Sie sind hier

Weltanschauung als Kleidung – Männer mit Mützen, etcetera.

Kirchen und Religionen kennen sehr präzise Vorschriften für die Kleidung in der Hierarchie der Kleriker. Das gilt auch – weniger präzise - für säkulare Weltanschauungen und eine ihren Führern oder Mitgliedern zugeordnete Kleidung. Abgesehen von der Oberbekleidung gilt das insbesondere für Mützen aller Art, im engeren und weiteren Sinn. Da man nicht in einen Kopf hineinschauen kann, ist es manchmal hilfreich, zu schauen, was der Mensch auf dem Kopf trägt: An ihren Mützen sollst Du sie erkennen! Ein heiterer – durchaus ernsthafter – Rundumblick.

Vorbemerkung
1. Abrahamitische Religionen: 1.1. Römische Katholiken, 1.2. Orthodoxe, 1.3. Evangelische, 1.4. Islam,
    1.5. Judentum.
2. Religionen Asiens: 2.1. Hindu-Traditionen, 2.2. Tibetischer Buddhismus, 2.3. Sikhs, 2.4. Shinto.
3. Säkulare Weltanschauungen:3.1. Jakobinermütze, 3.2. Revolutionäre in Asien und Lateinamerika,
    3.3. Arbeiterbewegung in Russland und Deutschland.
4. Sonstige: 4.1. Studentenverbindungen, 4.2. Alu-Hüte

Vorbemerkung

Da es nicht möglich ist, Menschen in den Kopf zu schauen, um zu wissen welche Weltanschauung/Religion sie haben, ist es manchmal hilfreich, zu schauen, was sie auf dem Kopf tragen – Mützen -, um Hinweise dafür zu bekommen, was sie im Kopf haben. Diese – im allgemeinsten Sinne „Mützen“ – bieten eine wahre Fülle an Hinweisen auf die weltanschaulich/religiöse Gesinnung ihrer Träger – von den Bischofsmützen bis hin zur ‚proletarischen‘ Schiebermütze wahrhafter Arbeiterführer.

Mit „Mützen“ sind im Folgenden nicht nur die flachen Kopfbedeckungen gemeint - mit oder ohne Schirm -, sondern – etcetera - im weiteren Sinne alle Kopfbedeckungen, was sich bereits in der „Bischofsmütze“ zeigt, die - im engeren Sinne – keine Mütze ist.

Darstellungen von religiösen Kostümen zeigen die Vielfalt der gesamten Kleidung, von der im Folgenden nur die Mützen von einigen Funktionsträgern zitiert sein sollen – einschließlich säkularer Bekleidungen.

Wer sich intensiver mit Kopfbedeckungen beschäftigen will – es ist eine ‚Wissenschaft für sich‘ - dem sei z.B. die „Philippe-Collection“ als Einstieg empfohlen.

Neben der Sichtweise, die Dekorationen – hier die Mützen – fröhlich zu betrachten, hat das Thema auch noch andere Zugänge. Die Bekleidung christlich-religiöser Funktionsträger gehört zum Oberbegriff der Uniformen, da für jeden Dienstgrad bzw. die Dienststellung exakt vorgeschrieben wird, wie sich alle, die diese Funktion ausüben, einheitlich und wiedererkennbar zu kleiden haben, einschließlich aller Abzeichen, Dekorationen sowie weiterer Utensilien. (Römische Katholiken: „Mit Brustkreuz und violetten Socken.“) Das gilt in Deutschland ebenso für hoheitliche Funktionsträger in der Justiz, bei der Polizei, dem Militär u. a. m. Die Strafbarkeit für das unberechtigte Verwenden von „Amtsbezeichnungen, Titel, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts“ gilt nach § 132a, Abs. 3 StGB (Strafgesetzbuch) und wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert. Mit anderen Worten: Da hört der Spaß auf.

Eine Ausnahme aus den strafrechtlichen Regeln bilden die Karnevalskostüme, die in großer Auswahl angeboten werden (wie im „Karneval-Megastore“).

Also, im Sinne von „Die Welt ist eine Bühne“ (William Shakespeare), Licht an, Vorhang auf: „Männer mit Mützen“ (Frauen tragen Hauben).

1. Abrahamitische Religionen

Innerhalb des christlichen „liturgischen Farbkreises“ sind allerlei Variationen möglich. Abgrenzungen sind fließend. Religion wird bei den Orthodoxen und den römischen Katholiken in Form einer (Wahl-)Monarchie organisiert – mit nummerierten Monarchen – sowie ernannten „Exzellenzen“ (Bischöfe) bzw. „Exzellenzen“ (Kardinäle).

1.1. Römische Katholiken.

Bis auf den Papst können alle Kleriker der römisch-katholischen Kirche Birette tragen, an denen ihr ‚Dienstgrad‘ zu erkennen ist.

Eindeutig geklärt ist: Bischofsmützen werden – wie es der Name besagt – nur von Bischöfen getragen. Entstanden aus der Mitra, wird sie bei bischöflichen Amtshandlungen („Pontifikalien“)  aufgesetzt. Sie besteht aus zwei kopfstehenden Schilden, die mit einem Innenfutter verbunden sind. Die christlich-katholische Tiara (dreifache Herrscherkrone) ist als Kopfbedeckung ausschließlich den römischen Päpsten vorbehalten. (Papst-Titel: Bischof von Rom, Stellvertreter Christi, Nachfolger des Fürsten der Apostel, Höchster Pontifex der Universalkirche, Primas von Italien, Souverän des Vatikanstaates und „Servus Servorum“, lat. für Diener der Diener Gottes). 1963 ließ sich Paul VI. als letzter Papst mit der Tiara krönen. Den Nachfolgern wurde/wird zwar eine Tiara geschenkt, die jedoch nicht mehr verwendet wird, da Johannes Paul I. diese Krönung 1978 ablehnte. Damit war diese Tradition beendet.

Zur römisch-katholischen ‚Kirchen-Familie‘, mit dem römischen Papst als Oberhaupt, gehört auch die Armenisch-katholische Kirche, dessen Oberhaupt der Patriarch von Kilikien ist, Raphaël Bedros XXI. Minassian.

Eine besondere katholische Variante sind die „Hermandades / Cofradias“, gemeinnützige katholischen Bruderschaften, deren Bekleidung (“Büßergewand“) mit den – zumeist – spitzen Kopfbedeckungen aus der Carocha („Ketzermitra“) abgeleitet wird. Öffentlich treten sie durch Prozessionen in Erscheinung, die meist während der Karwoche (Semana Santa) stattfinden

1.2 Orthodoxe

Orthodoxe Bischöfe, Patriarchen und Erzpriester tragen vorwiegend die ebenfalls aus der Mitra abgeleitete liturgische „Bischofskrone“ (Stephanos), reich geschmückt (Gold, Edelsteine) bzw. das einfache, zylinderförmige Kamilavkion im griechischen Stil (schwarz) oder byzantinisch (verziert).

Bartholomeos I ist seit 1991 griechisch-orthodoxer Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel mit Sitz in Phanar/Istanbul. Er ist der 270. Nachfolger des Apostels Andreas, Kyrill I, Patriarch von Moskau und der ganzen Rus, Tawadros II, Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhls des heiligen Markus, Theophilos III, Patriarch der Orthodoxen Kirche von Jerusalem, Swjatoslaw Schewtschuk, Großerzbischof von Kiew-Halytsch der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche sowie Karekin II, Oberster Patriarch und Katholikos aller Armenier, Orthodoxe Armenische Apostolische Kirche, um nur einige zu nennen.

1.3. Evangelische

Evangelische Theologen oder Bischöfe sind – was Mützen betrifft - eher karg und bloßen Hauptes. Es gibt zwar die „Luthermütze“ – aus den Gemälden von Lucas Cranach dem Älteren –, der als Maler aber generell eine Vorliebe für die zeitgenössischen großen, schwarzen Barretts mit Ohrenklappen hatte, mal hochgeklappt, mal nicht, mal mit Luther, auch mit Melanchton. Versuche, wie des Bischofs von Holstein (1946-1964), Wilhelm Halfmann oder des Bischofs Theophil Wurm, (1929-1953) ein Luther-ähnliches Barrett zu tragen, hatten keine Folgewirkung. Vielleicht, weil beide Antisemiten waren?

Eine Ausnahme davon bilden kleinere evangelische Glaubensgemeinschaften, wie die „Amish People“ in den USA, die als wohlhabende Genossenschaften leben und den Russlandmennoniten nahestehen. Im Alltag tragen die männlichen Mitglieder einfache Strohhüte, zum Gottesdienst und zu Festlichkeiten schwarze Hüte. Als Grundsatz gilt: „Kein Telefon, keine Elektrizität, keine Autos, kein Luxus.“

Eine andere Variante ist der radikal protestantische Ku-Klux-Klan, eine Geheimorganisation von Weißen, die traditionell „die Unterdrückung von Schwarzen, Juden, Katholiken, Kommunisten und Homosexuellen […] als Teil von Gottes Plan gesehen“ haben. Die weißen Kapuzengewänder sollen Reinheit und Sauberkeit darstellen.

1. 4. Islam

Der „Islam“ ist Oberbegriff für verschiedenste Denominationen, die sich auf den Koran beziehen, und die sich durchaus – wie auch in anderen Familien üblich – feindlich gegenüberstehen.

1.4.1. Die Sunniten gelten als zahlenmäßig größte Gemeinschaft des Islam. Bei ihnen sind die Groß-Muftis, als oberste Rechtsgelehrte, die regionalen Führer, wie Shawki Ibrahim Abdel-Karim Allam der Groß-Mufti von Ägypten, oder Sheikh Abdul Latif Derian, Groß-Mufti des Libanon, oder Talgat Tadzhuddin, der Groß-Mufti von Russland. Die religiösen Vorsteher der Moscheegemeinden sind die Imame.

1.4.2. Schiiten

In der größten Gruppe der Schiiten, der Religionsgemeinschaft der Zwölferschiiten, sind die Mullahs als religiöse Rechtsgelehrte die Tonangebenden. Die höchsten Stufen sind: Ajatollah  (Zeichen Gottes), sowie Großajatollah (größtes Zeichen Gottes).

1.4.3. Weitere Religionsgemeinschaften im Islam

Neben den Sunniten und den Schiiten – mit ihren Untergruppierungen - bestehen noch (u. a.)

die Ahmadiyya, die Ismaeliten und die Sufis.

1.5. Judentum

Das Tragen der Kippa ist seit dem 16. Jh. innerhalb der Synagoge für alle männlichen Juden verbindlich. Außerhalb nicht, es sei denn, man ist orthodox. Die orthodoxen Juden haben zudem eine Reihe weiterer Bekleidungsvorschriften, von denen der auffallende Schtreimel (Samtkappe mit einem kreisrunden, breiten Pelzrand) von verheirateten Männern chassidischer Gemeinschaften getragen wird.


2. Religionen Asiens

2.1. Hindu Traditionen

Der „Hinduismus“ ist keine einheitliche Religion. „Der Begriff ‚Hinduismus‘ umfasst einen Komplex religiöser Traditionen und gesellschaftlicher Phänomene, die teilweise sehr unterschiedliche sozioökonomische, historische und geographische Bedingungen haben“. Es ist ein „vielgestaltiger Religionskomplex“, dessen Anhänger insgesamt miteinander auskommen. Entsprechend gibt es keine verbindliche Gruppe oder Kleidung von Priestern.

Eine Besonderheit im Hinduismus sind die Sadhus („Heilige Männer“), die sich einem religiösen und (oft) asketischen Leben verschrieben haben.

2.2. Tibetischer Buddhismus

Der Dalai Lama („ozeangleicher Lehrer“) ist der ranghöchste Mönch/Lama der Gelug-Schule („Gelbmützen“) des Buddhismus. Neben seinen Auftritten im Westen (barhäutig) tritt er (‚zu Hause‘) mit der rituellen Gelbmütze auf.

2.3. Sikh-Religion

„Praktizierende Sikhs, vor allem männliche Religionsanhänger, erkennt man an einem kunstvoll gebundenen Turban (Dastar).

2.4. Shinto

Die Shinsokus („Gottesdiener“) sind die Shinto-Priester in Japan.


3. Säkulare Weltanschauungen

3.1. Jakobinermütze

Die „Phrygische Mütze“ (sachlich: der weich gegerbte Hodensack eines Stieres) war im klassischen Griechenland das Symbol der besonderen Kraft und Zeugungsstärke. In der Französischen Revolution wählten die „Jakobiner“, die radikalste Fraktion im revolutionären Konvent, diese Mütze als ihre Kopfbedeckung – als Zeichen der Freiheit, weil in Rom freigelassene Sklaven diese Mützen trugen - und sie wurde das ‚Zeichen‘ der Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Als Freiheitssymbol wird es nicht nur von der „Partei der Arbeit“ in der Schweiz verwendet, sondern auch in den Flaggen verschiedenster Staaten, ebenso wie im Wappen von Kuba und im Siegel des US-Senats. Ab 1958 wurde es zur Kopfbedeckung der heiteren „Schlümpfe“ und 2024 als „Phrygi“ das Plüsch-Maskottchen der Olympischen Spiele in Paris.

3.2. Revolutionäre in Asien und Lateinamerika

Mao Tse-dong, der wohl einzige Atheist, der es geschafft hat, zeitweilig als Gott verehrt zu werden, wird mit dem „Mao-Anzug“, d.h. „Mao-Mütze“ inkl. Jacke und Hose, eine weltanschauliche Einheitskleidung zugeschrieben – die allerdings bereits 1923 unter Sun Yat-sen (Kuomintang) zum Pflichtkleidungsstück der chinesischen Beamten vorgeschrieben worden war.

Zur Ikonographie von Ernesto „Che“ Guevara (1928-1967) gehört eine französische Baskenmütze, die jeder heute noch kaufen kann. Che Guevara und Fidel Castro (beide 1960 mit Baskenmützen) gingen politisch getrennte Wege. Während Che Guevara seine Baskenmütze behielt, wechselte Castro zur kantigen Militärmütze. Ein Weg, auf dem ihm der spätere Oberbefehlshaber im revolutionären Nicaragua, Humberto Ortega, folgte, der u. a. in Kuba ausgebildet worden war. Nach diktatorischer Übernahme der politischen Macht in Nicaragua durch seinen Bruder Ernesto wechselte der zum US-Basecap. Der einzige verbliebene „Marxist und Revolutionär“ in Nicaragua (mit Baskenmütze) war Ernesto Cardenal, ein katholischer Priester und Dichter, der 2020 verstarb.

3.3. Arbeiterbewegung in Russland und Deutschland

Die Schiebermütze, genannt nach dem Vorarbeiter im Berliner Jargon, hat ein flaches ‚Dach‘. Es gibt sie in verschiedenen Formen und Bezeichnungen.

Wladimir Iljitsch Lenin trug sie sein Leben lang. Josef Stalin anfangs ebenso – wie auch Nikita Chruschtschow. Dann wechselte Stalin zur Militärmütze und trug schließlich die Mütze eines Marschalls der Sowjetunion. Chruschtschow nahm den Hut.

In Deutschland verflüchtigte sich die ‚Proletarische Mütze‘ der Arbeiterbewegung ähnlich. In der Weimarer Republik war es die Mütze Ernst Thälmanns, die auch in die Tradition der DDR übernommen wurde. Bertold Brecht kultivierte ebenso seine ‚proletarische Arbeitermütze‘, auch wenn seine ‚Arbeiterjacke‘ für ihn maßgeschneidert wurde.

In der Nachkriegszeit wurde in der DDR noch häufig ‚der Arbeiter‘ mit Mütze plakatiert, die anfangs auch von Walter Ulbricht getragen wurde. Dann folgte er dem sowjetischen Vorbild und trug Hut. Ebenso wie Erich Honecker. Der Mütze treu blieb Hans Modrow, der letzte Regierungschef der DDR.

Im Westen Deutschlands versuchten anfangs noch die CDU und die FDP auf Wahlplakaten die SPD mit russischer Militär- bzw. Arbeitermütze zu diffamieren. Dann war es Jürgen von Manger, der in der Bühnenfigur „Adolf Tegtmeier“ den Ruhrgebietsarbeiter kultivierte und dazu die entsprechende Mütze trug. Als Bundesminister trug noch Hans Matthöfer (SPD, Gewerkschaftler, IG-Metall) gelegentlich eine traditionelle Arbeitermütze, die dann jedoch von Helmut Schmidt (SPD, Bundeskanzler) ‚getoppt‘ wurde. Er trug eine bürgerlich-hanseatische Lotsenmütze, und nicht, wie häufig geschrieben wird, eine Yachtclub-Mütze, die Prinz-Heinrich-Mütze. Ein Lotse übernimmt auf einem Schiff das Kommando. Einer muss schließlich die Mütze bzw. den Hut aufhaben.

4. Sonstiges

Zu erwähnen sind noch Vereinigungen, die speziell für ihre Kopfbedeckungen bekannt sind. Ob ihre jeweiligen Gemeinsamkeiten für eine „Weltanschauung“ reichen oder eher nur als Elemente einer gemeinsamen ‚Weltsicht‘ zu betrachtet sind, ist eine Frage der Definition.

4.1. Studentenverbindungen

So zahlreich und unterschiedlich die Corpsstudenten in den Burschenschaften sind, einig sind sie sich, Mützen oder Vergleichbares auf dem Kopf zu tragen und Traditionspflege, Ehre und Männlichkeit hochzuhalten. Meist kommen sie in Gruppen zusammen. Es sei denn, man ist der Kaiser Wilhelm II, der bekommt ein Einzelbild, mit Mütze. Dabei kommt die Mütze nicht allein, da das „Farben tragen“ (Bänder) und die (Bier)Zipfel den korrekten Dreiklang bilden. Weltanschaulich sehen sich die Corps-Mitglieder von liberal bis (erz-)konservativ, aber – Gott bewahre! – keinesfalls ‚links‘.

4.2. Insofern man Verschwörungstheorien als Weltanschauung akzeptiert, gehören die Aluhüte letztendlich auch zu den ‚Männern mit Mützen‘ (Frauen wurden nur sehr selten damit gesehen). In einem Artikel des SPIEGEL wird die Geschichte dieser Kopfbedeckung beschrieben: „Wenn’s im Kopf quietscht“.


(Carsten Frerk)