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Großzügigkeit unter Religiösen und Atheisten

Fowid-Statistikbeobachter: Sind religiöse Menschen großzügiger als nicht-religiöse Menschen? Neben den Zuschreibungen, Selbstwahrnehmungen, Behauptungen – bei denen die Nicht-Religiösen als weniger sozial beschrieben werden – hat eine schwedische Forschungsgruppe diese Frage empirisch untersucht. Antwort: einerseits (formal) ja, andererseits (inhaltlich) nein.

In der Studie von Nathalie Hallin, Hajdi Moche, Gerhard Andersson und Daniel Västfjäll (Universität Linköping in Schweden): „Who is generous and to whom? Generosity among Christians, Muslims, and atheists in the USA, Sweden, Egypt, and Lebanon” (Wer ist großzügig und zu wem? Großzügigkeit unter Christen, Muslimen und Atheisten in den USA, Schweden, Ägypten und im Libanon) wird die Frage anhand des klassischen „Diktatorspiels“ untersucht.

In der Zusammenfassung der Ergebnisse heißt es, dass „religiöse Menschen vor allem dann großzügiger sind“, wenn sie an religiöse Organisationen und religiöse Zwecke spenden.

„In dieser Arbeit wurden diese Fragen anhand eines neuartigen Designs des Diktatorspiels untersucht, bei dem die Teilnehmer in mehreren Runden entscheiden, wie viel Geld sie für sich behalten und wie viel sie drei anderen Spielern geben wollen, von denen einige Informationen offengelegt werden. Es wurden drei Studien (N = 1 719) mit einer schwedischen Stichprobe, einer amerikanischen Stichprobe und einer Stichprobe aus Ägypten und dem Libanon durchgeführt. Wir fanden heraus, dass religiöse Menschen im Vergleich zu nicht religiösen Menschen großzügiger waren, wenn Informationen über die Religionszugehörigkeit der Spieler verfügbar waren, aber nicht, wenn sie nicht verfügbar waren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass religiöse Menschen vor allem dann großzügiger sind, wenn die religiöse Information auffällig ist. Auch bei Christen, Muslimen und Atheisten fanden wir Hinweise auf parochiale Großzügigkeit, da alle drei Gruppen mehr an ihre religiöse Ingroup als an ihre beiden Outgroups spendeten.“

Religion ist – neben anderen Merkmalen der Ziele/Empfänger – der Faktor, der sich am stärksten auf die Großzügigkeit auswirkte: die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bevorzugten die Gruppe, die den gleichen Glauben wie sie selbst hatte.

„Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass religiöse Menschen zwar insgesamt großzügiger sind, dies aber hauptsächlich dann der Fall ist, wenn Informationen über die Religionszugehörigkeit des Empfängers vorhanden sind. Auch bei Christen, Muslimen und Atheisten fanden wir Anzeichen für parochiale Großzügigkeit, denn alle drei Gruppen spendeten mehr an ihre religiösen Ingroups als an ihre Outgroups. Die Muslime scheinen sich jedoch von den Christen und Atheisten zu unterscheiden, da sie in den USA und möglicherweise auch in Schweden mehr an ihre Ingroup spendeten als die beiden anderen Gruppen an ihre Ingroups.“

Hinsichtlich dieser „selektiven Großzügigkeit“ (Religiöse Menschen geben nur denen mehr, die den gleichen Glauben haben wie sie selbst) ist es formal (eindimensional) richtig, dass religiöse Personen mehr spenden. Berücksichtigt man jedoch (mehrdimensional), dass es vornehmlich zugunsten von religiösen Organisationen bzw. Zwecken geschieht, so ist die Großzügigkeit bzw. das Spendenverhalten von Nicht-Religiösen erstaunlich hoch – angesichts der geringen Zahl von säkularen Organisationen.

Eindimensionale Studien – mit einem Lob der Religiösen – sind hinreichend vorhanden. Zwei Beispiele.

Religionsmonitor

Diesen differenzierten Feststellungen steht entgegen, wenn es z. B. im Sonntagsblatt heißt: „Religionsmonitor 2024 zeigt: Religiöse Menschen sind hilfsbereiter“:

„Dem neuen Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung zufolge stärkt Religion den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie kann zu einer besseren Gemeinwohlorientierung beitragen und Brücken zwischen Menschen bauen, so Studienleiterin Yasemin El-Menouar.“

Im Religionsmonitor „Ressourcen für Solidarität. Religion macht einen Unterschied“ heißt es eingangs (S. 11), dass die Spendenbereitschaft unter religiös gebundenen Personen ausgeprägter ist.

„Unter religiös gebundenen Menschen ist die Bereitschaft zu spenden ausgeprägter als unter religiös Ungebundenen: Während 71 Prozent der christlichen und 69 Prozent der muslimischen Befragten im zurückliegenden Jahr für wohltätige Zwecke gespendet haben, sind es unter Menschen ohne Glaubenszugehörigkeit nur 59 Prozent. Auch Unterschiede beim freiwilligen Engagement lassen sich auf den Faktor Religion zurück führen: Während lediglich 17 Prozent der konfessionslosen Menschen ohne religiöse Sozialisation ehrenamtlich tätig sind, sind es unter den religiös Gebundenen mit 31 Prozent nahezu doppelt so viele.“

Auch wenn im darauf folgenden Text etwas differenziert wird, bleibt der Tenor gleichbleibend:

„Danach gefragt, ob sie einer geflüchteten Person, die um Unterstützung bei einem Behördengang bittet, helfen würden, geben die meisten Befragten zwar an, dass sie dazu bereit seien, doch die Wahrscheinlichkeit der Hilfe ist nicht zuletzt davon abhängig, wer bittet. Dabei spielt es eine erhebliche Rolle, ob die geflohene Person aus Syrien oder aus der Ukraine stammt und welcher Religionsgemeinschaft sich die Befragten zuordnen. Die Unterschiede im Antwortverhalten lassen darauf schließen, dass die Unterstützungsbereitschaft in Abhängigkeit einer religiös vermittelten subjektiven Wahrnehmung von „kultureller Nähe“ variiert. Unter den christlichen Befragten ist der Anteil derer, die „wahrscheinlich“ oder „sehr wahrscheinlich“ einer geflüchteten Person aus der Ukraine helfen würden, höher als der Anteil derer, die „wahrscheinlich“ oder „sehr wahrscheinlich“ zur Unterstützung einer geflüchteten Person aus Syrien bereit sind (82 zu 73 Prozent). Unter den Befragten muslimischen Glaubens ist es genau umgekehrt (72 zu 88 Prozent). Bei den Befragten ohne Religionszugehörigkeit fällt auf, dass der Anteil derjenigen, die einer geflüchteten Person aus Syrien helfen würden, noch mal leicht geringer ausfällt als unter den christlichen Befragten (67 zu 73 Prozent) und deutlich geringerer als unter den muslimischen (67 zu 88 Prozent).

Man merkt die Absicht (Lob für die Religiösen) und ist amüsiert.

Spendenmonitor

Dazu passt es dann auch, wenn der Deutsche Fundraising Verband im Frühjahr 2024 als Ergebnis den Spendenmonitors 2023 berichtet: „Christ*innen spenden deutlich mehr als Menschen ohne Religionszugehörigkeit.

„In Deutschland leben rund 39 Millionen Christ*innen, und über 56% von ihnen spenden. Das ist weit mehr als Menschen ohne Religionszugehörigkeit, von denen nur 46% spenden.“

Dass sich beim „Fundraising“ (in der Grafik unten rechts) das Herz mit dem Geld verbindet, liegt in der eindimensionalen Natur des Verbandes.

Carsten Frerk