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Religiöse Aktivität und zentrale Lebensaspekte

Machen Religionen ihre Anhänger zu besseren Menschen? Eine Studie des Pew Research Centers untersuchte in verschiedenen Ländern die Zusammenhänge zwischen religiösem Engagement und zentralen Lebensaspekten wie dem persönlichen Glücksempfinden, der Gesundheit oder der gesellschaftlichen Partizipation. Die Frage ist, ob dabei eine eindeutige Korrelation oder gar Kausalität zwischen Religiosität und den genannten Lebensaspekten festgestellt wurde oder wie diese anderweitig beeinflusst werden.

Von Jan-Tobias Peterle

Darüber, wie sich eine religiöse Lebensführung konkret auf die Gläubigen auswirkt, gibt es bereits eine lang anhaltende Debatte. Allen voran überzeugte Gläubige, aber gelegentlich auch – vermeintlich – neutrale Formate wie das Magazin GEO-Wissen  sprechen einem Leben in „wahrhafter Spiritualität“ viele Vorteile zu. So würden spirituelle Menschen „Tiefschläge im Leben häufig besser verkraften als eher nüchterne Zeitgenossen.“ Diese verfügten oft über eine „große psychische Widerstandskraft.“ Außerdem seien deren Anhänger „in hohem Maße bereit, andere zu akzeptieren und zu unterstützen“ und die Überzeugung, „dass das Schlechte in dieser Welt von Genesung, Wiedergeburt oder ewigem Leben in einer anderen Welt abgelöst werden wird“, wirke sich positiv auf deren Lebenszufriedenheit aus.

Andere vermuten hingegen auch abträgliche Aspekte in einer religiösen Lebensführung, wie einen möglichen negativen Zusammenhang zwischen Religiosität sowie Bildung und Intelligenz, wie sie beispielsweise die „Terman-Studie“  nahelegte und verweisen auf das zur Intoleranz und Ausgrenzung neigende Denken und dem daraus resultierenden Gewaltpotenzial, welches insbesondere in fundamentalistisch-extremistischen Glaubensgemeinschaften auftritt.

Vorweg eine Problematisierung, die beide Positionen betrifft: Es fehlt einerseits eine klare Definition, was genau unter einer „religiösen Lebensführung“ zu verstehen ist. Ist es nur das Befolgen vorgegebener Regeln in einer religiösen Gemeinschaft oder bedarf es auch einem Glauben an eine überirdische Macht? Ersteres ist auch in nicht-religiösen Gemeinschaften, die ihren Mitgliedern feste Strukturen vorgeben, der Fall. So ist davon auszugehen, dass beispielsweise den Mitgliedern eines Fußballvereins eine für die körperliche Gesundheit förderliche Lebensweise nahegelegt wird, die diese mehr oder weniger befolgen. Andererseits zeigen nationale Studien, wie die Erhebung zu „religiösen und spirituellen Praktiken und Glaubensformen in der Schweiz“ von 2014, dass religiöse Vorgaben im Alltag (wie beispielsweise bei den Ernährungsgewohnheiten) im Allgemeinen und in den meisten Lebensbereichen eher eine unwichtige oder sogar gar keine Rolle zu spielen scheinen, wobei es zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen innerhalb der untersuchten Gesellschaft erhebliche Unterschiede gibt.

Es stellt sich daher die Frage, inwiefern eine untersuchte Verhaltensweise aus explizit religiöser Überzeugung geschieht oder ob vielmehr Aspekte wie die national verschiedenen gesellschaftlichen Grundbedingungen, die familiären Strukturen, Gruppendynamiken, kulturelle Prägungen usw. eine bedeutendere Rolle spielen, aber auch, ob und wie sich „religiöses Handeln“ von „nicht-religiösem Handeln“ trennen lässt.

Übersicht über die religiösen Verhältnisse in der Gesellschaft

Die im Januar 2019 veröffentlichte internationale Studie des „Pew Research Centers“ stützt sich auf die Daten vorheriger Studien innerhalb der letzten 10 Jahre und analysiert die Zusammenhänge zwischen religiösem Engagement und verschiedenen zentralen Lebensaspekten wie Lebensglück, Gesundheit und gesellschaftliche Partizipation.

Dabei wurden die erwachsenen Studienteilnehmer bezüglich ihrer religiösen Aktivität in drei Gruppen eingestuft. Als „religiös-aktiv“ wurden Teilnehmer bezeichnet, die sich mit einer Religion identifizieren und mindestens einmal im Monat an religiösen Aktivitäten, wie beispielsweise einem Gottesdienst, teilnehmen. Als „religiös-inaktiv“ wurden Teilnehmer bezeichnet, die sich zwar mit einer Religion identifizieren, religiöse Veranstaltungen jedoch seltener oder gar nicht besuchen. Als „ungebunden“ wurden Personen bezeichnet, die sich mit keiner religiösen Gruppierung identifizieren konnten. Die Studie gibt zunächst einen Überblick zum religiösen Engagement in den untersuchten Staaten.

Die abgebildete Grafik zeigt die religiöse Gemeindeaktivität der Bevölkerung und wurde in 35 Ländern erhoben. Dabei zeigt die Studie, dass „religiös-Aktive“ in der Mehrzahl der untersuchten Staaten, genauer in 28 von 35, eine Minderheit darstellen. Besonders sticht hier China mit nur 3 Prozent „religiös-Aktiven“ hervor, aber auch in Deutschland beträgt der Anteil der „religiös-Aktiven“ lediglich 19 Prozent. Den höchsten Anteil an „religiös-Aktiven“ hat hingegen Südafrika mit 68 Prozent, aber auch das stark katholisch geprägte Polen hat mit 66 Prozent ebenfalls einen hohen Anteil an „religiös-Aktiven“ in der Bevölkerung.

Die Macher der Studie verweisen auch auf eine in den letzten Jahren, gerade in Europa, aber auch in einigen Ländern des asiatisch-pazifischen Raums, stattfindende Abnahme des „religiös inaktiven“ Bevölkerungsanteils. Insbesondere in den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern hat der Anteil der Menschen, die sich mit keiner Religion identifizieren, rapide zugenommen, während der Anteil der „religiös-Inaktiven“ zurückgegangen ist. Ob diese Entwicklung weiter anhält oder sich gar umkehrt, bleibt abzuwarten. Die Studie befasst sich im Weiteren mit den Lebensumständen und Charakteristika der Studienteilnehmer.

Wie diese Grafik zeigt, gibt es in Bezug auf das religiöse Engagement der Teilnehmer Abweichungen, insbesondere beim Geschlecht, dem Durchschnittsalter und dem Bildungsabschluss. Der durchschnittliche „religiös-Aktive“ ist eher weiblich, hat eher einen etwas geringeren Bildungsabschluss und ist eher älter.  Hingegen ist der „Ungebundene“ eher männlich, jünger und hat einen etwas höheren Bildungsabschluss. Die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ befindet sich eher dazwischen, entspricht aber in den Aspekten Bildung und Heiratsquote der Gruppe der „religiös-Aktiven“.

Analyse der Studienergebnisse

Glücksempfinden

Die Studie untersuchte auch den Zusammenhang zwischen religiöser Gemeinschaftsaktivität und dem persönlichen Glücksempfinden. Dabei zeigt sich, dass in der Mehrheit (18 von 26) der untersuchten Länder die Teilnehmer der Gruppe „aktiv-Religiöse“ ihr Lebensgefühl positiver einschätzten als die der übrigen Gruppen. Länder wie Spanien oder Weißrussland, in denen sich die Gruppe der „Ungebundenen“ als glücklicher definierte, sind die Ausnahme. Die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ verortet sich fast immer zwischen den anderen beiden Gruppen.

International betrachtet bestehen jedoch auch zwischen den einzelnen untersuchten Ländern große Unterschiede im jeweiligen Glücksempfinden. Während sich in Weißrussland von der glücklichsten Gruppe (den „Ungebundenen“)  lediglich 13 Prozent als „sehr glücklich“ bezeichneten, waren es im Spitzenreiter Mexiko in der glücklichsten Gruppe (den „religiös-Aktiven“) ganze 71 Prozent. Die Spannweite der Selbsteinschätzung des individuellen Glückempfindens ist also auch unabhängig von der religiösen Aktivität sehr groß und unterliegt sicherlich stärker anderen Aspekten wie dem jeweiligen Lebensstandard, den gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten, der sozialen Anerkennung oder der national vorherrschenden Mentalität.

Gesellschaftliche Partizipation

Auch untersucht die Studie das gesellschaftliche Engagement der Teilnehmer über religiöse Aktivitäten hinaus. Ihnen wurde die Frage gestellt, ob sie sich in mindestens einer weiteren, nicht-religiösen gesellschaftlichen Organisation engagieren.

 Als „Organisation bzw. Engagement“ gelten beispielsweise Freizeitaktivitäten im Bereich Sport und Musik sowie Kunst oder Bildung, das Engagement in Gewerkschaften und Politik, im Umwelt- und Verbraucherschutz, bei humanitärer oder caritativer Arbeit, in Selbsthilfegruppen sowie in weiteren Verbänden und Organisationen.

Dabei zeigt sich, dass in vielen Ländern die Mitglieder der Gruppe der „religiös-Aktiven“ stärker dazu tendieren, sich in mindestens einer weiteren nicht-religiösen Organisation zu engagieren. Die Gruppe der „Ungebundenen“ weißt hier tendenziell eine niedrigere Bereitschaft auf. Auffallend groß ist die Differenz in Ländern wie den USA, Deutschland, Japan, Brasilien oder Taiwan. In Taiwan und den USA liegt der Anteil der Befragten in der Gruppe der „Ungebundenen“, der sich über religiöse Aktivitäten hinaus gesellschaftlich engagiert im Vergleich mit den „religiös-Aktiven“ sogar um rund 20 Prozent niedriger. In einigen Ländern wie Kasachstan, Ecuador oder Argentinien und Chile hingegen übersteigt zwar die Bereitschaft der „Ungebundenen“ zum Engagement die der anderen Gruppen - jedoch nur um wenige Prozentpunkte. Die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ liegt zumeist zwischen oder unter den Werten der anderen beiden Gruppen und übersteigt diese nur in Südafrika und Südkorea.

Zusammengefasst lässt sich festhalten: Wer sich religiös engagiert, ist auch eher bereit dies anderweitig zu tun. Dies lässt allerdings ebenso auch den umgekehrten Schluss zu, dass wer generell eine erhöhte Bereitschaft zum Engagement mitbringt, ebenfalls in erhöhtem Maße bereit ist, dies eben auch religiös organisiert zu tun. Somit engagieren sich Teilnehmer, die sich nicht religiös engagieren, in der Studie auch in geringerem Maße anderweitig in der Gesellschaft. Darüber hinaus variiert jedoch die generelle Bereitschaft sich gesellschaftlich zu engagieren länderübergreifend erheblich. So liegt diese in Russland oder der Ukraine im Allgemeinen bei unter 10 Prozent, während sich in Neuseeland oder Australien mit über 60 Prozent ein hoher Anteil der Befragten in Organisationen, Vereinen oder Gruppen engagiert.

Politische Teilnahme: Wahlverhalten

Die Studie untersuchte des Weiteren den Zusammenhang zwischen dem religiösen-Engagement und der Bereitschaft wählen zu gehen.

Die Aussage: „Ich gehe immer wählen“ bejahten dabei signifikant mehr Teilnehmer aus der Gruppe der „religiös-Aktiven“. Die prozentuale Differenz fällt dabei zum Teil erheblich aus. So gehen in Spanien 83 Prozent der „religiös-Aktiven“ regelmäßig wählen, während dies nur 53 Prozent der „ungebundenen“ Befragten tun- ein Unterschied von 30 Prozent. Eine diesbezügliche Differenz lässt sich bei den meisten untersuchten Ländern konstatieren. Die Gruppe der „Ungebundenen“ ist in fast jedem Land die mit der geringsten Wahlbereitschaft. Nur in einem Land war der Wähleranteil der „Ungebundenen“ am höchsten (Estland). Die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ befindet sich erneut zumeist zwischen den anderen beiden Gruppen.

Es gibt jedoch auch Länder, in denen deren Einwohner eine höhere Wahlbereitschaft aufweisen (z.B. Neuseeland) oder eine geringere (z.B. Hongkong). Auch zeigen sich zwischen den untersuchten Ländern große Unterschiede bezüglich der allgemeinen Wahlbeteiligung. Dies hat auch mit der in manchen Ländern bestehenden Wahlpflicht zu tun. So beträgt die angegebene Wahlbereitschaft in Australien (Wahlpflicht) über 90 Prozent, in Hongkong (keine Wahlpflicht) hingegen lediglich knapp 30 Prozent. Dies lässt sich jedoch nicht verallgemeinern, da die Strafen für die Missachtung der Wahlpflicht je nach Land höchst unterschiedlich ausfallen und deren Höhe - von Straffreiheit über Geldstrafe bis hin zu Haftstrafen etc. – sich sicherlich auf die allgemeine Wahlbereitschaft auswirkt.

Gesundheit

Allgemeines Gesundheitsempfinden

Eine weitere Thematik, welche die Studie des „Pew Research Centers“ untersucht hat, ist der Zusammenhang zwischen religiöser Aktivität und verschiedenen Gesundheitsaspekten. Zunächst wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie ihre Gesundheit generell als „sehr gut“ einschätzen.

Es gibt einzelne Länder, in denen die Aussagen in den untersuchten Gruppen deutlich abweichen. So bezeichnen sich beispielsweise in Slowenien 30 Prozent der „Ungebundenen“ als „sehr gesund“, während die Gruppen der „religiös-Aktiven“ und der „religiös-Inaktiven“ mit knapp 20 Prozent deutlich darunter liegen. In Taiwan hingegen ist die Datenlage mit 37 Prozent Zustimmung in der Gruppe der „religiös-Aktiven“ und nur 28 Prozent der „Ungebundenen“ bzw. 25 Prozent der „religiös-Inaktiven“ genau umgekehrt. In Deutschland wiederrum fühlt sich die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ mit 31 Prozent im Vergleich zu den anderen Gruppen (jeweils 25 Prozent) am gesündesten. Die Datenlage lässt daher im Hinblick auf das individuelle Gesundheitsempfinden keinen klaren Zusammenhang zur religiösen Aktivität erkennen. Im Allgemeinen sind die Abweichungen zwischen den Gruppen in der Mehrzahl der Länder eher gering. International betrachtet gibt es in Hinblick auf die individuelle Gesundheitseinschätzung zwischen den einzelnen untersuchten Ländern jedoch große Unterschiede. So bezeichneten etwas mehr als 40 Prozent der Befragten in Südafrika ihre Gesundheit als „sehr  gut“. In Russland taten dies hingegen nur etwa 5 Prozent.

Die individuelle Gesundheitseinschätzung darf hier nicht mit der tatsächlichen Gesundheit (Definition der WHO: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“) gleichgesetzt werden, denn hier entspricht die Faktenlage, beispielsweise die allgemeine Lebenserwartung (hier rangiert Südafrika mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von nur 59,2 Jahren am unteren Ende),  nicht den individuellen Antworten zur (gefühlten) Gesundheit.

Alkoholkonsum

Ein die Gesundheit betreffender Aspekt der Studie war der Alkoholkonsum der Teilnehmer.

Die Befragten sollten dabei die Frage beantworten, ob sie mehr als einmal in der Woche ein alkoholisches Getränk zu sich nehmen. Dabei lässt die Studie eine klare Tendenz erkennen: Befragte, die sich der Gruppe der „religiös-Aktiven“ zuordnen tendieren eher seltener dazu, häufiger als einmal in der Woche Alkohol zu trinken. In Chile gaben dies sogar 100 Prozent der Befragten „religiös-Aktiven“ an. Die Gruppe der „Ungebundenen“ tendiert hingegen am ehesten dazu, mehr als einmal in der Woche Alkohol zu trinken. Eine Ausnahme ist hier Taiwan, dort ist die Tendenz umgekehrt. Die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ bewegt sich fast immer zwischen den anderen beiden Gruppen.

Generell lässt sich hierbei jedoch feststellen, dass das Trinkverhalten der befragten Gruppen nicht sehr stark voneinander abweicht. In den allermeisten der untersuchten Länder gaben über 90 Prozent der Befragten jeder Gruppe an, nicht mehr als einmal in der Woche Alkohol zu trinken. Da asketische Elemente in den verschiedenen Religionen und deren gelebter Praxis eine wichtige Rolle spielen, ist die hier festzustellende Tendenz nicht verwunderlich. Insbesondere in stark vom Islam oder Bahaitum geprägten Ländern, die in dieser Studie (bis auf Kasachstan, das in den Befragungen zum Alkohol- und Tabakkonsum leider nicht berücksichtigt wurde) nicht analysiert wurden, dürfte dieser Zusammenhang aufgrund des dort sehr weit verbreiteten religiös begründeten Alkoholverbots wesentlich deutlicher auftreten.

Tabakkonsum

Ein weiterer, die Gesundheit betreffender Aspekt der Studie war, der Tabakkonsum der Teilnehmer.

Dabei wurde den Teilnehmern die Frage gestellt, ob sie derzeit rauchen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen eine eindeutige Korrelation zwischen der religiösen Aktivität der Befragten und dem Konsumverhalten. In jedem Land (Ausnahme: Tschechien) zeigen die Mitglieder der Gruppe der „religiös-Aktiven“ die geringste Tendenz zum Rauchen. Die Gruppe der „Ungebundenen“ zeigt hingegen in fast jedem Land die höchste Tendenz zum Rauchen. Die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ verortet sich erneut zwischen den beiden anderen Gruppen, liegt im Allgemeinen aber näher an der der „Ungebundenen“. Die Differenz zwischen den „Ungebundenen“ und den „religiös-Aktiven“ ist dabei deutlich größer als beim Alkoholkonsum und beträgt im Mittel zwischen 10 und 30 Prozent.     

Körperliche Aktivität

Die Studie untersuchte auch die körperliche Aktivität der Befragten.

Den Teilnehmer wurde die Frage gestellt, ob sie sich mehrmals in der Woche sportlich betätigen. In einigen Ländern wie Slowenien, der Schweiz, Polen oder Spanien bejahen die „ungebundenen“ Teilnehmer die Frage deutlich häufiger als die anderen beiden Gruppen. Im Allgemeinen und gerade in den bevölkerungsreichen Ländern wie China und den USA zeigt sich jedoch, dass die Werte der drei Gruppen sehr nahe beieinander liegen. Eine eindeutige globale Tendenz zeigt sich in diesem untersuchten Aspekt nicht.

Übergewicht

Auch das Körpergewicht wurde berücksichtigt und mit der religiösen Aktivität verglichen.

 Dabei wurde den Befragten die Frage gestellt, ob ihr BMI (Body-Mass-Index) den Wert 30 überschreitet. Dies gilt als Indikator für Adipositas (krankhaftes Übergewicht, auch „Fettleibigkeit“ genannt), im Allgemeinen gilt bei Erwachsenen ein BMI von 18,5 – 25 als Normalgewicht. Einfaches Übergewicht (BMI >25-30) wurde also nicht berücksichtigt.

Die Ergebnisse der Befragung liegen in allen Gruppen zwar relativ nahe beieinander. In 14 der 19 untersuchten Länder tendieren allerdings die Befragten der Gruppe der „Ungebundenen“ weniger zu Adipositas als die anderen beiden Gruppen. In zwei weiteren Ländern (China und Südkorea) liegen sie gleichauf und zeigen auch in den übrigen drei Ländern kaum eine Differenz. Die Gruppe der „Ungebundenen“ ist hier also die mit der geringsten Tendenz zu Adipositas.

Die Ergebnisse aus  den Gruppen der „religiös-Aktiven“ und der „religiös-Inaktiven“ liegen in den meisten Ländern sehr nahe beieinander. Ausnahmen bilden die Niederlande, die USA und Australien, in denen die Gruppe der „religiös-Inaktiven“ in Bezug zu den anderen beiden Gruppen eine deutlich erhöhte Tendenz zu Adipositas aufweist. In Chile weißt wiederum die Gruppe der „religiös-Aktiven“ im Vergleich mit den anderen beiden Gruppen eine erhöhte Tendenz zu Adipositas auf. Im Allgemeinen lässt sich konstatieren, dass die Befragten der Gruppe der „Ungebundenen“ angaben, am wenigsten von Adipositas betroffen zu sein.

Fazit

Die Studie des „Pew Research Centers“ stellt fest, dass die Befragten, die aktiv an einer religiösen Gemeinschaft teilnahmen, in einigen Punkten positiv von den anderen beiden Gruppen abweichen. Die „religiös-Aktiven“ unter den Befragten schätzten ihr Lebensgefühl im Allgemeinen positiver ein als die Befragten aus der Gruppen der religiös-Inaktiven und der Gruppe der „Ungebundenen“. Auch sind sie im Vergleich mit den anderen Gruppen eher bereit, sich über ihre religiöse Aktivität hinaus gesellschaftlich zu engagieren. Im Wahlverhalten zeigen die Befragten der Gruppe der „religiös-Aktiven“ ebenfalls eine deutlich höhere Bereitschaft zur gesellschaftlichen Teilnahme. Positive Verbindungen zeigen sich zum Teil auch in Bezug auf die körperliche Gesundheit. So neigen „religiös-Aktive“ deutlich weniger zu gesundheitsschädlichem Alkohol- und Tabakkonsum. Die sportliche Aktivität betreffend weisen sie jedoch keine höhere Bereitschaft auf als „Ungebundene“ oder „religiös-Inaktive“. In Bezug auf Adipositas bzw. krankhaftes Übergewicht weisen wiederrum die „Ungebundenen“ den gesündesten Lebensstil auf.

Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass die Studienteilnehmer, die einen aktiven religiösen Lebensstil pflegten und insbesondere regelmäßig an Gemeindeaktivitäten teilnahmen, sich als glücklicher einschätzten, häufiger an Wahlen teilnahmen, eine geringere Tendenz zum Konsum von Tabak und Alkohol aufwiesen und sich öfter bürgerschaftlich engagierten. Dies deckt sich teils auch mit den Ergebnissen anderer Studien. So kommt die nationale „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) von 2012 zu ähnlichen Ergebnissen und stellt fest, dass mit steigender Religiosität der Alkoholkonsum abnimmt.

Festzuhalten ist aber auch, dass in der Studie zwischen den untersuchten Ländern teils große Differenzen auftreten, die darauf verweisen, dass Verhalten, wie beispielsweise die Wahlbereitschaft oder das Gesundheitsempfinden auch stark von nationalen Unterschieden, wie dem jeweiligen Gesellschafts- bzw. Gesundheitssystem, beeinflusst werden, sodass sich diese teils nur bedingt vergleichen lassen. Auch sind die Werte der drei Gruppen neben den starken nationalen Abweichungen häufig so nahe beieinander, dass diese oft nicht als signifikant einzustufen sind.

Machen Religionen ihre Mitglieder also zu glücklicheren, gesünderen und sozialeren Menschen? Die Studie verweist darauf, dass einige der behaupteten „religiösen Tugenden“ wie „Vergebung, Nächstenliebe, regelmäßige Rituale wie das Beten oder der Glaube an eine überirdische postmortale Gerechtigkeit“ als „Stress-Puffer“ im Alltag dienen können und das soziale Miteinander verbessern.

Gesundheitsbezogen wird in der Studie insbesondere auf spezifische Religionen wie Freikirchen und bestimmte Schulen des Buddhismus und des Hinduismus hingewiesen, die mit ihren Tugenden wie einer vegetarischen Ernährungsweise, regelmäßiger sportlicher Betätigung, dem weitgehenden Verzicht auf gesundheitsrisikobehaftete Aktivitäten wie Alkohol- und Tabakkonsum und mit regelmäßigen Meditationen explizit die körperliche und geistige Gesundheit fördernde Verhaltensweisen von ihren Anhängern verlangen. Positive Verhaltensweisen und eingeübte Rituale sind (ebenso wie negative) allerdings nicht an eine bestimmte Religion gebunden (man denke an den eingangs genannten Fußballverein), sondern kommen allen Menschen, die sich danach richten, zugute.

Ob die Ergebnisse in Bezug auf das „Lebensglück“ auf einen direkten kausalen Zusammenhang zur religiösen Aktivität hinweisen, kann diese Studie, wie deren Macher betonen, zwar nicht beantworten. Sie versuchen dennoch mögliche inhaltliche  Zusammenhänge zu erörtern und verweisen insbesondere auf den positiven Aspekt der Gemeinschaftstätigkeit. Dieser hat insbesondere in hochreligiösen Gruppierungen eine herausragende Stellung. Dass das Lebensglück dabei nicht per se in unmittelbarem Zusammenhang mit der Religion steht, zeigt die 2010 veröffentlichte repräsentative Studie „Religion, Social Networks, and Life Satisfaction“. Diese analysiert den Aspekt „Lebensglück“ innerhalb von religiösen Gemeinschaften und kommt dabei zum Ergebnis, dass weniger der Grad an Religiosität, sondern vielmehr die Anzahl an Freunden und Sozialkontakten innerhalb der Gemeinschaft das Glücksgefühl bestimmt. Dies stützen auch andere Studien, die den Grund für die positive Lebenshaltung vieler Gläubiger ebenfalls mehr in der zwischenmenschlichen Nähe und Anerkennung innerhalb ihrer Gemeinschaft, als in deren Religiosität vermuten.

Somit hat das christliches Onlinemagazin „Jesus.ch“ zwar recht, wenn es eine kanadische Studie wie folgt titelt: „Rat der Bibel bestätigt - Menschen in einer engen Gemeinschaft sind 8mal glücklicher“. (Man kann sich allerdings fragen, wie aussagekräftig das „8mal“ ist) Dies liegt aber eben viel weniger an der Religion, wie der zitierte Bibelvers den Leser zunächst vermuten lässt, sondern vielmehr an der gelebten Gemeinschaft, die sowohl innerhalb, als auch außerhalb einer religiösen Lebensführung praktiziert werden kann. Menschen, die über ein breites soziales Umfeld und ein stabiles Freundschaftsnetzwerk verfügen, unterstützen sich gegenseitig auf vielfältige Weise (dies wird auch als „soziales Kapital“ bezeichnet). Sie sind weniger einsam und so besser in der Lage, auch schwierige Lebensphasen und Schicksalsschläge überstehen zu können.

Es steht die Antwort auf die Frage aus, ob religiöses Engagement in kausalem Zusammenhang mit anderer gesellschaftlicher Partizipation steht. Engagieren sich Menschen, die sich bereits aktiv religiös einbringen deutlich mehr auch in anderen Gemeinschaften/Verbänden, etc. weil sie religiös sind - oder ist es vielmehr eine individuell ausgeprägte, generell erhöhte Bereitschaft, die sie, - ob religiös oder nicht, zu gesellschaftlichem Engagement bewegt? Interessant wäre daher auch eine nähere Analyse der Wechselwirkungen zwischen dem Glücksempfinden bzw. der Gesundheit und der Art der Gemeinschaftsaktivität.

Auch stellt sich die Frage, ob Menschen durch ein breiteres soziales Umfeld, wie es bei der aktiven Teilnahme in einem Verein oder in einer Kirche entstehen kann, glücklicher und gesünder werden oder ob glücklichere und gesündere Menschen schlicht mehr soziale Kapazitäten und Fähigkeiten haben, um in solchen Gemeinschaften, gleich ob in religiösen oder nicht religiösen, aktiv zu sein und sie deshalb dort stärker vertreten sind. Umgekehrt ist es wahrscheinlich, dass unglücklichere und ungesündere Menschen sich eher sozial zurückziehen bzw. sozial isoliert werden und womöglich auch stärker zu gesundheitsschädlichen Lebensweisen, wie erhöhtem Drogenkonsum („stressbetäubendem Verhalten“) neigen. Beide Aspekte spielen sicher eine bedeutende Rolle und bedingen sich gegenseitig. Hier wäre weitere Forschung wünschenswert.

Interessant wäre daher auch eine nähere Analyse der Wechselwirkungen zwischen dem Glücksempfinden bzw. der Gesundheit und der Art der Gemeinschaftsaktivität. Dabei wäre auch eine nähere Betrachtung von in der Studie bisher nicht untersuchten Sozialaspekten und Bezüge zur Religion wünschenswert, wie beispielsweise der Sexualität. Diese unterliegt häufig umfangreichen religiösen Vorstellungen, die sich sicherlich deutlich auf die Lebensrealität der Beteiligten auswirken. Dies betrifft zum Beispiel religiöse Vorschriften, was für eine Sexualität gelebt werden darf, auch Lebensweisen wie die Ehelosigkeit von Geistlichen (Zölibat) oder die körperverletzende Beschneidung der Genitalien von minderjährigen Jungen und Mädchen, wie sie in verschiedenen Formen weltweit verbreitet ist.

Was wir aus der Studie jedoch mitnehmen können ist, dass der Mensch eben doch ein „zoon politikon“ ist, ein Wesen, dem die Gemeinschaft mit anderen Menschen nicht nur gut tut, sondern welches ihrer bedarf – und, dass die heute zunehmende soziale Vereinsamung uns schadet. Unserem Lebensgefühl, unserer Gesundheit, aber eben auch der Gesellschaft als Ganzes.