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Berlin: 19,99 Prozent Kirchenmitglieder

Nach einer aktuellen Auswertung des Berliner Melderegisters durch das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg beläuft sich die Summe der Anzahl evangelischer und römisch-katholischer Kirchenmitglieder zum Jahresende 2022 auf 770.092 Personen, das sind 19,99 Prozent der Bevölkerung. Auf glatte 20 Prozent fehlen 70 Mitglieder.*)

1. Der aktuelle Stand
    Exkurs: Ausländer
2. Veränderungen im Zeitverlauf
    Exkurs: Mitgliederzahlen und Kirchenaustritte
3. Melderegister 2022 und Zensus 2011
4. Ost-West-Unterschiede

1. Der aktuelle Stand

Das Ergebnis der Auszählung des Melderegisters zum 31.12.2022 ist einerseits keine Überraschung, da es im langfristigen Trend liegt, aber andererseits ist es doch bemerkenswert, wenn bestimmte ‚Marken‘, wie 50 Prozent oder hier 20 Prozent, unterschritten werden. 770.092 Personen wurden als evangelische und römisch-katholische Kirchenmitglieder gezählt, das sind 19,99 Prozent der Bevölkerung.

Datengrundlage dafür ist der Statistische Bericht „Einwohnerbestand – Grunddaten 2. Halbjahr 2022“. Er „gibt auf Ebene der Berliner Bezirke und Ortsteile einen Überblick über die wichtigsten demografischen Grunddaten, wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Religionsgemeinschaftszugehörigkeit, sowie den Migrationshintergrund, ausgewählte Herkunftsgebiete und die Wohnlage.“ Damit ist auch eine genauere Untergliederung in die Berliner Bezirke möglich.

In der offiziellen Darstellung wird neben den Gesamtzahlen auch die Anzahl „Deutsche“ und „Ausländer“ genannt.

Was besagt nun diese Unterteilung? Eher wenig.

Exkurs: Ausländer

„Ausländer“ sind Personen die, nach einer Definition des Statistischen Bundesamtes, in Deutschland leben, aber keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

„Dazu zählen alle Personen, die nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind, d. h. nicht die deutsche Staats­angehörigkeit besitzen. Zu ihnen gehören auch die Staatenlosen und die Personen mit ungeklärter Staats­angehörigkeit. Deutsche, die zugleich eine fremde Staats­angehörigkeit besitzen, gehören nicht zu den Ausländerinnen und Ausländern. Hat eine Person mehrere ausländische Staats­angehörigkeiten, wird sie in der Bevölkerungs­fortschreibung mit der ersten Staats­angehörigkeit ausgewiesen.“

Für die evangelische Kirche im Land Berlin werden für 2022 insgesamt 11.500 Personen oder 2,4 Prozent ihrer Mitglieder als Ausländer gezählt, für die römischen Katholiken sind es 69.113 oder 24,4 Prozent. Diese Angaben werden weder erläutert noch hinterfragt.

Nach Angaben des Erzbistums Berlin sind es (2017) im gesamten Areal des Bistums 35,4 Prozent der Katholiken.

„Im Erzbistum Berlin leben viele Katholiken mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Nach der Statistik der Deutschen Bischofskonferenz für 2017 leben auf dem Gebiet unseres Erzbistums 99.262 mit ausländischer Staatsangehörigkeit; zusätzlich leben bei uns 46.525 Menschen, die neben dem deutschen Pass eine 2. Staatsangehörigkeit haben. Somit haben 145.787 Menschen oder 35,4 % der Katholiken im Erzbistum Berlin eine ausländische Staatsangehörigkeit.“

2020 lebten im Erzbistum Berlin 400.277 Katholiken. Im Bundesland Berlin lebten im gleichen Jahr 306.457 katholische Kirchenmitglieder. Für die Gruppe der „ausländischen Katholiken“ im Erzbistum gibt es auch die Angaben zum Status der Staatsangehörigkeit, die in ihrer Tendenz auch als plausibel für das Land Berlin anzunehmen sind, da 77 Prozent der Katholiken im Erzbistum Berlin im Land Berlin gemeldet sind.

Von den 142.886 ausländischen Katholiken des Erzbistums (2020) sind 95.947 ohne deutschen Pass, 46.939 haben einen deutschen Pass sowie eine 2. Staatsangehörigkeit. Die erste Gruppe – ohne deutschen Pass – sind definitiv Ausländer, die zweite Gruppe Deutsche. Indem diese beiden Gruppen als „ausländische Katholiken“ zusammengerechnet werden, beträgt ihr Anteil (falsche) 35,7 Prozent. Allerdings ist es bei Gottesdiensten egal, ob der Katholik, der daran teilnimmt Deutscher, Deutscher mit Migrationshintergrund oder Ausländer ist.

In einer Ausarbeitung des Verbands Deutscher Städtestatistiker („Migrationshintergrund in der Statistik – Definitionen, Erfassung und Vergleichbarkeit“) wird (2013) diese Kategorisierung aufgrund der Staatsangehörigkeit problematisiert.

„Mitte der 1990er Jahre begann in Deutschland erstmals die Diskussion um die statistische Abgrenzung von Migranten. Zuvor wurden diese, auch im politisch dominierenden Selbstverständnis und der öffentlichen Diskussion, meist gleichgesetzt mit Ausländern. So lange Migranten als Gäste auf Zeit galten, die nach Beendigung ihrer Arbeit in die Heimatländer zurückkehrten, war diese Sichtweise teilweise angemessen. Allerdings hat sich das Bild der Migranten inzwischen grundlegend geändert: Die Zuwanderung von Aussiedlern und Spätaussiedlern in den 1980er und 1990er Jahren, die zunehmende Zahl von Einbürgerungen und die Etablierung der zweiten und dritten Zuwanderergeneration in Deutschland haben dazu geführt, dass sich Migranten und Ausländer immer weniger gleichsetzen lassen. Migranten sind zu einem wesentlichen Teil der Gesellschaft geworden, sie besitzen zu immer größeren Anteilen die deutsche Staatsangehörigkeit und sehen Deutschland als ihre Heimat. In der Statistik findet sich die Gleichsetzung von Ausländern und Migranten jedoch bis heute in verschiedenen Bereichen.“

Im Mikrozensus wird (seit 2005) nur noch der Migrationshintergrund erfragt.

„Einen Migrationshintergrund haben alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.“

In der Definition des Statistischen Bundesamtes werden fünf Personengruppen genau benannt.

„Es handelt sich um Personen, die entweder selbst nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind oder mindestens einen Elternteil haben, der nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist. Dargestellt werden ausschließlich in Privathaushalten lebende Personen. Folgende Personengruppen haben nach dieser Definition einen Migrationshintergrund: ‧ Ausländerinnen und Ausländer / ‧ Eingebürgerte / ‧ (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler / ‧ Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Adoption erhalten haben / ‧ Kinder dieser vier Gruppen. Dies bedeutet, dass in Deutschland geborene Deutsche einen Migrationshintergrund haben können, wenn mindestens ein Elternteil ausländisch, eingebürgert, deutsch durch Adoption oder (Spät-)Aussiedlerin beziehungsweise (Spät-)Aussiedler ist. Dieser Migrationshintergrund leitet sich dann ausschließlich aus den Eigenschaften der Eltern ab. Diese Personen »vererben« ihren Migrationshintergrund aber nicht an ihre Nachkommen, da sie selbst mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind.“

Im Jahr 2021 leben entsprechend dieser Definition 21,4 Mio. Menschen in Deutschland mit einem Migrationshintergrund, was 26,0 Prozent der Bevölkerung entspricht.

Diese Unterscheidung wird dann durch das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg auch berücksichtigt. In den Übersichten zu „Einwohnerinnen und Einwohner mit Migrationshintergrund in Berlin am 31. Dezember 2022“ werden zwei Gruppen zusammengefasst. Zum einen „Deutsche mit Migrationshintergrund“ (= 586.769 Personen) sowie „Ausländer“ (= 900.144 Personen), was einen Anteil von 1.486.913 (Personen mit Migrationshintergrund in Berlin ergibt, d. h. 38,6 Prozent der Berliner Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund, 23,4 Prozent sind Ausländer, 15,2 Prozent Deutsche.

Welche Information erbringt also die Kategorie „Ausländer“ hinsichtlich der Religionszugehörigkeiten? Keine.

Da nur die beiden großen christlichen Religionen dargestellt werden, haben die ähnlich großen Anteile bei den römischen Katholiken (24,4 Prozent) sowie bei den Sonstigen (26,6 Prozent) – in denen als große Untergruppen die Konfessionsfreien und Muslime erfasst werden -, keinerlei Bedeutung. Es ist zwar zu vermuten, dass von den großen Herkunftsgebieten der Ausländer die Polen und die Italiener der römisch-katholischen Kirche zuzurechnen sind, und die große Gruppe, die aus islamischen Ländern kommt, den Muslimen, aber das sind Vermutungen.

Die Sortierung der Bezirke nach dem Anteil der christlichen Kirchenmitglieder zeigt eine Spannbreite von 9,8 bis 31,9 Prozent.

Die Bezirke mit überdurchschnittlichen Anteilen an Kirchenmitgliedern liegen alle im (ehemaligen) Westen der Stadt.


2. Veränderungen im Zeitverlauf

In der historischen Entwicklung der Religionszugehörigkeiten in Berlin zeigt der Zeitverlauf von 1867 bis 2017, dass der Anteil der Evangelischen seit 1867 sinkt – durch den Anstieg des Anteils der zuwandernden Katholiken -, seit 1971 dann in schnellerer Veränderung und die Evangelischen in (West-)Berlin bereits 1988, also vor dem Mauerfall, die Mehrheit verloren haben.

Unter Einbeziehung der „Sonstigen“ (bei denen die Konfessionsfreien die größte Gruppe stellen) beruht der Rückgang der EKD-Evangelischen seit 1985 vor allem auf dem Anstieg dieser Gruppe. Der Anteil der römischen Katholiken ist und bleibt stabil.

Nach der Wiedervereinigung, zeigt die Zeitreihe 1990-2022 den stetigen Rückgang des Anteils der EKD-Evangelischen und die Stabilität des Anteils der römischen Katholiken, die bis 2017 bei einem 9-Prozent-Anteil bleiben und erst ab 2018 ebenfalls Anteile verlieren.


Exkurs: Mitgliederzahlen und Kirchenaustritte

Für die Veränderungen der Mitgliederzahlen der Kirchen sind vor allem drei Aspekte wesentlich.

  1. Das Verhältnis von Verstorbenen und Taufen; ist es negativ besteht ein Taufdefizit bzw. ein Sterbeüberschuss, der die Mitgliederzahl verringert.
  2. Die Kirchenaustritte, die die Mitgliederzahl verringern.
  3. Die Zuwanderung bzw. Abwanderung, die bei überwiegender Zuwanderung die Mitgliederzahl erhöht.

Da seit Jahren den Kirchenaustritten ein besonders Augenmerk geschenkt wird, war nun die Frage, wie sich die Kirchenaustritte auf die Mitgliederentwicklung der beiden großen Kirchen ausgewirkt haben.

Schon eine erste Übersicht zeigt, dass die Zahl der Kirchenaustritte (von 2002 bis 2021) sich bei den Evangelischen auf 167.747 Austritte beläuft, bei den römischen auf 96.381 Mitglieder. Geht man davon aus, dass die Relation evangelisch:katholisch in Berlin rund 2:1 beträgt, so haben die Katholiken relativ mehr Kirchenaustritte, es wären hochgerechnet rund 190.000. Allerdings zeigt sich das nicht, da der Anteil der römischen Katholiken recht stabil bei 9 Prozent verharrt und sich erst seit 2019 verringert.

Bringt man die Veränderungen in der Zahl der Kirchenmitglieder mit der Zahl der Austritte im gleichen Jahr zusammen, bleiben durch die Kirchenaustritte „Nicht erklärte Veränderungen“ (NEV) in den Mitgliederzahlen. (Auch wenn diese Daten ein unterschiedliches Veränderungspotential haben  –Austritte aus der Kirche können wieder durch Eintritte kompensiert werden, Verstorbene sind und bleiben tot, Zugewanderte können wieder zurück oder weiter ‚wandern‘ –, so erlauben sie doch eindeutige Tendenzen.)

Bei den Evangelischen sind diese NEVs nur in vier Jahren im Plus, bei den römischen Katholiken ist es umgekehrt, dort sind die NEVs nur in drei Jahren negativ.

Es ist plausibel, dass bei den ‚überalterten‘ Evangelischen sich in diesen NEVs die Geburts-/Taufdefizite darstellen, die gemeinsam mit den Kirchenaustritten die Mitgliederzahlen verringern. Bei den Katholiken ist anzunehmen – auch mit Bezug zu dem bereits erwähnten hohen Ausländeranteil – dass sich in den positiven NEVs die Zuwanderung darstellt, die mit ihren Zahlen die Austritte kompensiert, so dass der Anteil der Katholiken optisch stabil bleibt. Erst in den Jahren 2019 bis 2021, als die Austritte steigen und die Kompensationen aus den Zuwanderungen geringer sind, sinken auch die Anteile der Katholiken.

Um wen es sich bei diesen Zuwanderungen handelt, lässt sich an den fremdsprachlichen Kirchengemeinden des Erzbistums ablesen: Englischsprachig, Französisch, Italienisch, Koreanisch, Kroaten, Libanesen, Philippinen, Polen und Spanier. Insofern könnte man es auch so beschreiben: „Die katholische Kirche schmückt sich mit fremden Federn“.

3. Melderegister 2022 und Zensus 2011

Im Zensus 2011 wurden in Berlin 926.253 Kirchenmitglieder gezählt, was 28,1 Prozent der Bevölkerung entsprach.

In der Sortierung nach den Anteilen in den Bezirken zeigt sich die identische Reihenfolge wie für 2022 (Vgl. Tabelle 2.4.).

Der Vergleich der Veränderungen zwischen 2011 und 2022 zeigt, dass die Anteile der Kirchenmitglieder sich in allen Bezirken verringert haben – in einer Spannweite von 1,5 bis 12,5 Prozentpunkten.

In der absteigenden Sortierung nach den Differenzen (in Prozentpunkten) zeigt sich, dass die Anteile der Kirchenmitglieder sich in den westlichen Bezirken stärker verringert haben, nach dem Prinzip „Wo viel ist, kann auch viel verloren gehen, wo wenig ist, nur wenig“. Auch wenn die Evangelischen von einem stärkeren Rückgang der Mitgliederzahlen – in Bezug auf die Bevölkerung in den Bezirken – betroffen sind, so verlaufen die Verringerungen der Anteile bei den römischen Katholiken auf niedrigem Niveau parallel dazu.

Mit Rückblick auf die Altersgruppen unter den Kirchenmitgliedern im Zensus 2011 wird zum einen deutlich, dass ein Schwerpunkt der evangelischen Kirchenmitglieder (in realen Zahlen) in der Altersgruppe der damals 70-74-Jährigen liegt.

Elf Jahre später (2022) wären diese Kirchenmitglieder 81-86 Jahre alt und – bei einer mittleren Lebenserwartung in Berlin von 81 Jahren – zum größten Teil verstorben.

Zum anderen hat sich der Anteil der jüngeren Kirchenmitglieder verringert, so dass der ‚Nachwuchs‘ fehlt.


4. Ost-West-Unterschiede

Die Übersichtskarte mit den Anteilen der Kirchenmitglieder in den Bezirken 2022 (Karte zu Tabelle 1.4.) kann als Hinweis auf einen – nach 33 Jahren Deutsche Einheit – noch immer bestehenden Ost-West-Unterschied verstanden werden.

Dafür spricht ein Vergleich mit den Verteilungen des Religionsunterrichts in den Bezirken (Schuljahr 2017/2018), in dem diese Ost-West-Unterschiede deutlich werden.

Diese Unterschiede sollen jedoch nicht als Ewigkeitsbestand betrachtet werden. Betrachtet man nicht nur die Anteile der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung, sondern die Veränderungen in der realen Anzahl der Kirchenmitglieder in den Bezirken, so ergibt sich, dass die Anzahl der Kirchenmitglieder in den westlichen Bezirken sich deutlich verringert, in den Ost Bezirken („Mitte“ ist ein Ost/West-Bezirk) dagegen kaum verringert und in drei Bezirken ansteigt. Bei einer durchschnittlichen Verringerung der Kirchenmitglieder von 2011 bis 2022 um rund 17 Prozent, sind es in vier West-Bezirken mehr als 21 Prozent. Das heißt, dass mehr als ein Fünftel der Kirchenmitglieder in diesen westlichen Bezirken 2022 (gegenüber 2011) nicht mehr vorhanden sind, während ihre Anzahl in den östlichen Bezirken stabiler bleibt.


Carsten Frerk.

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*) Ergänzung / Aktualisierung vom 29.06.2023

Nach einer Auszählung der Deutschen Bischofskonferenz (Daten aus dem Melderegister Berlin) belief sich die Anzahl der Katholiken Ende 2022 in Berlin auf 281.427 Kirchenmitglieder. Das sind 2.166 weniger als die Auszählung des Statistischen Landesamtes. Dadurch verringert sich der Anteil der Kirchenmitglieder zum 31.12.2022 insgesamt von 19,99 auf 19,94 Prozent.