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Die Auslandseinsätze der katholischen Kirche

In der katholischen „Konferenz Weltkirche“ in Deutschland werden die Informationen koordiniert, die ein freundliches Bild von Hilfswerken und deren Aktivitäten vermitteln, vor allem „Frieden!“. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet hat die Organisation der römisch-katholischen Weltkirche aber durchaus Ähnlichkeiten mit dem Militär oder auch anderen weltanschaulich verfassten, internationalen Organisationen, um sich Macht und Einfluss zu sichern.

Von Carsten Frerk.

1. Innenansichten
    1.1. „Missionskräfte“
    1.2. Einnahmen/Ausgaben
2. Außenansichten
    2.1. Steuergelder für Missionierung?
    2.2. Struktur und Mitarbeiter
3. Lateinamerika

1. Innenansichten

Zur Begriffsbestimmung von Weltkirche schreibt das dafür zuständige Internetportal, es sei „Ein Ort geschwisterlicher Liebe“.

„Grundlegendes Dokument zum Verständnis dessen, was Weltkirche für die deutschen Bischöfe bedeutet, ist das Bischofswort ‚Allen Völkern Sein Heil – Die Mission der Weltkirche‘ aus dem Jahr 2005. Es führt uns vor Augen, in welchen Dimensionen Weltkirche lebendig wird: Die weltweite Communio der Kirche ist Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft zugleich. Dabei ist die Reihenfolge durchaus von Bedeutung: Nur wer umeinander weiß, wer sich kennt, kann auch wahrhaftig im Gebet füreinander eintreten und wirklich solidarisch sein.“

Die katholische Kirche wird nicht nur als „Lern-, Gebets- und Solidargemeinschaft“ dargestellt, sondern auch als „ehrlichen Makler“ und „Vermittler“ wahrgenommen. Sie habe, wie es der Leiter des Italienbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung darstellt, „das Wohl jedes einzelnen Menschen im Blick“.

„Die Stimme des Papstes wird aufgrund seiner ungebrochenen geistlichen Autorität weltweit gehört, auch in Ländern, die nicht christlich sind. Der Heilige Stuhl wird vielfach als ehrlicher Makler wahrgenommen, der das Wohl jedes einzelnen Menschen im Blick hat. Theologisch begründet der Heilige Stuhl dies damit, dass jeder Mensch Ebenbild Gottes ist. […] Der Heilige Stuhl tritt an vielen Orten der Welt als Vermittler auf. Sein diplomatisches Korps ist das älteste der Welt und kann auf einen jahrhundertealten Erfahrungsschatz zurückgreifen. Die Netzwerke der katholischen Kirche reichen praktisch bis in jeden Winkel dieser Erde.“

Dieses Narrativ vom „universalistischen Christentum der Nächstenliebe“ (Liane Bednarz) blendet die weltweiten religions- und machtpolitischen Interessen wie Aktivitäten der christlichen Kirchen aus, bei denen es auch schlicht um Einfluss und Dominanz geht. Diese Verleugnung zeigte sich besonders deutlich bei der Ansprache des Papstes Benedikt XVI. zur Eröffnung der Generalkonferenz der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik (im Mai 2007), wonach sich die indigenen Ureinwohner „im Stillen sehnten“, Christus anzunehmen:

„Welche Bedeutung hatte aber die Annahme des christlichen Glaubens für die Länder Lateinamerikas und der Karibik? Es bedeutete für sie, Christus kennenzulernen und anzunehmen, Christus, den unbekannten Gott, den ihre Vorfahren, ohne es zu wissen, in ihren reichen religiösen Traditionen suchten. Christus war der Erlöser, nach dem sie sich im Stillen sehnten. Es bedeutete auch, mit dem Taufwasser das göttliche Leben empfangen zu haben, das sie zu Adoptivkindern Gottes gemacht hat; außerdem den Heiligen Geist empfangen zu haben, der gekommen ist, ihre Kulturen zu befruchten, indem er sie reinigte und die unzähligen Keime und Samen, die das fleischgewordene Wort in sie eingesenkt hatte, aufgehen ließ und sie so auf die Wege des Evangeliums ausrichtete. Tatsächlich hat die Verkündigung Jesu und seines Evangeliums zu keiner Zeit eine Entfremdung der präkolumbischen Kulturen mit sich gebracht und war auch nicht die Auferlegung einer fremden Kultur.“

Auch wenn die Diskussionen um „Katholische Kirche und Kolonialismus“ noch lange nicht abgeschlossen sind, so zeigt sich doch, dass das Muster des katholischen Handels das gleiche ist, wie bei anderen international agierenden weltanschaulichen Organisationen und Bündnissen.

So ist es auch die Aufgabe der katholischen „Weltkirche“, die dogmatischen Auffassungen der römisch-katholischen Kirche (mit Zentrale im Vatikan in Rom) zu verbreiten, zu stärken und gegen die religiöse Konkurrenz (Evangelische, Pfingstler, u. a. m.) und gegen einen Säkularismus zu verteidigen. Das zeigt durchaus Ähnlichkeiten mit der Christlich-Demokratischen Internationale (CDI).

„Gegründet wurde die CDI 1961 in Santiago de Chile unter dem Namen Union Mondiale des Democrates Chretiens (UMDC) als Dachverband bereits bestehender, auf Europa und Lateinamerika begrenzter regionaler Zusammenschlüsse: den Nouvelles Équipes Internationales (NEI / der Union Chrétienne Démocrate d’Europe Centrale (UCDEC) / und der Organización Demócrata Cristiana de América (ODCA).“ Seit 1964 mit Sitz in Rom, ist eine Besonderheit, dass die CDI eine besondere Untergruppierung für Lateinamerika hat, die ODCA. Seit 1999 umbenannt in „Zentristisch Demokratische Internationale („International Demócrata de Centro – Centrist Democrat International“) mit Sitz in Brüssel.“

„Verbreitung: weltweit.“ Insofern sind sie alle Mitglieder in der großen politisch-religiösen römisch-katholischen ‚Familie‘ (ein Überblick aus dem Jahr 1994), zu der – in Deutschland – dann auch noch die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) gehört, die u. a. in Lateinamerika aktiv ist, wie: „Willkommen beim Rechtsstaatsprogramm für Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung!“. Und mit der KAS arbeitet dann wiederum der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) zusammen, der ebenfalls seine eigenen Kontakte nach Lateinamerika pflegt: „Nachwuchspolitiker aus Argentinien zu Besuch beim RCDS in Berlin“.

In den deutschen Jahresberichten zur Weltkirche, die seit 2011 publiziert werden, wird deutlich, welche finanziellen und personalen Beiträge die deutschen Katholiken zur „Weltkirche“ beitragen, um die Interessen der katholischen Kirche zu verteidigen und kirchliche Strukturen zu stabilisieren.

1.1. „Missionskräfte“

Die Angaben in den Jahresberichten der „Konferenz Weltkirche“ zur Zahl der (so wörtlich) „Missionskräfte“ ist eigenartig verkürzt. Mit sinkender Tendenz sind es 2020 insgesamt 1.302 Frauen und Männer aus Deutschland.

Mit der Betonung auf die „Missionskräfte aus Deutschland“ wird vermieden, auf die „Ortskräfte“ Bezug zu nehmen, die mit den Finanzierungen der katholischen Kirche in Deutschland sowie den staatlichen Geldern für die Entwicklungshilfe vor Ort weltweit tätig sind.

Gesamtzahlen für Ortskräfte sind nicht bekannt. Beständig heißt es: „Die Werke arbeiten in der Regel mit ansässigen Partnerorganisationen zusammen.“ (Misereor). Für 2019 sind rund 9.000 Projekte benannt. Da keine Zahlen der Mitarbeitenden vor Ort genannt werden ist es müßig, Durchschnittszahlen (wie zwei oder fünf pro Projekt) anzunehmen. Für einzelne Projekte sind benannt: 90 Mitarbeiterinnen in einem Frauenrechtsverein in Kabul.

Da die Projekte, nach Eigendarstellung, eng von Mitarbeitern in Deutschland geführt werden, wären auch diese Mitarbeiterinnen zu nennen. Für Adveniat sind es mehr als 90, beim Bonifatiuswerk 45, bei Misereor sind es (in Aachen, Berlin und München) ca. 285, bei Caritas International sind es 116, bei missio-aachen mehr als 120, missio-münchen 91, das Kindermissionswerk nennt bis zu 130 und Renovabis 54 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Summe: 815.

1.2. Einnahmen / Ausgaben

Die Zahlenangaben sind den jeweiligen Jahresberichten entnommen: Das Kindermissionswerk-Die Sternsinger, das Bonifatiuswerk, Caritas-International, Misereor, Missio-Aachen, Missio-München und Renovabis.

Bereits in dieser Zusammenstellung ist es (für 2020) ein jährliches Finanzvolumen von rund 759 Mio. Euro, das von den deutschen Katholiken und dem Staat finanziert wird. Im Jahresdurchschnitt sind es 684 Mio. Euro jährlich, d. h. in den vergangenen zehn Jahren rund sieben Mrd. Euro.

In diesen Übersichten fehlt u. a. die „Kirche in Not“, mit im Jahr 2020 rund 123 Mio. Euro Einnahmen und 102 Mio. Ausgaben.

„Wir haben uns in 138 Ländern und 1.145 Diözesen engagiert, das ist mehr als ein Drittel aller Diözesen weltweit (3025). Mehr als 18.000 Katecheten und pastoralen Mitarbeitern wurde geholfen, den meisten in Asien und Afrika. Dorthin und vor allem nach Lateinamerika gingen auch die meisten Bücher, Bibeln und Schriften.“

Und nur diese Organisation „Kirche in Not“ betreibt (in 2020) Büros in 23 Ländern, erzielt in Deutschland 122.674.982 Euro Einnahmen aus Spenden und Erbschaften, hat Projektpartner in 138 Ländern und 4.758 weltweit geförderte Projekte. 79 Prozent der Spenden werden missionsbezogenen Aufwendungen zugewiesen

Die Anzahl der Projekte / Einsatzstellen der Hilfs-/Missionswerke in der AG Weltkirche lassen sich aus den Jahresberichten erschließen, z. B. für Misereor 2018 und 2019.

Die Einnahmequellen der einzelnen Hilfs-/Missionswerke zeigt die Sonderrolle von Caritas International und vor allem des „Bischöflichen Hilfswerk Misereor“, dessen Einnahmen zu 72 Prozent (oder 166 Mio. Euro) aus Steuergeldern stammen.


2. Außenansichten

Horst Herrmann, 1970 bis 1981 in Münster Professor für Katholisches Kirchenrecht, trat 1981 aus der Kirche aus und war von 1981 bis zu seiner Emeritierung 2005 ebendort Professor für Soziologie. Er erläuterte in einem Gespräch, dass er und seine Kollegen in der Katholisch-Theologischen Fakultät mit Verachtung auf die ihrer Ansicht nach plumpe Kirchenkritik von Atheisten herabgeschaut hätten. Nachdem er jedoch nicht mehr Mitglied in diesem ‚theologischen Elfenbeinturm‘ war, hätte er nicht mehr nachvollziehen können, womit sich dieser Hochmut hätte begründen lassen. So stellen sich in der Außenansicht auch andere Fragen und Schlussfolgerungen.

2.1. Steuergelder für Missionierung?

Die Tatsache, dass beide Kirchen jedes Jahr Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe erhalten (2019: 215 Mi. Euro), steht unter dem Vorbehalt, dass daraus keine Missionierungen finanziert werden dürfen. Die grundsätzliche Thematik der humanitären Hilfe von christlichen Hilfswerken wird ausführlich in „Humanitäre Hilfe und Missionierung“ erörtert. Dabei werden für u. a. Misereor konkrete Beispiele benannt, bei denen es sich offensichtlich um die Stärkung kirchlicher Strukturen bzw. Missionierung handelt.

Wird das als Widerspruch gesehen? Nein. „Das Muster ist bei vielen Projekten das gleiche. MISEREOR und Brot für die Welt finanzieren den Sachaufwand für Bildung, Ausbildung, Soziale, medizinische Hilfen, bauen Schulen, etc. Was dann darin vor Ort passiert und ob es für Seelsorge und Missionszwecke eingesetzt wird, damit haben die beiden Organisationen dann nichts mehr zu tun, das ist die Verantwortlichkeit der Kirchen vor Ort. Ganz im Sinne von: ‚Lasse deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut.‘“

Formaljuristisch kann man das so sehen und wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) – aus dessen „Kirchentitel“ im Haushaltsplan der Großteil der Steuergelder stammt –, auch nicht kritisiert. Insofern ist es auch nicht überraschend, dass der zuständige Minister in Afrika mit Kirchenvertretern im voller kirchlicher Amtstracht auftritt. („Wess Brot ich ess, dess Lied ich sing!“)

2.2. Struktur und hauptamtliche Mitarbeiter

Die römisch-katholische Kirche hat eine Sonderstellung unter allen ‚Weltreligionen‘, von denen keine andere eine derartige zentralistische Hierarchie („Heilige Herrschaft“) kennt, die auf Gehorsam aufbaut, d. h. eine Gliederung von Oben nach Unten aufweist.

Insofern kann man die Geschichte der römisch-katholischen Kirche nicht nur komplett mit Begriffen des ökonomischen Marketings beschreiben, es ist auch naheliegend, diese Struktur mit dem Militär zu vergleichen.

Der Papst ist – um den Militärvergleich zu pointieren – in der Einheit von Lehr-, Priester- und Hirtenamt der Inhaber der ‚Befehls- und Kommandogewalt‘ der römisch-katholischen Kirche. Er hat zwar keine Armeen („Wie viele Divisionen hat der Papst?“ Mit diesen Worten soll sich einst Josef Stalin über das Oberhaupt der Weltkirche lustig gemacht haben), aber eine Vielzahl von rund 420.000 kirchlichen Hauptberuflichen, die bei ihrem Gelöbnis Gehorsam geschworen haben. (Und dieser Gehorsam wird auch gegenüber den nationalen Bistümern eingefordert – wie im Juni 2021 in Deutschland, aufgrund der gemeinsamen „theologisch-spirituellen Verwurzelung in Gott“.)

Die Ordnungshierarchie ist genau geregelt und in der weltweit gleichmäßigen Kleidung („Uniformierung“) des Klerus deutlich: Papst, Erzbischöfe, Bischöfe, Priester. Die Ordensgemeinschaften (als „Waffengattungen“) kleiden sich in eigenen Uniformen und unterstehen, ja nach rechtlichen Zuordnungen, unterschiedlichen Befehlshabern. Bei den Ordensgemeinschaften mit zentralistischer Organisation (wie den Franziskanern, Dominikanern, Jesuiten, u. a. m.) gibt es einen Generalsuperior, oft auch vereinfachend als General oder Ordensgeneral bezeichnet.

Die regionalen Operationsgebiete der katholischen Hilfs- und Missionswerke sind – ähnlich wie bei den sieben Regionalkommandos der Streitkräfte der USA (Unified Combatant Command) – untergliedert: Adveniat (Lateinamerika), Bonifatiuswerk (Nordeuropa), Missio (Afrika), Kindermissionswerk (Afrika, Naher Osten), Renovabis (Osteuropa). Caritas International und Misereor sind weltweit organisiert.

Über die Anzahl der verschiedenen hauptamtlichen Mitarbeiter der katholischen Weltkirche („Truppenstärke“) gibt das Statistische Jahrbuch von Fides, dem „Presseorgan der Päpstlichen Missionswerke seit 1927“, Auskunft: Insgesamt rund 1,5 Millionen (1.535.736) Männer und Frauen. Der Frauenanteil beträgt rund 42 Prozent.

Die Truppenstärke der USA beläuft sich auf 1.372.000 Soldatinnen und Soldaten aller Teilstreitkräfte, der Frauenanteil beträgt rund 13 Prozent. Die Truppenstärke der Streitkräfte der Russischen Föderation beläuft sich auf 1.014.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, Frauenanteil rund vier Prozent. China (2,2 Mio.) und Indien (1,5 Mio.) haben zwar die numerisch größten Truppenstärken, treten aber weltpolitisch bisher nur regional in Erscheinung. Unter den ‚Global Playern‘ hat die katholische Kirche somit die größte Anzahl des Personals.

Katholische Schulen und Bildung: „Im Bereich der Bildung unterhält die katholische Kirche 73.164 Kindergärten mit 7.376.858 Schülern; 103.146 Grundschulen mit 35.011.999 Schülern; 49.541 weiterführende Schulen mit 19.307.298 Schülern. Die Kirche kümmert sich auch um 2.251.600 Gymnasiasten und 3.707.559 Universitätsstudenten.“

Katholische Wohltätigkeits- und Gesundheitszentren: „Zu den von der Kirche betriebenen Wohltätigkeits- und Gesundheitszentren in der Welt gehören: 5.192 Krankenhäuser, die meisten davon in Afrika (1.404) und in Amerika (1.365); 15.481 Dispensarien, hauptsächlich in Afrika (5.427) und in Amerika (4.269); 577 Pflegeheime für Leprakranke, hauptsächlich in Asien (316) und in Afrika (209); 15.423 Heime für alte oder chronisch kranke Menschen oder Menschen mit einer Behinderung, hauptsächlich in Europa (8. 123) und in Amerika (3.692); 9.295 Waisenhäuser, hauptsächlich in Asien (3.197) und in Europa (2.278); 10.747 Kinderkrippen, hauptsächlich in Asien (3.013) und in Amerika (2.992); 12.515 Eheberatungsstellen, hauptsächlich in Europa (5.624) und in Amerika (4.332); 3.225 soziale Rehabilitationszentren und 31.091 andere Arten von Einrichtungen.“

Ausdrückliche Missionsstationen mit einem ansässigen Priester gibt es 2.916 und die Missionsstationen ohne ansässigen Priester haben eine Gesamtzahl von 137.243, also insgesamt 140.159 Stützpunkte.

Eine andere Statistik verdeutlicht, dass es sich bei dem Einsatz von Missionaren vor Ort um lebensgefährliche Einsätze handeln kann. Nach Angaben von Fides wurden von 2000 bis 2020 weltweit 535 Mitarbeiter getötet.

„Wie aus den Statistiken des Fidesdienstes hervorgeht, wurden im Jahr 2020 weltweit insgesamt 20 Missionare ermordet, darunter 8 Priester, 1 Laienbruder, 3 Ordensfrauen und 6 Gläubige im Laienstand. Nach Kontinenten, wurden die meisten Missionare in Amerika ermordet, wo 5 Priester und drei katholische Laien (insgesamt 8 Missionare) ermordet wurden. Gefolgt von Afrika, wo 2020 insgesamt 1 Priester, drei Ordensfrauen, 1 Seminarist und 1 katholischer Laie ermordet wurden (insgesamt 7). In Europa kamen ein Priester und ein Laienbruder gewaltsam ums Leben. In Asien wurden ein Priester, ein Seminarist, ein Ordensmann und 4 Laien ermordet (insgesamt 12). In den vergangenen 20 Jahren, von 2000 bis 2020, wurden weltweit 535 Mitarbeiter im kirchlichen Dienst (einschließlich fünf Bischöfe) ermordet.“

Die Jahresberichte werden von der katholischen „Konferenz Weltkirche“ herausgegeben, in der 23 verschiedenste Akteure der katholischen Auslandsarbeit zusammenkommen.

Die Übersicht zeigt, dass es nicht alle Akteure sind, die sich international betätigen. Es fehlt auch beispielsweise innerkirchlich die „Kirche in Not“ (seit 2011 Päpstliche Stiftung) sowie alle katholischen, politischen Akteure der „katholischen Familie“.

Das Selbstverständnis dieser Auslandseinsätze wurde von Erzbischof Dr. Ludwig Schick, dem Vorsitzenden der Konferenz Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz anlässlich der Jahrestagung im Juni 2021 ausdrücklich als Missionierung verstanden:

„Die christliche Mission ist bleibend aktuell! Denn der Aufruf Jesu, das Evangelium „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) zu verkünden, galt vor 2000 Jahren – und er gilt heute. Selbstgenügsamkeit und Selbstbezüglichkeit ist der Kirche zu keiner Zeit gestattet. Sie hat den Auftrag, Gottes Sorge für jeden einzelnen Menschen, die ganze Menschheit, die Schöpfung und die Geschichte zu jeder Zeit zu bezeugen. So stellen die deutschen Bischöfe in ihrem nun vorliegenden Wort ‚Evangelisierung und Globalisierung‘ klar: ‚Die Anerkennung der Religionsfreiheit und der anderen Religionen machen Mission und Evangelisierung nicht überflüssig, wie viele, geleitet durch einen relativistischen Wahrheitsbegriff, heute meinen. Die Grenzen zu den anderen hin zu überschreiten und ihnen respektvoll das Evangelium Jesu Christi in Wort und Tat, bisweilen auch schweigend zu bezeugen, bleibt dringlich wie eh und je. Denn das Heil eines jeden Menschen ist allein in Jesus Christus grundgelegt. Ihn, den Herrn, zu verkünden, ist und bleibt deshalb die zentrale Aufgabe der Kirche in jedem Zeitalter.‘“

Insofern ist die gebräuchliche Bezeichnung „Hilfswerke“ (auch in den Jahresberichten der weltkirchlichen Arbeit) irreführend, da sie propagandistisch einen Schwerpunkt der humanitären Hilfe behauptet, die jedoch missionarisch definiert und entsprechen benannt und instrumentalisiert wird. Es folgt der Logik, dass in den Überschriften stets „Hilfswerk“ steht, und danach erst, im Kleingedruckten, die „Missionierung“.

3. Lateinamerika

Als Beispiel sei Kolumbien genannt. Die Situation vor Ort wird z. B. im Jahresbericht 2019 (S. 12) von Adveniat geschildert.

„Im kolumbianischen Amazonas-Urwald im Osten des Landes liegt die Schulbildung in der Hand der katholischen Kirche. Die Aufgabenteilung zwischen Staat und Kirche ist seit 26 Jahren vertraglich geregelt: Das Apostolische Vikariat Inírida wählt die Lehrer aus, fördert deren Aus- und Fortbildung und ist für die Aufrechterhaltung und Qualität des Unterrichts verantwortlich. Der Staat stellt die Mittel für den Bau der Schulen zur Verfügung und bezahlt die Gehälter der Lehrer sowie die Schulspeisung der Kinder – theoretisch. Doch in der Realität bleiben die laufenden Kosten oft an der Kirche hängen, und dies stellt Bischof Joselito Carreño Quiñones vor enorme finanzielle Herausforderungen.“

Da klingt als Kritik an, was der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Juni 2021 für die Zusammenarbeit Deutschlands mit der Katholischen Kirche lobte.

„Der Heilige Stuhl hat sich auch in Deutschland nicht damit begnügt, die Ereignisse zu beobachten und ihre Bedeutung einzuschätzen, sondern er hat sich stets für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat eingesetzt, für einen wirklich gemeinsamen und geordneten Einsatz, zum Vorteil des Einzelnen und des Gemeinwohls. Das Gemeinwohl ist in vielfacher Hinsicht mit dem Frieden verbunden.“

Den Hintergrund, auch zur Gründung von Adveniat, schildert ein Bericht „Partnerschaft Bistum Aachen – Kolumbien. Ein Weg weltkirchlicher Partnerschaft“: in dreißig Jahren wird die Zahl der Priesteramtskandidten mehr als verzehnfacht.

„Man entschloss sich Anfang der 1960er Jahre, jeder Diözese in der Bundesrepublik Deutschland ein Land in Lateinamerika zuzuordnen, für das sie die damals so genannte Adveniat-Patenschaft übernehmen sollte. Dem Bistum Aachen wurde (zusammen mit der Diözese Würzburg) Kolumbien als Patenland zugewiesen. Aachen sollte die Priesterkandidaten der Ordensgemeinschaften und des damals einzigen lateinamerikanischen Spätberufenenseminars in La Ceja unterstützen, Würzburg die Seminaristen in den Seminaren der Diözesen Kolumbiens. […]
Die Zahl der Priesteramtskandidaten in Kolumbien stieg von Beginn der Partnerschaft von etwa 400 im Jahre 1965 bis zum Jahr 1995 um das Zehnfache auf mehr als 4.300.“

Die „Patenschaftsländer“ für die Priesterausbildung mit den jeweils dafür zuständigen deutschen katholischen Bistümern sind genau geregelt.

Das erinnert durchaus an die historische Unterwerfung Lateinamerikas, die erst in jüngerer Zeit problematisiert wird („Blick zurück nach vorn“).

„Noch den 400. Jahrestag 1892 feierte Papst Leo XIII unangefochten in der alten Sichtweise einer europäischen Großtat. Er betonte die Katholizität von Kolumbus, gedachte der neuen Gebiete als Geschenk der Vorsehung für das der Kirche in Europa durch die Reformation verlorengegangene Terrain und beschrieb die weltgeschichtliche Bedeutung von Kolumbus‘ Entdeckung so: ‚Durch seine Bemühungen tauchte aus dem unerforschten Schoße des Oceans eine zweite Welt empor; Hunderttausende wurden der Vergessenheit und dem Dunkel entrissen und wieder der menschlichen Gemeinschaft zugeführt, von dem Zustand der Wildheit zu geordneten Sitten und zu einem menschenwürdigen Dasein hinübergeleitet und, was das Größte ist, durch Vermittlung der von Jesus Christus erworbenen Güter vom Untergang wieder zum ewigen Leben berufen‘“.

Sowie, als weiteres Beispiel: „Papst bittet um Vergebung für Sünden bei Evangelisierung Mexikos.

Es erinnert ebenso an aktuelle Skandale, wie um die „Legionäre Gottes“ in Lateinamerika: „Gottes Geldeintreiber“.

Die Konzentration auf Mittel- und Südamerika entspricht dabei weiterhin den frühen Aufteilungsarealen der europäischen Kolonialherrschaft. Afrika und Asien wurde vor allem von dem anglikanisch/protestantischen Großbritannien, den Niederländern und Belgien beherrscht, Lateinamerika von den römischen Katholiken in Spanien und Portugal sowie ihren Orden. Auch wenn immer noch rund die Hälfte aller römischen Katholiken in Amerika leben, gilt Afrika als Zukunft: „Afrikas Kirche hat größtes Potenzial.

Eine ausführlichere Darstellung zu den einzelnen Hilfswerken findet sich in dem fowid-Artikel „Katholische Hilfswerke“ und speziell zu Misereor in „MISEREOR, Finanzierung 1960 bis 2015“.