Religions- und Gedankenfreiheit in Deutschland 2020

Fowid-Dokumentation: Die Humanistische Internationale veröffentlicht jedes Jahr den „Freedom auf Thought Report“. Diesen Berichten sind für die meisten Staaten der Welt spezifische Länderberichte beigefügt, die unterschiedlich aktualisiert werden. Für Deutschland stammt dieser Bericht aus dem Jahr 2021. Er beschreibt die Situation und die Defizite der Religions- und Gedankenfreiheit in Deutschland im Jahr 2020.
Auf einer Weltkarte der Humanistischen Internationale wird Deutschland - hinsichtlich des Bereichs „Meinungsfreiheit/humanistische Werte“ - eingestuft mit: „Systematische Diskriminierung“.
Basis für diese Bewertung ist der Bericht zur Situation in Deutschland (2020), der aus der Sicht einer humanistischen Organisation diese Defizite benennt.
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Humanist International „The Freedom of Thought Report, 2021.“
Deutsche Übersetzung - Bericht zur Gedankenfreiheit: Deutschland
Stand: 20. September 2020
Verfassung und Regierung
Die Verfassung (Grundgesetz) und andere Gesetze und Richtlinien schützen und achten die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung gehört keiner Religionsgemeinschaft an. (1)
Obwohl das Grundgesetz die Neutralität des Staates gegenüber religiösen Institutionen gewährleisten soll, sind in der Realität christliche religiöse Institutionen im sozialen und politischen Bereich privilegiert. Diese Situation hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Einbeziehung und Beteiligung anderer Religionsgemeinschaften, vor allem der islamischen Minderheit, leicht verändert, aber es gab keine bahnbrechenden Veränderungen.
Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (2) heißt es unter anderem:
- „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“ (Art. 41 GG).
- „Die ungestörte Religionsausübung ist zu gewährleisten.“ (Art. 4 II GG)
- Jeder Mensch hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu bilden. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet; eine Zensur findet nicht statt. (Art. 5 I G)
- Eltern und Erziehungsberechtigte haben das Recht zu entscheiden, ob Kinder Religionsunterricht erhalten sollen. (Art.7 IIGG)
- Der Religionsunterricht ist Teil des regulären Lehrplans in den staatlichen Schulen, mit Ausnahme der nicht konfessionellen Schulen. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes ist der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Lehren der betreffenden Religionsgemeinschaft zu erteilen. Die Lehrkräfte dürfen nicht gegen ihren Willen zur Erteilung des Religionsunterrichts verpflichtet werden. (Art. 7 Ill GG)
- (1) Es besteht keine Staatskirche. (2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. […].(7) Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.“ (Art. 137 Weimarer Reichsgesetz in Verbindung mit Art, 140 GG)
Systematische Diskriminierung aufgrund von religiöser Identität, Zugehörigkeit, Glauben oder Praxis wurde berichtet.(3)
Allgemeine systemische Fragen
Obwohl das deutsche Grundgesetz besagt, dass es keine Staatskirche geben soll, profitieren einige Religionsgemeinschaften und insbesondere die beiden offiziellen Kirchen, die römisch-katholische Kirche und die Evangelische Kirche in Deutschland, von einer breiten Palette von Privilegien und Vorteilen.
Das Grundgesetz sieht keine strikte Trennung zwischen Staat und Religion vor, sondern ein Modell der „Partnerschaft“ zwischen dem Staat und Religionsgemeinschaften mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) oder Gruppen, die in einem anderen Land offiziell anerkannt sind, z. B. durch besondere Vereinbarungen (Staatsverträge).
Den KdöR-Status kann jede Religionsgemeinschaft durch einen Antrag bei der Landesregierung erwerben. Wird einer Gruppe der KdöR-Status zuerkannt, kann sie von ihren Mitgliedern Abgaben (durchschnittlich neun Prozent der Einkommenssteuer) erheben, die der Staat in ihrem Namen erhebt, und zwar getrennt von der Einkommenssteuer, aber über das Steuererhebungsverfahren des Staates. Der KdöR-Status ermöglicht auch Steuerbefreiungen (die größer sind als die für gemeinnützige Gruppen), die Vertretung in Aufsichtsgremien von öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosendern und das Recht auf besondere arbeitsrechtliche Bestimmungen, die beispielsweise vorschreiben, dass Angestellte in Krankenhäusern, Kindergärten oder NGOs, die von einer religiösen Gruppe betrieben werden, Mitglieder dieser Gruppe sein müssen.(4)
Das deutsche Grundgesetz und die Verfassungen von sieben der 16 Bundesländer haben eine Präambel, in der es heißt, dass diese Verfassungen „vor Gott und den Menschen“ beschlossen wurden. Diese Worte in den Präambeln werden in der Regel verwendet, um religiöse Privilegien zu rechtfertigen und die Rolle der Religion im öffentlichen Leben zu betonen.
In Bezug auf die Religion ist Deutschland eine sehr gespaltene Gesellschaft. Vor allem die Bevölkerung in den Bundesländern der ehemaligen DDR ist überwiegend säkular, so dass sie sich der Präsenz religiöser Gruppen in Politik und Medien und damit der systematischen Diskriminierung nichtreligiöser Bürger oder Angehöriger religiöser Minderheiten durch Privilegien für andere religiöse Gruppen nicht bewusst ist.
Dieser Mangel an Bewusstsein ist das Ergebnis eines weitgehenden Ausschlusses religiöser und religiöser Gruppen aus dem öffentlichen Leben, den Medien und der Bildung während der Jahrzehnte der DDR-Regierung.
Etablierung von Religionen
Der Staat gewährt bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften mit KdöR-Status Subventionen (Zahlung von Gehältern, Instandhaltung und Ausstattung von Einrichtungen sowie Steuerbefreiungen). Die Finanzierung der römisch-katholischen Kirche beruht zum Teil auf Konkordaten und Entschädigungsregelungen für Säkularisierungsakte (so genannte „historische Staatsleistungen“) zu Beginn des 18. Jahrhunderts.(5)
Andere Religionsgemeinschaften und einige kleine humanistische Gemeinschaften erhalten staatliche Mittel auf der Grundlage von Staatsverträgen, die nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung geschlossen wurden. Die Höhe der staatlichen Finanzierung für die verschiedenen Gruppen ist sehr unterschiedlich. Trotz eines jahrhundertealten Gesetzes, das die Zahlungen an die römisch-katholische und die protestantische Kirche einstellte, beliefen sich die Entschädigungen, die diesen beiden offiziellen Kirchen für Säkularisationen zustanden, im Jahr 2018 auf mehr als eine halbe Milliarde Euro (538 Mio. Euro) für die katholische und protestantische Kirche.(6) Seit 1949 wurden fast 20 Milliarden Euro an die beiden großen Kirchen in Deutschland gezahlt.
Kirchensteuer
Die deutschen Behörden sind für die Erhebung einer Kirchensteuer für die Amtskirchen zuständig. Die Kirchensteuer wird direkt vom Gehalt abgezogen und beträgt zwischen 8 und 9 Prozent der jährlichen Steuerrechnung. Um den Steuereinzug durch die Behörden zu ermöglichen, wird die Konfession der Bürger offiziell registriert, z.B. auf der Lohnsteuerkarte eines Arbeitnehmers. Folglich müssen die Bürger ihre religiöse Identität gegenüber den Behörden und den Arbeitgebern offenlegen. Die Religionsgemeinschaften können von den Finanzämtern die Steuerdaten ihrer Mitglieder verlangen, um die Beiträge zu berechnen.
Für den Austritt aus einer Kirche oder einer amtlich eingetragenen Religionsgemeinschaft verlangen die Behörden in fast allen Bundesländern von den Mitgliedern eine Verwaltungsgebühr zwischen 30 und 60 Euro. Es ist nicht möglich, aus einer amtlich eingetragenen Religion auszutreten (und die Steuer auf das Einkommen zu beenden), indem man einfach den Austritt aus dieser Religionsgemeinschaft erklärt. Im Jahr 2017 gaben 71% der deutschen Bevölkerung an, Kirchensteuer zu zahlen, während die Finanzbehörden angaben, dass nur ein Viertel die Steuer zahlt. 2017 hatten 11% die Zahlung eingestellt und 18% haben sie nie gezahlt, und weitere 21% gaben an, dass sie die Zahlung der Kirchensteuer in Zukunft wahrscheinlich einstellen werden.
Bildung und Kinderrechte
Die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland, wie sie in Artikel 140 des Grundgesetzes (GG) festgeschrieben ist, ermöglicht Bereiche der Zusammenarbeit, wie z.B. den Religionsunterricht, der in den meisten Bundesländern verpflichtend ist und es gibt für nicht konfessionell gebundene Kinder keinen angemessenen Ersatz.
Der Religionsunterricht ist das einzige Fach in der Schule, das durch das deutsche Grundgesetz garantiert ist. Artikel 7.3 besagt:
„Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen. […] Ungeachtet der staatlichen Vorschriften wird der Religionsunterricht nach den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.“
Das Gesetz besagt aber auch, dass kein Lehrer verpflichtet ist, das Fach gegen seinen Willen zu unterrichten.
Der Religionsunterricht wird in Deutschland als ein gemeinsames Projekt von Staat und Religionsgemeinschaften gesehen (res mixta), bei dem der Staat den Rahmen für die Vermittlung von Bildung vorgibt, während die Religionsgemeinschaften bei Lehrplan, Schulbüchern und Lehrerausbildung zusammenarbeiten (7)
Obwohl der Religionsunterricht ein Pflichtfach ist, können Eltern ihre Kinder vom Unterricht abmelden, und Schüler können sich selbst abmelden, wenn sie 14 Jahre oder älter sind. Schulleiter und Lehrer informieren jedoch oft nicht ausreichend über das Recht, sich vom Religionsunterricht abzumelden. Behördliche Vorschriften behindern die Möglichkeit, sich jederzeit während des Schuljahres vom Religionsunterricht abzumelden. In vielen Staaten gibt es nur einen kleinen Zeitrahmen für die formelle Abmeldung vom Religionsunterricht.
In einigen Bundesländern gibt es ein Fach „Ethik“ für die Sekundarstufe, dem es oft an einer gleichwertigen Ausstattung mit Ressourcen und Qualifikationsanforderungen mangelt. Nichtreligiöse Lebenskundefächer als Alternative zum Religionsunterricht an öffentlichen Schulen sind in fast allen Bundesländern nicht zugelassen. Lediglich in den Bundesländern Berlin und Brandenburg, in denen die Teilnahme am Religionsunterricht nicht verpflichtend ist, ist ein nichtreligiöses Lebenskundefach („Humanistische Lebenskunde“) erlaubt.
Freie religiöse Schulen (fast vollständig staatlich finanziert) dürfen Kinder und Angestellte mit anderer oder ohne Religionszugehörigkeit ablehnen (auf der Grundlage von Ausnahmen im Arbeits- und Antidiskriminierungsgesetz).
In zwei Bundesländern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, gibt es (öffentliche) „konfessionelle Schulen“ in staatlicher Trägerschaft, die (aufgrund von Ausnahmeregelungen in den Arbeits- und Antidiskriminierungsgesetzen) Mitarbeiter rekrutieren und diskriminieren dürfen.
Viele staatliche Universitäten haben staatlich finanzierte Fakultäten für Christliche Theologie. Katholische Bischöfe in Bayern haben ein Vetorecht an den philosophischen Fakultäten, um einen unerwünschten Professor zu verhindern.
In Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland wird die „Gottesfurcht“ als oberstes Bildungsziel genannt. Diese gesetzlichen Vorgaben stehen in deutlichem Gegensatz zum Leitbild eines weltanschaulich neutralen Staates. In einigen Schulen wird bis heute Kreationismus gelehrt, vor allem im Religionsunterricht, der von der ersten Klasse an unterrichtet wird. Obwohl die Evolutionstheorie wissenschaftlich unumstritten ist, wird sie nur in höheren Klassenstufen gelehrt und steht mit weniger Stunden auf dem Stundenplan.(8)
Familie, Gemeinschaft und Gesellschaft
Demografie
2019 waren 38,8 % der deutschen Bevölkerung ohne religiöses Bekenntnis oder gehörten einer nicht erfassten Religionsgemeinschaft an. Eine Umfrage aus dem Jahr 2018 ergab, dass 80 % der Jugendlichen der Meinung sind, dass sie ohne ein religiöses Bekenntnis leben könnten. (9)
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ohne religiöse Zugehörigkeit und ohne religiöse Ansichten lebt im östlichen und nördlichen Teil des Landes.
Zu den anerkannten Gruppen gehören die Römisch-Katholische Kirche, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und mehrere andere protestantische Konfessionen, der Anglikanismus, die orthodoxen Kirchen (griechisch und russisch), die Jüdische Gemeinde in Deutschland, mehrere muslimische Gemeinschaften, kleinere religiöse Gruppen und in einigen Bundesländern der säkulare Humanismus. Nicht anerkannte Gruppen können ihre Religion frei und offen ausüben.
Öffentliche Dienstleistungen
Soziale und kulturelle Dienstleistungen basieren in Deutschland auf dem Subsidiaritätsprinzip, d.h. sie werden nur dann vom Staat erbracht, wenn es keine andere lokale Organisation gibt, die sie erbringen kann oder will, oder wenn es besondere Gründe gibt, die dafür sprechen, dass sie nur vom Staat erbracht werden. Dies ist die Grundlage für die Existenz einer Vielzahl von großen und kleinen karitativen Organisationen, die die verschiedenen Dienste anbieten. Die Arbeit der Einrichtungen, die soziale Dienste anbieten, wird größtenteils staatlich finanziert, die Organisationen erhalten 80 - 100% der notwendigen Ausgaben vom Staat.
Die beiden Amtskirchen sind in diesem Bereich stark engagiert, ihre Wohlfahrtsverbände sind mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten neben dem öffentlichen Dienst die größten Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt. Die Diakonie, das Diakonische Werk der evangelischen Kirchen in Deutschland, und die Caritas, der Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche, beschäftigen rund 1,05 Millionen Menschen, dazu kommen noch Praktikanten, Auszubildende und andere Mitarbeiter. Die katholische und die evangelische Kirche und ihre jeweiligen Wohlfahrtsverbände sind der viertgrößte Arbeitgeber in Deutschland nach den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, dem öffentlichen Dienst und dem Einzelhandel. 60 Prozent aller Arbeitsplätze im sozialen Bereich sind bei kirchlichen Wohlfahrtsverbänden angesiedelt. Angesichts dieser Statistik wird deutlich, dass diese Organisationen nicht nur die Berufe in der sozialen Betreuung dominieren, sondern auch das Beschäftigungsvolumen.
Die Benachteiligungen in diesem Sektor sind daher besonders schwerwiegend. Die kirchlichen Arbeitgeber haben eine Monopolstellung im Bereich der Sozialfürsorge; dies gilt sowohl für die Erbringung von Dienstleistungen als auch für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Sie sind vor allem in Krankenhäusern und Altenheimen, in der Kinderbetreuung und in der Sozialfürsorge tätig.(10)
In einigen Teilen Deutschlands gibt es eine starke Präsenz kirchlicher Träger im Gesundheitssystem, so dass diese quasi Monopole im medizinischen Bereich aufgebaut haben. Hier erfahren vor allem Frauen Diskriminierung in Form von Einschränkungen ihres Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, da sie in katholisch geführten Einrichtungen keinen Zugang zu Leistungen zur Beendigung von Schwangerschaften haben, dies gilt auch für Notfälle und Vergewaltigungsfälle.(11)
Im Gegensatz zu den nicht-konfessionellen Organisationen profitieren die konfessionellen Organisationen von mehreren Ausnahmeregelungen im Gesetz, die es ihnen ermöglichen, das Streikrecht für ihre Mitarbeiter auszuschließen und Mitarbeiter mit anderer oder ohne Religionszugehörigkeit auszuschließen. Dies führt zu einer systematischen Diskriminierung von Arbeitnehmern anderer Glaubensrichtungen und von nicht verheirateten Arbeitnehmern, aber auch von heterosexuellen oder wiederverheirateten Arbeitnehmern in Katholischen Institutionen.
Öffentliche Schulen und Kindergärten in Bundesländern mit höherer Religionszugehörigkeit der Bevölkerung halten Gottesdienste ab, an denen manchmal auch konfessionslose Kinder teilnehmen müssen.
In den deutschen Streitkräften gibt es katholische und protestantische Seelsorger, aber keine Seelsorger für nicht konfessionell gebundene Soldaten.
Andere religiöse Vergünstigungen
Es gibt verschiedene Formen der Steuerbefreiung für religiöse Gruppen. Offiziell registrierte Gruppen profitieren von der Befreiung von Verwaltungsgebühren.
Religiöse Rundfunkprogramme werden durch Gesetze gefördert und zum Teil staatlich finanziert. Die Amtskirchen sind in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen und in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten stark vertreten.
In einigen Staaten werden Kruzifixe und christliche Kreuze als offizielle Symbole in öffentlichen Schulen und Gerichten verwendet. In einigen Staaten sind Veranstaltungen mit Tanz und Musik an bestimmten christlichen Feiertagen verboten.
Freiheit der Meinungsäußerung. Eintreten für humanistische Werte
Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit sind in der Verfassung verankert und werden von der Regierung allgemein respektiert. Der Zugang zum Internet ist unbeschränkt. Die Deutschen haben Zugang zu zahlreichen privaten Medienangeboten. Die Konzentration der Zeitungseigentümer hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, so dass sich die meisten Zeitungen des Landes in den Händen einiger weniger Konzerne befinden.
„Blasphemie“
Das Gesetz über „Diffamierung von Religionen“ ist potenziell sehr weit gefasst und kann mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. § 166 des Strafgesetzbuches enthält immer noch ein „Blasphemie“-Gesetz, das bestimmte religiöse und andere philosophische Ansichten vor Verleumdung oder Diffamierung schützt.
§ 166 Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Obwohl sie alle als „Störung des öffentlichen Friedens“ bezeichnet werden, ist dies viel weiter gefasst als die „Aufstachelung zu Hass oder Gewalt“ und steht im Widerspruch zu den EU-Leitlinien zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit, in denen Äußerungen, die absichtlich zu Gewalt gegen Personen aufrufen, von Äußerungen abgegrenzt werden, die zufällig zu Gewalt führen, weil jemand, der diese Äußerungen hört, darauf gewalttätig reagiert. Erstere sind legitimerweise eingeschränkt, aber letztere, die unter die weit gefasste Beschreibung „geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören“ fallen könnten, bedeuten, dass das Gesetz zur Unterdrückung von lediglich kritischen oder spöttischen Sprachhandlungen verwendet werden kann.(12) Humanisten haben sich für die Abschaffung des Gesetzes über die „Diffamierung von Religionen“ eingesetzt.(13)
Mangelnde Repräsentanz
Bei öffentlichen Gedenkfeiern sind oft Vertreter der Amtskirchen anwesend, Vertreter nichtreligiöser Menschen fehlen fast immer.
Öffentliche Feiertage
Humanistische Feiertage wie der 21. Juni (Welthumanistentag), der 24. November (Evolutionstag) und der 10. Dezember (Tag der Menschenrechte) sind in keinem Bundesland gesetzlich anerkannt. Nur die Schulen in Berlin haben den Welthumanistentag als einen Feiertag anerkannt, der Allerheiligen, Jom Kippur und Eid al-Fitr gleichgestellt ist. Daher können Schüler in Berlin, die sich zum humanistischen Weltanschauung bekennen, einen freien Tag beantragen, um ihre Weltsicht zu feiern, so wie Christen, Juden und Muslime ähnliche Feiertage feiern.(14)
Hervorgehobene Fälle
Anna Ignatius, promovierte Philosophin und nichtreligiöse Mutter von drei Kindern aus Baden-Württemberg, wurde das Recht auf Ethikunterricht für ihre Söhne in der Schule verweigert. 2007 beantragte sie offiziell die Einrichtung des Schulfachs „Ethik“. Sie begründete dies damit, dass nichtreligiöse Eltern und Schüler das gleiche Recht auf einen ethischen Unterricht haben (sollten) wie religiös gebundene Menschen auf ihren Religionsunterricht. 2014 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass sie keinen Anspruch auf die Einrichtung des gewünschten Schulfachs für nichtreligiöse Kinder hat. Das Gericht erklärte, dass das Grundgesetz die religiöse Bildung privilegiere.(15)
Im Jahr 2013 entschied ein Verwaltungsgericht in Berlin, dass ein Sohn von Beate Turner nicht das Recht hat, die Gleichbehandlung mit einem Gesetz zu beanspruchen, das religiöse Feiertage privilegiert. Ein Jahr zuvor teilte Beate Turner der Lehrerin einer Schulklasse, in der ihr Sohn unterrichtet wurde, mit, dass er am 21. Juni, dem Welthumanistentag, nicht in die Schule gehen würde. Sie berief sich auf eine Verwaltungsvorschrift, nach der Kinder verschiedener Religionsgemeinschaften an religiösen Feiertagen von der Schulpflicht befreit werden können. Am Ende des Jahres wurde ein Tag unentschuldigtes Fehlen im Zeugnis ihres Sohnes vermerkt.(16)
Die Leiterin einer von der katholischen Kirche betriebenen Kindertagesstätte, Bernadette Knecht, wurde 2012 nach einer Scheidung und dem Zusammenzug mit ihrem neuen Partner entlassen, obwohl die Kindertagesstätte zu 100 % vom Staat finanziert wurde.(17)
Die Kindergärtnerin Isa K. wurde nach 13 Jahren entlassen, als 2012 bekannt wurde, dass sie in einer lesbischen Beziehung lebte.(18)
Im Jahr 2012 wurde eine 25 Jahre alte Frau von zwei von der Kirche betriebenen Kliniken abgewiesen, als sie Hilfe suchte, nachdem sie auf einer Parkbank in der Stadt aufgewacht war, nachdem sie unter Drogen gesetzt worden war. Sie kam am Morgen des 15. Dezember 2012 in eine Notarztpraxis und gab an, dass sie glaube, mit einer Vergewaltigungsdroge betäubt und sexuell missbraucht worden zu sein. Die Ärztin, mit dem sie sprach, rief das St. Vincent’s Hospital an, das von der Kath. Stiftung der Cellitinnen betrieben wird, um eine gynäkologische Untersuchung zu veranlassen, aber die Ärzte des Hospitals lehnten die Bitte ab. Der Arzt, der die Patientin behandelte, behauptete, die Ethikkommission des Krankenhauses habe in Absprache mit dem Kölner Erzbischof Joachim Meisner beschlossen, keine Untersuchungen von Opfern sexueller Übergriffe durchzuführen, um zu vermeiden, dass sie unter Druck gesetzt werden, die Pille danach zu verabreichen, die von der kath. Kirche verboten ist. Ein anderes Krankenhaus, das von der gleichen Organisation geleitet wird, weigerte sich, die Patientin zu behandeln. Der Fall wurde weithin bekannt und löste in Deutschland Empörung aus, da eine traumatisierte und verletzliche Person aus religiösen Gründen diskriminiert wurde. Die verantwortliche Organisation bezeichnete den Vorfall später als ein „Missverständnis“.(19)
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Übersetzung (mit Unterstützung von deepl.com): Carsten Frerk
Anmerkungen
1) https://www.deutschland.de/en/topic/life/religions-in-germany-facts-and-…
2) https://www.btg-bestellservice.de/pdf/80201000.pdf
3) https://www.glaeserne-waende.de/
4) https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/GERMANY-2018-INTERNATIO…
5) http://www.staatsleistungen.de/881/
6) https://www.dailysabah.com/europe/2019/02/08/german-churches-collected-r…
7) Rothgangel, M. & Ziebertz, H.-G. (2016) ‘Religious Education at Schools in Germany’ (in cooperation with Philipp Klutz). In: Rothgangel, M., Jäggle, M. & Schlag, T. (Eds.), Religious Education at Schools in Europe. Part 1: Central Europe. Göttingen: V&R unipress, 115-148
8) https://www.glaeserne-waende.de/
9) https://www.deutschland.de/en/topic/life/religions-in-germany-facts-and-…
10) https://www.glaeserne-waende.de/
11) https://www.glaeserne-waende.de/
12) https://end-blasphemy-laws.org/countries/europe/germany/
13) https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2015/_01/_08/Petiti…
14) https://www.glaeserne-waende.de/
15) https://www.bverwg.de/pm/2014/28
16) https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/urteil-in-berlin-schulpflic…
17) https://www.spiegel.de/karriere/katholische-kirche-kuendigt-kindergaertn…
18) https://www.spiegel.de/panorama/justiz/katholische-kirche-schliesst-verg…