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Polygamie in Deutschland und der Welt

Die Polygamie wird „dem Islam“ zugeordnet und die Beschreibungen reichen von dem „Märchen aus 1011 Nacht“ bis hin zur Ehefrau, die unter männlicher Vormundschaft steht und keinerlei Rechte hat. Empirische Studien zur Polygamie kommen zu differenzierteren Aussagen, inwiefern die Polygamie verbreitet ist und wie sich „die Christen“ verhalten. Zudem ist die Rechtsform einer Ehe von der gelebten Polygamie zu unterscheiden – in Deutschland und der Welt. Es besteht Reformbedarf.

Von Carsten Frerk.

1. Eherecht
2. Gelebte Polygamie
3. Statistik
     3.1. Deutschland
     3.2. Weltweit
     3.3. Vor Ort
4. Fazit

Es ist eine eindrucksvolle Reise durch die Jahrhunderte der Weltgeschichte, wenn man betrachtet, wie in allen Gesellschaften und Kulturen versucht wurde und wird, die Sexualität der Menschen in ‚geordnete Bahnen‘ zu lenken oder zumindest die Eigenart der Beziehung zu benennen und/oder sie eherechtlich zu bewerten. Eine Auswahl:

Arrangierte Ehe / Bao Ernai / Bratkartoffelverhältnis / Cicisbeismus / Cicisbeo / Ehe zur linken Hand / Freie Liebe / Friedlehe / Gruppenehe / Gynäogamie / Imam-Ehe / Josefsehe / Kebsehe / Kommune / Konkubinat / Levirat / Mätresse / Misyār-Ehe / Monogamie / Morganatische Ehe / Muntehe / Mutʿa-Ehe / Onkelehe / Polyamorie / Polyandrie / Polygamie / Polygynie / Raubehe / Serielle Monogamie / Scheinehe / Sororale Polygynie / Wilde Ehe / Zwangsheirat.

Im deutschen Sprachgebrauch wird allgemein der Begriff Polygamie (Ehe mit mehr als zwei Partnern) verwendet, obwohl es eigentlich stets nur um eine Variante der Polygamie, die Polygynie geht (ein Mann mit mehreren Frauen). Die Polyandrie (eine Frau mit mehreren Männern) ist vermutlich für ein patriarchalisches Hirn unvorstellbar, so dass Polygamie sinngleich mit Polygynie verwendet wird.

1. Eherecht

Der Philosoph Immanuel Kant hat sich ausführlich in der „Metaphysik der Sitten“ (1797) zum Eherecht geäußert. Bekannt ist das Zitat zum Ehevertrag als „der Lust zum wechselseitigen Gebrauch der Geschlechtseigenschaften“ (§ 24, Absatz 3). Manchmal auch (wie von Volker Sigusch, S. 35) als „wechselseitiger Gebrauch der Geschlechtswerkzeuge“ zitiert). Immanuel Kant:

„Es ist nämlich, auch unter Voraussetzung der Lust zum wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigenschaften, der Ehevertrag kein beliebiger, sondern durchs Gesetz der Menschheit notwendiger Vertrag, d.i., wenn Mann und Weib einander ihren Geschlechtseigenschaften nach wechselseitig genießen wollen, so müssen sie sich notwendig verehlichen, und dieses ist nach Rechtsgesetzen der reinen Vernunft notwendig.“

Alle anderen Eheformen, wie die Polygamie, das Konkubinat etc. lehnt Immanuel Kant ab, da es keine wechselseitige Gleichheit des Besitzes sei. Allerdings ist er von der Idee einer Gleichberechtigung noch recht weit entfernt, da er von der „natürlichen Überlegenheit des Mannes“ ausgeht (26, Absatz 2):

„Wenn daher die Frage ist: ob es auch der Gleichheit der Verehlichten, als solcher widerstreite, wenn das Gesetz von dem Manne in Verhältnis auf das Weib sagt: er soll dein Herr (er der befehlende, sie der gehorchende Teil) sein: so kann dieses nicht als der natürlichen Gleichheit eines Menschenpaares widerstreitend angesehen werden, wenn dieser Herrschaft nur die natürliche Überlegenheit des Vermögens des Mannes über das weibliche, in Bewirkung des gemeinschaftlichen Interesse des Hauswesens und des darauf gegründeten Rechts zum Befehl zum Grunde liegt, welches daher selbst aus der Pflicht der Einheit und Gleichheit in Ansehung des Zwecks abgeleitet werden kann.“

Was Immanuel Kant so beschreibt hat sich dann ja auch entsprechend über Jahrhunderte im deutschen Eherecht darstellt: Bigamie ist verboten, das einzige Lebensziel der Frau ist die Heirat und die Mutterschaft, einzige Lebensform die Ehe, der Ehemann ist der „Herr des Hauses“ und die Frau hat keine formalen Rechte. Es ist noch nicht so lange her, dass auch in (West-)Deutschland eine Frau nicht mehr die Zustimmung des Ehemannes brauchte, um eigenständig eine Arbeit aufzunehmen.

„Eine Erwerbstätigkeit von Ehefrauen war nicht verboten, doch von 1958 bis 1977 hieß es in § 1356 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): ‚Sie [die Frau] ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.‘ Und ob dies so war, hatte der Ehemann zu entscheiden: Er musste die Erlaubnis zum Arbeiten geben und konnte Arbeitsverträge ohne die Zustimmung seiner Ehefrau eigenständig kündigen. Das änderte sich erst 1977. Seitdem heißt es unverändert: ‚Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein.‘“ (Legal Tribune Online.)

Diese Rechtsform der Ehe hat eine lange Geschichte – und dabei ist es unerheblich, ob es sich bei der Ehe um eine Einehe oder eine Mehrehe handelt –, beide haben die Aufgabe, die Entscheidungsfreiheit der Frauen und ihre natürlichen Präferenzen bei der sexuellen Partnerwahl zu beenden. So beschreibt die Biologin Meike Stoverock in: „Female Choice – Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“ (2021), wie sich die Paarungsstrategien von Frauen (Klasse) und Männern (Masse) unterscheiden. Als die Menschen noch als Nomaden unterwegs waren, konnten die Frauen sich entscheiden, mit welchem Mann sie ein Kind zeugten. Das ging, da die Sippe sich um Mutter und Kind kümmerte, hatte aber stärker werdend das Problem, dass immer mehr Männer – bis zu 80 Prozent – ohne heterosexuelle Sexualität leben mussten. Mit der Sesshaftwerdung, d. h. dem gemeinsamen Leben auf engem Raum, entstand daraus eine gemeinschaftsgefährdende Aggressivität dieser Männer, die durch die Strategie von „Jeder eine Frau!“ gemildert wurde.

Eingebettet in Regeln und Zwänge wurde die monogame, lebenslängliche Ehe („Kirche, Küche, Kinder“) zum alleinigen Lebenszweck der weithin rechtlosen Frauen. Für die Männer der wohlhabende Oberschicht bestehen allerdings – durch die Jahrhunderte und auch aktuell – andere Regeln.

Gesetze sind Ausdruck der „herrschenden Meinung“ – was nicht heißt, dass die Mehrheit der Bevölkerung dieser Meinung ist oder sein muss. Es geht also um die Regelung von ökonomischen, moralischen und politischen Interessen. Dabei muss allerdings zwischen der Rechtsform und der Lebensform unterschieden werden.

Die Ehe, d. h. genauer gesagt, der Ehevertrag des Eherechts der Monogamie in Deutschland ist eine durchaus umfangreiche Sammlung im Bürgerlichen Gesetzbuch mit 290 Paragraphen: von „Verlöbnis“ (§§ 1297-1302 BGB), „Eheschließung“ (§§ 1303-1320 BGB), „Ehewirkungen“ (§§ 1353-1563 BGB) bis zur „Scheidung“ (§§ 1564-1588 BGB). Da wird vieles minutiös geregelt und so ist auch der § 1300 BGB („Kranzgeld“) erst zum 1. Juli 1998 ersatzlos gestrichen worden ist.

Zur Polygamie (bei einem weiteren Ehepartner auch „Bigamie“ genannt) finden sich gleich zwei Regelungen: zum einen die Negation nach § 1306 BGB (Doppelehe): „Eine Ehe darf nicht geschlossen werden, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen, und einer dritten Person eine Ehe besteht.“ Zum anderen ist es auch noch nach § 172 StGB strafbar (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe). Dazu schreibt ein Rechtsportal, das auch noch weitere Straftatbestände dazu kommen können:

„§ 172 StGB bestraft also denjenigen, der trotz einer bestehenden Ehe nochmals heiratet. Auch der nicht verheiratete Partner macht sich strafbar, wenn ihm die Ehe des anderen bekannt ist (erforderlicher Vorsatz gemäß § 15 StGB). Vollendet ist die Tat mit dem formell gültigen Abschluss der zweiten Ehe. Der Versuch ist nicht strafbar, dies folgt aus § 23 Abs. 1 StGB, denn Ehebruch ist ein Vergehen (kein Verbrechen), und die Strafbarkeit des Versuchs ist in der Norm nicht festgelegt.“

Als Schutzwall für die monogame Ehe galt in (West-)Deutschland bis August 1969 der alte § 172 des Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (von 1876), der den „Ehebruch“, durch den außerehelichen Geschlechtsverkehr, auf Antrag unter Strafe stellte.

„§. 172. Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die Ehe geschieden ist, an dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein.“

Das Prinzip der „Verschuldung“ bei Scheidungen wurde im Juli 1977 aufgehoben.

Und diese Bastion der monogamen „Bürgerlichen Ehe“, die mit Hochzeitsfeiern, Treueschwüren und vielerlei Brauchtum emotionalisiert und mit Kitsch umrankt wurde, wird nun vorgeblich von der „islamischen Polygamie“ bedroht – auch wenn die Realgefährdung wohl eher als gering anzunehmen ist: Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik des BKA (PKS) wurden unter Straftaten gemäß § 172 StGB („Doppelehe“) für die Jahre 2018 und 2019 jeweils 30 und 37 Fälle aktenkundig.

Im Islam gilt die Sure 4:3 als Richtlinie, die die Mehrehe auf vier Ehefrauen begrenzt, unter der Voraussetzung, dass der Mann alle gleichermaßen ernähren kann. Allerdings wird diese Sure normalerweise verkürzt zitiert, da die Zahl der Sklavinnen nicht begrenzt wird, was wiederum der germanischen „Kebsehe“ entspricht.

Den Verteidigern des christlichen Abendlandes ist es aber nur recht, die Zuwanderung von Schutzsuchenden unter dem Polygamie-Hinweis zu skandalisieren. Ein Problem dabei ist, dass nach dem Wegfall des seit 1876 bestehenden kirchlichen Vortrauungsverbots in Deutschland (zum 1.1.2009) eine religiöse Trauung möglich ist, ohne dass eine zivilrechtliche Trauung vorausgehen muss. So heißt es in der Bundestagsdrucksache 16/1831 (Seite 33) dass sich das Vortrauungsverbot inzwischen historisch überholt habe.

„Die ursprünglich zur Durchsetzung der 1876 eingeführten obligatorischen Zivilehe und zur Sicherung ihres zeitlichen Vorrangs gegenüber der kirchlichen Trauung mit einer Strafvorschrift (heute: Ordnungswidrigkeit) versehene Regelung hat heute – zumindest im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen – keine praktische Bedeutung mehr. Die eindeutige Aussage der Eheschließungsvorschrift in § 1310 BGB lässt keinen Zweifel daran, dass nur die standesamtliche Eheschließung eine Ehe im Rechtssinne begründen kann und damit Vorrang vor einer kirchlichen Trauung oder sonstigen religiösen Eheschließungsfeierlichkeiten hat.“

Übergangen wurde dabei auch die gesamte Thematik der Gültigkeit von der in den Heimatländern von Zugewanderten rechtlich erlaubten Polygamie in Deutschland.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte (im Mai 2018) entschieden: „Mehrehe eines Ausländers hindert nach geltendem Recht nicht dessen Anspruchseinbürgerung“. Kernsatz ist dabei die Interpretation der Prinzipien einer „freiheitlich demokratischen Rechtsordnung“, die kein Bekenntnis zur bürgerliche Einehe beinhalten.

„Der Rechtsbegriff der ‚freiheitlichen demokratischen Grundordnung‘ ist bezogen auf die Gestaltung der staatlichen Ordnung und ihres Handelns. Dieser Rechtsbegriff ist damit enger als das Erfordernis der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Er verlangt vom Einbürgerungsbewerber ein Bekenntnis zu einem auf Recht und Gesetz sowie der Achtung und dem Schutz der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gründenden Gemeinwesen, aber kein Bekenntnis zum Prinzip der bürgerlich-rechtlichen Einehe.“

Politisch blieb die Frage jedoch umstritten. Und so heißt es (Mai 2019) „Einbürgerung bleibt trotz Mehrehe möglich“. Gegen das Urteil des BVerwG hat dann der Bundesrat (am 17.5.2020) entschieden (Drucksache 154/19), dass der Grundsatz der Einehe im Grundgesetz verankert sei und ein Verstoß dagegen die Einbürgerung verhindere.

„Der über die Einbürgerung bewirkte Zugang zum Staatsvolk stellt bestimmte Anforderungen an die Identifikation mit dem bestehenden Gemeinwesen auf, die nicht erfüllt sind, wenn der Einbürgerungsbewerber mit einem weiteren oder mehreren Ehegatten verheiratet ist. Der Grundsatz der Einehe ist in der Bundesrepublik Deutschland verfassungs- und strafrechtlich verankert. Dies gebietet dessen Beachtung durch einen Einbürgerungsbewerber und hindert den Anspruch auf Einbürgerung daher auch dann, wenn die Doppelehe im Ausland wirksam geschlossen worden ist und auch nicht gegen deutsches Strafrecht verstößt.“

Diese Sichtweise wurde in der aktuellen Fassung (Februar 2020) des Staatsangehörigkeitsgesetzes § 10, Absatz 1, Punkt 7, 1 entsprechend formuliert. Dem entspricht auch Aufenthaltsgesetz, § 30 Ehegattennachzug, Absatz 4:

„Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.“

Allerdings sind die Ausländerbehörden befugt, in dem Fall, dass ein Vater mehrere Kinder von zwei oder mehr Ehefrauen mit nach Deutschland bringt, den Müttern, auf Antrag der Kinder, eine Aufenthaltsberechtigung zu gewähren – als Mütter, nicht als Ehefrauen.

2014 hat es in der Schweiz eine Diskussion um die Reform des Familienrechts gegeben. Angestoßen durch die Bundesrätin (Justizministerin) Simonetta Sommaruga. Medial besondere Aufmerksamkeit fand ein Gutachten der Basler Jura-Professorin Ingeborg Schwenzer, in der im Familienrecht der Begriff der Ehe zugunsten von „Lebensgemeinschaften“ jeglicher Art ersetzt wird und auch die Möglichkeit der Mehrehe angesprochen wird. Eine Positionierung, die nicht überraschend war, da Ingeborg Schwenzer bereits 2006 über das „Model Family Code“ referiert hat. In einem Interview „Das Recht soll der Realität folgen“ erläutert sie ihre Position:

„Es ist an der Zeit, sich zu überlegen, wie ein modernes Familienrecht aussehen könnte, das den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung trägt. Man soll sich dabei fragen, wie die Menschen tatsächlich leben. Dazu habe ich ein Gutachten verfasst, das von drei Grundsätzen geprägt ist: Der Staat soll sich erstens nicht in die Beziehungen von Erwachsenen einmischen, wenn sie fähig sind, sie selber zu regeln; weiter wichtig sind mir zweitens die Verantwortung gegenüber Partner und Kindern sowie drittens der Schutz des Kindeswohls – dieses steht eigentlich über dem Ganzen.“

In der Zusammenfassung des Gutachtens heißt es unter anderem:

„143. Ein zeitgemässes Familienrecht ist statusunabhängig anzuknüpfen und muss die Prinzipien der Nichteinmischung, des Einforderns von Verantwortung und des Vorrangs des Kindeswohls verwirklichen.
144. Lebensgemeinschaften sind entsprechend der Statusunabhängigkeit gleichzustellen, auch wenn die Ehe beibehalten wird.
145. Eine rechtlich relevante Lebensgemeinschaft liegt vor, wenn sie mehr als drei Jahre gedauert hat, ein gemeinsames Kind vorhanden ist oder ein oder beide Partner erhebliche Beiträge für die Gemeinschaft oder im Interesse des anderen Partners erbracht hat oder haben.“

Auf Grund eines Antrags der Schweizerischen Volkspartei im Nationalrat wurde die Diskussion darüber im Mai 2014 beendet, was im Juli 2014 vom Bundesrat bestätigt wurde. Die NZZ kommentierte: „Es braucht keine modischen Neuerungen“.

Im islamischen Recht ist die formale Voraussetzung für eine Ehe u. a. der Ehevertrag, in dem die Eheschließenden weitreichend ihre eigenen Vorstellungen einbringen können. Ob das eine Frau durchsetzen kann ist kein Automatismus. Die Bandbreite der Varianten, z. B. die schiitische „Ehe auf Zeit“ (von 30 Minuten bis 99 Jahre), ist erheblich.

2. Gelebte Polygamie

Nach Christian Morgenstern gilt: „Die unmögliche Tatsache“.

„Eingehüllt in feuchte Tücher, / prüft er die Gesetzesbücher / und ist alsobald im klaren: / Wagen durften dort nicht fahren! / Und er kommt zu dem Ergebnis: / ‚Nur ein Traum war das Erlebnis. / Weil‘, so schließt er messerscharf, / ‚nicht sein kann, was nicht sein darf.‘

Da Polygamie in Deutschland strafbar ist, wird die tatsächlich gelebte Polygamie ‚unter der Decke‘ gehalten.

Es spannt sich – um nur in der neueren Geschichte zu bleiben ‒ ein weiter Bogen vom evangelischen Dr. Martin Luther („Will die Frau nicht, so komm’ die Magd!“, Luther, WA X2 290 – womit auch der Begriff von „Kind und Kegel“ gemeint ist, die ganze Familie der ehelichen und der nicht-ehelichen Kinder ‒ bis hin zum katholischen Dr. Helmut Kohl, verheiratet, und seiner jahrelangen Geliebten.

Das sind zwei Beispiele einer „informellen oder gelebten Polygamie“ als Lebensform – im Unterschied zur „formalen oder legalen Polygamie“ als Rechtsform.

Geht man weiter in die Geschichte zurück, dann ist beispielsweise die christliche Bibel ein Füllhorn verschiedenster (heute in Deutschland strafbarer) Sexualbeziehungen. So hat Abraham, der ‚Gründervater‘ der drei abrahamitischen Religionen, nicht nur seine Ehefrau Sara, sondern auch eine Sklavin, Hagar, als Nebenfrau und sie ist die Mutter seines Sohnes Ismael.

Die Geschichte von Herrn Lot und seinen Töchtern handelt von Inzest, Vergewaltigung und ‚Samenklau‘ (Genesis, 19, 26 ff.):

„26 Als sich aber seine Frau hinter ihm umblickte, wurde sie zu einer Salzsäule. […] 30 Lot zog von Zoar hinauf und ließ sich mit seinen beiden Töchtern im Gebirge nieder. Er fürchtete sich nämlich, in Zoar zu bleiben. Er wohnte in einer Höhle, er und seine beiden Töchter. 31 Eines Tages sagte die Ältere zur Jüngeren: Unser Vater wird alt und einen Mann, der mit uns verkehrt, wie es in aller Welt üblich ist, gibt es nicht. 32 Komm, geben wir unserem Vater Wein zu trinken und legen wir uns zu ihm, damit wir durch unseren Vater Nachkommen erhalten. 33 Sie gaben also ihrem Vater in jener Nacht Wein zu trinken; dann kam die Ältere und legte sich zu ihrem Vater. […] 36 Beide Töchter Lots wurden von ihrem Vater schwanger.“

Wer auf den „schrecklichen Koran“ verweist, sollte doch vorher in der Bibel nachlesen, wie es um die Grundlagen des „christlich-jüdischen Abendlandes“ bestellt ist. Denn, um diese historischen Legenden und Tatsachen noch zu erweitern, hatte der biblische Jakob (Bibel, Gen 29,1 – 30,24) nicht nur zwei Frauen (zwei Schwestern) sondern auch die beiden Sklavinnen der Frauen als Nebenfrauen, mit denen er zusammen 12 Kinder zeugte – die Führer der zwölf israelischen Stämme. Und gegen die 1.000 Frauen Salomos (Bibel, 1 Könige 11) – 700 fürstliche Frauen und 300 Nebenfrauen – ist die Polygamie von König Abd al-Aziz ibn Saud (1875 – 1953) mit 24 Frauen und 43 Söhnen – Töchter wurden nicht mitgezählt – oder von König Saud ibn Abd al-Aziz (1902 – 1969) mit mehr als 100 Frauen und rund 100 Söhnen und 50 Töchtern, durchaus in dieser jüdisch-christlichen Tradition, aber wesentlich geringer.

Auch Alan Posener hat auch einmal nachgezählt:

„Würde Abraham jedoch heute in Deutschland seine Zelte aufschlagen, könnte er nach §1306 BGB für drei Jahre ins Gefängnis wandern. Denn er hatte ja zwei Frauen, sein Enkel Jakob vier; Moses zwei; König David mindestens achtzehn; der weise Salomon siebenhundert plus dreihundert Konkubinen.
Der Prophet Mohammed ehelichte – je nach Überlieferung – elf oder dreizehn Frauen. Zum leistungsunabhängigen Bonus eines Kalifen gehörte ein Harem so selbstverständlich wie heute beim Topmanager das Aktienpaket.“

Eine Tatsache, die nach einem Bericht von Markus Pohlmann („Chinesische Funktionäre, Manager und ihre Konkubinen – Der symbolische Ausweis von Macht, Potenz und Reichtum und die Korruption im modernen China“) auch heute noch in der Volksrepublik gilt.

Durch alle Jahrhunderte und Kulturen gilt bis heute der alte Grundsatz: „Quot licet jovi, non licet bovi!“ („Was dem Jupiter [einem Gott] erlaubt ist, ist dem Ochsen [dem Bauern] nicht erlaubt“).

3. Statistik

3.1. Deutschland

In Artikeln wie „Das Dasein als Geliebte“ (2001) wird – mit dem Untertitel „Akzeptanz, Mitleid und Hass gegenüber der „Zweitfrau“ – eine Umfrage“ berichtet, dass jede dritte Frau (29 Prozent) schon einmal im Leben eine Geliebte war und jede Fünfte (21 Prozent) „hätte nichts dagegen, noch einmal die zweite Partnerin zu sein.“

Zur formalen Polygamie unter Zugewanderten sind keine Zahlen bekannt und entsprechend hat das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz eine Anfrage der AfD (Drucksache 7/269 vom 05.02.2020) beantwortet, dass die Zahlen auch nicht erfasst werden.

„Nach Aufhebung des Voraustrauungsverbots im Rahmen der Reform des Personenstandsgesetzes ist die im Gebrauch verschiedener religiöser Gemeinschaften nach deren religiösen Ritus durchgeführte Trauung grundsätzlich zulässig und insofern als Religionsausübung gewährleistet. Der Bundesgesetzgeber hatte klargestellt, dass die bürgerlichen Wirkungen der Ehe ausschließlich infolge der vor dem Standesbeamten zu schließenden obligatorischen Zivilehe eintreten. Weder Religionsgemeinschaften, die religiöse Eheschließungen durchführen, noch die Anzahl derartiger Eheschließungen, werden deshalb erfasst.“

Im Bundestag hat die AfD-Fraktion (2020) einen Antrag eingebracht: „Maßnahmen zur Bekämpfung von Vielehen in der Bundesrepublik Deutschland“ (Bundestagsdrucksache 19/22705), in dem viele Behauptungen genannt werden. Darin wird auf einen Artikel in DIE WELT verlinkt und ein „renommierter“ Wissenschaftler zitiert:

„Der renommierte Islamrechtler Mathias Rohe schätzte bereits im Jahr 2012, dass 20 bis 30 Prozent der arabischen Männer in Berlin Zweitfrauen haben.“

Mathias Rohe ist zum einen vorrangig Inhaber eines Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Erlangen-Nürnberg und zum anderen lauten die Formulierungen in dem verlinkten WELT-Artikel anders:

„Bereits vor September 2015 waren Vielehen hierzulande kein Massenphänomen, aber auch keine Einzelfälle. Aus Befragungen zum Thema islamische Paralleljustiz weiß der Islamrechtler Mathias Rohe, dass das ‚Phänomen‘ der Polygamie in Berlin ‚sehr verbreitet ist‘. Kenner der arabischen Szene schätzen den Anteil arabischer Männer mit Zweitfrauen in der Hauptstadt auf 20 bis 30 Prozent. Und alle Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Mehrehen in den vergangenen Jahren hierzulande zugenommen hat.“

Im Plenarprotokoll 19/19206 zu diesem Antrag zeigt die Diskussion, dass von keiner Fraktion Sachdienliches beigetragen wird. Es sind alles nur Schätzungen und Mutmaßungen.

Allenfalls reicht es für mediale Schlagzeilen, mit denen man seine Meinungen überprüfen kann, wie: „Polizei: Doppel-Ehe endet mit Bluttat“ oder: „Bielefelderin wegen Doppelehe verurteilt“, allerdings waren das dann sechs Heiraten. (Den Spitzenwert hält eine Britin:

„Theresa Vaughn gestand 1922 vor dem Gericht in Sheffield, dass sie in fünf Jahren 61 Männer geehelicht hatte. Durchschnittlich einen pro Monat. Sie wurde wegen Bigamie zu einer Haftstrafe verurteilt.“)

Oder (2011) der „Imam Abu Adam, der mit zehn Kindern und seinen drei Frauen in einer Wohnung in München bis zum Jahr 2011 zusammenlebte.“ Und: „Abu Adam saß knapp drei Monate in Untersuchungshaft, bis die Frau ihre Aussage widerrief.“ Das Ganze setzte sich fort zu (2017): „IS-Verdacht: Münchner ‚Prügel-Imam‘ Abu Adam in Spanien verhaftet“, nun schon mit vier Frauen und fünfzehn Kindern, und dann (2020): „Ex-Münchner Prediger Hesham Shashaa unter Terrorverdacht“.

Nachdem die BILD die 30-Prozent-AfD-Mußmaßungen aufgegriffen hatte, schickte DIE ZEIT (2017) einen arabischen Kollegen nach Berlin-Neukölln und für seinen Bericht: „Arabische Polygamisten, bitte melden!“ fand er, statt der erwarteten rund 1.500 Männer, die der „Vielweiberei“ frönten, nach langem Suchen nur einen einzigen, der zudem mit seinen zwei Frauen nicht gerade glücklich war.

Die einzigen ‚sicheren Zahlen‘ zur strafbaren Polygamie in Deutschland stammen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes. Dort lassen sich die Fallzahlen für Straftaten bezüglich „Doppelehe“ feststellen.

3.2. Weltweit

In der Türkei, wo die Polygamie seit der Staatsgründung 1924 verboten ist, soll es nach einem Bericht der taz „Der Trend geht zur Zweitfrau“ (2011) etwa 200.000 Zweitfrauen geben. Wenn auch mit Zustimmung der regierenden AKP – allerdings ohne jegliche rechtliche Absicherung. Dem entspricht auch ein Bericht im STERN: „Türkei: Eine syrische Zweitfrau gibt es für 1800 Euro“, (April 2015) in dem davon die Sprache ist, dass vor dem Bürgerkrieg in Syrien schon „damals in der Türkei rund 372.000 Frauen als ‚Kuma‘, also als Zweit-, Dritt- oder sogar Viertfrau“ lebten.

Entsprechend hat die türkische Familienberaterin Sibel Üresin gefordert, die Vielehe zu legalisieren: „Sturm der Entrüstung: Türkische Verhaltensforscherin fordert Legalisierung der Vielehe“ (2019).

„Zu verhindern sei die Vielweiberei ohnehin nicht, argumentiert Üresin, die sich auf ihre Erfahrungen aus jahrelanger Praxis an kommunalen Familienberatungsstellen beruft, wo sie Seminare zu den ‚Geheimnissen der guten Ehe‘ gibt und Partnerschaftsberatung anbietet. ‚85 Prozent aller Männer betrügen ihre Frauen‘, hat sie festgestellt. ‚Das ist einfach eine Tatsache.‘ Darunter hätten nicht nur die betrogenen Ehefrauen zu leiden, sondern auch ihre Nebenbuhlerinnen. In westlichen Kreisen spreche man von ‚Geliebten‘, in religiösen Schichten von ‚Zweitfrauen‘, sagt Üresin, aber rechtlos seien sie alle.“

Auch in Indien wurde die Frage der Polygamie untersucht und es fanden sich überraschende Tatsachen in einem zusammenfassenden Bericht „Muslim women and the surprising facts about polygamy in India“, denn in Indien ist die Polygamie als Eheform für Hindus seit 1955 verboten.

(Der Janinismus ist in Indien die sechstgrößte Religionsgemeinschaft mit (2011) rund 4,5 Mio. Anhängern. Als Adivasi werden, als Oberbegriff, die Stämme der ‚Ureinwohner‘ oder ethnischer Minderheiten Indiens bezeichnet, die nach dem Zensus 2011 rund 9 Prozent der Bevölkerung darstellen oder rund 140 Mio. Personen.)

Diese Ergebnisse für Indien widerlegen die Tatsache, dass Polygenie ein „typisches“ Merkmal von Muslimen seien. Zum einen ist es so, dass nur eine geringe Anzahl der Ehen von Muslimen polygam sind, zum anderen war der Anteil polygamen Ehen bei den Hindus (der oberen Kasten) etwa gleich groß und 1961 unter den Adividas am höchsten. Auch den Christen in Indien war die Polygamie (2006) nicht völlig fremd.

Das PEW Research Center hat (im Dezember 2020) eine Statistik über die Verbreitung der Polygamie in Staaten der Welt veröffentlicht: „Polygamy is rare around the world and mostly confined to a few regions“. Dabei werden zwei Aspekte deutlich: Zum einen, dass nur ein sehr geringer Anteil der Ehen der Welt „polygam“ sind, und zum anderen – wie bereits für Indien gezeigt —, dass die Ansicht, es sei eine Eigenart „des Islam“, so einfach nicht zutrifft.

Auf einer Weltkarte wird deutlich, dass überall dort, wo das Christentum dominiert, legale Polygamie nicht akzeptiert wird.

Insofern erscheint es plausibel, die Frage der Polygenie entlang der religiös geprägten Rechtslinien zu entwickeln. PEW hat auf seiner Weltkarte die erfassten Staaten und deren jeweiliger Anteil polygamer Ehen dargestellt:

Diese Darstellungen beruhen auf einer weitaus größeren PEW-Studie zu „Religion and Living Arrangements Around the World“ (2019).

Daraus kann man folgern, dass die Gesamtangaben als Mindestgrößen zu betrachten sind. Zum einen sind die arabischen Staaten – aus Gründen der nicht möglichen Datenerhebung – in der Studie nicht berücksichtigt. Zum anderen wird in dem angefügten Datensatz zur Studie deutlich, dass die Haushalte gezählt wurden. Hinsichtlich der Polygynievariante, dass jede der beteiligten Frauen einen eigenen Haushalt führt, wurde also nur einer der Haushalte erfasst.

„Polygam: Haushalte, in denen mindestens ein Mitglied mit mehr als einem Ehepartner oder Lebensgefährten zusammenlebt. Es können auch andere Personen im Haushalt leben. Diese Kategorie umfasst nicht jeden Haushalt, in dem eine Person lebt, die in einer polygamen Beziehung ist. Zum Beispiel können zwei Frauen, die mit demselben Mann verheiratet sind, getrennte Haushalte führen.“

Auch in der Gesamtstudie wird davon ausgegangen, dass mindestens 5 Prozent der Muslime polygam leben (können).

Bei einer weiteren, differenzierenden Betrachtung nach Anteilen der Religionszugehörigkeiten an den polygamen Ehen, zeigt sich, dass eine 1:1 Zuordnung nicht die Realität betrifft.

Auch die Christen sind daran beteiligt. In Burkina Faso und im Tschad ist mehr als jeder fünfte christliche Haushalt polygam und in Mali, Gambia, Guinea und Guinea-Bissau sind es rund 10 Prozent der christlichen Haushalte, in denen ein Mann mit mehr als einer Frau zusammenlebt.

Zur rechtlichen Situation der Frauen gibt es dabei durchaus unterschiedliche Regeln. So schreibt PEW: „Auch wenn die Gesetze zur Polygamie in der Regel zugunsten der Männer (und nicht der Frauen) ausgerichtet sind, die mehrere Ehepartner haben dürfen, werden Frauen manchmal auch Rechte eingeräumt. In Burkina Faso und im Tschad zum Beispiel, zwei Ländern, in denen Polygamie üblich ist, müssen die ersten Ehefrauen vor der Heirat angeben, ob sie eventuell polygam sein wollen, und in mehreren anderen Ländern ist die Erlaubnis der ersten Ehefrau erforderlich, bevor der Ehemann weitere Frauen heiraten kann. Andere Länder legen Richtlinien fest, was Männer ihren Ehefrauen schulden; dies ist in Mali der Fall, wo Männer bis zu vier Ehefrauen haben dürfen, aber verpflichtet sind, sie gleich zu behandeln und für das Wohlergehen, die Erziehung und die moralische Entwicklung aller ihrer Kinder zu sorgen. Nicht in allen Ländern, in denen Polygamie üblich ist, werden diese Aspekte berücksichtigt: In Guinea-Bissau sind Früh- und Zwangsverheiratung, Leviratsehe (die Praxis, eine Witwe zu zwingen, den Bruder ihres verstorbenen Mannes zu heiraten) und Polygamie weit verbreitet, und es gibt keine gesetzlichen Richtlinien.“

In einer groß angelegten Studie hat das PEW-Reserch Center (2012) „The World’s Muslims: Unity and Diversity” untersucht.

Dabei wurden Muslime in aller Welt befragt, ob sie die Polygamie für moralisch in Ordnung halten und es zeigt sich, dass die Meinungen der befragten Muslime dazu in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich ist.

3.3. Vor Ort

Auch wenn es weitestgehend ein männliches ‚Vorrecht‘ ist, mehr als eine Frau zu heiraten – das ist unter islamischer Gesetzgebung auch eine Frage des Geldes –, gibt es die Variante der Polygamie, in der eine Frau gleichzeitig mit mehreren Männern verheiratet ist („Vielmännerei“). Wenn es sich dabei um zwei, drei Brüder handelt, so wird es „fraternale Polyandrie“ genannt.

Angelika Köckritz hat für DIE ZEIT (2013) zwei Familien in Tibet besucht: „Mann, Mann, Mann und Frau“ und schildert, dass alle Beteiligten, auch die Frauen, die Vielehe als gut erleben und zufrieden sind.

Für “brand eins” hat Angelika Köckritz sich (2018) im Senegal umgeschaut: „Die Ökonomie der Polygamie“. „Fast die Hälfte der Senegalesinnen teilt sich ihren Ehemann mit weiteren Frauen. Ob und wie sich das rechnet, hat unsere Autorin an einem konkreten Fall untersucht.“ In einem Land, in dem Polygamie rechtlich erlaubt ist.

In einem Artikel (im Februar 2015) „Hang zur Polygamie: Frauen sind auch nur Männer“ verweist DER SPIEGEL auf die Studie des Psychologen Rafael Wlodarski der University of Oxford: „Stay or stray? Evidence for alternative mating strategy phenotypes in both men and women”.

„Mit verschiedenen statistischen Untersuchungen konnten er und sein Team nun zeigen: Sowohl unter Männern als auch unter Frauen existieren zwei Gruppen mit konträren Ausprägungen in Partnerwahl und Fortpflanzung. Bei beiden Geschlechtern gibt es den treuen Typ und den sexuell freizügigeren - dabei fanden die Forscher eine größere monogam orientierte Gruppe bei den Frauen. Wie sie in den Biology Letters berichten, liegt das Verhältnis zwischen Fremdgehen und Treue bei den Männern bei 57 zu 43, bei den Frauen bei 47 zu 53.“

Wenn man es um explizit Sexuelles erweitern will, hilft ein Blick in die Pornhub-Nutzungs-Statistik nach Geschlechtern für 2019. Aus der Statistik des größten Pornoportals der Welt geht – in der Auswertung nach Präferenzen von Frauen und Männern – hervor, dass eine virtuelle Form der gelebten Phantasie-Bigamie, der „Dreier/Threesome“, bei den weiblichen Nutzern auf Platz vier der Präferenzen liegt, bei den männlichen Nutzern auf Rangplatz zehn.

4. Fazit

Das Ehe- und Familienrecht in Deutschland ist – trotz aller Änderungen – auf die exklusive, monogame Ehe fixiert. Diskussionen, wie sie in der Schweiz zumindest (2014) versucht wurden, sind bislang unbekannt. Dabei ist eine Reform des Eherechts an der Zeit.

Innerhalb von zwanzig Jahren hat sich der Anteil der nichtehelichen Geburten in Europa verdoppelt und beträgt 2018 rund 42 Prozent aller Geburten. In Deutschland beläuft sich der Anteil nichtehelicher Geburten (2018) auf 34 Prozent, also gut einem Drittel aller Geburten. Diese Größenordnung hat sich stabilisiert. Das heißt, dass im Jahr 2019 (778.100 Lebendgeborene) rund 270.000 der in diesem Jahr geborenen Kinder ohne eine verbindliche rechtliche Absicherung zum Kindeswohl sind.

Bereits von 1980 bis 2002 hatte sich hinsichtlich der Frage „Familie und Heirat“ ein gleichbleibender Anteil von rund 72 Prozent zugestimmt „Man braucht eine Familie zum Glück“, aber nur 53 Prozent waren 2002 der Meinung, „Man sollte heiraten, wenn man mit einem Partner zusammenlebt“.

Die Scheidungsziffer in Deutschland beläuft sich im 20-Jahresdurchschnitt 2000 – 2019 auf rund 38 Prozent. Das heißt, dass gut ein Drittel der Ehen geschieden werden. In der Wirtschaft würde man bei einer derart hohen ‚Rückgabequote‘ von schweren Qualitätsmängeln des Produktes sprechen.

Diese Daten alleine sprechen bereits dafür, dass das Eherecht – schon allein wegen des Kindeswohls – überarbeitet werden müsste und zwar in der Hinsicht, dass der Staat sich aus den persönlichen Entscheidungen – wer mit wem und mit wie vielen zusammenleben will –, herauszuhalten hätte und nur die Gemeinschaftspflicht hat, mit einem verbindlichen Rechtsrahmen dafür zu sorgen, dass Lebenspartnerschaften – von Beginn an oder spätestens nach drei Jahren oder der Geburt des ersten Kindes –, so zu vereinbaren sind, dass niemand der Beteiligten benachteiligt wird.