was zum größten Teil am Einzelposten »Humanitäre Hilfe« (Außenministerium) liegt, der allein mit 194 Mio. EUR (ohne 2021) für die katholische Kirche zu Buche schlägt. Auch die Freikirchen konnten sich im gleichen Zeitraum über Zuwendungen für »Humanitäre Hilfe« in Höhe von 26 Mio. EUR freuen. Eine Aufschlüsselung auf konkrete Projekte der insgesamt vier Einzelpositionen zur »Humanitären Hilfe« (in Summe 275 Mio. EUR) ist weder in der Aufstellung noch in den zugehörigen Haushalten zu finden. Ist die Bezeichnung »Humanitäre Hilfe« so selbsterklärend, dass man hierbei nicht nach konkreten Projekten fragt und diese dann mit ihren exakten Zuwendungen entsprechend aufschlüsselt?
Weitere Einzelmaßnahmen für die christlichen Kirchen: Die Katholische Akademie in Berlin e.V. konnte mit 45 Mio. EUR im Jahr 2022 ihr Digitalisierungsvorhaben vorantreiben und die Sanierung der St. Hedwigs-Kathedrale unterstützten die Steuerzahler:innen mit 6,3 Mio. EUR in der verkürzten Legislaturperiode. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland erhielt 1,2 Mio. EUR, das Umweltministerium förderte Klimaschutzmaßnahmen der Kirchen mit insgesamt rund 23 Mio. EUR.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland erhielt im genannten Zeitraum rund 138 Mio. EUR, davon entfallen 70 Mio. EUR auf den Vertrag zwischen dem Zentralrat und der Bundesrepublik. Alle anderen Religionsgemeinschaften (Interreligiöse, Muslime, Aleviten, Buddhisten) erhielten zusammen 2,3 Mio. EUR.
Anteilig erhielten die christlichen Kirchen und Organisationen (inkl. der Freikirchen) rund 74% der Zuwendungen, darunter die Katholische Kirche allein 53 Prozent; die jüdischen Gemeinden erhielten 25,4%, der Bärenanteil ging an den Zentralrat. Bemerkenswert auch der geringe Anteil der Zuwendungen an die islamischen Organisationen (0,2 Prozent), misst man diesen am Anteil der Muslime an der Bevölkerung in Deutschland. {s. Tabelle 2}
Stellt man die aktuellen Zahlen aus der Legislaturperiode der Ampelregierung zusammen mit den Zahlen der beiden Anfragen aus 2018 und 2021 und bildet eine Zeitreihe 2014 – 2023, kommt man auch hier zu interessanten Erkenntnissen (s. Tabelle 3.1.). Für das Jahr 2021 wurden die Werte für die Monate Jan. – Sep. (aus der zweiten Anfrage) zu denjenigen für die Monate Okt. – Dez. (aus der aktuellen Anfrage) addiert.
Auch hierbei ist wieder zu berücksichtigen, dass die Zuwendungen nicht das komplette Bild zeigen, da die o.a. Titel (u.a. Militärseelsorge, »Förderung entwicklungsfähiger Vorhaben der Kirchen«) mit den verantwortenden Ministerien (Verteidigung, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) nicht vertreten sind.
Die Fördermittel aus dem Bundeskanzleramt steigen in den Jahr 2018 – 2021 (Regierung Merkel) deutlich an und fallen in den Folgejahren (Regierung Scholz) wieder ab. Im Jahr 2019 fließen aus dem Bundeskanzleramt allein knapp 85 Prozent aller Zuwendungen (s. Tabelle 3.2.).
Fast komplementär dazu die Zuwendungen aus dem Auswärtigen Amt, die einen signifikanten Anstieg in den Jahren 2022 und 2023 erfahren, mit dem Spitzenwert von 63 Prozent im Jahr 2023.
Insgesamt, und unbeschadet der Unvollständigkeit der Zahlen, kann man feststellen, dass die Zuwendungen an die Religionsgemeinschaften durch den Bund im Trend »zuverlässig« und zum Teil mit großen Sprüngen ansteigen, ganz unabhängig vom »Setting« von Regierungen und Ministerien.
Und, die Eingangsbemerkung aufgreifend: Die Förderung der Kirchen in Deutschland erfolgt nicht allein durch die 14 Bundesländer, die Staatsleistungen und weitere Zahlungen an die Kirchen entrichten, sondern auch in erheblichem Umfang durch den Bund.
Tabellen
(Im Anhang befinden sich die auslesbaren Daten der Tabellen/Grafiken in einer Excel-Datei,
ebenso wie die Tabelle aus der BT-Drucksache 20/14141 (PDF) als Excel-Datei.)