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Abtreibungsgegner 2010-2024

Fowid-Statistikbeobachter: Im „Marsch für das Leben“ sammeln sich die Gegnerinnen und Gegner der reproduktiven Rechte der Frauen, um gegen Abtreibungen und für ein traditionelles Familienbild zu demonstrieren: In Berlin seit 2008, in Köln seit 2023. Die Teilnehmerzahlen sind gering und – in Berlin – verringern sich: von 8.000 (2019) auf 2.000 (2024). Die Angaben über die Teilnehmerzahlen variieren.

1. Teilnehmerzahlen
2. Datenbasis
3. Vergleich der Teilnehmerzahlen
4 Grußworte
5. Missverhältnisse

Der Veranstalter, der Bundesverband Lebensrecht e. V. , Berlin hat 15 Mitglieder : Ärztevereinigung St. Lukas e.V. / Ärzte für das Leben e. V. / Aktion Lebensrecht für Alle e. V. (ALfA) / Christdemokraten für das Leben e. V. (CDL) / Durchblick e. V. / Europäische Ärzteaktion in den deutschsprachigen Ländern e. V. / Institut für Ethik & Werte / Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. (JVL) / Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren e. V. (KALEB) / Lebensrecht Sachsen e.V. / Pro Conscientia e.V. / Stiftung Ja zum Leben / sundaysforlife e.V. / Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen e. V. (TCLG) / Weißes Kreuz e. V. .Zusätzlich werden 42 Organisationen benannt, die „ideelle Unterstützer“ seien, u.a. Die Evangelische Allianz.

1. Teilnehmerzahlen

Zu der Grafik schreibt der Bundesverband Lebensrecht e.V.: „Hier sehen Sie die Entwicklung der Teilnehmerzahlen des “Marsch für das Leben“ in Berlin. Eines wird deutlich: Wir sind viele und wir werden mehr.“ Die Grafik besagt das Gegenteil. Sowohl hinsichtlich der Anzahl wie der Tendenz.

Setzt man nun die Angaben des Veranstalters und die Zählungen der Polizei nebeneinander, so zeigen sich die Unterschiede in den Teilnehmerzahlen. Die Tendenz bleibt die gleiche: Die Teilnehmerzahlen werden geringer.


2. Datenbasis

In einer Bundestags-Anfrage der Fraktion Die Linke und der Antwort (BT-Drucksache 18/2393), aus dem Jahr 2014, lautete eine der Fragen: „Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Teilnehmenden an der Demonstration im Jahr 2013? Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Teilnehmendenzahl seit dem Jahr 2002 (bitte nach Jahren und Teilnehmenden aufschlüsseln)?“ Die Antwort der Bundesregierung: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.“

Die Grafik mit der Zeitreihe der Teilnehmerzahlen findet sich auf der Internetseite des Bundesverbands Lebensrecht. Für einzelne Jahre:
2010: „Demo gegen Abtreibung: Nach Polizeiangaben haben am Samstag in Berlin-Mitte rund 1800 Menschen an dem „Marsch für das Leben“ teilgenommen.“ (Quelle : BILD)
2016: „Die Teilnehmerzahl des Marsches stieg über die Jahre an; 2016 beteiligten sich nach Polizeiangaben 6000 Menschen.“ (Quelle : Wikipédia)
2017: „Die Zahlenjonglage des Bundesverband Lebensrecht (BVL) übertrifft 2017 das bereits bisher übliche Maß der Diskrepanz zwischen den Teilnehmendenzahlen der VeranstalterInnen, denen der Polizei und denen der Presse. Die ‚Lebensschützer‘ haben aus Propagandazwecken ihre TeilnehmerInnenzahl mehr als verdoppelt: Beobachter*innen des apabiz zählten am Anfang und am Ende des Marsches jeweils 3.200-3.500 Teilnehmende. Das Institut für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) zählte ‚etwa 3.500 (3.432)‘ Teilnehmende ‚gemittelt aus zwei Reihenzählungen‘, die Polizei hat gegenüber verschiedenen Journalist*innen von lediglich 3.000 Teilnehmenden gesprochen. Verschiedene Presseberichte geben diese Zahl auch wieder.“ (Quelle apabiz)
„Rund 3.000 christliche Abtreibungsgegner (Veranstalter: 7.500) haben nach Polizeiangaben am Samstag in Berlin mit dem „Marsch für das Leben“ für den Schutz des ungeborenen Lebens demonstriert.“ (Quelle : jesus.de)
2019: „Mehrere Tausend Menschen haben am Samstag beim 15. Berliner ‚Marsch für das Leben‘ gegen Abtreibung und aktive Sterbehilfe demonstriert. Die Veranstalter sprachen von 8.000 Teilnehmern; das wären etwa 2.500 mehr als im Vorjahr. Die Polizei sprach auf Anfrage von einer Teilnehmerzahl im „unteren vierstelligen Bereich“.“ (Quelle : katholisch.de)
2022: „Zuvor hatte das Bundestagsmitglied Hubert Hüppe (CDU) vor den schätzungsweise rund 3.000 Demonstranten gesprochen – die Veranstalter rechneten mit 9.000. Veranstalter des Marsches für das Leben ist der Bundesverband Lebensrecht. 2021 nahmen rund 4.500 Teilnehmer an der Demonstration teil.“ (Quelle: pro-medienmagazin)
Berlin, Köln, 2023: 2023 „nahmen in der Bundeshauptstadt nach Angaben der Veranstalter rund 4.000 Menschen teil, nach Schätzung der Polizei waren es 2.000. Für Köln gab der Bundesverband Lebensrecht 2.800 Teilnehmende an; die Polizei machte keine Angaben.“ (Quelle : domradio)
Berlin: „An dem Aufzug der sogenannten Lebensschützer in Berlin, zu dem die Veranstalter unter  anderem eine größere Gruppe aus dem bayerischen Regensburg mit zwei Bischöfen begrüßten, nahmen nach Polizeiangaben rund 900 Personen teil.“ (Quelle : evangelisch.de)
Man kann auch beide Städte zusammenzählen: 7.000 oder spricht einfach von „Tausenden“.
2023, München: bis zu 3.900 „Abtreibungsgegner haben am Samstag einen so genannten „Marsch für das Leben“ in München unternommen. Die Polizei gab die Zahl der Teilnehmer mit bis zu 3900 an.“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung).
2024, München: mehr als 6.000. „An einem „Marsch fürs Leben“ haben sich am Samstag in der Münchner Innenstadt rund 3000 Menschen beteiligt. Das waren nicht nur weniger Menschen als 2023, sondern auch weit von den 8000 Abtreibungsgegnern entfernt, mit denen die Veranstalter gerechnet hatten.“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung),
2024, Berlin: Der Veranstalter rechnet mit 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – 6.000 in Berlin, 4.000 in Köln. (Quelle : Tagespost) „Am ‚Marsch für das Leben‘ des Vereins Bundesverband Lebensrecht (BVL) nahmen laut Polizei rund 2.000 Menschen teil. Die Veranstalter sprachen am Nachmittag von 4500 bis 5000 Menschen.“ (Quelle: rbb24) „Laut Polizei nahmen an dem 20. „Marsch für das Leben“ in der Bundeshauptstadt weniger als 2.000 Menschen teil. Von rund 4.000 sprach der Veranstalter. […] In Köln fand der Marsch zum zweiten Mal statt. Hier machten laut Polizei deutlich weniger als die angemeldeten 4.000 Personen mit. Die Gruppe der Gegendemonstranten sei größer gewesen; sie hätten deutlich mehr als die 2.500 angemeldeten Personen aufgeboten.“ (Quelle : domradio)

3. Vergleich der Teilnehmerzahlen

Die Teilnehmerzahlen in Deutschland sind gering – im Vergleich zu den Teilnehmerzahlen in den USA, die 2011 bis 2013 bei 400.000 – 650.000 lagen. 2023 waren es noch 100.000 (Vatican News), was auf Deutschland übertragen rd. 100.000 bis 160.000 bzw. 25.000 Teilnehmer wären. Will man es mit Polen vergleichen, wo im April 2024 in Warschau 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegen eine Änderung der Abtreibungsverbote protestierten, so müssten es in Berlin 100.000 Teilnehmer sein.

4. Grußworte

Diese vergleichsweise geringen Teilnehmerzahlen sind insofern erstaunlich, da diese Demonstration sowohl von vielen Vertretern des Klerus mit Grußworten sowie eine ‚Autobus-Sternfahrt‘ mit Demonstrantinnen und Demonstranten unterstützt wurde.

Der Veranstalter zitiert die Grußworte von 2023 und schreibt: „Wir danken für alle Grußworte, die uns sehr ermutigen: Metropolit Augoustinos von Deutschland (Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland) / Rainer Maria Kardinal Woelki (Köln) / Erzbischof Stephan Burger, Freiburg / Bischof Gregor Maria Hanke OSB (Eichstätt) / Msgr. Dr. Michael Bredeck (Diözesanadministrator für das Erzbistum Paderborn) / Evangelische Allianz Deutschland (Vorstand: Frank Heinrich) / Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden KdOR (Präses Pastor Friedhelm Holthuis) / Bund Freier evangelischer Gemeinden (Präses Ansgar Hörsting) / Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche) / Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, Speyer / Bischof Harald Rückert, Evangelisch-methodistischen Kirchen in Deutschland / Pfarrer Ulrich Parzany (Vorsitzender des Netzwerks Bibel und Bekenntnis) /  Volkmar Klein (Mitglied des Deutschen Bundestages).

Die Deutsche Bischofskonferenz, die 2023 noch ein Grußwort geschickt hatte, verzichtete dieses Jahr darauf.

2024 gab es ein Grußwort des Apostolischen Nuntius Nikola Eterovic und Vatican News meldet: „Papst ermutigt Lebensrechts-Demo: Keine Kompromisse bei Menschenwürde“. Das liegt auf der gleichen Linie, wie die Antwort des Papstes auf die Frage, welchen der aktuellen US-Präsidentschaftsbewerber er empfehlen würde. Er sagte „Man muss das geringere Übel wählen“ und meinte damit faktisch Donald Trump. 2017 hieß es in Washington: „US-Vizepräsident kommt zum „Marsch für das Leben“, 2020 nahm US-Präsident Trump dann persönlich am „March for life“ teil.

Allerdings haben verschiedenste katholische Organisationen und Bischöfe sich gegen eine Unterstützung der Demonstrationen ausgesprochen: Wegen der Unterstützung dieser Märsche durch den AfD-Bundesvorstand ebenso wie dem AfD-Kandidaten Maximilian Krah.

Sonder-Busfahrten nach Berlin wurden organisiert aus: der Oberpfalz, Langenhagen, Erfurt/Weimar/Jena, Oberfranken, Bautzen, Korntal, Chemnitz und Augustusburg. Selbstkostenbeteiligung zwischen 20-30 Euro bzw. Spende. Normalerweise Abfahrt (früh-)morgens um 05:00-08:00 Uhr, Rückkehr gegen 21:30 -23:00 Uhr.

5. Missverhältnisse

Das propagandistische Missverhältnis zu korrekten Zahlenangaben zeigt sich seit Beginn dieser Demonstrationen in Deutschland, die bis 2006 unter dem Motto „1.000 Kreuze für das Leben“ standen – womit die Zahl 1.000 für die täglichen Abtreibungen in Deutschland steht. Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes gab es 2012 insgesamt 106.815 Schwangerschaftsabbrüche, das sind 293 pro Tag. Ein Übertreibungsfaktor von 3,4.

Carsten Frerk