Papst Franziskus - ein Reformpapst?
Nachdem Jorge Mario Bergoglio im Jahr 2013 zum Papst gewählt wurde, erwarteten sehr viele Menschen, dass sich einiges in der Katholischen Kirche bewegen würde, dass lange vorher bereits diskutierte Änderungen und Modernisierungen unter dem neuen Papst Franziskus auf den Weg gebracht würden. Doch was hat sich seitdem verändert? Ihm eilte der Ruf als „Reform-Papst“ voraus, der anscheinend die Kirche öffnen wollte, mehr Transparenz, mehr Demokratie, mehr Barmherzigkeit einforderte. Inzwischen ist besonders unter den Papst-begeisterten Deutschen etwas Ernüchterung eingetreten.
Persönlichkeit Jorge Mario Bergoglio
Er wurde am 17. Dezember 1936 als Sohn einer italienischstämmigen Familie in Buenos Aires geboren, trat mit 21 Jahren in den Jesuitenorden ein und studierte in Chile Geisteswissenschaften, sowie in Buenos Aires an der Theologischen Fakultät Philosophie und Katholische Theologie. Dort begeisterte ihn die „Theologie des Volkes“, die argentinische Variante der „Befreiungstheologie“, die ihn prägte. Von da übernahm Bergoglio die Auffassung, dass die Kirche auf der Seite der Armen zu stehen und solidarisch deren Rechte und Teilhabe in Kirche und Gesellschaft einzufordern habe.
1969 empfing er die Priesterweihe. Papst Johannes Paul II. ernannte ihn 1992 zum Weihbischof von Buenos Aires und sechs Jahre später zum Erzbischof. Dem Kardinalskollegium gehörte er seit 2001 an.
Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. wurde er am 13. März 2013 zum 266. Bischof von Rom, zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt. Franziskus ist als Argentinier der erste Lateinamerikaner in diesem Amt und der erste Papst, der dem Orden der Jesuiten angehört.
Papst Franziskus
Zum Beginn seiner Amtszeit 2013 sorgte Franziskus für einiges Aufsehen, denn er befragte „normale“ Gläubige nach ihrer Meinung, z. B. nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, die von der Kommunion ausgeschlossen sind.
Bei dieser „Familienumfrage“ von 2013 hat sich gezeigt, wie weit die Lehre der Kirche von der Lebensrealität der Gläubigen entfernt ist. Während diese erste Umfrage noch mit Euphorie aufgenommen wurde, entwickelte sich die zwei Jahre später gestartete Umfrage zum Flop. In Vorbereitung der Bischofssynode im Herbst 2015 wurden wiederum die Katholiken in aller Welt aufgefordert, zum Thema Familie einen Fragebogen zu beantworten. Doch trotz zahlreicher Antworten war die Bereitschaft zur Teilnahme drastisch gesunken.
Zum Beispiel kamen aus dem Bistum Augsburg bei der ersten Familienumfrage 151 ausgefüllte Fragebögen zurück, zwei Jahre später gerade einmal 26. Aus dem Bistum Eichstätt gab es 2013 noch 75 Antworten, 2015 nur 33. Viele fühlten sich mit den sehr umständlich formulierten Fragen überfordert. Die Distanz zwischen katholischen Gemeindemitgliedern und Vatikan bleibt trotz dieses Annäherungsversuches nach wie vor bestehen. Ein Befund der ersten Familienumfrage war: Die kirchlichen Aussagen zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, Homosexualität, wiederverheirateten Geschiedenen und Geburtenregelung finden kaum Akzeptanz. Dieses Ergebnis wiederholte sich auch nach der zweiten Befragung 2015.
Das scheint jedoch keinen großen Einfluß auf die Meinung zur Amtsführung des Papstes zu haben. In einer ARD-Umfrage wurde erfragt, wie zufrieden man mit der Amtsführung des Papstes ist. Papst Franziskus kam dabei deutlich besser weg, als sein Amtsvorgänger, Papst Benedikt XVI., der zuletzt nur auf einen Wert von 52 Prozent Zustimmung kam.
Im April 2015 wurde erneut eine Umfrage von Infratest für den ARD-DeutschlandTrend durchgeführt und danach gefragt, ob sich in den nächsten Jahren durch Papst Franziskus die Katholische Kirche verändern wird. Dabei geht die Mehrheit der Bevölkerung (57 Prozent 2013; 55 Prozent 2015) und auch die Mehrheit der Katholiken (55 Prozent 2013; 56 Prozent 2015) davon aus, dass Vieles beim Alten bleibt und sich wenig ändern wird. Aber die Hoffnung, dass sich doch noch Entscheidendes ändert, haben über ein Drittel der Katholiken (35 Prozent). Im Jahr 2015 sogar etwas mehr als 2013 (29 Prozent). Der Anteil der Katholiken, die pessimistisch keinerlei Änderungen erwarten hat sich von 2013 zu 2015 auf 5 Prozent verringert.
Kritiker des Papstes
Papst Franziskus hat in den Reihen der Kardinäle nicht nur Freunde. Einen seiner ärgsten Widersacher hat er kurzerhand mit einem Spezialauftrag vorübergehend aus seinem Umfeld „entfernt“.
Der 69-jährige Kardinal Raymond Leo Burke wurde zur Untersuchung eines Missbrauchsfalles nach Guam, einer kleinen tropischen Insel im Pazifik, geschickt. Dem dortigen Erzbischof Anthony Apuron wird vorgeworfen, in den siebziger Jahren Kinder missbraucht zu haben. Burke, der seit Oktober 2016 Vorsitzender eines Tribunals der römischen Glaubenskongregation ist, soll dies jetzt untersuchen und klären. Bis 2014 war Burke Präfekt, Chef der „Apostolischen Signatur“, welches seit 1608 das oberste Gericht der römischen Kurie ist. Damit war er ein einflussreicher Mann im Vatikan. Gemeinsam mit etlichen Gleichgesinnten hatte Burke sich öffentlich gegen den Papst gestellt. Als äußerst konservativer Katholik kämpft Burke rigoros gegen Abtreibung, die Homo-Ehe und für traditionelle christliche Werte wie die Unauflöslichkeit der Ehe.
Mit seiner öffentlichen Kritik an Papst Franziskus geriet der Hardliner ins Abseits. Franziskus enthob Burke seiner wichtigsten Funktionen im Vatikan und machte ihn im November 2014 zum Kardinalpatron des Malteserordens. Die Veröffentlichung eines Briefes mit fünf „Zweifeln“ am Lehramt des Papstes war ein weiterer Höhepunkt seiner öffentlichen Kritik an Franziskus. Diesen hatten unter anderem auch der ehemalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner und der deutsche Kurienkardinal und ehemalige Augsburger Kirchenhistoriker Walter Brandmüller unterschrieben.
Papst Franziskus hat sich kürzlich (2. Juli 2017) auch von einem seiner ranghöchsten Mitarbeiter getrennt. Die Amtszeit von Kardinal Gerhard Ludwig Müller (69), dem Leiter der Römischen Glaubenskongregation, wurde nicht verlängert. Die Glaubenskongregation ist die älteste Behörde des Heiligen Stuhls. Ihre Aufgabe war es nach der Reformation, die Kirche vor Irrlehren zu schützen, Glaubensverstöße festzustellen und gegebenenfalls zu bestrafen. Heute hat sie in erster Linie einen Lehrauftrag inne. Zudem ist die Kongregation auch für Disziplinar-Vorgänge zuständig.
Obwohl es zwischen Müller und Papst Franziskus in den vergangenen Jahren Meinungsverschiedenheiten in moraltheologischen Fragen gegeben hat, insbesondere in der Frage des Umgangs der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen, soll dies nach Müller nicht der Grund für die Abberufung gewesen sein. Zuletzt hatte Müller im Mai 2017 in einem Fernseh-Interview die Tatsache kritisiert, dass Franziskus drei seiner Mitarbeiter gegen seinen Willen entlassen hatte.
Bei einer Befragung von YouGov (britisches Meinungsforschungsinstitut) im Frühjahr 2016, wer der bessere Papst sei, sprechen sich viele für Papst Franziskus aus (45 Prozent der Katholiken, 37 Prozent aller Befragten). Es ist aber auch nicht zu übersehen, dass ein Fünftel der Befragten keinem den Vorzug geben.
Die Reden des Papstes
Ende 2016 nahm die Kritik der Kardinäle an Franziskus bezüglich der Auslegung der Heiligen Schrift zu, so dass sogar die Papst-Anhänger auf Distanz gehen. Es machte sich zunehmender Unmut über Franziskus breit, weil ihm mehrmals bei seinen öffentlichen Reden einige Fauxpas unterliefen. Immer wieder mussten Dementi, kleine Richtigstellungen oder gar Entschuldigungen formuliert werden.
Der Papst hält in seinen Reden schon mal „würdevolles Schlagen“ (nicht ins Gesicht) von Kindern für gerechtfertigt. Diese während der Generalaudienz auf dem Petersplatz vor mehreren Zehntausenden Menschen geäußerte diesbezügliche Akzeptanz war insofern besonders peinlich, weil zeitgleich die vom Papst selbst eingesetzte vatikanische Kommission zum Kinderschutz in Rom tagte. Auch seine Äußerungen zum Paarungsverhalten von zwei- und vierbeiniger Säugetiere wurde zwar kritisch betrachtet, aber letztlich akzeptiert. Ein Papst, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der die einfachen Menschen und deren Sprache kennt und sehr direkt seine Anschauungen äußert, statt geschwollene theologische Floskel von sich zu geben, scheint bei den Gläubigen anzukommen.
Auch die bekannt gewordene private eMail an einen Freund zur Verhinderung der „Mexikanisierung“ Argentiniens gehört zu den verbalen „Ausrutschern“. Diesmal half auch die nachgeschobene Beteuerung nicht, dass er dem mexikanischen Volk die allerhöchste Wertschätzung entgegenbringe. Die 90 Prozent Katholiken im Land waren zurecht empört und es lag im diplomatischen Geschick des Kardinalstaatssekretärs, die Wogen wieder zu glätten.
Ziele des Papstes
Doch immer hartnäckiger wird nach den eigentlichen Zielen Franziskus‘ gefragt. Es wachsen Zweifel, ob der Papst seine Popularität für die Themen nutzen kann, die ihm am Herzen liegen: Die Erneuerung des Glaubens, den Kampf gegen die Armut und den Schutz verfolgter Christen.
In der Debatte über das päpstliche Schreiben zu Ehe und Familie „Amoris laetitia“ vom April 2016 geht es vor allem um den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, über welches bereits sehr lange im Vatikan gestritten wird.
Eine Ehe ist nach katholischer Lehre unauflöslich. Wer sich scheiden lässt und neu heiratet, lebt nach kirchlichem Verständnis in schwerer Sünde und darf deshalb nicht zur Kommunion oder zur Beichte gehen. Franziskus hat vor Jahren eine kirchenweite Debatte darüber angestoßen, damit diese Regelung gelockert werden sollte und im März 2016 hat er ein abschließendes Dokument veröffentlicht. Strittig ist aber immer noch, ob die Betreffenden nun - anders als bisher - in Ausnahmefällen zur Kommunion zugelassen werden dürfen oder nicht.
In dem Papier mit dem Titel „Amoris Laetitia“ („Freude der Liebe“) heißt es: Die Kirche dürfe „sich nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in ,irregulären Situationen’ leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft.“ Sie solle betroffenen Menschen lieber ihre Hilfe anbieten: „In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein.“
Danach hatten vier Kardinäle in einem Brief, unter ihnen der frühere Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner und der emeritierte Kurienkardinal Walter Brandmüller, vom Papst mehr Klarheit in dieser Frage gefordert und ein Protestschreiben mit „Zweifel“ an „Amoris Laetitia“ veröffentlicht. Darin deuteten sie an, dass sie den Text bestenfalls mehrdeutig finden, schlimmstenfalls widerspreche er der kirchlichen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe.
In der Weihnachtsansprache 2016 vor der Kurie sprach Franziskus sogar von offenen, verborgenen und böswilligen Widerständen. Jedoch ließ er die Kritik an „Amoris Laetitia“ unbeantwortet, was einige Bischöfe noch mehr ärgerte.
Die nationalen Bischofskonferenzen vor Ort sollten die vagen Formulierungen von „Amoris Laetitia“ vor Ort in die Tat umsetzen und genauer klären, unter welchen Umständen Wiederverheiratete denn nun zur Kommunion zugelassen werden können und wer darüber entscheidet. Die Deutsche Bischofskonferenz hat im Februar 2017 (fast zehn Monate danach) ein gemeinsames Dokument veröffentlicht, in dem sie sich der Linie des Papstes anschließen. Sie öffnen sich für einen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene unter strengen Bedingungen.
Andere päpstliche Reformvorhaben, die bereits seit längerem in der Diskussion waren, werden kaum noch erwähnt, wie Empfängnisverhütung und den Umgang mit Homosexuellen usw. Immerhin, der Papst will die Rolle der Frauen stärken und hat eine Kommission ins Leben gerufen, die die Aufgaben von Diakoninnen prüfen soll. Doch bisher ist es nur zu einer ersten Sitzung im November 2016 gekommen.
Papst Franziskus ist ein anderer Papst als seine Vorgänger. Er könnte einen Aufbruch und Neuanfang bewirken. Er setzte für die notwendige Reform der Kurie einen Rat von „unbefangenen“ Kardinälen ein. In der Öffentlichkeit kam der Schlag gegen die päpstliche Behörden und die Bürokratie gut an, doch die Atmosphäre in der Kurie war dadurch getrübt.
In einer Umfrage für „Frontal21“ 2014 wird deutlich, dass der Anteil derer, die 2013 noch unentschlossen waren, ob sich das Ansehen der Katholischen Kirche unter Papst Franziskus überhaupt ändern wird, mehrheitlich zum Positiven tendieren. Jedoch ist immer noch knapp die Hälfte der Befragten der Meinung, dass sich nichts daran ändern wird.
Seit fast 900 Jahren ist das Zölibat Voraussetzung für die katholische Priesterweihe. Dies könnte sich vielleicht ändern: Papst Franziskus erwägt, auch Verheiratete zuzulassen und hat die Debatte über das Zölibat bei katholischen Geistlichen neu entfacht: In einem Interview mit der Zeitung „Die Zeit“ hat er das Thema Ehelosigkeit bei Pfarrern und den Kampf gegen Priestermangel angesprochen. „Wir müssen darüber nachdenken, ob ,Viri probati‘ eine Möglichkeit sind“, so das Katholiken-Oberhaupt.
Bei den sogenannten Viri probati geht es um bewährte, verheiratete Männer, die ein nach katholischen Maßstäben vorbildliches Leben führen. Sie sind bisher nicht zur Priesterweihe zugelassen, doch der Papst überlegt, „welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden“. Gleichzeitig betonte Franziskus, der „freiwillige Zölibat“ sei „keine Lösung“.
In Deutschland stoßen Franziskus’ Ausführungen zur möglichen Änderung des Zölibats auf reges Interesse. „Durch das Anwachsen des Priestermangels“ sei die Frage „in vielen Teilen der Welt dringlicher geworden“, sagte Kardinal Karl Lehmann der „Rheinischen Post“. „Der Papst lässt jedenfalls ein Nachdenken zu. Das ist in dieser Deutlichkeit neu.“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, glaubt nicht an eine baldige Abschaffung des Zölibats. Über die priesterliche Ehelosigkeit könne nur die katholische Weltkirche entscheiden, und da zeichne sich derzeit keine entsprechende Willensbildung ab, hatte Marx zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung 2017 der katholischen Bischöfe gesagt.
Die Bilanz der Kirchenreformen ist bisher dünn, an wirklichen Veränderungen ist bisher wenig passiert. Die angekündigten Reformprojekte sind halbherzig oder gar nicht in Angriff genommen worden. Bei kleinen Reformen attackieren ihn die konservativen Kräfte, auch Kardinäle, sogar öffentlich.
Der sogenannte Kardinalsrat oder „K9“, ein aus neun Kardinälen bestehender Beraterkreis, dem auch Kardinal Reinhard Marx angehört, soll dem Papst bei einer umfassenden Kurienreform zur Seite stehen. Aber von ein paar weichen Absichtserklärungen abgesehen (mehr Einfluss für die Ortskirchen im Vatikan, mehr „missionarischer Anschub“), ist immer noch weitgehend unklar, wie der Papst seine Zentrale umbauen wird. Der italienische Bischof Marcello Semeraro, Sekretär von „K9“, hat in einem Interview mit der italienischen Zeitschrift „Il Regno“ erläutert, wie die Arbeit vorangeht. Zum Einen wolle die Reform die Kurie der heutigen Zeit relevant machen, um den heutigen „Bedürfnissen von Frauen und Männern besser gerecht zu werden“. Zum Anderen hat die Reform das Ziel, dass „die Römische Kurie ihrer Aufgabe besser regelkonform gewachsen ist, nämlich am Dienst des Nachfolgers Petri mitzuwirken.“
Franziskus wird mit seinem Charisma dem ursprünglichen Auftrag des Petrusamtes in einer Weise gerecht, die nicht in wort- und zahlreichen Dokumenten zum Ausdruck kommen. Und die Kirche wird schwer hinter seine Botschaft der Barmherzigkeit zurückgehen können.
Anhänger aus den Reihen der Konservativen der Kurie bekunden auch schon mal offen ihre Kritik an Franziskus. Die richtet sich gegen seinen Reformkurs, gegen sein hartes Durchgreifen im Führungsstreit des Malteserordens, gegen das Fehlen einer Reaktion auf einen offenen Brief von vier Kardinälen. Sie können sich mit einigen Dingen nicht arrangieren, wie der begonnene interreligiöse Dialog, das Lob der Reformation sowie der Empfang der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland in Rom. Sie kritisieren, dass er Themen wie die Sexualmoral der Kirche aufgreift, es den Bischöfen freistellt, das Abendmahl auch wiederverheirateten Geschiedenen zu erlauben, eine Frau als Chefin der Vatikanischen Museen einsetzt und in den Führungsstreit des Malteserordens eingreift, der jetzt unter Aufsicht steht.
Der Maltheser Großmeister, Matthew Festing, musste nach Aufforderung durch Papst Franziskus zurücktreten. Anfang Dezember 2016 hatte Festing den Verantwortlichen für die Koordination humanitärer Hilfe wegen Ungehorsam und „schwerwiegender Probleme“ entlassen wollen. Festing warf Boeselager vor, er habe den Einsatz von Kondomen gegen die Ausbreitung der sexuell übertragenen Immunschwächekrankeit Aids in Myanmar nicht verhindert. Boeselager klagte gegen den Rauswurf vor einem ordensinternen Gericht und bekam Recht. Papst Franziskus zog die Konsequenzen und entzog Festing sein auf Lebenszeit verliehenes Amt. Damit endet der Streit zwischen dem erzkonservativen Festing sowie Ordenspatron Kardinal Raymond Burke auf der einen Seite und den vor allem um die humanitären Ordenspflichten bemühten Mitgliedern auf der anderen.
„Hagamos lío“
Das bedeutet so viel wie „Macht Wirbel!“ und „Stiftet Unruhe!“. Mit seiner Sprache und seinen Gesten hat Papst Franziskus schon einiges aufgewirbelt. Doch gibt es tatsächlich Veränderungen zu sehen oder bleibt es beim Wunschdenken?
„Hagamos lío“ war ein geflügeltes Wort Erzbischofs Jorge Mario Bergoglio an seine Gemeinden in Buenos Aires, wenn sie etwas unternehmen und die Dinge anpacken sollten.
Über 8.000 Interessierte haben an der Umfrage von April bis September 2015 teilgenommen, um das bisherige Wirken von Papst Franziskus einzuschätzen. Eine Auswertung unter 1.000 Fragebögen zeigt deutlich, dass Papst Franziskus‘ neuer Führungsstil im Papstamt positiv bewertet wird.
Erstmals in der über 50-jährigen Geschichte der Bischofssynoden will sich der Vatikan mit einer Online-Umfrage direkt an junge Menschen wenden. Der Ruf der jungen Generation müsse „bis zu den Hirten gelangen“, sagte Papst Franziskus. Papst und Kirche wollen sich für eine stärkere Mitgestaltung von Jugendlichen in Kirche und Gesellschaft einsetzen und ihre Ideen ernst nehmen. Das nächste Bischofstreffen im Herbst 2017 steht unter dem Motto „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungspastoral“.
Die Kirche solle bereit sein, von den Jugendlichen zu lernen und andererseits die Jugendlichen auf ihrem Weg zu begleiten, dabei sollen vor allem die 16- bis 29-Jährigen erreicht werden. Papst Franziskus rief die Jugendlichen persönlich auf, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen, sich nicht der Wegwerfkultur und Gleichgültigkeit zu beugen.
Eine neue Kurienbehörde nimmt ihre Arbeit auf, in der die Zuständigkeiten für Laien, Familie und Lebensschutz zusammengefasst werden. Der zweithöchste Posten dieser Behörde kann von einem Laien besetzt werden, und auch die drei Untersekretäre können Laien sein. Das bedeutet, dass nichtordinierte Menschen im Vatikan zukünftig Weisungsbefugnis über Priester erhalten können. Franziskus setzt damit ein deutliches Zeichen, dass der Klerus den Gläubigen dienen und sie nicht beherrschen soll.
Künftig sollen Laien - und damit auch Frauen - mehr Einfluss in der Kurie bekommen und Bischöfe können künftig leichter des Amtes enthoben werden. Der Papst präzisiert ein bestehendes Kirchenrecht zur Amtsenthebung mit einem neuen Gesetz, nicht nur bei sexuellem Missbrauch, bei Nachlässigkeit, Sorgfaltsverletzung, sondern auch bei anderen Punkten. Die neuen Regelungen zeigen die Machtstellung von Franziskus und wie er seine Amtsgewalt nutzt.
Es gibt in der Geschichte viele Belege dafür, dass nichtordinierte Frauen wie Männer Leitungsgewalt ausüben können, z. B. berühmte Äbtissinnen. Es wäre sogar theologisch abgeleitet kirchenrechtlich möglich, dass Frauen Kardinälinnen werden, weil über lange Zeit Kardinäle keine Priester waren, sondern weltliche säkulare Herren. Damit besteht auch heute die Möglichkeit, dass Frauen z. B. Richterinnen in der Kirche werden können.
Fünf wichtige Punkte, die auch für die nächsten Amtsjahre präsent bleiben:
- Frauen – es wird auch in absehbarer Zeit keine Priesterinnen geben, auch wenn Franziskus versucht, das antiquierte Frauenbild zu erneuern.
- Zölibat – es mangelt der Katholischen Kirche zwar an Priestern, aber verheiratete Männer sollen auch nur eine Notlösung für bestimmte Aufgaben sein.
- Missbrauch – Papst Franziskus verurteilt Missbrauch zwar, doch einige in der Kurie stellen ihre eigenen Belange immer noch vor das Kindeswohl. Es wird nicht genug gegen Missbrauch und pädophile Priester getan.
- Verhütung - Franziskus bleibt beim Nein zu Verhütung, auch nicht zum Schutz vor HIV. Davon sind vor allem die Gläubigen in Afrika und Lateinamerika betroffen.
- Homosexuelle – der Papst gesteht ihnen zwar eine gewisse gesellschaftliche Akzeptanz zu, doch eine Gleichwertigkeit wird homosexuellen Lebenspartnerschaften nicht eingeräumt. Für die Gleichstellung mit der Ehe gebe es im Plan Gottes „kein Fundament“.
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