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Die Weltsicht von Skeptikern

Eine Pilotstudie von 2016 hat sich mit Überzeugungen zu religiösem Glauben, Spiritualität, Wissenschaftsglauben und Aberglauben von Mitgliedern der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), Besuchern einer GWUP-Konferenz (SkepKon 2014) und Mitgliedern der Allgemeinbevölkerung befasst und deren psychologischen und demografischen Merkmale untersucht.

Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften wurde 1987 als Verein gegründet und ist die mitgliederstärkste deutsche Skeptiker-Organisation. Aus deren Mitgliederstatistik bis 2014 geht hervor, dass die Mitglieder zu etwa drei Viertel aus etwas unter 50jährigen Männern bestehen, die häufig aus Akademikerkreisen mit naturwissenschaftlichen Arbeitsgebiet kommen. (Studie)

Am häufigsten sind in dieser Gesellschaft die Berufskategorien Naturwissenschaften (32 Prozent), Technologie/Ingenieurwissenschaften (15 Prozent), Medizin (14 Prozent), Psychologie und Sozialwissenschaften (jeweils 9 Prozent), Geisteswissenschaften (8 Prozent) sowie Mathematik (5 Prozent) vertreten. (Dr. Robert Mestel, 2014)

Da die GWUP keine Weltanschauungsgemeinschaft ist und sich ausschließlich mit wissenschaftlich prüfbaren Behauptungen befasst, gibt es von ihr keine Untersuchungen z. B. zur (Nicht-) Existenz Gottes oder zum „Sinn des Lebens“. Jedoch die Frage nach der Authentizität von Wundererscheinungen oder -heilungen oder die nach der Echtheit des angeblichen Jesus-Grabtuchs von Turin gehört zu ihrem Forschungsspektrum. Dabei geht es nicht um Glauben, sondern um die wissenschaftliche Untersuchung von angeblichen „Wundern“.

Die Studie wurde erstmals im Mai 2014 anlässlich der Jahrestagung der GWUP („SkepKon“) begonnen. Dabei wurden die Mitglieder und Konferenzbesucher befragt. Zum anderen wurde in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg (Fachbereich Psychologie) eine Online-Befragung der Mitarbeiter der Universitäten Innsbruck und Salzburg zwischen Ende 2014 und Mitte 2015 durchgeführt. Und daneben wurden verschiedene Psychologen- und Psychotherapeutenverbände befragt.

Stichprobenkennwerte (näheres: Mestel et al., 2016a)
A. Mitglieder der GWUP, Mitgliedschaft auf dem Fragebogen angekreuzt (am 31.5.2014); n = 110, 25 Prozent Frauen; mittleres Alter 47,1.
B. Besucher der Skepkon („Skepkon-Besucher“), welche keine Mitglieder der GWUP am 31.5.2014 (Fragebogenangabe) waren; n=37, 35 Prozent Frauen; mittleres Alter 41,7.
C. Überzeugte Christen aus der Allgemeinbevölkerung (z. T. freikirchlich); n=38, 68 Prozent Frauen; mittleres Alter 55,2.
D. Allgemeinbevölkerung aus einer Online-Studie und 22 Psychotherapeuten einer psychosomatischen Klinik und 54 Psychologie-Studierende der Universitäten Wien und München; Gesamt n = 4.308 (alle Items) bis n = 5.446 (Angabe Schulabschluss), 53,7 Prozent Frauen; mittleres Alter 35,4; 78,7 Prozent Abitur/Matura, 33,4 Prozent waren Studierende; Beruf: 26 Prozent in psychosozialen Fächern, 74 Prozent in anderen Bereichen; 11,5 Prozent Psychotherapeuten.

Zu Beginn stand die Hypothese, dass Skeptiker von Parawissenschaften (GWUP) mit einem hohen Anteil an Naturwissenschaftlern häufiger als die „Allgemeinbevölkerung“ oder „überzeugte Christen“ von Wissenschaft überzeugt sind, deutlich weniger und seltener religiös, weniger spirituell im Vergleich zu Nicht-Skeptikern seien. Entsprechend bejahen sie deutlich seltener parawissenschaftliche oder religiös-spirituelle Erklärungen für umstrittene Phänomene wie Nahtod-Erfahrungen, Gesundbeten oder Wunderheilungen.

Religiosität und Spiritualität

Die Zusammenhänge zwischen dem religiösen Glauben, Spiritualität und dem Glauben an paranormale Phänomene sind signifikant und positiv.

Wer auf die Frage „Wie sicher sind Sie, dass es Gott gibt?“ geantwortet hat, er wisse, dass es Gott nicht gibt, wird als „extrem ungläubig“ kategorisiert.

Extreme Ungläubigkeit
Tabelle

Eine formale Konfessionszugehörigkeit ohne die genannten Ausprägungen wurden nicht an sich als religiös-spirituell bewertet, weil es darunter eine größere Anzahl von Menschen gibt, die zwar Mitglied einer Kirche sind, sich aber selbst nicht als religiös bezeichnen. (siehe empirische Erhebungen unter www.fowid.de)

Die GWUP-Mitglieder und SkepKon 2014-Besucher gaben deutlich seltener an, Katholiken oder Protestanten zu sein als die Vergleichsgruppen der überzeugten Christen und die Gruppe aus der Allgemeinbevölkerung.

Konfession
Tabelle 1

GWUP-Mitglieder oder SkepKon-Besucher sind zum überwiegenden Teil (75 Prozent) weder religiös noch spirituell, von den Übrigen bezeichnet sich ein Großteil als Agnostiker, fast niemand ist spirituell. In der GWUP-Stichprobe sind nach den genannten Kriterien sieben Personen von 109 (6,4 Prozent) als „spirituell-religiöse Skeptiker“ zu bezeichnen. Sie unterscheiden sich signifikant von den 87 nicht spirituell-religiösen Skeptikern (15 agnostische GWUP-Mitglieder wurden hier nicht berücksichtigt). Folglich glauben sie an Gott und „die“ Wissenschaft.

Religiosität
tabelle3

Die GWUP-Mitglieder und SkepKon-Besucher beantworteten die Frage, „Wie sicher man wäre, dass es Gott gäbe“ nahezu erwartungsgemäß größtenteils negativ, die Online-Untersuchungsgruppe zu mehr als der Hälfte negativ und die Gruppe der überzeugten Christen positiv.

49,5 Prozent der GWUP-Mitglieder, 45 Prozent der SkepKon-Besucher und 31 Prozent der Bevölkerungsstichprobe sind sich recht sicher, dass es keinen Gott gibt. Nur etwa 2 Prozent beider skeptischen Gruppen wissen, dass es Gott gibt – im Vergleich zu 74 Prozent der überzeugten Christen und 12 Prozent der Bevölkerungsstichprobe.

Gottesglaube
tabelle4

Aus dem Fragenkatalog der „Fragebogen für Erklärungen letzter Fragen“ (FELF) sollen hier nur die Ergebnisse einer kleinen Auswahl aus den 14 Fragen dargestellt werden:

Dabei sind zwei verschiedene Auswertungsvarianten zur Anwendung gekommen: 1. Transformation der 2 - 5 Ausprägungen der 14 Einzelfragen zu 14 Variablen mit je 4-7 Ausprägungen (Zweck: Bessere Übersichtlichkeit der Antworten). Wer pro Frage genau eine Antwortalternative (z. B. bei Frage 1 die Antwort a „durch Gott in 7 Tagen“) mit 3 oder 4 (eher oder ganz zutreffend) beantwortete und gleichzeitig keine andere Antwortalternative (inklusive der Freitextangabe) mit 3 oder 4, für den gilt diese Antwort als „am ehesten zutreffend“ (Bsp. Bei Frage 1 gilt Antwort a als Ausprägung). Personen, welche mehr als eine Antwort als eher/voll zutreffend (3 oder 4) ankreuzten, zeigten ein „gemischtes“ Antwortmuster. Diejenigen, die keiner einzigen Antwort zustimmten, wurden als „unklar/weiß nicht“ kategorisiert. Somit sind pro Frage je folgende Ausprägungen möglich: Alle Antwortoptionen einzeln (a-e), „gemischt“ und „unklar/weiß nicht“
Separate Auswertung der 58 Items (der 14 Fragen; inklusive Freitextangaben) mit Ausprägungen 1 trifft nicht zu, 2 trifft eher nicht zu, 3 trifft eher zu, 4 trifft zu. Wer pro Frage genau ein Item mit 3 oder 4 (eher oder ganz zutreffend) beantwortete und gleichzeitig keine andere Antwortalternative (inklusive der Freitextangabe) mit 3 oder 4, für den gilt diese Antwort als „am ehesten zutreffend“. Personen, welche mehr als eine Antwort als eher/voll zutreffend ankreuzten, zeigten ein „gemischtes“ Antwortmuster, diejenigen, die keiner einzigen Antwort zustimmten wurden als „unklar/weiß nicht“ kategorisiert.

Universum
Tabelle5

 Die Frage nach der Entstehung des Universums beantworteten ca. 90 Prozent der GWUP-Mitglieder und der SkepKon Besucher mit der Evolution, während über die Hälfte der Christen erwartungsgemäß dahinter einen Schöpfer erkennen wollen, die anderen gaben sehr unterschiedliche Antworten. Aber auch bei der Allgemeinbevölkerungs-Stichprobe gaben drei Viertel evolutionäre Gründe für die Entstehung an.

Homosexualität
Tabelle6

Bei der Beantwortung dieser Frage ist bemerkenswert, dass sich 3 Studiengruppen zu drei Viertel relativ einig sind, dass Homosexualität biologisch-genetisch bedingt ist, sich die Gruppe der überzeugten Christen recht uneinig ist und alle möglichen Ursachen von „falsch erzogen“, „verblendet“ bis „Gendefekt“ angibt.

Verschiedene religionen
Tabelle7
relifreie Erziehung
Tabelle9
Seele
Tabelle8

Auch bei der Beantwortung dieser Frage ist recht eindeutig von den GWUP-Mitgliedern und SkepKon-Besuchern die „biologische Zerfallsoption“ als Möglichkeit angegeben worden (über 80 Prozent), ebenso ist das die Auffassung von über 50 Prozent der Bevölkerungs-Stichprobe. Doch immerhin ein Drittel der Christen glaubt, dass die Guten ins Paradies kommen und die Schlechten (ungläubigen) in die Hölle. Doch ebenso ist über ein Drittel der Christen sich inzwischen nicht mehr sicher, was nach dem Tod passiert.

„Wie repräsentativ ist die vorliegende Stichprobe für Deutschland oder Österreich? Die mittleren Spiritualitätswerte (TPV) liegen mit M=11 knapp unter dem Mittel von M=12,2 der deutschen Repräsentativstichprobe (Albani et al. 2003). Jedoch glauben in der vorliegenden Stichprobe nur etwa 25 % an Gott, in repräsentativen aktuelleren Erhebungen zwischen 27 % (www.ipsos.de; Studie vom 02.05.2011) und 44 % (Albani et al. 2002). Ferner geben in Repräsentativbefragungen (Schmundt 2011; vgl. auch Bucher, 2007, 2008) 27 % an, weder spirituell noch religiös zu sein, im Religonsmonitor von Bertelsmann (2008) 43, 8%, bei ISSP2008 (ALLBUS), zusammengestellt bei Utsch & Klein (2011, S. 30) 47,8 %. In der vorliegenden Stichprobe sind es 57 %. Der Anteil der Katholiken ist mit 28 % vergleichbar hoch wie in der Normbevölkerung (fowid-Statistik in Wikipedia für 2014), der der Protestanten jedoch deutlich geringer (19 % vs. 28 %), der Anteil der Nicht-Konfessionsgebundenen ist mit 48 % deutlich höher als in der realen Bevölkerung (34 %). Zusammenfassend ist die erfasste Stichprobe im Vergleich zur Normbevölkerung durchschnittlich spirituell, jedoch deutlich jünger, wesentlich gebildeter, weniger häufig formal christlich (v. a. protestantisch), einer anderen nicht-christlichen Religion zugehörig (5 % vs. 9 %) oder „gottesgläubig“.“

(Robert Mestel, Anton-Rupert Laireiter, Markos Maragkos, Wolfgang Hell, Andreas Hergovich; Woran glauben Skeptiker, Skeptiker 1+2/2016)

Ausgewählte Literatur:

  • CSICOP: Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal; ab Dezember 2006 CSI (Committee for Skeptical Inquiry).
  • http://www.gwup.org/images/stories/pdf/skeptiker/2016/Skeptiker_2016_1_S…
  • Belschner, W. (1997/ 2003): Manual zur Skala Transpersonales Vertrauen (TPV). Unveröffentlichtes Manuskript. Univ. Oldenburg, Institut für Psychologie, Abt. Gesundheits- & Klinische Psychologie.
  • Bucher, A. (2007): Psychologie der Spiritualität: Handbuch.
  • Dawkins, R. (2007): Der Gotteswahn. Ullstein, Berlin.
  • Farias, M., Newheiser, AK, Kahane, G.; de Toledo, Z. (2013): Scientic faith: Belief in science increases in the face of stress and existential anxiety. Journal of experimental social psychology, 49 (6), 1210 – 1213.
  • Hansen, GP (1992): CSICOP and the Sceptics: An Overview. The Journal of the American Society for Psychical Research, 86 (1), 19 – 63.
  • Kurtz, P. (1998): Leserumfrage der CSICOP-Zeitschrift
  • Skeptical Inquirer. Unveröffentlichtes Manuskript.
  • Mestel, R. (2013): Fragebogen zur Erklärung letzter Fragen (FELF). Unveröffentlichtes Arbeitspapier.
  • Mestel, R. (2014): Unveröffentlichte Auswertung der Evaluation der GWUP-Konferenzen von 2006 – 2014.
  • Tobacyk, J. J. (2004): A revised paranormal belief scale.
  • The International Journal of Transpersonal Studies, 23, 94 – 98.
  • Wunder, E. (1996): Wer sind die Skeptiker? Skeptiker, 3, 88 – 98.
  • Wunder, E. (1997): Leserumfrage 1997, Ergebnisse und Analysen. Unveröffentlichtes Arbeitspapier der GWUP, Roßdorf.
  • Wunder, E. (1998): Skeptiker-Leserumfrage 1997: Die Ergebnisse. Skeptiker, 1, 3.
  • Wunder, E. (2000): Reader-Kritik an „Skeptiker“-Bewegungen. Forum Parawissenschaften e.V. Unveröffentlichter Reader. Sandhausen, Selbstverlag.
  • Zuckerman, M.; Silberman, J.; Hall, J.A. (2013): The relation between intelligence and religiosity: A meta-analysis and some proposed explanations. Personality and Social Psychology Review, 17, 325 – 354.
     

(SFE)