Katholische Verbände 2023 und 2014
Angesichts der Kirchenaustritte stellen sich die Fragen, welche Kirchenmitglieder austreten und wie die Tendenz der Mitgliederentwicklung sich in den katholischen Verbänden darstellt. Beide Fragen lassen sich in der Hinsicht beantworten, dass sich für die römisch-katholischen Kirche das ‚Fundament‘ in den Gemeinden verringert, denn vor allem die beiden großen Frauenverbände haben in den vergangen zehn Jahren rund ein Drittel ihrer Mitglieder verloren.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist in der Bündelung der katholischen Verbände aller Facetten gleichsam das ‚Laien-Fundament‘ der römisch-katholischen Kirche. Es sind die ‚Vorfeld-‘ und die ‚flankierenden Organisationen‘ für die vorwiegend ehrenamtliche, d. h. unentgeltliche Organisation des allgemeinen kirchlichen Alltags- und spezifischen Vereinslebens. Darin drückt sich der katholische Anspruch aus, die Menschen einer Gesellschaft „allumfassend und total“ zu organisieren: nach Männern und Frauen, Jugend und Familien, berufsständisch – von Studenten über Soldaten bis hin zu Krankenschwestern und Ärzten, von Beamten bis zu Unternehmern und den Arbeitern etc. - und unter kulturellen wie sozialen Aspekten.
Insofern ist verständlich, dass katholische Medien besorgt feststellten: „So viele Mitglieder haben die katholischen Verbände noch“, und die Entwicklung der Mitgliederzahlen für einige ausgewählte Verbände seit 2014 recherchierten.
Die Mitgliederzahlen der genannten Verbände belief sich 2014 auf rund 1,2 Mio. Frauen und Männer, 2023 waren es noch rund 800.000, d. h es ist eine Verringerung der Mitgliederzahlen um insgesamt knapp ein Drittel (360.000 = 31,1 Prozent). Den größten Anteil der Mitgliederverluste bei den dargestellten Verbänden haben mit 240.000 die beiden katholischen Frauen-Verbände, die zwei Drittel dazu beitragen.
Für eine erste Einschätzung der Veränderungen erscheint einerseits ein innerkatholischer Vergleich sinnvoll, andererseits ein außerkirchlicher Vergleich.
Im innerkirchlichen Vergleich zeigt sich, dass die Verringerung der Mitgliederzahl der Verbände (31,1 Prozent) das 2,5-fache bedeutet, gegenüber der Verringerung der Anzahl der Kirchenmitglieder insgesamt (12,5 Prozent). Was bedeutet, dass die Engagierten – in den Verbänden Organisierten – sich stärker von der katholischen Kirche distanzieren als die ‚einfachen‘ Mitglieder.
Im außerkirchlichen Vergleich - am Beispiel der Anzahl der Gewerkschafts- und der Parteimitglieder – zeigt sich einerseits zwar, dass auch dort diese Mitgliederverringerungen festzustellen sind, andererseits aber diese Veränderungen geringer sind als im Bereich der römisch-katholischen Kirche.
Die DGB-Gewerkschaften haben in den Mitgliederzahlen ebenso ‚Gewinner‘ wie ‚Verlierer‘, aber die Verringerungen belaufen sich im genannten Zeitraum (2014-2023) nur auf rund sieben Prozent.
Bei den Mitgliederzahlen der politischen Parteien ist die Entwicklung insgesamt parallel zu den Gewerkschaften, mit insgesamt ebenfalls sieben Prozent Rückgang.
Beide außerkirchliche Entwicklungen verdeutlichen, dass die Verringerungen der Mitgliederzahlen von Organisationen ein allgemeines Phänomen sind, die römisch-katholische Kirche in Deutschland aber stärker betrifft, als die Gewerkschaften und die Parteien.
Die Entwicklungen sind dabei unterschiedlich. Die jüngere Landjugendbewegung und die Katholische Junge Gemeinde haben keine oder geringere Mitgliederverluste, was innerkirchlich dazu passt, dass auch die Anzahl der katholischen Taufe geringere Verluste nennt, als z. B. die Anzahl der kirchlichen Trauungen.
Für die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), die von 2014 bis 2023 die Hälfte ihrer Mitglieder verloren hat, werden als Grund u. a. die „Überalterung“ genannt, was heißt, dass die Älteren sterben und der Nachwuchs fehlt.
In den Größenordnungen bemerkenswert sind neben der KAB die beiden großen Frauenverbände. Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) verliert 2014-2023 rund 65.000 Frauen als Mitglieder (minus 28 Prozent) und die ‚große Schwester‘, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), verliert 185.000 Frauen (minus 41 Prozent).
Für die Entwicklung in beiden Frauenverbänden wird neben den allgemeinen Problemen mit der Amtskirche vor allem eine Beitragserhöhung genannt. Auch wenn berichtet wird, dass der „Löwenanteil“ der Beiträge an die Bundesebene geht, hat der Münchener Merkur ‚vor Ort‘ nachgefragt und berichtet: „Beitragsärger bei kfd und KDFB“.
„Auf der Liste skandalträchtiger Organisationen rangiert die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) irgendwo auf den hinterletzten Plätzen. Doch hinter den Kulissen ist der Ärger groß: Reihenweise Pfarrgruppen der kfd im Landkreis Ebersberg lösen sich auf. Und auch die Schwesterorganisation, der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), ist davon nicht verschont. Auslöser des Grolls an der Basis sind steigende Mitgliedsbeiträge, von denen nur wenig vor Ort verbleibt, während der Rest an die Dachverbände abfließt. „Die spinnen ja!“, ärgert sich eine Ehrenamtliche aus dem Landkreis anonym.“
In Zahlen heißt das: „Fünf Euro bleiben vor Ort – 33 an den Dachverband“.
Im September 2015 konnte das Erzbistum München noch berichten: „35 Jahre kfd St. Pankratius Emmering“, was mit einem Familiengottesdienst in der Pfarrkirche gefeiert wurde. Jahresmitte 2022 löste sich der örtliche kfd auf und trat damit aus dem Verband aus. Einige der Frauen gründeten im Juli 2022 den Verein „Emmeringer Frauen“ zu dem es hieß „Alle Altersgruppen machen mit: Riesenansturm auf ‚Emmeringer Frauen‘.“
„Von einer Krise im Vereinsleben der Frauen ist in der 1500-Einwohner-Gemeinde Emmering nichts zu spüren: Mit 103 Beitrittserklärungen rannten die Interessentinnen den „Emmeringer Frauen“, schon bei der Gründungsversammlung die Bude ein, berichtet Gertrud Egger (44), eine von sieben Frauen, die ins Vorstandsteam gewählt sind. „Wir sind frei, unabhängig, konfessionslos“, sagt sie über den neuen Verein „mit. von. für. Frauen“, wie es im Slogan heißt.“
Zu Beginn des Jahres 2023 wurde dann berichtet: „Frauen krempeln ganze Gmoa um“. Das Programm zur Jahreseröffnung 2024 steht auf Instagram, mit „Vier-Gänge-Menu / Life-Musik / Tanz. Dresscode Abendgarderobe“.
Auf fowid-Anfrage, wie es um den Kontakt zur Pfarrgemeinde aussehe, hieß es: „Etwa 15 ältere Frauen haben noch den Kontakt zur Pfarrei und feiern deren Feste mit. Die anderen interessiert es nicht so sehr.“
Auch wenn die „Emmerdinger Frauen“ nur ein Beispiel sind – was nicht so ohne Weiteres verallgemeinert werden sollte –, zeigt es doch, dass die Jahrhunderte von Selbstverständlichkeiten der Zuordnung zur römisch-katholischen Kirche auf dem Land immer mehr der Vergangenheit angehören.
Carsten Frerk.