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Kosten der Lutherdekade 2008 - 2017

Das „Lutherjahr 2017“, der Höhepunkt der „Lutherdekade“, hat begonnen, und es ist an der Zeit, einen ersten Kassensturz zu versuchen, zu ermitteln, wie teuer dieses Ereignis insgesamt sein wird und insbesondere den Steuerzahler kostet. Eine erste Übersicht summiert sich auf rund 250 Millionen Euro aus Steuergeldern.

Von Carsten Frerk

Die Angaben zur Finanzierung der Lutherdekade sind entweder pauschal oder im Detail so verstreut, dass es zeitnah nicht möglich ist, eine verlässliche und vollständige Kostenrechnung zusammenzustellen.

Beitrag der Kirchen

Wie hoch die Finanzierungsbeiträge der Kirchen sind ließ sich nur ansatzweise ermitteln, da dort auch auf Nachfrage nur wenig Auskunft zu erhalten ist. Die Landeskirche Sachsen stellt für 2017 einen Betrag von 1,3 Mio. Euro zur Verfügung. Vorrangig gedacht für den „Kirchentag auf dem Weg“ in Leipzig, den die Stadt Leipzig mit 1,5 Mio. Euro bezuschusst.

Ein Aspekt wird aber deutlich: Wenn auch immer davon die Rede ist, dass die Lutherdekade ein gemeinsames Projekt von Landeskirchen, Bundesländern, Bund und Tourismusförderung sei, finanzieren die Kirchen einen Anteil von etwa einem Drittel, eher in der Größenordnung von 20 Prozent.

Der „Informationsdienst der Evangelischen Allianz“ bezifferte den Beitrag der Landeskirchen auf 17 Millionen Euro. Das bestätigt der Geschäftsführer von „Luther 2017“ indirekt, wenn er von den 50 Millionen Kosten für fünf Großprojekte spricht (Europäischer Stationenweg, Weltausstellung Reformation, Kirchentag auf dem Weg, Festgottesdienst und Konfirmanden-Camp) und den kirchlichen Anteil auf ein gutes Drittel beziffert.

In den Erläuterungen zum Antrag auf Förderung eines kirchlichen Projektes in der Lutherdekade wird der Eigenmittelanteil mit (mindestens) 20 Prozent beziffert.

Übersicht über Finanzierungen aus Steuergeldern

Auch wenn im Einzelfall nicht abgeklärt werden konnte, ob regionale kleinere Teilprojekte in allgemeinen Förderetats berücksichtigt wurden, sind die Hauptakteure eindeutig: Das Bundesland Sachsen-Anhalt (86 Mio.), die Bundesregierung (44 Mio. Euro), die Stiftung Luthergedenkstätten (41 Mio. Euro), die Sanierung des Schloss-Komplexes Wittenberg (33 Mio. Euro) und der Kirchentag 2017 (16 Mio. Euro)

Die feststellbaren Mittel von Bund und Bundesländern, sowie von nationalen öffentlich-rechtlichen Institutionen (ARD und Deutsche Forschungsgemeinschaft) belaufen sich auf rund 250 Mio. Euro.

Aber auch auf kommunaler Ebene gibt es zahlreiche Veranstaltungen, die in einem direkten Bezug zum Lutherjahr genannt werden. Die wenigen im folgenden genannten Beispiele belaufen sich auf weitere 2,7 Mio. Euro.

Daneben gibt es noch Projekte, die über Sponsoren finanziert werden. Ein Beispiel: Der Kunstpreis der Stadt Schwarzenberg in Sachsen, die den Kunstpreis art figura im Jahr 2017 unter das Thema „Re-Formation“ stellt. Kosten 1,2 Mio. Euro. Finanziert werden die Kosten durch die Stadt selber, „in Zusammenarbeit mit der Erzgebirgssparkasse, dem Kulturraum Erzgebirge-Mittelsachsen, dem Wirtschaft- und Gewerbeverein sowie den Kunstfreunden Schwarzenberg […]. Erstmals mit im Boot für die Kunst der Porsche Werkzeugbau.“

Unkalkulierbar bzw. Kosten nicht bekannt: u. a.

  • Feiertag zum Reformationsjubiläum / Kosten für die Wirtschaft (Arbeits- und Produktionsausfall): mehrere Milliarden, allein in NRW bis zu 500 Millionen Euro.
  • Deutsches Historisches Museum Berlin, Ausstellung „Der Luthereffekt“, 12.4. – 5.11.2017
  • Gastprofessur für Religion und Politik an der Universität Münster
  • Sonderförderprogramme zum Denkmalschutz

Bundesregierung und Länder

In einer Positionsbeschreibung des Bundes heißt es: „Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit den Ländern einen Beitrag zur Substanzerhaltung und Restaurierung von herausragenden Reformationsstätten zu leisten.

So konnten zahlreiche Stätten der Reformation bereits in der Vergangenheit als kulturelle Leuchttürme, durch Mittel des Denkmalpflegeprogramms, im Rahmen der Städtebauförderung oder durch das Sonderförderprogramm ‚Investitionen in nationale UNESCO-Welterbestätten‘ in ihrer Entwicklung nachhaltig unterstützt werden.“

Der Staatsminister für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt nennt dazu bereits 2011 auch konkrete Zahlen: „Für 2011 hat er deshalb für die Sanierung der Schlosses Wittenberg sowie der Georgenkirche Eisenach insgesamt 1,47 Mio. Euro bereitgestellt. Für die Sanierung des Augustinerklosters in Erfurt stehen 208.000 Euro, für das Melanchthon-Haus in Wittenberg 205.000 Euro und die Herder-Kirche in Weimar 68.000 Euro zur Verfügung. Zudem fördert der Bund bereits seit 1995 den laufenden Bauunterhalt der Wartburg mit insgesamt 4,2 Mio. Euro und die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt mit derzeit jährlich 916.000 Euro im Wege der institutionellen Förderung. Auch aus dem Denkmalschutzprogramm für national bedeutende Kulturdenkmäler sind bereits zahlreiche Mittel in die Sanierung von Melanchthonhaus, Cranach-Höfe, Bugenhagenhaus und der Stadtkirche Wittenberg geflossen.“

Im Oktober 2016 wird dann in einer Mitteilung des Kulturstaatsministerin die Gesamtsumme des Bundes genannt: Nahezu 44 Millionen Euro. Gegenüber den im Jahr 2010 zugesagten 35 Millionen Euro eine Steigerung von 26 Prozent. Im Dezember 2016 wird dieser Betrag um weitere 6,5 Millionen Euro ergänzt.

Die Vielfältigkeit der Projekte und der Träger zeigt beispielsweise die „Fördertranche 2016“ mit einem Umfang von 25 Seiten.

Bundesländer / Kommunen

Der finanzielle Aufwand in den Bundesländern ist so vielfältig, dass er im Detail nicht erfasst werden kann. So heißt es seitens der Thüringer Staatsregierung: „Die Renovierung und Restaurierung von herausragenden baulichen Zeugnissen der Reformationsgeschichte in Vorbereitung des Reformationsjubiläums wird fortgesetzt. So wurden bis 2013 insgesamt 7,7 Millionen Euro für diese Maßnahme an Denkmalfördermitteln durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur bereitgestellt. Ziel ist es, herausragende Zeugnis der Reformationsgeschichte wie die Herderkirche Weimar, die Bartholomäikirche Altenburg, die Oberkirche Arnstadt, die Stadtkirche St. Georgen Eisenach oder das Augustinerkloster Erfurt auf das Jubiläum 2017 vorzubereiten.“

So gibt es auch den Ratsbeschluss Leipzig (390.000 Euro) oder das Mobilitätskonzept zum Lutherjahr 2017 für den Wartburgkreis und Eisenach.

Lutherweg

Grafik: Lutherweg-Gesellschaft

Der Lutherweg befindet sich auf dem Territorium der Bundesländer Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Bayern sowie Hessen und wird u. a. von diesen Bundesländern gefördert.

In einer Selbstdarstellung heißt es dazu: „Der Lutherweg als Gemeinschaftsprojekt von Kirchen, Tourismusverbänden, Kommunen und weiteren Trägern wendet sich an Pilger, Wanderer und an Besucher, die an der Reformation und ihren Wirkungen interessiert sind. In ganz unterschiedlichen Bundesländern und Landschaften führt der Lutherweg durch Orte der Reformation und an Plätze, deren Bedeutung sich durch die Wirkungen der reformatorischen Bewegung erschließt.“

Mit anderen Worten: Der Begriff „Lutherweg“ ist ein Begriff aus dem Tourismus-Marketing, der mit Luther nur am Rande zu tun hat. Dazu passt auch, dass 2016 Mounir Bakhtari, der Verkaufsrepräsentant des Restaurants „Auerbachs Keller“ und muslimischen Glaubens, in das Präsidium der Lutherweg-Gesellschaft gewählt wurde.