Der „Rhythmus“ von Weltanschauungen
Weltanschauungen – als Sätze von aufeinander bezogenen Wertungen und Wichtigkeiten – stehen für den Einzelnen auch immer in der Frage, wie wichtig und nachgefragt sie mit bzw. bei anderen sind. Um das zu erkunden – als ernsthafter Spaß – kann jeder die Trendanalyse von Google verwenden. Suchbegriff oder Thema eingeben und die relative Wichtigkeit in den vergangenen fünf Jahren wird dargestellt, mit weiteren Informationen. Ein paar Beispiele.
Google, als die Suchmaschine mit dem wohl größten Datenbestand, stellt im zeitlichen Verlauf dar, wie häufig ein Thema oder Suchbegriff nachfragt wurde. Dabei werden die relativen Häufigkeiten dargestellt: „Die Werte geben das Suchinteresse relativ zum höchsten Punkt im Diagramm für die ausgewählte Region im festgelegten Zeitraum an. Der Wert 100 steht für die höchste Beliebtheit dieses Suchbegriffs. Der Wert 50 bedeutet, dass der Begriff halb so beliebt war und der Wert 0 entspricht einer Beliebtheit von weniger als 1 Prozent im Vergleich zum Höchstwert.“
Und: Vorsicht. Dargestellt wird, wie relativ häufig ein Begriff oder ein Thema bei Google gesucht wurde. Das bedeutet erst einmal, dass die Suchenden zu dem Thema oder Begriff zu wenige Informationen haben und folglich auf die Suche gehen. Über Themen, Begriffe, Personen, über die ständig oder häufig in den diversen Medien berichtet wird, brauche ich auf Google aber nichts zu suchen.
Kirchenaustritt?
Hat das Thema Kirchenaustritt eine Wichtigkeit? Und wenn ja, wann und wo?
2012 besteht mehr Informationsbedarf als nach 2015, aber die beiden Gipfelpunkte in der Informationssuche waren Ende Oktober 2013, als das Thema des Bischofs von Limburg und seine ‚Verschwendungssucht‘ durch die Medien gingen, und Ende August 2014, als das erste Mal die Kirchensteuer auf die Kapitalerträge im Zuge der Abführung der Kapitalertragssteuer an die Öffentlichkeit kam.
Die Verteilungen der Suche nach Informationen zum Kirchenaustritt in den Bundesländern lesen sich – was verständlich ist – wie der Katholikenanteil in den Bundesländern. In Bayern war man mehr auf der Suche, in Baden-Württemberg gelassener, in den östlichen Bundesländern – was auch wieder verständlich ist – daran nur weniger interessiert.
Die Auswertung bezieht sich dabei nur auf den deutschsprachigen Raum und die Informationssuche ist in Österreich (100) ausgeprägter als in Deutschland (66) oder der Schweiz (35).
Franziskus oder Pope Francis?
Wie sehr die Sprache auch die Information bestimmt, das zeigt, ob man auf Google nach „Franziskus“ oder nach „pope francis“ sucht.
In den Ergebnissen des deutschsprachigen Raums zeigt sich nur die Überraschung des 13. März 2013, als Viele sich fragten: Wie heißt der neue Papst? Jorge Mario Bergoglio? Danach wurde in allen Medien hinreichend berichtet, so dass man nicht mehr suchen musste.
In der englischsprachigen Suche zeigt sich im März 2013 dieses Informationsdefizit ebenfalls, aber es sind noch zwei weitere Informationsdefizite als Suche zu sehen. Sowohl im Januar 2015 (Pastoralreise nach Sri Lanka und den Philippinen) wie auch im September 2015 (USA-Reise und am 24.9.2015 Rede vor dem US-Kongress).
Das größte Informationsdefizit besteht dabei in Uganda (100), auf den Philippinen (91), auf Malta (57) und in Kenia (49).
Humanismus
Die Suche nach dem Thema „Humanismus“ folgt einem eigenartigen Rhythmus. Im Frühjahr (Mai) und Herbst (September) ist es ein relativ viel gefragtes Thema, Ende Juli (Ferien?) und Ende Dezember (Weihnachten?) hat das Interesse am Thema „Humanismus“ seine jeweiligen Tiefpunkte.
Vergleicht man die Suchbegriffe „Humanismus“ und „Atheismus“ so ergibt sich zumindest die relative Menge zueinander. Es werden zwei Aspekte deutlich. Der erkennbare Juli/Dezember-Rhythmus im Jahresverlauf, den das Thema „Humanismus“ hatte, geht für den Suchbegriff „Atheismus“ nicht parallel, obwohl sich die ‚Sommerpause‘ noch zeigt.
Zum anderen zeigt sich, dass die relative Nachfragehäufigkeit nach „Atheismus“ nur halb so häufig vorhanden ist, wie für „Humanismus“.
Euthanasia (Sterbehilfe)
Einen ähnlichen Sommer- und Weihnachtsrhythmus wie das Thema „Humanismus“ hat auch die internationale Suche nach dem Begriff „euthanasia“. Vor allem in Neuseeland, Australien, Singapur, Großbritannien, Kanada und in den USA wird danach gesucht.
Christentum
Diese ‚Sommerpause‘ in der Suche nach weltanschaulich belegten Begriffen betrifft auch die Suche nach dem Begriff „Christentum“: Im Juli / August ist Ruhe.
Der sich wiederholende Rhythmus in der Suche nach dem „Christentum“ geht allerdings als Bedeutungslosigkeit verloren, wenn man es mit dem Suchbegriff „Islam“ vergleicht.
Die Suche nach dem „Islam“ hat eine leicht über die Jahre ansteigende relative Häufigkeit, lässt aber kein Muster erkennen. Die drei Nachfragespitzen sind im September 2012 (Proteste gegen anti-islamischen US-Film), im Januar 2015 (Anschlag auf Charlie-Hebdo) und im November 2015 (Anschläge in Paris).
Weihnachten
Die scherzhafte Darstellung, dass anscheinend viele Menschen jedes Jahr überrascht sind, wann Weihnachten ist, zeigt sich auch in der Konzentration des internationalen Suchbegriff „christmas“ (der für das deutschsprachige „Weihnachten“ parallel verläuft). Im Advent sind die ersten schwachen Anzeichen bereits zu sehen, aber in der Weihnachtswoche wird dann schlagartig nach Weihnachten gesucht. Danach ist wieder Ruhe. Jedes Jahr das Gleiche.
Besonders ausgeprägt ist dieser Rhythmus international für Großbritannien (100), Irland (92), Trinidad und Tobago (77), USA (65), Australien (63) und Kanada (61). Verständlich, denn warum soll in Ländern mit nicht-christlichem Brauchtum danach gesucht werden.
Diese Konzentration auf die Weihnachtswoche ist allerdings insofern bemerkenswert, da, wie es scheint, doch in der gleichen Größenordnung, einen Monat vorher bereits nach Weihnachtsbäumen gesucht wird.
Das verweist nun darauf, dass zur Abschätzung der Größenordnungen der direkte Vergleich unabdingbar ist, um die relativen Einzelthemen-Darstellungen zu vergleichen. Dann zeigt sich, dass Anfang Dezember nur marginal nach den Weihnachtsbäumen gesucht wird und Weihnachten doch wieder unvermutet ‚hereinbricht‘.
(CF)