Sie sind hier

Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften

Die Rechte der Frauen und der Homosexuellen sind ein verlässlicher Indikator für die Beachtung der Menschenrechte in einer Gesellschaft. Sie werden von dogmatischen Weltanschauungen geleugnet. Seit 2001 können gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften in Deutschland als eingetragene Lebenspartnerschaften registriert werden. Ein Blick auf Deutschland, auf Baden-Württemberg, Stuttgart und in die USA.

Was versteht die Bundestatistik unter „nicht-ehelicher Lebensgemeinschaft“? „Unter einer nichtehelichen (gemischtgeschlechtlichen) oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft wird im Mikrozensus eine Lebenspartnerschaft verstanden, bei der zwei gemischt- oder gleichgeschlechtliche Lebenspartner ohne Trauschein beziehungsweise zwei gleichgeschlechtliche Lebenspartner mit Trauschein oder notarieller Beglaubigung in einem Haushalt zusammen leben und gemeinsam wirtschaften.“ (S. 17)

Die Ergebnisse im Mikrozensus zu gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in Deutschland zeigen, dass sich die Zahl dieser Lebensgemeinschaften, die das im Mikrozensus auch angeben, von rund 38.000 im Jahr 1996 auf 94.000 im Jahr 2015 erhöht hat.

Bei dem Mikrozensus handelt es sich um eine jährliche Befragung von einem Prozent der Bevölkerung, das sind rund 830.000 Personen, die zu ihren Lebensbedingungen befragt werden.

Auch wenn hinsichtlich des Mikrozensus für die Antworten eine Auskunftspflicht besteht, so spiegeln sich doch auch im Mikrozensus zu persönlichen Fragen eine gesamtgesellschaftliche Stimmungslage wider. Der Rückgang der Zahl der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zwischen 2008 bis 2012 heißt nicht, dass die Anzahl sich verringert hat, sondern dass sich – vor allem bei den schwulen Gemeinschaften - die ‚Sichtbarkeit‘ verringert hat. Betrug der Anteil der lesbischen Lebensgemeinschaften (1996) rund 40 Prozent und erhöhte sich (bis 2015) auf 48 Prozent.

Diese unterschiedliche Sichtbarkeit von schwulen bzw. lesbischen Lebensgemeinschaften, die sich mehr und mehr angleicht, zeigt sich auch bei den eingetragenen Lebenspartnerschaften. Bei ihnen hat sich der Anteil der Frauen seit Beginn der statistischen Erfassung (2006/2007) von 33 Prozent auf 47 Prozent (in 2015) erhöht.

Eine parallele Tendenz besteht bei den offiziellen Verpartnerungen. Betrug der Anteil 2006 rund 19 Prozent, sind es 2015 rund 47 Prozent der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, die als eingetragenen Partnerschaft registriert sind.

Der LSVD (Lesben- und Schwulenverband) merkt dazu an: „Gleichwohl können sie als eine untere Grenze für die Zahl der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in Deutschland gelten. Eine obere Grenze für die Zahl gleichgeschlechtlicher Paare kann im Mikrozensus mit einem Schätzverfahren bestimmt werden. Hierbei werden alle Haushalte, in denen mindestens zwei Personen leben, näher betrachtet. In diesen Haushalten müssen (mindestens) zwei nicht verwandte 16-jährige oder ältere Personen gleichen Geschlechts leben, die keine Ehegatten im Haushalt haben beziehungsweise nicht verheiratet und beide familienfremd sind. Nach diesem Schätzkonzept gab es im Jahr 2014 in Deutschland 223.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, also fast dreimal so viele gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wie nach dem Fragekonzept. Auch die Ergebnisse des Schätzkonzepts sind jedoch eingeschränkt aussagekräftig. Sie dürften vor allem auch deshalb eine obere Grenze der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften sein, weil in den geschätzten Werten auch Wohngemeinschaften von Studierenden ohne partnerschaftlichen Hintergrund enthalten sind.“

Baden-Württemberg

In einer Übersicht des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg für neue geschlossene Partnerschaften 2014 zeigt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle.

In der Sortierung der Stadt- und Landkreise nach gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften pro 100.000 Einwohner, sind die Stadtkreise Mannheim, Stuttgart und Heidelberg die Kreise mit den höchsten Anteilen von in 2014 beschlossenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften.

Im Stadt-Land-Gefälle gibt es zudem eine weitere Differenzierung. Während der Anteil der schwulen Lebenspartnerschaften in den Städten höher ist, haben die lesbischen Partnerschaften einen höheren Anteil in mehreren Landkreisen wie Karlsruhe, dem Rhein-Neckar-Kreis, dem Bodenseekreis, Heilbronn, u. a. m.

Diese regionalen Verteilungen bzw. Schwerpunkte zeigen sich auch in in der Stadt Stuttgart.

Stuttgart

Das Statistische Amt der Stadt Stuttgart hat für die Jahre 2003 bis Mitte 2016 die Melderegister nach eingetragenen Lebenspartnerschaften ausgewertet und kommt dadurch zu weiteren, differenzierenden Ergebnissen.

Das „Stadt-Land-Gefälle“ auf der Ebene des Bundeslandes zeigt sich ebenfalls in Stuttgart hinsichtlich der Wohnorte in den Stadtteilen nach Zentrum bzw. Peripherie.

Auch wenn die Anzahl der weiblichen und der männlichen Lebenspartnerschaften beide kontinuierlich ansteigen, steigt in Stuttgart der Anteil der weiblichen Lebenspartnerschaften relativ schneller an. (Die ‚Delle‘ bei den Männern 2008-2012 ist hier auch kaum zu erkennen, es sind die Meldedaten.) Betrug der der Anteil der weiblichen Lebenspartnerschaften 2003 rund 18 Prozent, so sind es 2015 rund 29 Prozent.

Der Anteil dieser gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften ist in den Jahren 2003 bis 2015 von 1,2 auf 6,9 pro 1.000 heterosexuelle Ehepaare gestiegen, das sind 0,7 Prozent. Der Anteil an der gesamten Bevölkerung über 18 Jahren beträgt 0,32 Prozent (0,45 Prozent bei den Männern und 0,19 bei den Frauen).

Nach Angaben des Statistisches Amtes haben die verpartnerten Männer ein höheres Durchschnittsalter (49,6 Jahre) als die Frauen (46,9 Jahre). Bei den unter 30-Jährigen sind die Anteile ausgeglichen, bei den über 45-Jährigen sind drei Viertel Männer. Während bei den Frauen die größte Anzahl von Verpartnerten in der Gruppe der 30- bis 45-Jährigen ist, befindet sich der größte Anteil bei den Männern in der Gruppe der 45- bis 65-Jährigen.

Ein Viertel der Bevölkerung in Stuttgart hat eine ausländische Staatsangehörigkeit, bei den Verpartnerten sind es 13 Prozent. Ebenso haben 44 Prozent der Einwohner Stuttgarts einen Migrationshintergrund, bei den Verpartnerten sind es 22 Prozent.

Der Hinweis, der sich daraus ergibt, dass die Religionszughörigkeit eine Rolle spielen könne, bestätigt sich bei genauerer Betrachtung des Religionsmerkmals für melderechtlich erfasste Religionsgemeinschaften.

Bei den verheirateten Paaren entspricht die Religionsverteilung der Bevölkerung, rund ein Viertel sind evangelisch bzw. katholisch. Bei den verpartnerten Paaren sind die Kirchenmitgliedschaften signifikant unterdurchschnittlich, wobei die Anteile einer katholischen Religionszugehörigkeit noch geringer sind. Die absolute Mehrheit (68,6 Prozent) der Personen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften benennt keine Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft.

USA

Zwei dieser Feststellungen – Steigen der Anzahl und geringe Religionsorientierung - die sich auf Stuttgart bezogen, treffen auch auf die USA zu.

In wiederholten Umfragen von Gallup zu LGBT-Erwachsenen  für 2012 bis 2016 („Do you, personally, identify als lesbian, gay bisexual or transgender?”) zeigt sich, dass der Anteil der Erwachsenen, die sich als LGBT beschreibt, kontinuierlich von 3,5 Prozent auf 4,1 Prozent gestiegen ist.

In den Jahren steigt der Anteil von Frauen stärker (von 3,5 auf 4,4 Prozent)  als der Anteil der Männer (von 3,4 auf 3,7 Prozent). Und, je jünger die Befragten sind, umso geringer sind ihre Probleme, sich als LGBT zu bezeichnen.

Und, was sich bereits in Stuttgart zeigte, dass die gleichgeschlechtlich Verpartnerten weniger eine religiöse Zugehörigkeit benennen, als die heterosexuell Verheirateten, zeigt sich das ebenfalls für die LGBT-Personen in den USA.

Während der Anteil der sich als LGBT-Bekennenden über die Jahre unter den „sehr Religiösen“ bei 2 Prozent bleibt, ebenso wie bei den „moderat Religiösen“ bei rund 3,5 Prozent, wird der Anteil der LGBT-Orientierung bei den „Nicht Religiösen“ kontinuierlicher sichtbarer und steigt von 5,3 auf 7,0 Prozent.

 (CF / WK)