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Bundeswehr: Religion und Militärseelsorge

Seit Aufstellung der Bundeswehr (1955) ist die Militärseelsorge ein integraler Bestandteil der Bundeswehr, der konzeptionell mit der „Inneren Führung“ verbunden ist. Seitdem hat sich die religiöse Situation in Deutschland stark verändert („Säkularisierung“). Die Frage ist, ob sich diese Veränderungen auch hinsichtlich der Aufgaben, der Anzahl der Militärgeistlichen und ihrer Finanzierung entsprechend verändert darstellt.

Von Carsten Frerk und Matthias Krause

1. Historisches
2. Rechtliches
3. Religionszugehörigkeiten
4. Militärseelsorger (Anzahl)
5. Finanzierung der Militärseelsorge

1. Historisches

Ein umstrittenes Thema, denn einerseits heißt es (pro Militär und Militärseelsorge) „Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße! Auch der Schwache rufe: Ich bin stark!“ (Bibel, Joel 4,10) bzw. andererseits (contra Militär und Militärseelsorge) „Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen.“ (Bibel, Matthäus 26, 52), auch: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“ (Bibel, Micha 4, 3)  oder wie es der Pazifist Martin Niemöller, Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, es am 25.1.1959 sagte:

„Jede Ausbildung zum Soldaten und zu Führungspositionen in übergeordneten Kommandotruppen muss heute als eine hohe Schule für potentielle Berufsverbrecher bezeichnet werden.“

Die evangelische Kirche in Deutschland hat in Teilen auch eine pazifistische Position und nach dem wiederum verlorenen Weltkrieg war man sich einig, als auch der spätere Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß 1949 sagte: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen“.

Dieser Frieden war beendet, als im Zuge der West-Integration auch Bundesdeutsche wieder zu den Waffen greifen mussten. Die Katholiken hatten damit keine Probleme, war doch bereits im Reichskonkordat von 1933 mit den Nationalsozialisten im Artikel 27 vereinbart worden, wie eine katholische Militärseelsorge zu organisieren sei. Die Evangelische Kirche in Deutschland hätte es dagegen fast zerrissen.

Es war nicht nur die generelle Weigerung weiter Kreise der evangelischen Kirche - nach Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg -, überhaupt Waffen zu segnen, sondern auch die besondere Dienststellung der Priester im Militärdienst. Die (in anderen westlichen Demokratien übliche) Integration in militärische Strukturen wurde grundsätzlich abgelehnt. Man verhandelte und fand 1957 einen Kompromiss: Die Militärpfarrer sind inhaltlich der Kirche verpflichtet, formal aber (trotz Uniform im Manöver oder Kampfeinsatz) keine Soldaten, sondern Bundesbeamte auf Zeit. Unterstellt sind sie dem ‚Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr‘ - einer oberen Bundesbehörde. Diese Regelung hatte sich in der Folgezeit bewährt, da beide Seiten sehr vorsichtig miteinander umgingen, bis dann mit der Wiedervereinigung die ausgeprägt pazifistische Haltung der östlichen Gliedkirchen („Schwerter zu Pflugscharen“) 1991 für große Unruhe innerhalb der EKD sorgte. Die östlichen Landeskirchen weigerten sich, die westlichen Militärseelsorgeverträge zu übernehmen.

Schließlich wurde – in bewährter evangelischer Tradition – eine „Übergangslösung“ vereinbart,  bei der die ev. Ost-Kirchen reguläre Pfarrer für die Militärseelsorge abstellten (die also keine Staatsbeamten auf Zeit waren), und das BMVg die Kosten dafür erstattete. 2004 wurde der evangelische Militärseelsorgevertrag dann für alle Landeskirchen verbindlich.

Einen Überblick zur Geschichte der Militärseelsorge in der Bundeswehr gibt der Forschungsbericht 83 des Sozialwissenschaftliches Instituts der Bundeswehr von Prof. Dr. Angelika Dörfler-Dierken : „Zur Entstehung der Militärseelsorge und zur Aufgabe der Militärgeistlichen in der Bundeswehr“ aus dem Jahr 2008. Darin heißt es einleitend (S. 15):

„Am überraschendsten war wahrscheinlich für diejenigen, die sich mit den in „Als Mensch hinter den Waffen“ (2006) edierten Baudissin-Quellen beschäftigt haben, die Entdeckung, dass Wolf Graf von Baudissin sich als Christ lutherischer Konfession verstanden hat und dass seine Konzeption Innere Führung eine konfessionelle Verwurzelung hat. Das ist für diejenigen, die sich an den Geist der fünfziger Jahre noch erinnern können, in keiner Weise verwunderlich. Schließlich wurde damals noch Karriere mit Konfession gemacht – oder eben nicht gemacht. Als seine Aufgabe hat Baudissin es verstanden, dabei mitzuwirken, dass die Bundeswehr auf einem soliden ethischen Fundament ruht, damit niemals wieder ein christlicher Soldat (respektive eine christliche Soldatin) sich fragen müsste, ob er (beziehungsweise sie) das ihm (oder ihr) befohlene militärische Handeln auch vor Gott verantworten kann.“

Und (auf Seite 78):

„Dadurch soll ein gewissensgeleitetes soldatisches Ethos gefördert, ein ‚Raum für Menschlichkeit‘ eröffnet werden. Es ging ihm [Baudissin] bei der Entwicklung der Konzeption einer der militärischen Hierarchie frei gegenüberstehenden Militärseelsorge und des Lebenskundlichen Unterrichts um den gemeinsamen Dienst von militärischen Vorgesetzten und Pfarrern an den Menschen. Weil es auch im soldatischen Leben um ‚das Ethos des menschlichen Miteinanders geht‘ und um ‚Vertiefung des Gewissens‘ braucht der Waffenträger Hilfe zu ‚persönlicher Klärung‘.“

Diese christlich fundierte Aufgabenstellung für die beiden großen ‚Amtskirchen‘ ist und blieb die gemeinsame Auffassung von Kirchen und militärischer Führung der Bundeswehr. Sie ist bis heute offiziell nicht in Frage gestellt worden. Sie gilt immer noch als „gemeinsame Angelegenheit“ (res mixta) von Staat und Kirche.

2. Rechtliches

Im Grundgesetz heißt es in Artikel140 in Verbindung mit Art. 141 der Weimarer Reichsverfassung:

„Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.“

Im evangelischen Militärseelsorgevertrag von 1957 wird in Artikel 3 bestimmt: „Für je 1500 evangelische Soldaten wird ein Militärgeistlicher berufen.“ Für die katholische Militärseelsorge gilt paritätisch dasselbe.

Ein katholischer Militärseelsorgevertrag wurde nicht als notwendig erachtet, da im Reichskonkordat von 1933 im Artikel 27 bereits alles geregelt ist. Diese Regelungen wurden im April 1986 durch die Apostolische Konstitution „SPIRITUALI MILITUM CURAE“ und im November 1989 durch „Statuten für die Seelsorge in der deutschen Bundeswehr“ (Apostolisches Breve „Moventibus quidem“) ergänzt.

Die aktuelle Situation wird im Verteidigungshaushalt wie folgt beschrieben:

„Im Organisationsbereich Militärseelsorge sind als zentrale Dienststellen das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr und das Katholische Militärbischofsamt eingerichtet. Als Bundesoberbehörden sind die beiden Ämter unmittelbar dem BMVg nachgeordnet. Die Militärseelsorge als Teil der kirchlichen Arbeit wird im Auftrag und unter Aufsicht der Kirchen ausgeübt. Die kirchliche Leitung der Militärseelsorge obliegt dem Militärbischof, der in keinem Dienstverhältnis zum Staat steht und allein eine pauschale Aufwandsentschädigung erhält. Daneben sorgt der Staat für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten. Hinsichtlich aller mit der Militärseelsorge zusammenhängenden staatlichen Verwaltungsaufgaben übt das BMVg insofern auch die Dienstaufsicht aus. Die Militärgeistlichen sind auf der Mittelebene als Leiterin/Leiter Militärdekanat und auf der Ortsebene als Leiterin/Leiter Militärpfarramt eingesetzt. Ihr Rechtsverhältnis zum Staat ist auf beamtenrechtlicher Grundlage geregelt. Darüber hinaus werden die Militärgeistlichen im Einvernehmen mit dem BMVg durch Pastoralreferentinnen/Pastoralreferenten und durch Seelsorgerinnen/Seelsorger einer Landeskirche/Diözese im Rahmen eines Gestellungsvertrages unterstützt. Deren Personalkosten werden durch den Bund erstattet.“

Nach einem fast acht Jahre dauernden Prüfprozess wurde im Frühjahr 2019 entschieden, die Militärseelsorge um einen jüdischen Anteil zu erweitern. Am 20. Dezember 2019 wurde der Staatsvertrag für die jüdische Militärseelsorge von der Verteidigungsministerin und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland unterzeichnet. Am 28. Mai 2020 hat der Deutsche Bundestag diesen Staatsvertrag bestätigt, der für die rund 300 jüdischen Soldaten die Tätigkeit von 10 Militärrabbinern vorsieht.

Weitere Regelungen für muslimische Soldatinnen und Soldaten sind im Gespräch bzw. finden für Konfessionsfreie und Humanisten (mittlerweile rund 50 Prozent der Soldatinnen und Soldaten) nicht statt.

3. Religionszugehörigkeiten in der Bundeswehr

Die Klärung der Religionszugehörigkeiten der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr steht in dem Widerspruch, dass einerseits die Nennung der Religionszugehörigkeit freiwillig ist, d. h. nicht erfragt werden darf -  entsprechend Grundgesetz Art. 140 in Verbindung mit Art. 136, Satz 3 der Weimarer Reichsverfassung, in dem es heißt:

„Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.“

Andererseits besteht seit 1934 in Deutschland die staatliche Anordnung des Eintrags der Religionszugehörigkeit für Mitglieder von Religionsgemeinschaften, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben, auf der Lohnsteuerkarte bzw. in den Steuerunterlagen. Insofern ist die Religionszugehörigkeit für diese Kirchenmitglieder bekannt bzw. feststellbar, was ja auch bei der Berechnung und Abführung der Kirchensteuer der Soldatinnen und Soldaten erfolgt.

Zudem setzt der Militärseelsorgevertrag mit der Bezifferung der Anzahl Militärseelsorger für die Soldaten des jeweiligen Bekenntnisses (1.500) voraus, dass die Anzahl der Kirchenmitglieder für eine vertragskorrekte Anwendung bekannt sein muss.

Entsprechend heißt es in einer Mitteilung der „Zentralen Ansprechstelle für Soldaten anderer Glaubensrichtungen“ beim „Zentrum Innere Führung: „Wir sind – wie Sie auch – auf Schätzungen angewiesen. Das liegt nicht nur an der Freiwilligkeit zur Angabe der Angabe der Religion sondern auch, weil viele (in Bezug auf Bundeswehrangehörige) kleine Religionen im Personalbearbeitungssystem gar nicht erfasst sind.“

Nach diesen Schätzungen gibt es (2020) Angehörige von 12 Religionsgemeinschaften, davon rund 300 jüdische und 3.000 muslimische Soldatinnen und Soldaten. Zu den Muslimen heißt es: „Diese seien jedoch eine sehr heterogene Gruppe mit sehr unterschiedlichem Hintergrund und nicht alle an Religiosität im Dienstalltag interessiert.“

Auf eine fowid-Anfrage beim Presse- und Informationszentrum Personal beim Bundesministerium der Verteidigung - mit Hinweis auf die in den Steuerunterlagen erfassten Kirchenmitgliedschaften der Soldatinnen und Soldaten -, übermittelte das Ministerium diese Daten zur Truppenstärke und der Anzahl der evangelischen sowie katholischen Soldaten.

Dabei zeigen sich drei Aspekte: Erstens verläuft der generelle Trend wie insgesamt in Deutschland, dass sich die Anteile der Kirchenmitglieder verringern. Insofern ist die Bundeswehr religiös durchaus ein ‚Spiegelbild der Gesellschaft‘. Zum einen jedoch ist der Anteil der nicht-christlichen Kirchenmitglieder etwas höher als gesamtgesellschaftlich, was aber nicht verwunderlich ist, da die Alterspyramide der Soldaten ‚jünger‘ ist als in der Gesamtgesellschaft. Zum anderen ist der Anteil der evangelischen Kirchenmitglieder durchgehend signifikant höher als der Anteil der Katholiken. Das wäre sicherlich eine eigene Untersuchung wert, warum und ob Evangelische eine größere Affinität zum Militär haben als Katholiken?

4. Militärgeistliche (Anzahl)

4.1. Christliche Militärgeistliche

Zur Zahl der Militärgeistlichen heißt es in der Bundestagsdrucksache 17/9482:

„Ist es zutreffend, dass zumindest bis 2010 rund 190 katholische und evangelische Militärpfarrerinnen und -pfarrer in der Bundeswehr für ca. 150 000 katholische und evangelische Soldatinnen und Soldaten tätig waren? Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung den Umstand, dass – gemäß dem o. g. Schlüssel (1 Seelsorger pro 1 500 Soldatinnen und Soldaten) – faktisch fast doppelt so viele katholische und evangelische Militärpfarrerinnen und -pfarrer in der Bundeswehr tätig sind? Wenn nein, wie lautet die derzeit aktuelle Zahl von katholischen und evangelischen Militärpfarrerinnen und -pfarrern in der Bundeswehr im Verhältnis zu katholischen und evangelischen Soldatinnen und Soldaten?
Die Daten sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.“

Auf die Zahl der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr umgerechnet ergeben sich dann folgende Zahlen:

Die Relation der Zahl der evangelischen und katholischen Militärgeistlichen pro Soldaten beläuft sich 2020 auf ein Drittel (rund 500 Soldaten) des ursprünglich im Militärseelsorgevertrag vereinbarten Betreuungsschlüssels (1 pro 1.500).

Dass die Zahl der Militärgeistlichen nicht mehr mit den Schlüsselzahlen aus dem Militärseelsorgevertrag übereinstimmt, wird von Bundesministerium der Verteidigung in der BT-Drucksache 17/9482 im Mai 2012 mit einer Aufgabenerweiterung durch Auslandseinsätze und Familienbetreuung begründet:

„Organisation und personelle Ausstattung der Militärseelsorge folgen den Aufgaben, dem Umfang, der Organisationsstruktur und den Stationierungsentscheidungen der Streitkräfte. Berücksichtigung fanden hierbei auch die veränderten Schwerpunkte in der seelsorgerlichen Betreuung, die sich einerseits aus den Auslandseinsätzen und andererseits durch die mit den Auslandseinsätzen zusammenhängende vermehrte Betreuung der Familien ergeben haben. Die rein arithmetische Betrachtung des Verhältnisses zwischen der Anzahl der eingesetzten Militärgeistlichen und der zu betreuenden Soldatinnen und Soldaten stellt dabei nur einen Aspekt der Planung des Personalansatzes dar. Zusätzliche Aufgaben, wie die oben genannte Familienbetreuung, die Betreuung der Erkrankten und Verletzten im Rahmen der Krankenhausseelsorge sowie besondere Aufgaben, die an den Bildungseinrichtungen der Bundeswehr im seelsorgerlichen Bereich erfüllt werden, mussten hierbei auch personalplanerisch berücksichtigt werden.“

Zu den Auslandseinsätzen hat der seinerzeitige Bischof für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr, Martin Dutzmann, auf der Synode der EKD 2012 genaue Angaben veröffentlicht (Anlage 2): Danach sind bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr jeweils zwei bzw. ein Militärgeistlicher vor Ort anwesend, in Mazar-e-Sharif (1 Kath., 1 Evang.), in Kunduz/Afghanistan ebenfalls zwei, in Prizren/Kosovo sowie in Kabul/Afghanistan jeweils 1 evangelischer Militärseelsorger. Insgesamt also sechs Militärgeistliche.

2005 berichtete auf der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Berlin (6. bis 10. November 2005) der Bischofs für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr, Peter Krug, (Seite 15), dass auf Personalreduzierungen verzichtet werde:

„Die mit dem vielgebrauchten und möglicherweise schon überstrapazierten Begriff ‚Transformation‘ verbundene Verkleinerung und Neuausrichtung der Bundeswehr hat auch Folgen für den Umfang des Personalkörpers der Evangelischen Seelsorge an Soldaten. Besonders die im November 2004 bekannt gegebenen Standortschließungen wirken sich unmittelbar auf die Verteilung unserer Standorte und die Seelsorgebereiche der Pfarrerinnen und Pfarrer aus. Hinsichtlich des zukünftigen Personalumfangs der evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr muss jedoch dankbar festgestellt werden, dass das Bundesministerium der Verteidigung trotz aller Sparzwänge aufgrund der Belastungen der Soldatinnen und Soldaten durch die Auslandseinsätze, der durch diese Einsätze bedingten Trennungszeiten und aufgrund des Anwachsens der Zahl von Fernbeziehungen bei Angehörigen der Bundeswehr auf eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der anstehenden Personalreduzierungen auf den evangelischen und katholischen Zweig der Seelsorge auf Soldaten verzichtet.“

Auf Anfrage erhielt Matthias Krause bereits 2010 eine ähnliche Darstellung des Bundesverteidigungsministeriums, dass die Schlüsselzahl keine absolute Grenze darstelle:

„Nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 2 des Militärseelsorgevertrages wird für je eintausendfünfhundert evangelische Soldaten ein Militärgeistlicher berufen. In der Staatspraxis findet diese sog. Schlüsselzahl seit Anbeginn auch für die Katholische Militärseelsorge Anwendung.
Die genannte Schlüsselzahl ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass zwischen den Vertragspartnern im Jahr 1957 eine Bezugsgröße für die Berufung eines Militärgeistlichen vereinbart worden ist, bei deren Erreichen der Staat auf jeden Fall die Kosten trägt und die Kirchen ihre Aufgabe, die Ausübung der Seelsorge, wahrnehmen. Die Struktur der Militärseelsorge orientiert sich grundsätzlich an der Struktur der Streitkräfte. Die Schlüsselzahl stellt im gemeinsamen Verständnis von Staat und Kirchen keine absolute Grenze dar, vielmehr wird sie bei geänderten Rahmenbedingungen aufgrund des konkreten Bedarfs der Streitkräfte im Einzelfall modifiziert.
Durch Besonderheiten an Standorten (z. B. Betrieb einer Schule; hohe Einsatzrelevanz der stationierten Einheit oder auch Diaspora-Situation eines Zweiges der Militärseelsorge im Seelsorgebereich; Betrieb eines Bundeswehrkrankenhauses) kann es aufgrund eines unabweisbar dringenden Bedarfs an Seelsorge geboten sein, im Einzelfall einen Seelsorgebereich einzurichten, der über einen geringeren Anteil konfessionsgebundener Soldatinnen und Soldaten verfügt. Es liegt im gemeinsamen Interesse und in der Verantwortung von Staat und Kirchen, Seelsorgedefizite in der Militärseelsorge so weit wie möglich zu vermeiden.“

Die Zahl der Militärseelsorger, heißt es In der Bundestags-Drucksache 19/10428 vom Mai 2019,  habe sich durch die Veränderung der „räumlichen Größe der Militärseelsorgegemeinden“ verändert:

„[Frage] 14. Ist es zutreffend, dass für die Seelsorge christlicher Soldatinnen und Soldaten nicht nur – wie nach Ansicht der Fragesteller eigentlich in dem einschlägigen Staatsvertrag (BGBl. 1957 II S. 702 ff.; veröffentlicht in VMBl 1957, S. 757 ff.) vorgesehen – ein Verhältnis von einem Militärgeistlichen zu 1 500 Soldatinnen und Soldaten erreicht wird, sondern dass das Verhältnis aktuell ungefähr ein Militärgeistlicher zu 700 Soldatinnen und Soldaten beträgt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/9482, S. 12), und wenn ja, welche Gründe liegen dafür vor?
[Antwort:] Ja. Die räumliche Größe der Militärseelsorgegemeinden lässt eine angemessene Betreuung von 1500 Soldatinnen und Soldaten durch einen einzelnen Militärseelsorger häufig nicht mehr zu. Der Betreuungsschlüssel war daher mit Blick auf eine angemessene Betreuung anzupassen.“

Offenbar hat man sich stillschweigend von dem im Militärseelsorgevertrag vereinbarten Betreuungsschlüssel verabschiedet. Das tatsächliche Kriterium wäre dieser Auskunft zufolge eine “angemessene Betreuung”.

Eine Übersicht der Zahl der evangelischen Militärseelsorger zeigt, dass sich ihre Anzahl im Großen und Ganzen nicht verändert hat, obwohl sich die Truppenstärke und die Anzahl der evangelischen Kirchenmitglieder verringert hat.

Neben der Zahl der Bekenntnisangehörigen müssen die Militärgeistlichen noch weitere Qualifikationen erfüllen: Studium, Ordination, Berufspraxis. In der Bundestags-Drucksache 19/10428 heißt es dazu: (S. 10)

„Nach Artikel 17 des Vertrags der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22. Februar 1957 (BGBl 1957 II S. 701;) müssen die Militärgeistlichen über ein mindestens dreijähriges theologisches Studium an einer deutschen staatlichen Hochschule verfügen, zur Ausübung des Pfarramtes in einer Gliedkirche berechtigt sein und mindestens drei Jahre in der landeskirchlichen Seelsorge tätig gewesen sein. Bei ihrer Einstellung in den Militärseelsorgedienst sollen sie das fünfunddreißigste Lebensjahr noch nicht überschritten haben.“

Nun besteht die Militärseelsorge aber nicht nur aus den Militärgeistlichen - dem universitär theologisch ausgebildeten Personal - sondern es sind laut Bundeshaushaltsplan 2007 im Einzelplan 1406, (S. 151) bei 207 Militärgeistlichen insgesamt 566 Planstellen. Davon 290 Beamte und 276 tarifliche Arbeitnehmer (Angestellte). In einer weiteren Darstellung (S. 178) sind es bei den Planstellen für Beamte 28 Personen in Leitungsfunktionen (Besoldungsgruppe B 6 und A 16) und 207 Militärgeistliche (A15 – A 13) sowie 83 Beamte im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst (A4 – A 12). Bei den 276 Angestellten liegt das Schwergewicht auf 215 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Gehaltsgruppe E 6. Insofern sind Militärgeistliche keine ‚Einzelkämpfer‘.

4.2. Humanistische Berater

Die Beschäftigung von säkularen Beratern für die größte weltanschauliche Gruppe, die Konfessionsfreien, sowie die Erteilung des Lebenskundeunterrichts durch Militärgeistliche ist umstritten und so heißt es in dem Bericht des Bischofs für die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr für die Synode 2006  unter der Überschrift „Auseinandersetzung mit dem Humanistischen Verband“ (S. 33), dass Konfessionslosigkeit keine Weltanschauung sei.

„Anfang Juni 2006 hat der Humanistische Verband beim Bundesminister der Verteidigung Einspruch erhoben gegen das vom Evangelischen Kirchenamt für die Bundeswehr und dem Katholischen Militärbischofsamt erarbeitete Konzept des LKU mit dem Argument, der ausschließlich von den Militärpfarrern in der Bundeswehr erteilte Lebenskundliche Unterricht verstoße gegen die verfassungsmäßigen Grundsätze des religiös-weltanschaulichen neutralen Staates.
Der Humanistische Verband fordert deshalb, dass Pflichtunterricht für Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten nur durch staatliche Lehrkräfte, die nicht im kirchlichen Pflichtverhältnis stehen, erteilt wird.
Auf der Linie des Humanistischen Verbandes, der bestrebt ist, sich in der Öffentlichkeit als Weltanschauungsverband neben den Kirchen zu platzieren, steht weiterhin die Forderung, im Falle eines Festhaltens der Führung des Bundesverteidigungsministeriums am LKU müsse für die religionsfreien Bundeswehrangehörigen ebenfalls ein LKU ohne religiöse Bindung eingeführt werden, ‚wie er etwa vom HVD an Schulen in einigen Ländern angeboten wird‘.
Der HVD setzt sich weiterhin für ‚religionsfreie humanistische Berater‘ als Partner für sogenannte ‚glaubensfreie‘ bzw. ‚andersgläubige‘ Soldatinnen und Soldaten ein.
Gemeinsam mit dem zuständigen Referat im Verteidigungsministerium hält die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr dagegen.
Denn weiterhin ist der LKU kein Religionsunterricht, sondern hat die „Auseinandersetzung mit sittlichen und ethischen Grundfragen der Lebensführung“ zum Ziel und ist ‚Teil der Gesamterziehung der Soldaten‘.
Die Seelsorger übernehmen diesen Unterricht als besonders qualifizierte Lehrkräfte.
Ebenfalls wenden sich die beiden Zweige der kirchlichen Seelsorge und das zuständige Referat im BMVg gegen die Einstellung von ‚religionsfreien humanistischen Beratern‘.
Die 41 % konfessionslosen Soldaten sind eine in sich vielfältige Gruppe, deren Beratung der HDV nicht für sich beanspruchen kann. Konfessionslosigkeit ist keine Weltanschauung, der HDV ist eine Weltanschauung.“

(HDV statt HVD so im Original.)

Zu dieser exklusiv kirchenbezogenen Auffassung der Aufgaben der Militärseelsorge passt, was der evangelische Militärbischof im Synodenbericht 2018 ( Seite 2) sagte:

„Da gegenwärtig immer nur ein Militärgeistlicher in der seelsorglichen Begleitung eines Einsatzes vertreten ist, muss alles ökumenisch offen sein, ohne das Profil zu verlieren. Die Offenheit ergibt sich ohnehin aus der Tatsache, dass immer weniger Soldatinnen und Soldaten konfessionell gebunden sind (gut 50 Prozent) und oftmals über keinen kirchlichen Hintergrund verfügen. Dies eröffnet ungeheure Chancen und Möglichkeiten, mit kirchenfernen Menschen in Kontakt zu kommen.“

Diese Sichtweise verstößt unmissverständlich gegen das Grundgesetz „Art. 4 Absatz 1, 2: (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ sowie das Soldatengesetz, § 36: „Seelsorge: „Der Soldat hat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung. Die Teilnahme am Gottesdienst ist freiwillig.“

Zudem ist es ein Verstoß gegen Art. 7 des evangelischen Militärseelsorgevertrages, in dem es heißt:

( 2 ) Aus den personalen Seelsorgebereichen oder den Militärkirchengemeinden scheiden aus
1. Personen, die ihren Kirchenaustritt rechtswirksam erklärt haben.“

Insofern war man (1957) noch der korrekten Auffassung, dass die Militärgeistlichen ausschließlich für ihre bekenntniseigenen Kirchenmitglieder zuständig sind. Andererseits heißt es im Art 9 Militärseelsorgevertrag:

„Die Militärseelsorge nimmt sich auch der Soldaten an, die nicht Angehörige der personalen Seelsorgebereiche oder der Militärkirchengemeinde sind.“

Staat, Bundeswehrführung und Kirchen haben insoweit auf die Religionsveränderungen in der deutschen Gesellschaft seit den 1970er Jahren nicht mit Respekt reagiert.

4.3. Jüdische Militärgeistliche

Gab es in der BT-Drucksache 19/10428 (Mai 2019, S. 10) noch die Frage: „Hält die Bundesregierung die vom Präsidenten des Zentralrats der Juden vorgeschlagene Zahl von ein bis zwei Militärrabbinern in der Bundeswehr für sachgerecht?“ so war die Antwort: „Dies wird Bestandteil der anstehenden Gespräche sein.“

Nach Unterzeichnung des Staatsvertrags zur jüdischen Militärseesorge am 20.12.1019: hieß es dann seitens der Bundeswehr: „Zehn Rabbinerinnen und Rabbiner für die Bundeswehr.

„Bis zu zehn Militärrabbinerinnen oder Militärrabbiner werden unter dem Militärbundesrabbiner arbeiten. ‚Bei der Größenbemessung der jüdischen Militärseelsorge stand die Gewährleistung einer funktionalen Grundbefähigung im Vordergrund, die eine bedarfsgerechte Seelsorge im In- und Ausland sowie eine temporäre Begleitung in den Auslandseinsätzen ermöglicht‘, hieß es aus dem Ministerium.
Die Geistlichen sollen ab 2020 nach und nach eingestellt werden. Sie sollen die verschiedenen jüdischen Glaubensrichtungen repräsentieren und sowohl jüdischen als auch nicht-jüdischen Uniformierten in ethischen Fragen zur Seite stehen. Wie andere Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger werden sie Lebenskundlichen Unterricht erteilen und mit in die Einsätze gehen. Die Geistlichen werden für sechs Jahre als Beamte auf Zeit berufen. Das Arbeitsverhältnis kann einmalig um sechs Jahre verlängert werden; auch eine Verbeamtung auf Lebenszeit ist möglich.“

4.4. Muslimische Militärseelsorge

Die Notwendigkeit einer muslimischen Militärseelsorge wird seit Jahren seitens muslimischer Verbände thematisiert und ist eine der Forderungen in der „Islamischen Charta“ für „eine würdige Lebensweise mitten in der Gesellschaft“, die der Zentralrat der Muslime (ZMD) bereits im Februar 2002 publiziert hat. Im Mai 2016 gab es auf der Deutschen Islamkonferenz (DIK) einen Arbeitsausschuss, der sich im Rahmen der DIK im Bundesministerium der Verteidigung damit beschäftigte. Dazu hieß es u. a.:

„Die Zahl der in der Bundeswehr dienenden Musliminnen und Muslime wird zurzeit auf 1.500 geschätzt. Angelehnt an das Betreuungsverhältnis der christlichen Militärseelsorge, rechtfertigt diese Menge bereits die Beschäftigung eines muslimischen Militärseelsorgers. Außerdem wurde im Gremium die symbolische Bedeutung eines solchen Schrittes betont, der demonstriere, dass Musliminnen und Muslime Teil der Bundeswehr seien.“

Diese Bezugszahl ist allerdings verkürzt, da es sich um die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten des gleichen Bekenntnisses geht und insofern erst einmal geklärt werden müsste – analog evangelisch bzw. katholisch -, wie viele der muslimischen Soldaten Sunniten, Schiiten, Aleviten, u.a.m. sind. Denn der Grundsatz lautet für Militärgeistliche entsprechend dem evangelischen Militärseelsorgevertrag in Art.4, Satz 3: „Als kirchlicher Amtsträger bleibt er in Bekenntnis und Lehre an seine Gliedkirche gebunden.“

Bisher scheiterte die Klärung dieser Frage aber auch an dem Aspekt, dass es auf muslimischer Seite keine anerkannte Organisation gibt, die einen entsprechenden Staatsvertrag als Vertragspartner unterzeichnen könnte.

5. Finanzierung der Militärseesorge

Im Grundgesetz Artikel 140 in Verbindung mit Art. 141 der Weimarer Reichsverfassung, wird bestimmt, dass „die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen [sind], wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.“ Diese „Zulassung religiöser Handlungen“ wird dann im evangelischen Militärseelsorgevertrag von 1957 konkretisiert, indem es in Art.2 heißt:

„(1) Die Militärseelsorge als Teil der kirchlichen Arbeit wird im Auftrag und unter der Aufsicht der Kirche ausgeübt. (2) Der Staat sorgt für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten.“

Als Kurzformel: Die Kirche bestimmt die Inhalte, der Staat bezahlt.

5.1. Evangelische und katholische Militärseelsorge

5.1.1. Finanzierung aus Bundeshaushalt

Bis zum Jahr 2007 gab es im Verteidigungshaushalt (Einzelplan 14) einen eigenen Abschnitt zur Militärseelsorge (Kapitel 06). Ab 2008 wurde das Kapitel 1404 bzw. 1413 gebildet (Bundeswehrverwaltung, Universitäten der Bundeswehr, Militärseelsorge und Rechtspflege sowie Personalausgaben für das Zivilpersonal bei den Kommandobehörden, Truppen usw.), so dass die Finanzierung der Militärseelsorge nicht mehr benennbar ist, obwohl es sich um zwei eigenständige Bundesoberbehörden handelt.

Eine genauere Aufschlüsselung verweist darauf, dass neben den Kosten für die Militärgeistlichen auch noch „Gestellungsgelder“ (Erstattungen an Kirchen und Ordensgemeinschaften für Geistliche) gezahlt werden. Zudem müssen die Versorgungsbezüge ehemaliger Militärgeistlicher zum Haushalt der Militärseesorge hinzugerechnet werden. Das Volumen beläuft sich damit (2006 / 2007) auf rund 32 Mio. Euro.

Will man abschätzen, wie sich dieser Haushalt für die Militärseesorge im Jahr 2020 darstellt, könnte man die Veränderungen in den Personalgehältern der Beamten betrachten. Für die größte Gruppe der Militärgeistlichen (Besoldungsgruppe A 14) haben sich von 2007 bis 2020 die Gehälter um 53 Prozent gesteigert.

 Da sich die Anzahl der Militärgeistlichen leicht verringert hat und nicht alle Kosten parallel gestiegen sind, dürfte eine Größenordnung von einem Drittel Steigerung plausibel sein, das wären in 2020 rund 43 Mio. Euro.

Bemerkenswert ist auch der Titel 531 01 aus dem 450.000 Euro für „Soldaten-Gebet- und Gesangsbücher, seelsorgerische Schriften sowie Lehr- und Anschauungsmaterial“ finanziert wird. Ein kirchlicher Kernbereich.

5.1.2. Finanzierung aus Kirchensteuereinnahmen

Neben der weitestgehend staatlichen Finanzierung der Militärseesorge, verwenden die Kirchen auch einen Teil der Einnahmen aus der Kirchensteuer der Soldaten für Zwecke der Militärseelsorge. Dazu besteht in der EKD ein „Sonderhaushalt Evangelische Militärseelsorge“.

In den Berichten zur Synode der EKD sind in dem Bericht des Evangelischen Bischofs für die Militärseelsorge dazu für 2003, 2004 und 2005 Zahlen genannt worden.

Im Bericht des Bischofs für die Synode 2006 heißt es zur Prognose der Einnahmen (S. 33):

„Nach einer aktuellen Prognose geht die Anzahl der evangelischen Zeit- und Berufssoldaten jährlich um 2000 zurück. Dies bedingt einen Rückgang der Soldatenkirchensteuer um etwa 400.000,00 Euro jährlich.“

2006 beliefen sich die Ausgaben des „Haushalt Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr“ auf 25.569.538 Euro, worin 12,34 Mio. Euro enthalten waren für den Ankauf des Dienstsitzes des Militärbischofs und des Dietrich-Bonhoeffer-Hotels in Berlin.

5.2. Finanzierung der katholischen Militärseelsorge

Dazu schreibt das Katholische Militärbischofsamt:

„Nach den bestehenden Rechtsgrundlagen sorgt die Regierung der Bundesrepublik Deutschland dafür, dass der Anspruch der Soldaten auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung erfüllt wird.
Für etwa 50 % der Kosten kommt die Katholische Militärseelsorge auf. Die Katholische Soldatenseelsorge - Anstalt des öffentlichen Rechts – ist Rechtsträgerin für die Verwaltung und Verwendung der kirchlichen Mittel. Sie ist durch Beschluss der Diözesanbischöfe am 23. April 1990 als selbständige kirchliche Einrichtung gegründet worden. […]
Die Katholische Soldatenseelsorge erhält zwei Drittel der Kirchensteuern der Soldatinnen und Soldaten. Der Haushaltsplan der Katholischen Soldatenseelsorge wird im Verordnungsblatt des Katholischen Militärbischofs veröffentlicht.“

Mit diesen Zahlenangaben zum „Haushaltsplan“ des jeweiligen Jahres und der Angabe, dass die Kirchen selber etwa 50 Prozent der Kosten beitragen, ergibt sich vermutlich ein Gesamtvolumen (Staat und Kirchen) der Kosten der christlichen Militärseelsorge in der Größenordnung von 75 – 85 Millionen Euro im Jahr.

Unter der Angabe, dass die Katholische Soldatenseelsorge rund zwei Drittel der Kirchensteuern der katholischen Soldaten erhält, wären das für 2020 insgesamt rund 23 Mio. Euro an Kirchensteuereinahmen katholischer Soldaten. Aufgrund der höheren Anzahl evangelischer Soldaten werden die Kirchensteuereinnahmen von evangelischen Soldaten etwas höher sein, was bei der Relation der Kirchenmitglieder unter den Soldaten (57 Prozent evangelisch, 43 Prozent katholisch) eine Größenordnung von rund 30 Mio. Euro bedeuten würde. Es wäre demnach also zusammen rund 53 Mio. Euro an Kirchensteuereinnahmen von christlichen Soldaten. Daraus könnten also die beiden großen Kirchen den bisher staatlich finanzierten Anteil der Militärseelsorge (rund 40 Mio. Euro) selbst übernehmen und wären damit „freie Kirchen in einem freien Staat“ (Friedrich Naumann).

5.2.1. Soldatenwallfahrt nach Lourdes

Eine katholische Besonderheit ist die Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes. Hierfür bekommen die Teilnehmer Sonderurlaub, wie aus der eigens für diese Wallfahrt erlassenen Zentralen Dienstvorschrift A-2550/1 hervorgeht:

„Den Soldatinnen und Soldaten kann gemäß § 9 der Soldatenurlaubsverordnung (SUV) in Verbindung mit Nr. 74 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen zur SUV (ZDv 14/5 „Soldatengesetz“ F 511) für die Teilnahme an der Wallfahrt Sonderurlaub im notwendigen Umfang gewährt werden, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Die Anrechnung von Erholungsurlaub bzw. Freistellung vom Dienst ist nicht zulässig.“

Für die Teilnahme ist ein Eigenanteil zu bezahlen:

„Zur Teilnahme an der Wallfahrt ist dem KMBA ein Eigenanteil zu den entstehenden Kosten zu zahlen. Über die Höhe des Eigenanteils geben die Dienststellen der katholischen Militärseelsorge Auskunft.“

Über die Gesamtkosten wird nichts berichtet, aber in einem Magazinbeitrag heißt es (2015):

„Sie können mit Eigenanteil im Zeltlager (für 200 Euro) oder in einem Hotel bis zu 600 Euro übernachten, wobei zur Übernachtung im Zeltlager ‚Bord- und Gefechtsanzug‘ erforderlich sind. Für kranke Soldaten wird ‚ein Lufttransport bereitgestellt‘.“

Bei „Schäfer-Reisen“ wird eine derartige Reise (mit Reisebus) - exakt zum Zeitpunkt der Soldatenwallfahrt unter dem Motto: Kreuzweg und Militärmusikkonzert -– angeboten: Die Kosten für „Fahrt, Unterbringung bei Halbpension, Programmpunkte sowie eine Rücktrittsversicherung belaufen sich auf 898 Euro pro Person (Einzelzimmerzuschlag: 232 Euro).“

Die Luftwaffe übernimmt, entsprechend Bundestagsdrucksache 12/6991, (Seite 20, Stand 1993) die Kosten für vier Hin- und Rückflüge nach Lourdes für:

- seit 1958 jährlich durchschnittlich ca. 30 Personen, u. a. Bundesminister der Verteidigung, Militärbischof, Staatssekretäre, Abgeordnete, Soldaten sowie kirchliche Würdenträger;
- seit 1965 jährlich durchschnittlich ca. 80 kranke Soldaten, Wehrdienstbeschädigte und kranke Familienangehörige von Soldaten, dazu Betreuungspersonal (Ärzte, Sanitäter) sowie Journalisten;
- seit 1972 jährlich durchschnittlich ca. 65 Personen (35 Soldaten eines Musikkorps, 15 Soldaten der Lagerleitung des internationalen Zeltlagers Lourdes, zehn Bundesbedienstete der Militärseelsorge als deutsche Pilgerleitung) ;
- seit 1977 jährlich 35 Soldaten, die mit französischen und spanischen Soldaten das internationale Zeltlager in Lourdes aufbauen, betreiben und abbauen.“

Und was die Finanzierung betrifft, übernimmt das die Luftwaffe außerhalb des Haushalts für die Militärseelsorge:

- Kosten für den Lufttransport werden aus dem Einzelplan 14 bereitgestellt; 1993 wurden beispielsweise für vier Hin- und Rückflüge insgesamt 384 438,30 DM aufgewendet.
- Auf eine Kostenerstattung wird im Hinblick auf den Haushaltsvermerk zu Kapitel 14 02 Titel 119 99, Sonderbestimmung Nr. 5, sowie im Hinblick auf ein dringendes Bundes(wehr)-Interesse, das auf der Grundlage des § 63 Abs. 4 und 5 BHO eine kostenfreie Nutzung der Luftfahrzeuge zuläßt, verzichtet.“

5.3. Finanzierung der jüdischen Militärseelsorge

Zur 2020 vertraglich vereinbarten Einrichtung einer jüdischen Militärseelsorge heißt es in der Bundestags-Drucksache 19/18074 dass (voraussichtlich) in Berlin ein Militärrabbinat als Bundesbehörde eingerichtet wird, mit 48 Beschäftigten, die einen voraussichtlichen Personal-Kostenbedarf (bei 1.600 Dienststunden pro Jahr) von 3,5 Mio. Euro (3.527.680 Euro) bedeuten. Für die Anmietung der Räumlichkeiten des Militärrabbinats sind, bei exakter Berechnung der qm-Zahl der jeweiligen Diensträume (von 6 – 30 qm) 367.920 Euro vorgesehen. Dazu muss für die „Erstertüchtigung des Gebäudes“ mit bis zu 900.000 Euro gerechnet werden, und die „jährlichen Absicherungskosten“ werden sich auf bis zu 300.000 Euro belaufen. Zudem erhält der Militärbundesrabbiner Reisekostenerstattungen. Damit werden sich die jährlichen Kosten der jüdischen Militärseelsorge auf voraussichtlich rund 4,3 Mio. Euro pro Jahr belaufen. Bei rund 300 jüdischen Soldaten in der Bundeswehr sind das Betreuungskosten von rund 14.000 Euro pro Soldat/pro Jahr.

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Zu der besonderen Thematik der Militärgeistlichen als Beauftragte für den „Lebenskundlichen Unterricht“ (LKU) wird es demnächst einen eigenen Artikel von Matthias Krause geben.