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Bundesländer: Kirchenmitglieder, 2001 - 2022

Das Staat-Kirche-Verhältnis wird in Deutschland weitgehend auf der Ebene der Bundesländer verhandelt, da der Bund für Kirche als Kultur/Kultus nur eine marginale Zuständigkeit besitzt. Insofern ist es angebracht, sich die Situation der beiden maßgeblichen großen „Amtskirchen“ in den einzelnen Bundesländern hinsichtlich der Anzahl der Kirchenmitglieder und deren Entwicklung anzusehen.

1. Datenquellen
2. Allgemeiner Überblick
3. Veränderung der Anteile in der Bevölkerung
4. Veränderung innerhalb der Anzahl der Kirchenmitglieder
5. 50-Prozent-Prognose
6. Daten zum Jahresende 2022 und die Daten des Zensus 2022

1. Datenquellen

Die Daten beruhen auf den Kirchenmitgliederstatistiken der EKD-Evangelischen Kirche sowie der Römisch-katholischen Kirche. Für die Katholiken liegen zwar bereits auch die Mitgliederzahlen für 2023 nach Bundesländern vor, für die EKD werden sie jedoch voraussichtlich erst Ende 2024 publiziert.

Die Prozentangaben beziehen sich auf die Fortschreibung der Bevölkerungszahlen durch das Statistische Bundesamt – auf Basis der Daten des Zensus 2011. Nach Veröffentlichung der Daten des Zensus 2022 sind diese Fortschreibungen jedoch zu hoch. Ob und welche Effekte das für diese Ausarbeitung hat, wird abschließend angesprochen.

2. Allgemeiner Überblick

Die Tendenz der Verringerung der Anzahl der Kirchenmitglieder ist in allen Bundesländern gleichermaßen vorhanden. Betrachtet man die Reihenfolge der Bundesländer in Bezug auf die Anteile der Kirchenmitglieder so ist die Rangfolge 2022 weitgehend identisch mit der Rangfolge 2001. (Vgl. Tabelle A im Anschluss an den Text)

Insgesamt gilt für alle Bundesländer, dass die ‚Sinkgeschwindigkeit‘ sich verstärkt. Während die jährlichen Veränderungen mit Bezug zum Vorjahr sich bis 2012 bis um einen Prozent bewegten, haben sie sich seitdem – und besonders seit 2016 – konstant verstärkt. 2022 haben die Verringerungen die Minus-3-Prozentmarke erreicht (2022: 3,4 Prozent, Vgl. „Entwicklung der Kirchenmitglieder 1992-2023“).

 In der Reihung der Bundesländer nach der Höhe der Anteile der beiden großen Amtskirchen (mit dem Saarland an der Spitze) ist die Unterteilung in Römisch-katholisch sowie EKD-Evangelisch bemerkenswert. Es sieht so aus, als ob die dominierenden Religionsgemeinschaften ein geringeres Verringerungspotential haben, als die bereits eher marginalen kleineren Gruppen und dass die ‚Sinkgeschwindigkeit‘ bei den katholischen Kirchenmitgliedern geringer ist. (Tabelle B)


3. Veränderung der Anteile in der Bevölkerung

Dieser Eindruck, dass die katholischen Bistümer eine größere ‚Beharrungskraft‘ haben, bestätigt sich jedoch nicht, wenn man betrachtet, wie stark sich die Prozentpunkte der Anteile der Kirchenmitglieder zwischen 2001 bis 2020 verändert haben. (Tabelle D)

Bei den überdurchschnittlichen Verringerungen (Durchschnitt: minus 17 Prozentpunkte) sind es in sechs der betroffenen neun Bundesländer die katholischen Kirchenmitglieder, deren Anteile sich (gegenüber 2001) am stärksten verringern.

4. Veränderung innerhalb der Anzahl der Kirchenmitglieder

Die Anteile an der Bevölkerung erfassen jedoch nicht, was sich innerhalb der Landeskirchen/Bistümer verändert. Wenn bei einer hohen Mitgliederzahl 1.000 Mitglieder austreten ist das innerkirchlich weniger bemerkenswert als bei einer kleinen Mitgliederzahl.  Eine Berechnung, wie sich die Anzahl der Kirchenmitglieder seit 2001 in dem jeweiligen Bundesland verringert hat, zeigt, dass die kleineren Landeskirchen/Bistümer am stärksten davon betroffen sind. (Tabelle E)

Es sind alle östlichen Bundesländer, aber auch die Bundesländer Bremen, Berlin, Schleswig-Holstein, Hessen - aber auch das Saarland -, die überdurchschnittlich an Kirchenmitgliedern verlieren. Eine Sonderrolle spielen die Katholiken in Brandenburg, Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein, die – dort in geringer Anzahl vertreten -, durch die Zuwanderung von Katholiken Mitglieder gewinnen. So heißt es auf der Internetseite des Erzbistums Hamburg:

„Das Erzbistum Hamburg ist eine internationale Kirche. Die [351.683] Katholiken kommen aus 171 Nationen. 80.694 von ihnen haben einen nicht-deutschen Pass. Die größte Gruppe stellen die Polen (36.726) vor den Italienern (6.219), den Kroaten (6.057) und den Portugiesen (5.770).“

Es sind allerdings auch alles Bundesländer, die insgesamt keine Mehrheit mehr an Kirchenmitgliedern haben, was dafürspricht, dass dort die „religiösen Resonanzräume“ stärker verloren gehen/gegangen sind, mit denen die Entwicklung der Entkirchlichung konstant bleibt bzw. sich weiterhin verstärkt. Dieses Phänomen wurde in der fowid-Untersuchung zur „Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland 1991-2023“ evidenzbasiert analysiert. Insofern zeigen diese Bundesländer bereits jetzt genauer, was den Bundesländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg bevorsteht.

5. 50-Prozent-Prognose

In der Theorie des Staatskirchenrechts ist die 50-Prozent-Marke wesentlich, da ein Anteil von unter 50 Prozent bedeutet, dass es nicht mehr ‚normal‘ ist, Kirchenmitglied zu sein und die ‚Amtskirchen – auch zusammen – nicht mehr die Mehrheit des ‚Üblichen‘ stellen.

Zehn der 16 Bundesländer haben Ende 2022 keine Mehrheit der Mitglieder der Amtskirchen. Neben den sechs östlichen Bundesländern (einschließlich Berlin) – bei denen nicht bekannt ist, wann sie diesen Anteil unterschritten haben – sind es Hamburg (1995) und Bremen (2014), Ende 2019 war auch in Schleswig-Holstein die Mehrheit der beiden großen Kirchen beendet, 2022 in Hessen. (Vgl. Tabelle C)

Für sechs Bundesländer wird es noch etwas dauern, bis dort die 50-Prozent-Marke voraussichtlich bzw. spätestens unterschritten sein wird: Niedersachsen (2025), Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen (bis 2026), Bayern (2028), Rheinland-Pfalz (2029) und schließlich das Saarland (2032). Gegenüber der Prognose von 2021 haben sich diese Zeiträume verkürzt.

6. Daten zum Jahresende 2022 und die Daten des Zensus 2022

Der Prozentanteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung beruht auf den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes und belief sich für die Bevölkerung in Deutschland am 31.12.2023 auf 84,7 Mio. (84.669.000) Personen. Diese Angaben beruhen auf den Fortschreibungen der Bevölkerungszahl aus dem Zensus 2011. Die Ergebnisse des Zensus 2022 besagen jedoch, dass am Zensustag (15.5.2022) nur 82.711.282 Personen als Bevölkerung zu beziffern sind, ein Minus von 1,3 Mio. (1.368.529) = eine um 1,63 Prozent geringere Bezugsgröße, so dass die Anteile der Kirchenmitglieder in den Bundesländern steigen würde/wird.

Das Statistische Bundesamt hat in einer Sonderauszählung der Daten des Zensus 2022 nach Religion (aufgrund einer Anfrage der Neuen Zürcher Zeitung) die Daten für die Bundesländer für das Religionsmerkmal publiziert.

Der Vergleich der Daten des Zensus 2022 (der sich auf den 15.5.2022 bezieht) mit den Ergebnissen der Melderegister zum 31.12.2022, ergibt, dass die Daten des Zensus um 0,7 Prozentpunkte für die Kirchenmitglieder höher sind. (Vgl. Tabelle F1 und F2). Da zwischen den beiden Datenerfassungen  ein Unterschied von 6,5 Monaten besteht, ist dieser höhere Wert im Zensus bzw. der niedrigere Wert am Jahresende 2022 plausibel und stimmig.

Im Jahr 2022 hat sich die Anzahl der Kirchenmitglieder um 1.133.400 Personen verringert. Bezogen auf die Kirchenmitglieder am Jahresende (2021: 41.371.000 / 2022: 40.037.600) ist das ein Rückgang um 3,22 Prozent. Geht man dann davon aus, dass die Kirchen 2022 eine Bevölkerungsteil von 48 Prozent haben, so ist das, auf das Jahr gerechnet eine Verringerung um 1,54 Prozent. Davon 6,5 Monate Unterschied zwischen Zensus und Jahresende bedeutet einen Rückgang von 0,83 Prozent. Das ist innerhalb der statistischen Schwankungsbreite.

Carsten Frerk

Tabellen:

1. Zusammenfassende Tabellen (A bis F)
2. Einzelne Tabellen für die Bundesländer (Tabelle 1-16) + Deutschland (Tabelle 17).

(Im Anhang befinden sich in einer Excel Datei alle Tabellen als auslesbare Daten.)