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Statistiken über die konfessionelle Zugehörigkeit in Österreich

Es ist eine interessante und für gesellschaftliche Entscheidungen wichtige Frage, wie viele Menschen zu welcher Religionsgemeinschaft gehören, und wie viele konfessionsfrei sind. Ebenso interessant, schon allein für die Religionsgemeinschaften (in Österreich im offiziellen Sprachgebrauch “Religionsgesellschaften”), sind Änderungen dieser Zahl über die Zeit. Zu den Methoden und Ergebnissen.

Von Balázs Bárány

Einführung 

Wichtig ist, zuerst über das Wort “Bekenntnis” nachzudenken. Es kommt von Bekennen, also aktiv eine Zugehörigkeit auszudrücken. Aber genau Religionsgemeinschaften sind es, die diese Bedeutung aufweichen, zum Beispiel indem sie auch Menschen, die nie die Gelegenheit hatten, sich in dieser Frage zu äußern (oder deren Äußerungen ignoriert werden), als Angehörige des “Bekenntnisses” deklarieren. Die großen christlichen Kirchen zum Beispiel betrachten alle nach ihrem Ritus getauften Menschen als Angehörige – nach Kirchenrecht für immer, aber sie akzeptieren das staatliche Recht, das einen Austritt (häufig die erste informierte Deklaration über die eigene Religion) vorsieht. Gleichzeitig akzeptieren sie keine Enttaufungs-Urkunden und -Rituale, wie sie von verschiedenen Stellen angeboten werden. 

Die Frage ist auch, wie miteinander in Konflikt stehende Handlungen einer Person betrachtet werden sollen. Zum Beispiel gab es im Jahr 2022 über 90.000 Austritte aus der katholischen Kirche: Menschen, die erklärt haben, dass sie nicht mehr Mitglied sein wollen, und eventuell für ihre Kinder unter 14 Jahren auch diesen Austritt erklärten. Wie viel zählt es, wenn diese Menschen einige Monate später in einer Umfrage angeben, sie seien katholisch? Oder das für ihre Kinder tun? 

Die meisten Religionsgemeinschaften haben verpflichtende interne Regeln für ihre Mitglieder. Zum Beispiel ist es das “notwendige Minimum” bei der katholischen Kirche, sonntags in die Messe zu gehen, einmal im Jahr zu beichten, und zu zahlen (Kompendium – Katechismus der katholischen Kirche). Auch wenn die Kirche diese Regeln nicht durchsetzt, handelt die Mehrheit der “Mitglieder” nach dieser Definition nicht regelkonform. 

Manche Leute basteln sich ihre eigene “Religion” zusammen, vermischen Elemente aus mehreren Religionen oder fühlen sich je nach Tagesverfassung zur einen oder anderen Weltsicht zugehörig, “allgemein christlich” oder “spirituell”. Oder sie wissen es nicht genau, oder es ist ihnen so egal, dass sie Scherzantworten oder frei erfundene Antworten geben.  

Es wird also nie möglich sein, exakte Zahlen über das religiöse Bekenntnis von Menschen zu erhalten.  

Rechtliche Einordnung 

Manche Dinge will der Staat trotzdem definiert haben und stellt daher gesetzliche Kriterien auf. 

Einerseits gibt es unterschiedliche Stufen der staatlichen Anerkennung religiöser Gruppen. Eine “Bekenntnisgemeinschaft” kann entstehen, wenn die Gruppe mindestens 300 AnhängerInnen vorweisen kann, die nicht zu anderen Religionsgesellschaften gehören. Solche Bekenntnisgemeinschaften sind etwa die Baha’i und die Siebenten-Tags-Adventisten. Sie sind nicht viel mehr als eine Eintragung in einer Liste. 

Das Kultusamt im Bundeskanzleramt ist für die Verwaltung dieser Angelegenheiten zuständig. Und sie hat in den letzten Jahren mindestens drei Gruppen die Eintragung verweigert. Die alevitischen Gemeinschaften haben gerichtlich erkämpfen müssen, dass sie als separate Religionsgesellschaft anerkannt werden. Das Kultusamt wollte sie als Teil der Islamischen Glaubensgemeinschaft betrachten, was sowohl die Aleviten als auch viele islamische Menschen ablehnen. Es gibt aktuell zwei eingetragene alevitische Bekenntnisgemeinschaften und eine eingetragene alevitische Religionsgesellschaft. 

Weniger Erfolg hatten bisher die Pastafari (die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters) und die Atheistische Religionsgesellschaft. Die Pastafari haben den Rechtsweg weitestgehend ausgeschöpft, sie verloren vor dem Verfassungsgerichtshof, und ihre Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte war auch nicht erfolgreich. Die Atheistische Religionsgesellschaft war 2022 beim Verwaltungsgerichtshof nicht erfolgreich und hat Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingereicht.

Für das Individuum ist klar geregelt, dass man ab 14 Jahren “religionsmündig” ist und frei entscheiden kann. Ab 12 Jahren muss man allerdings angehört werden und zustimmen, wenn die Eltern das Religionsbekenntnis des Kindes ändern wollen.  

Datenquellen 

Volkszählungen bis 2001 

Bis 2001 wurde in den alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen auch die Religionszugehörigkeit abgefragt. Damals waren fast 6 von den 8 Millionen EinwohnerInnen römisch-katholisch, also fast 75 Prozent der Bevölkerung. Die zweitgrößte Gruppe war damals schon die der Konfessionsfreien, mit 0,96 Mio. Menschen, ca. 12 Prozent der Bevölkerung. 

Seit 2011 werden jedoch nur mehr “Registerzählungen”, also die Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Registern von Behörden (Ministerien, Sozialversicherung, Meldewesen, …) durchgeführt. Und in diesen Registern ist die Religionszugehörigkeit laut Statistik Austria, die die Registerzählung durchführt, nicht oder nicht ausreichend präzise erfasst. 

Theoretisch verwaltet aber der Staat die Religionszugehörigkeit mit. Anerkannte Religionsgesellschaften haben Zugriff auf die Meldedaten. Sie erfahren von dort von Austritten, die bei Meldeämtern, Magistraten usw. in der öffentlichen Sphäre erklärt werden. Auf alten Meldezetteln gibt es auch eine Rubrik fürs Bekenntnis, die Daten standen also zumindest historisch zur Verfügung. Ein weiterer Bereich, in dem das Bekenntnis erfasst wird, sind Schulen. Die Kinder werden je nach von den Eltern gemeldetem Bekenntnis für den Religionsunterricht eingeschrieben, eine Abmeldung in der ersten Schulwoche ist möglich.  

Da diese Daten aber nicht für die Registerzählung herangezogen werden, gibt es keine Gesamterhebung über die Religionszugehörigkeit in Österreich. 

Regionalstatistiken 

Im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien sind ebenfalls Zahlen zur religiösen Zugehörigkeit der Bevölkerung angegeben, wobei methodisch nur eine Erhebung aus 2012 und Angaben der Religionsgemeinschaften genannt werden. Nach diesen Zahlen ist etwa 29,5 Prozent der Menschen in Wien römisch-katholisch, etwa 7 Prozent orthodox, 10-11 Prozent islamisch (das inkludiert wahrscheinlich alevitisch) und ziemlich genau 50 Prozent konfessionsfrei. 

Religionsgemeinschaften 

Es wäre eigentlich zu erwarten, dass Religionsgemeinschaften, die mehr sein wollen als ein simpler Verein, wissen, wie viele Mitglieder sie haben und das auch nachweisen können. Das ist jedoch nicht durchgehend der Fall – obwohl das jeder Briefmarkensammelverein schafft. 

Anerkannte Religionsgesellschaften haben in Österreich das Recht, ihren Mitgliedern Pflichtbeiträge vorzuschreiben. Diese Pflichtbeiträge sind von der Steuer absetzbar. Nur die römisch-katholische, die altkatholische sowie die evangelischen Kirchen schreiben ihren “Mitgliedern” (nach ihrem Ritus getauften Menschen, ohne aktive Beitrittserklärung) Beiträge vor. Sie sind somit diejenigen, die ein essenzielles Interesse daran haben, die Anzahl der Mitglieder zu kennen. Sie können dann die Zahlen kommunizieren. Vereinfacht wird dies dadurch, dass sie die Möglichkeit haben, Meldedaten von öffentlichen Stellen zu beziehen und damit Austritte und Todesfälle, aber auch Adressänderungen automatisiert zu verarbeiten. Der Staat unterstützt sie also in ihrer Mitgliederverwaltung, das kann Millionen Euro Verwaltungsersparnis pro Jahr bedeuten. 

Die Mehrheit der Religionsgemeinschaften schreibt jedoch keine Pflichtbeiträge vor und scheint auch keine Methode zu haben, die „Mitglieder” zu zählen. Reine Schätzungen über die Anzahl von Angehörigen der eigenen Gemeinschaft sind nach historischer Erfahrung regelmäßig übertrieben und nicht unbedingt vertrauenswürdig. 

Befragungen 

Meinungsumfragen und andere größere Erhebungen sind teuer und aufwändig. Sie finden meistens mit einer kleinen Stichprobe statt, die den Anteil der Bevölkerung nur für größere Gruppen halbwegs zuverlässig wiedergibt. 

Die Statistik Austria führte im Auftrag des Kultusamtes im Jahr 2021 eine “Haushaltserhebung” im Mikrozensus durch, deren Ergebnisse 2022 veröffentlicht wurden.  

Das Kultusamt hat erkannt, dass die lange Zeit ohne Statistiken über die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung nicht optimal war und wird in Zukunft regelmäßig solche Erhebungen bei der Statistik Austria beauftragen. 

Daten, die in offiziellem Auftrag erhoben wurden 

Die Broschüre “Religionen in Österreich” des Kultusamtes mit Stand 2020 erhielt folgende Zahlen: Katholisch 4.984.633, evangelisch A. B. und H. B. 283.628, orthodox ca. 600.000, Islam + alevitisch ca. 800.000. Alle anderen Religionsgemeinschaften zusammen ca. 95.000. Die exakten Zahlen für die römisch-katholische und die evangelischen Kirchen stammen von diesen; orthodox und Islam wurden geschätzt, alle anderen Zahlen sind Eigenangaben. Damit kam das Kultusamt 2020 auf 25 Prozent Konfessionsfreie. 

Für die neue Broschüre mit der Jahresangabe 2023 greift das Kultusamt auf die Statistik-Austria-Erhebung zu, zieht aber für die römisch-katholische und die evangelischen Kirchen deren offizielle Angaben heran. Und obwohl die dort ausgewiesenen Zahlen sich auf weniger als 6,4 Mio. addieren gegenüber 6,7 Mio. in der 2020-Broschüre, wird angegeben, dass “77,6 Prozent der Bevölkerung sich zu einer Glaubensgemeinschaft bekennt”. Die neueste Bevölkerungszahl der Statistik Austria ist 9,09 Mio. Anfang Oktober 2022. Die in der Broschüre angegebenen Zahlen (die großteils auf Eigenangaben der Religionsgemeinschaften basieren) ergeben also nur 70,1 Prozent der Bevölkerung, die zu einer anerkannten Religionsgesellschaft gehört. 

Die einzige Zahl in der ganzen Aufstellung, die 2023 höher ist als 2020, ist das Aufrunden der Zeugen Jehovas von 21.563 auf 22.000. Jede andere Zahl ist gefallen oder gleich geblieben. Dies ist mit internationalen Entwicklungen, die einen Abfall in der Religiosität der Bevölkerung feststellen, konsistent – es ist schon schwierig, gleichbleibende, auf Tausend gerundete Zahlen zu glauben. 

Die Statistik-Austria-Erhebung von 2021 

Woher kommt nun die Angabe des Kultusamts mit 77,6 Prozent der Bevölkerung, die sich zu einer Glaubensgemeinschaft bekennt? Diese Angabe und die Zahlen für islamisch/alevitische und orthodoxe Religionsgemeinschaften wurden aus der Statistik-Austria-Erhebung übernommen, der Rest sind Eigenangaben. 

Die Methodik ist ausführlich dokumentiert. Die Beantwortung der Fragen war freiwillig, etwa 95 Prozent der Befragten, insgesamt 27.656 beantworteten die Frage.  

Die Befragung erfolgte – nach der Zustimmung zur Teilnahme – in zwei Schritten.  

Die erste Frage lautete: „Welcher Religion gehören Sie an?” 

Jene, die darauf anders als mit “Keiner Religion, Konfession oder Glaubensgemeinschaft angehörig” antworteten, bekamen eine Liste der anerkannten Religionsgesellschaften mit den weiteren Optionen “Staatlich registrierte Bekenntnisgemeinschaften” und “Einer sonstigen Religion, Konfession oder Glaubensgemeinschaft angehörig” vorgelegt und wählten daraus. 

Es war auch möglich, die Frage für andere Mitglieder im Haushalt zu beantworten, das geschah in ca. 21 Prozent der Fälle, je nach persönlicher Situation in unterschiedlich starkem Ausmaß. Z. B. für junge Männer zwischen 16 und 18 Jahren hat in zwei Drittel aller Fälle jemand anderer die Auskunft gegeben. Die Religion von Haushaltsangehörigen unter 16 Jahre (5.106 Personen) wurde auf Basis der Angaben der Eltern ermittelt: Gehörten beide Elternteile zu einer Religionsgemeinschaft, wurde diese auch für die Kinder angenommen. Bei unterschiedlichen Zugehörigkeiten der Eltern wurden die Kinder zufällig zugeordnet. Dies geschah in 10,8 Prozent der Fälle. 

Die Möglichkeit von Proxy-Antworten (ein Haushaltsmitglied gibt die Angabe für andere) beinhaltet die Problematik, dass sozial erwünschte Zuordnungen überrepräsentiert sind. Die katholische Mutter gibt an, dass natürlich alle im Haushalt katholisch sind, der muslimische Vater ebenso für islamisch. Ebenso ergibt sich die Problematik, dass die auskunftgebende Person schlicht nicht weiß, wie die Familienangehörigen denken, weil darüber in der Familie nicht gesprochen wird. Es gibt durchaus noch Milieus, in denen die Trennung von der Religion undenkbar oder sozial nicht akzeptiert ist – auch wenn sie tatsächlich stattfindet.  

Die Haushaltserhebung wurde, wie der Name schon sagt, in Haushalten durchgeführt. Für die “Anstaltsbevölkerung” in Gefängnissen, Lehrlings- und Studierendenheimen und Kasernen wurden die Zahlen geschätzt. Hierfür wurden die nach Geschlecht und Altersgruppe ermittelten Zahlen aus der Befragung herangezogen.  

Ergebnisse der Erhebung 

Die Ergebnisse im Detail sind von der Statistik-Austria-Seite abrufbar. Sie ergeben für die römisch-katholische Kirche für 2021 4.863.750 Menschen, 95-Prozent-Konfidenzintervall: 4.781.809 bis 4.934.532. Das entspricht 54,3 bis 56,0 Prozent der Bevölkerung. Die offiziellen Zahlen der römisch-katholischen Kirche geben für Ende 2021 4.827.683 Mitglieder an, die bis Ende 2022 auf 4.733.144 gefallen sind (52,1 Prozent der Bevölkerung Ende 2022).  

Evangelisch A.B. oder H.B. sind laut Erhebung 334.475 Menschen (95-Prozent-K.int.: 307.352 bis 362.833). Das ist bemerkenswert, weil laut offizieller Statistik der evangelischen Kirchen im Jahr 2021 270.565 Menschen evangelisch H.B. oder A.B. waren. Zehn Jahre davor, 2011 lag die Zahl bei 319.752. Das passt immerhin noch ins Konfidenzintervall für 2021 hinein. 334.000 Menschen gab es wohl in den genannten evangelischen Kirchen offiziell zuletzt vor etwa 15 Jahren. Es scheint, als gäbe es hier eine große Bereitschaft, sich zu den evangelischen Kirchen zu bekennen, über die offizielle Mitgliedschaft hinaus. Anders ist eine Überschätzung der offiziellen Zahlen um 23,6 Prozent nicht zu erklären.  

Die Grenzen der Erhebung an dieser Stichprobe zeigen sich bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft. Bei einem 95-Prozent-Konfidenzintervall gehören 1.692 bis 7.998 Menschen zu ihr, der errechnete Wert ist 4.806. Die Angabe der Kultusgemeinde von ca. 8.000 Personen ist sogar außerhalb des Konfidenzintervalls. 

Zur Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs (die Aleviten werden seit einiger Zeit getrennt betrachtet) gehören 575.435 (527.326 bis 618.171) Menschen, das entspricht 6 bis 7 Prozent der Bevölkerung. 

Zur Alevitischen Glaubensgemeinschaft bekennen sich 19.469 (9.545 bis 29.514) Menschen. Hier ist zu beachten, dass auch zwei nicht anerkannte alevitische Bekenntnisgemeinschaften existieren. Ob deren Mitglieder sich hier oder unter “Staatlich registrierte Bekenntnisgemeinschaften” meldeten, wissen wir nicht.  

Zum gemeinsamen Dachverband der Freikirchen, der aber nicht alle bekannten Freikirchen in sich vereinigt, bekannten sich 35.271 (22.129 bis 47.734) Menschen. Hier könnte es Überschneidungen mit den evangelischen Kirchen geben, weil die Unterscheidung evangelisch-evangelikal nicht immer klar ist. Allerdings weiß das Kultusamt nur von 18.650 Mitgliedern der Freikirchen, wohl auf Basis ihrer Eigenauskunft. Es ist auch möglich, dass viele Menschen, die aus dem organisierten Christentum ausgestiegen sind und nur “ihre Beziehung zu Jesus” pflegen, sich so einordnen, ohne eine konkrete Gemeinschaft zu besuchen.  

Bemerkenswert ist die Antwort “Sonstige Religion, Konfession oder Glaubensgemeinschaft”: 59.722 (41.738 bis 79.670) Menschen. Es gibt außerhalb der Liste der anerkannten Religionsgesellschaften und der Bekenntnisgemeinschaften einfach nicht so viele bekannte Religionen, von denen wir wüssten, dass sie so viele Anhänger*innen haben. Es ist sicherlich denkbar, dass sich Menschen als anglikanisch, pastafarianisch, pantheistisch usw. deklarieren, aber die hohe Zahl zeigt auch eine gewisse diffuse Einordnung bei der Religionszugehörigkeit.  

Noch stärker zeigt sich das bei “Weiß nicht welche Religionsgesellschaft” (107.499: 86.900 bis 127.903) und “Keine Angabe bei Religionsgesellschaft” (312.938: 275.000 bis 345.712). Mit über 420.000 Menschen wäre diese Gruppe die viertgrößte “religiöse” Gemeinschaft, nur knapp hinter den Orthodoxen. Dies zeigt klar auf, dass die konkrete Methodik für eine so komplexe, mit individuellen und sozialen Aspekten verknüpfte Frage wie die nach der religiösen Zugehörigkeit nicht geeignet ist. 

Eine weitere große Diskrepanz ist, dass die Statistik-Austria-Erhebung für Wien nur 34,2 Prozent Konfessionsfreie ausweist, während die ebenfalls aktuellen Zahlen der Stadt Wien 50 Prozent ergeben. Gerade in urbanen Gebieten mit einem höheren Grad der Säkularisierung und Ausdifferenzierung der Spiritualität und der Religionen ergibt diese Art der Befragung wohl keine optimalen Ergebnisse. 

Insgesamt ist eine von anderen Daten nicht bestätigte Überrepräsentation des “Bekenntnisses” zu Religionsgemeinschaften herausgekommen, die aber verschwindet, wenn wir die über 400.000 Zuordnungen zu “Weiß nicht” und “Keine Angabe” abziehen. Insofern wäre es wohl sinnvoll, zuerst einmal “Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an?” zu fragen, statt die Antwort mit “Welcher …” zu beeinflussen. In der Sozialforschung sind solche Suggestivfragen sonst nicht üblich. 

Eine Methodik für aktuelle Daten 

Die Gruppe der Konfessionsfreien, die zweitgrößte weltanschauliche Gruppe in Österreich, und teilweise bereits die größte in den umliegenden Ländern, wird in den offiziellen Statistiken, die scheinbar von “Religion ist der Normalzustand” ausgehen, bisher nicht betrachtet. Dies hat Nachteile für die öffentliche Repräsentation, aber auch für die Wahrnehmung durch Behörden und Politik. 

Wie kann man also regelmäßig, zum Beispiel einmal jährlich die Anzahl der Konfessionsfreien ermitteln und mit anderen Zahlen in Beziehung setzen?  

Die staatlichen Statistiken erscheinen unregelmäßig und sind mit den genannten methodischen Mängeln behaftet. Auf der anderen Seite gibt es jährlich offizielle Zahlen von der größten Religionsgemeinschaft, die aktuell noch über 50 Prozent der Bevölkerung repräsentiert.  

Es erscheint also sinnvoll, dort, wo offizielle Zahlen vorhanden sind (römisch-katholisch und evangelisch A. B. und H. B.), diese heranzuziehen, die weiteren größeren Blöcke (islamisch-alevitisch sowie orthodox) auf Basis der jeweils neuesten Erhebung(en) zu betrachten, und die restlichen, kleinen Religionsgemeinschaften zusammenzufassen.  

Die römisch-katholische und die evangelischen Kirchen verlieren aktuell pro Jahr etwa 1,5 bis 2 Prozent ihrer Mitglieder. Auf Basis der international auch beobachtbaren Abwendung von christlichen Kirchen wäre es eine sinnvolle Annahme, dies auch auf andere christliche Bekenntnisse anzuwenden. Im Einzelfall kann es aber Faktoren geben, die dieser Annahme gegenlaufen: Bei orthodoxen Kirchen die Zuwanderung aus osteuropäischen Ländern, bei kleinen fundamentalistisch-christlichen Gemeinschaften intensive Bekehrungsversuche und der starke Druck, mehr Kinder zu haben als die sonstige Bevölkerung. Derselbe Druck, das Leben der Mitglieder zu kontrollieren, führt aber in vielen Fällen wieder zur Abwendung von der Gemeinschaft. 

Der Islam und die alevitischen Gemeinschaften sind ein eigenes Thema. Hier sind aktuell nur Befragungen sinnvoll, weil die sehr lockere Organisationsform keine sinnvollen Eigenangaben der “Religionsgemeinschaft”, die in Wirklichkeit keine homogene Gemeinschaft ist, ermöglicht. Fluchtbewegungen aus Ländern mit muslimischer Mehrheit führen wahrscheinlich zu einem Wachstum der Angehörigen in Österreich, aber es gibt zu wenige Angaben darüber, welchen Anteil gerade jene Menschen haben, die wegen anderer Religionszugehörigkeit oder gar wegen ihres Abfalls vom Glauben flüchten. Wie viele Geflüchteten Partner*innen finden, mit denen sie ihre Religionszugehörigkeit auf die nächste Generation übertragen können, ist auch zu wenig erforscht. 

Für die kleineren Glaubensgemeinschaften kann man sich an den Angaben des Kultusamtes orientieren und etwas Luft nach oben lassen, weil die Anerkennungspraxis sehr konservativ ist und christliche Gemeinschaften bevorzugt, während nicht-christliche Bekenntnisse häufig Prozesse führen müssen, um anerkannt zu werden. 

Die Atheisten Österreich führen eine Wiki-Seite auf Basis dieser Überlegungen und halten sie jährlich aktuell bzw. arbeiten neue Ergebnisse und Erkenntnisse ein, soweit diese zur Verfügung stehen. Die Methode und die verschiedenen Zahlenquellen sind dort offengelegt.