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Homöopathie 2021

Seit 2018, als fowid über Homöopathie berichtete („Homöopathie - ein Überblick“) ist wieder Einiges geschehen, so dass diese Informationen fortgeschrieben werden sollen, denn Homöopathie sei – ob man es glaubt oder nicht, so die Homöopathie-Lobbyisten – auch gegen bzw. bei schweren Covid-19-Infektionen einzusetzen. Aber natürlich: Falls und wenn und überhaupt.

1. Zur Thematik
2. Die Homöopathie-Lobby
3. Unabhängige Studien
4. Homöopathie und Impfbereitschaft

1. Thematik

Das Thema der Homöopathie – Behandlung, Medikamente, Placebo-Effekte – ist im Themenkreis der alternativen Medizin das bekannteste und wirtschaftlich gesehen, das umsatzstärkste. Nach Umfrage von Statista: „Umsatz mit rezeptfreien homöopathischen und pflanzlichen Arzneimitteln in Deutschland im Jahr 2020“ beläuft sich der Umsatz im Jahr 2020 auf insgesamt rund 2 Mrd. Euro. (Verordnete Phytopharmaka Apotheke inkl. Versandhandel: 190 Mio. Euro / Phytopharmaka Apotheke inkl. Versandhandel: 1.184 Mio. / Verordnete Homöopathika Apotheke inkl. Versandhandel: 83 Mio. / Homöopathika Apotheke inkl. Versandhandel: 550 Mio. Euro).

Es geht also um Geld, viel Geld, und entsprechend agiert die Homöopathie-Industrie in ihrer Öffentlichkeitsarbeit, die sich dazu mit Umfrage-Daten schmückt.

2. Die Homöopathie-Lobby

Unter den Homöopathie-Lobbyisten sind als besonders öffentlich aktiv zu nennen:

Bis 2014 war das Institut für Demoskopie (IfD-Allensbach) der Umfragepartner. Die entsprechende Studie „Repräsentative Befragung – Immer mehr Menschen nehmen Homöopathika“, zeigt zwei fortlaufende typische Elemente: Zum einen wird großer Wert auf die Wissenschaftlichkeit gelegt – mit Nennung von „repräsentativ“ oder dem Institutsnamen – zum anderen wird methodisch unseriös gefragt. Ohne Begrenzung auf einen Zeitrahmen, z. B. auf die letzten 12 Monate, wird nach Verwendung homöopathischer Mittel gefragt. Das hat eine ähnliche Logik, als wenn die Befragten auf die Frage antworten sollen: „Haben Sie schon einmal Bier getrunken?“ Abgesehen von Abstinenzlern dürften an die 98 Prozent der Befragten schon einmal Bier getrunken haben, noch als Schüler oder in der Jugend, einmal und nie wieder (hat dann doch nicht geschmeckt), andere regelmäßig, etc., Ergebnis: „98 Prozent der Deutschen trinken Bier!“ Die mediale Aufmerksamkeit wird gewiss sein.

Seit 2017 ist das Institut Forsa der Umfragepartner und so heißt es in der vom BPI beauftragten Studie: „Patienten vertrauen homöopathischen Arzneimitteln“. Besonders Merkmal ist die „nebenwirkungsarme Therapieoption“, die von den Krankenkassen (weiter) bezahlt werden solle.

Im Juni 2017 lässt der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) sein lobbyistisches Anliegen ungeschminkt deutlich erkennen. Mit der Überschrift: „BPI beauftragt Forsa: Deutsche wollen Homöopathie! – Politik soll sich dafür einsetzen“ (Juni 2017) wird der BPI-Auftrag an Forsa, mitsamt dem gewünschten Ergebnis, mehr als deutlich. Das Ganze wird dann noch (im August 2017) mit einem Interview mit Martina Stamm-Fibich – einer Befürworterin der Homöopathie auf Krankenschein – für die SPD-Bundestagsfraktion ‚unterfüttert‘: „Bundestagswahl 2017: Wie steht die SPD zur Homöopathie?

Im März 2020 legt die DHU nach und verkündet: „So beliebt ist Homöopathie“, besonders bei Frauen und Ärzten. Und, da ohne Zeitfenster gefragt wird: „In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Befragten mit Homöopathie-Erfahrung um insgesamt 10 Prozentpunkte gestiegen.“

Auch im April 2020 geht der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) wieder in die Offensive. Überschrift: „Forsa-Umfrage: Große Mehrheit (61 %) befürwortet Einsatz homöopathischer Mittel“. Darunter: „Fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland würde den Einsatz homöopathischer Arzneimittel zur Behandlung von Covid-19 Erkrankungen befürworten.“ Die Darstellung ist schlicht gelogen.

Es wird dabei ausgeführt, was unter der Zwischenüberschrift „Angst vor Covid 19. Interesse an homöopathischen Methoden“ zu verstehen ist:

„Mehr als die Hälfte aller Befragten hat bereits Erfahrung mit einer homöopathischen Behandlung bei früheren Erkrankungen gemacht. Noch mehr, nämlich fast zwei Drittel aller Befragten, würden unter der Voraussetzung, dass es in der Vergangenheit schon positive Erfahrungen mit diesem Mittel gab, im Fall einer Erkrankung an Covid-19 eine homöopathische Behandlung für sich selbst oder ihnen nahestehenden Personen auf jeden Fall (26 %) oder eher (34 %) befürworten.“

In der Anlage der Forsa-Umfrageergebnisse „Homöopathie in der Einschätzung der Bürger“ zeigt sich dann aber, dass die Fragestellung zutiefst unseriös ist, da die Frage einen dreifachen Konjunktiv enthält: Wenn – gäbe – würde (Zudem wird das Auslassungszeichen nicht erläutert):

„Derzeit gibt es noch kein Mittel zur Behandlung schwerkranker Covid-19-Fälle. (…). Wenn es Hinweise darauf gäbe, dass in der Vergangenheit bei verschiedenen Epidemien in verschiedenen Regionen der Welt ein homöopathisches Mittel positive Wirkung gezeigt hat: Würden Sie dann eine Behandlung mit diesem Mittel für sich und Ihnen nahestehende Personen auf jeden Fall, eher, eher nicht oder auf keinen Fall befürworten?“

Bereits der Satz der mit „Wenn es Hinweise darauf gäbe, …“ beginnt, benennt eigentlich unmissverständlich, dass es derartige Hinweise nicht gegeben hat.

Diese Fragestellung ist nicht geeignet, die Einschätzung von Forsa als seriöses Umfrageinstitut zu befördern.

Aber in der lobbyistischen Trickkiste sind noch weitere ‚gezinkte Karten‘ vorhanden. Im September 2021 publiziert die DHU eine Forsa-Umfrage: „Homöopathie weiterhin beliebt“. Dann folgt ein Zahlenverwirrspiel:

„Demnach gaben 54 Prozent an, Erfahrungen mit dieser alternativen Therapieform gemacht zu haben (Vorjahr: 55 Prozent). Von diesen wiederum waren 48 Prozent mit der Wirksamkeit und Verträglichkeit der homöopathischen Arzneimittel zufrieden und weitere 19 sogar sehr zufrieden.“

Also: 48 Prozent zufrieden plus 19 Prozent sehr zufrieden macht 67 Prozent Zufriedenheit. Mitnichten. Da sich diese Zahl auf die 54 Prozent an Erfahrungen bezieht sind es nur 36 Prozent Zufriedenheit.

Davon abgesehen berichten Fachmedien wie Medwatch (im Februar 2019) „Wie Lobbyisten für die Homöopathie kämpfen“, mit dem Verweis auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung (2012): „Homöopathie-Lobby im Netz: Schmutzige Methoden der sanften Medizin“.

3. Unabhängige Studien

Eine neutralere Position nimmt beispielsweise die Deutsche Apotheker-Zeitung (DAZ) ein, die (im Juni 2017) berichtet: „Homöopathie-Umfrage mit zwei Gesichtern“. Neben dem positiven Image, dass der Homöopathie bescheinigt wurde, wird dann auf die größer werdende Unzufriedenheit verwiesen.

„2010 waren noch genau 80 Prozent der Umfrageteilnehmer, die schon einmal Homöopathie-Erfahrung gesammelt haben, zufrieden mit der Wirksamkeit und Verträglichkeit einer solchen Behandlung. Im Mai 2017 lag diese Zahl noch bei 72 Prozent. Und: Die Zahl der „sehr Zufriedenen“ ist in den vergangenen sieben Jahren von 37 Prozent auf 30 Prozent gesunken. Gleichzeitig stieg auch die Zahl derer, die „weniger“ oder „überhaupt nicht zufrieden“ mit der Homöopathie waren, von insgesamt 16 auf nun 26 Prozent.“

im Oktober 2017 meldete die DAZ: „Der Homöopathie-Absatz sinkt“.

Im Auftrag der Gesellschaft für die wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) hat KANTAR (früher Emnid) in Deutschland (vom 18. März bis 25. April 2021) 2.009 Personen ab 14 Jahren nach ihren Meinungen zur Homöopathie, Alternativmedizin und paranormalen Vorstellungen befragt. In einer Auswertung heißt es seitens der GWUP „Alternativmedizin verliert Zuspruch in der Pandemie“.

„Nur noch ein Drittel der Deutschen (33 Prozent) glaubt, dass Homöopathie so gut wirkt wie konventionelle Medizin; in vergleichbaren Befragungen der vergangenen 20 Jahre hatten Globuli & Co. noch bis zu drei Viertel der Deutschen überzeugt. Ähnlich fällt das Urteil über alternative Heilverfahren insgesamt aus: Nur noch 35 Prozent der Befragten möchten, dass sogenannte Alternativmedizin zusätzlich zur modernen Medizin eine Rolle in der Versorgung spielt.“

Damit verbunden ist die politikbezogene Feststellung, dass bei den Wählerpräferenzen die Esoterik in keiner Parteianhängerschaft mehrheitsfähig sei.

Diesen Tendenzen entspricht auch die CIVEY-Umfrage 2021-2022: „Glauben Sie, homöopathische Mittel sind weitgehend wirkungslos?“, bei der die Mehrheit (52 Prozent insgesamt bzw. 62 Prozent der Männer) sagt: Medikamente sind („auf jeden Fall“ / „eher ja“) wirkungslos.


4. Homöopathie und Impfbereitschaft

In der Studie von Sonja Haug, Rainer Schnell, Anna Scharf, Amelie Altenbuchner und Karsten Weber: „Bereitschaft zur Impfung mit einem COVID-19-Vakzin –Risikoeinschätzung, Impferfahrungen und Einstellung zu Behandlungsverfahren“ (April 2021) wird ein Zusammenhang von geringerer Impfbereitschaft mit Heilpraktikern sowie alternativen Heilmethoden generell festgestellt.

„In den 12 Monaten vor der Befragung wurden durchschnittlich 3 Besuche bei Allgemein- oder Fachärzten/-ärztinnen genannt. Mit steigender Häufigkeit von Arztbesuchen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit zur Gruppe der Impfbereiten zu gehören und umgekehrt unterscheidet sich die Zahl der Arztbesuche von Impfbereiten und Impfskeptischen/Impfablehnenden. Mit steigender Häufigkeit von Besuchen bei Heilpraktikern/-innen sinkt die Impfbereitschaft.“ […]
Mit steigendem Glauben an die Wirksamkeit alternativer Heilmethoden sinkt die Wahrscheinlichkeit, zur Gruppe der Impfbereiten zu gehören. Bei Personen mit hohem Glauben an deren Wirksamkeit liegt die Impfbereitschaft bei 52,9 %, bei Personen mit geringem oder mittlerem Vertrauen bei 74,5 %.“.

Im November 2021 wird dieser Aspekt in dem RND-Artikel: „Homöopathie und Pandemie: Nein zum Impfen aus Liebe zur Natur“ auf den bereits genannten Artikel (vom April 2021) verwiesen, den die Leiterin Prof. Dr. Sonja Haug erläuterte und in dem die Korrelation zwischen Impfbereitschaft und Homöopathie Anhängern dargestellt wird.

Dadurch wird u. a. deutlich, dass diese Auffassungen keinen privaten ‚Spleen‘ darstellen, sondern eine Gefährdung aller.

Carsten Frerk