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Beschäftigte bei Kirche, Diakonie, Caritas

Erstmalig wurden die Beschäftigtenzahlen bei den beiden großen Amts-Kirchen, dem Diakonischen Werk (und seinem Vorläufer - der Inneren Mission) sowie dem Deutschen Caritasverband in einer Zeitreihe seit den 1920er Jahren aufbereitet und veröffentlicht.[1]

Dargestellt ist also die Zeit seit der „Weimarer Republik“ bis hin zur Bundesrepublik Deutschland.

In der Darstellung wird unterschieden zwischen Statusverhältnissen und Vertragsverhältnissen. In den Statusverhältnissen sind alle Beschäftigten erfasst, die in „einer besonderen Treuezusage seitens der Person gegenüber dem Arbeitsgeber“ stehen. „Das ist der Fall bei ordinierten bzw. geweihten Geistlichen, Pfarrern und Pastoren, den Mitgliedern (katholischer) Orden und Kongregationen und den Angehörigen (evangelischer) Diakonissen- und Schwestern- und Bruderschaften“ sowie den heutigen Kirchenbeamten. Kirchliche Vertragsverhältnisse beruhen dagegen auf Arbeitsverträgen, durch die sozialversicherungspflichtige Angestellten- und Arbeiterverhältnisse vereinbart sind.

Beschäftigte bei den Kirchen

In den Abbildungen 1 und 2 (ebenso wie in Tabelle 1 und 2) sind die Beschäftigtenzahlen der beiden großen Amtskirchen dargestellt. Beiden Kirchen gemeinsam sind drei Phasen: Von 1925 bis 1960, von 1960 bis 1990 und seit 1990. Während der erste Phase steigen die Beschäftigtenzahlen in der Weimarer Republik leicht an, im „Dritten Reich“ stagnieren sie und nach dem Kriegsende reduzieren sie sich - insbesondere bei der evangelischen Kirche –, da die Zahlen nur noch für die Bundesrepublik weitergeführt werden. In der zweiten Phase (1960-1990) steigen die Beschäftigtenzahlen um mehr als das Dreifache (evangelisch: von 48.397 auf 181.159; katholisch: von 59.166 auf 185.356). In der dritten Phase (seit 1990) verringern sich die Beschäftigtenzahlen.

Die Veränderungen in den Beschäftigtenzahlen beruhen vorrangig auf den Veränderungen in den Vertragsverhältnissen.

Unterschiede gibt es in der ersten Phase bei den deutlich geringeren Statusverhältnissen bei der verfassten katholischen Kirche und einer stärker „verbeamteten“ evangelischen Kirche.

Anmerkungen:

Bei den katholischen Zahlen ist zu beachten, dass sich ein großer Teil von katholischen Statusverhältnissen formalrechtlich außerhalb der verfassten Kirche befinden - die Ordensgemeinschaften der Nonnen und Mönche, die nicht Teil der verfassten katholischen Kirche sind, sondern über einen eigenständigen Rechtstatus verfügen.

Die zweite Phase zeigt sehr deutlich, dass sie mit dem Kirchensteueraufkommen nur bedingt etwas zu tun hat, da die Kirchensteuereinnahmen seit 1950 stetig gestiegen sind, und erst seit 1995 stagnieren.

In der zweiten Phase zeigt sich – ebenso wie für Diakonie und Caritas – der Ausbau von sozialen Diensten in kirchlicher Trägerschaft (z.B. bei den Kindertagesstätten), die öffentlich finanziert wurden und die Legende der angeblich aus dem Kirchensteueraufkommen finanzierten sozialen Tätigkeit der Kirchen bestärkten.

In der dritten Phase zeigt sich dann – neben der Ökonomisierung der sozialen Einrichtungen – die Schließung von Einrichtungen und Entlassung von Mitarbeitern, die zwar häufig mit dem stagnierenden /sinkenden Kirchensteueraufkommen begründet wird, realiter aber wohl eher mit der Verringerung der Zahl der Kirchenmitglieder und vor allem dem Absinken junger und jüngster Kirchenmitglieder zu tun hat, so dass die Einrichtungen/Beschäftigtenzahl dem konfessionellen Bedarf angepasst werden (z.B. Schließung von Kindertagungsstätten).


Beschäftigte bei Caritas und Diakonie

Die Entwicklung bei den beiden großen konfessionellen Wohlfahrtsverbänden ist unterschiedlich zu denen der beiden verfassten Kirchen.

Beide Verbände haben zwar auch drei parallele Zeitphasen (1922/1924 bis 1950, 1950 bis 2000, seit 2000) ihre Grundsituation und Entwicklung verläuft aber unterschiedlicher.

Während der ersten Phase (1922 - 1951) verbessert die Innere Mission bis 1933 ihre Mitarbeiterzahl zwar von 43.609 auf 56.341, verharrt dann aber bis 1941 auf diesem Stand, um 1951 noch unter die Anfangszahl von 1922 abzusinken. Von einer bereits größeren Beschäftigtenzahl (1925: 51.690) kann der Caritasverband diese Zahl bis 1933 auf 82.276 steigern, legt dann jedoch während des „Dritten Reiches“ noch einmal zu (auf 118.000 MitarbeiterInnen) und bleibt auch 1950 über der 100.000 Beschäftigtenzahl (106.058). Während jedoch bei der evangelischen Inneren Mission rund 80 % der Beschäftigten ein Statusverhältnis haben (z.B. Diakonissen), wird die Erhöhung der Zahlen beim Caritasverband durch ein rapides Ansteigen der Vertragsverhältnisse begründet (1931: 8.925 bzw. 1939: 40.000).

In der zweiten Phase zeigt sich für beide Verbände eine stetige steile Erhöhung der Beschäftigtenzahlen, zu der sicherlich auch das 1961 im Jugendhilfegesetz eingeführte „Subsidiaritätsprinzip“ , in Verbindung mit dem „Selbstkostendeckungsprinzip“ ihren Anteil haben: Die Wohlfahrtsverbände können – wie die Kirchen auch selber – sich nach Belieben die Einrichtungen auswählen, die sie betreiben wollen, die dann weitestgehend öffentlich finanziert werden.

Die Caritas erreicht – bei rund 100.00 Beschäftigten am Beginn der Bundesrepublik – bereits 1980 mehr als 250.000 Beschäftigte, während das Diakonische Werk - von 34.000 Beschäftigten ausgehend, diese Anzahl 1990 erreicht.

1990 bis 2000 steigen die Beschäftigtenzahlen noch einmal kräftig durch die Übernahme vieler Einrichtungen in den Neuen Bundesländern.

Die dritte Phase (seit 2000) zeigt eine Stagnation bzw. einen geringeren Zuwachs, da sich die Auswirkungen der in den 1990er Jahren eingeführten Prinzipien der Leistungsvereinbarungen, „gedeckelter Budgets“ und privat-gewerbliche Konkurrenz zeigen.

Insgesamt verweist das stetige und rapide Absinken der Statusverhältnisse auf die Verringerung der Anzahl der Nonnen und Diakonissen. 

Anmerkungen:

1. Nicht sichtbar wird in diesen Aggregat-Zahlen, dass ein Teil der Steigerungen der Beschäftigtenzahl durch den größer werdenden Anteil von Teilzeit-Beschäftigten erfolgt. Rechnet man die Teilzeitstellen auf Vollzeitstellen um, so zeigt sich, dass zwar die Zahl der Arbeitsplätze steigt, die Vollzeitäquivalente aber sinken.[2]

2. In diesen Zahlen sind nur die unbefristet sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erfasst. Alle Auszubildenden, Honorarkräfte, Zivildienstleistende etc. sind in diesen Angaben nicht enthalten - eine Größenordnung von rund 300.000 Mitarbeitern.

3. Zudem gibt es weitere nach dem konfessionellen Arbeitsrecht Beschäftigte außerhalb von Caritas und Diakonie, die aus historischen oder anderen Gründen nicht zu den beiden konfessionellen Wohlfahrtsverbänden gezählt werden, z.B. das katholische Kolpingwerk. Die Anzahl dieser Beschäftigten, die bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege aber sehr wohl der katholischen wie der evangelischen Wohlfahrtspflege zugerechnet werden, beträgt weitere rund 200.000 Beschäftigte.[3]

Die Gesamtzahl der bei den beiden Kirchen sowie der Caritas und der Diakonie Beschäftigten beläuft sich auf rund 1,2 Millionen Beschäftigten.

Anmerkung:

Rechnet man jedoch alle bei Caritas und Diakonie Beschäftigte und die weiteren bei konfessionellen Trägern in Deutschland Beschäftigten hinzu (vgl. dazu vorige Seite, Anmerkung, Punkt 2. und 3.), so sind es tatsächlich rund 1,7 Millionen Menschen in Deutschland, die dem besonderen kirchlichen Arbeitsrecht unterworfen sind.


[1] Hermann Lührs „Kirchliche Arbeitsbeziehungen - die Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse in den beiden großen Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden.“ Universität Tübingen, Working Paper Nr. 33 - 2006, 42 Seiten. Im Internet: http://www.wip-online.org/downloads/Luehrs_Hermann_2006_a.pdf
[2] Vgl. dazu: Carsten Frerk „Caritas und Diakonie in Deutschland“. Aschaffenburg: Alibri, 2005. Seite 133 (Caritas) und Seite 137 (Diakonie).
[3] Vgl. dazu: Carsten Frerk, a.a.O., S. 22-28.