Sie sind hier

Deutschland (3): Der katholische Süden und Westen

In der konfessionellen Verteilung in Deutschland gibt es Bundesländer, die traditionell überwiegend von Katholiken bewohnt werden: das Saarland, Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Das ändert sich. Wenn vom „schwarzen Bayern“ – gemeint ist konservativ-katholisch - gesprochen wird, dann wird übersehen, dass das Saarland noch ‚schwärzer‘ ist.

Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind, was sich bereits in ihren Doppelnamen ausdrückt, neue Bundesländer, die es so vorher als Reichsländer nicht gegeben hatte. Den größten Einfluss nahm dabei 1945 die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen durch die Alliierten.

In einer Übersicht des Zensus 2011 (auf Kreisebene) wird deutlich, wo vor allem die höchsten Anteile an katholischen Kirchenmitgliedern leben.


Nordrhein-Westfalen

Aus den vormaligen Provinzen Westfalen, dem Nordteil des Rheinlands und Lippe entstand Nordrhein-Westfalen. Bis 1970 war der Katholizismus die religiöse Mehrheit in NRW. Danach blieb die katholische Kirche zwar die größte Glaubensgemeinschaft (2015: 39,3 Prozent), vor den evangelischen Landeskirchen (25,3 Prozent), stellte aber nicht mehr die Mehrheit.

In den Prozentanteilen der Glaubensgemeinschaften der Konfessionsfreien und anderer nicht öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften zeigt sich der relative Rückgang der Katholiken wie ebenfalls der Protestanten.

In den absoluten, also tatsächlichen Mitgliederzahlen, wird dann jedoch die Dominanz der Katholiken deutlich – insbesondere durch die drei Gipfelpunkte im Geburtenzyklus, die sich ebenfalls, wenn auch auf niedrigerem Niveau für die Protestanten darstellen.

Bei den Konfessionsfreien sind in den mittleren Altersgruppen die absoluten Zahlen in der gleichen Größenordnung wie für die Evangelischen. Während jedoch die Kirchenmitglieder jeweils einen dritten Geburtengipfel (in den Geburtsjahrgängen 1987 – 1991, den (2011) 20-24-Jährigen) haben die Konfessionsfreien eine ‚Jugendlichen-Delle‘ geringerer Anzahl. Dieses Phänomen zeigt sich auch bei allen anderen hier dargestellten Bundesländern. Die Hypothese dafür lautet: Die Konfessionsfreiheit, die sich mehrheitlich als individueller Kirchenaustritt darstellt, hat nicht zur Folge, dass die Eltern ihre Kinder in religiös geprägter Umgebung auch taufen lassen, um sie in Kitas und Schule nicht auszugrenzen. Da sich dieses Phänomen auch bereits in der Volkszählung von 1987 darstellt, könnte es ein Hinweis darauf sein, dass sich in der Fläche noch keine ‚konfessionellen Milieus’ gebildet haben, in denen die Konfessionsfreiheit familiär weiter vererbt wird.

Rheinland-Pfalz

Während sich der Anteil der Kirchenmitglieder in Nordrhein-Westfalen seit 1950 bis 2015 von 94,7 Prozent auf 64,6 Prozent verringert hat, ist es in Rheinland-Pfalz eine Verringerung von 97,8 auf 70,7 Prozent.

Die deutliche Verringerung zeigt sich erst nach 1987 (91,7 Prozent evangelische und katholische Kirchenmitglieder) auf 2011 (77,5 Prozent) und 2015 (70,7 Prozent), was den Eindruck erweckt, dass dieser Prozess sich beschleunigt und eher die Katholiken betrifft (minus 15,5 Prozentpunkte) als die Evangelischen (minus 11,6 Prozentpunkte) seit 1950.

Eine Aufgliederung nach den Anteilen in den Altersgruppen, die gleichsam den historischen Verlauf in den Kirchenmitgliedschaften und Kirchenaustritten anzeigt, verdeutlicht, dass die katholische Kirche seit den Geburtsjahrgängen 1942-1946 (den 2011 65-69-Jährigen) keine Mehrheit hat. Vor allem in den jüngeren Altersgruppen verringern sich die Anteile.

Auch in den absoluten Zahlen in den Altersgruppen zeigt einerseits den Zugewinn der Katholiken im mittleren Gipfelpunkt des Geburtenzyklus, andererseits die Verringerungen in den Mitgliederzahlen bei den jüngeren Altersgruppen.


Saarland

Das vor Bremen zweitkleinste Bundesland Saarland hat von allen Bundesländern den höchsten Anteil an Kirchenmitgliedern in der Bevölkerung. Auch wenn dieser Anteil von 1950 (98,2 Prozent) bis 2015 (78,2 Prozent) um 20 Prozentpunkte gesunken ist, besteht eine eindeutige Mehrheit an Katholiken (2015: 59,8 Prozent), was nur noch in Bayern (51,2 Prozent Katholiken) der Fall ist.

Dem entspricht, dass in allen Altersgruppen der Anteil der katholischen Kirchenmitglieder die Mehrheit bildet.

Ebenso verdeutlicht die Grafik der absoluten Mitgliederzahlen in den Altersgruppen das massive Übergewicht der Katholiken im Saarland.


Baden-Württemberg

Im Unterschied zum katholisch dominierten Saarland war und ist Baden-Württemberg ein duales Land, in dem in den Nachkriegsjahren die Protestanten einen leicht größeren Anteil haben als die Katholiken, was sich aber seit 1970 umgekehrt hat. Keines der Bekenntnisse hat jedoch eine Mehrheit.

An dem Rückgang der Mitgliederzahlen seit 1950 haben die Protestanten (minus 18,7 Prozentpunkte) einen höheren Anteil als die Katholiken (minus 12,6 Prozentpunkte). Gemeinsam stellen sie (2015) rund zwei Drittel (64,6 Prozent) der Bevölkerung.

In den relativen Anteilen der Altersgruppen ist diese kirchliche Mehrheit durchgehend vorhanden, auch wenn sich zeigt, dass der Anteil der Menschen, die keiner öffentlich-rechtlichen angehören (überwiegend Konfessionsfreie, aber auch Muslime) zunimmt – bis auf den Rückgang in den Geburtsjahrgängen 1982 bis 1996.

Diese ‚Delle‘ bei den Jugendlichen bzw. den jungen Erwachsenen (den 15-29-Jährigen) wird in der Grafik der absoluten Zahlen noch offensichtlicher. Demografisch gibt es für diesen Rückgang keine Erklärung, außer der Hypothese, dass die Konfessionsfreien der ersten Generation (in den westlichen Bundesländern) ihre Kinder noch taufen lassen. Diese Hypothese erklärt jedoch nicht, warum die absoluten Zahlen in dieser Gruppe nach 1996 (bis 2011) wieder ansteigen.


Bayern

Ebenso wie in den anderen geschilderten Bundesländern hat das Bundesland Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg eine weitestgehend christliche Bevölkerung (98,7 Prozent), von denen 72 Prozent katholische Kirchenmitglieder waren und 26 Prozent evangelische.

Ähnlich wie im Saarland geht die Verringerung der Anteile der Kirchenmitglieder bis 2015 auf 70,2 Prozent vor allem auf das Konto der Katholiken (minus 21 Prozentpunkte) und weniger zu Lasten der Evangelischen (minus 7 Prozentpunkte). Allein in den vier Jahren von 2011 auf 2015 hat sich der Anteil der Katholiken in Bayern um 4,5 Prozentpunkte verringert. Diese Reduzierung hat weniger mit der Zuwanderung zu tun, da sich die Mitgliederzahl der katholische Kirche von 2011 bis 2015 um 279.604 Personen verringert hat, ein Minus von 4,1 Prozent. In voraussichtlich zwei bis drei Jahren wird es in Bayern keine Mehrheit der Katholiken mehr geben.

Noch beruht die katholische Mehrheit auf dem überproportionalen Anstieg der Täuflinge um den zweiten Gipfelpunkt des Geburtenzyklus. Ein Zuwachs, der durch die geringeren Zuwächse in den folgenden Jahren wieder verloren geht.

Die christliche Mehrheit wird in Bayern aber noch längere Zeit erhalten bleiben.


Zwischenfazit

Mit Ausnahme des kleinen Saarlandes, hat die katholische Kirche ihre ursprüngliche Mehrheitsposition von deutlich über 50 Prozentanteil in NRW und Rheinland-Pfalz verloren, was in Bayern auch zeitnah der Fall sein wird. In Baden-Württemberg, wo die beiden großen christlichen Konfessionen etwa gleiche Anteile haben, hat sich die katholische Kirche zwar etwas besser behaupten können, der Rückgang der beiden Konfessionen (um 31 Prozentpunkte) ist aber am ausgeprägtesten.

Zudem besteht der Eindruck, dass die ursprüngliche größte bzw. Mehrheitsreligion (katholisch: NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland, Bayern; evangelisch: Baden-Württemberg) stärker Mitglieder verliert als ihr kleinerer Mitbewerber.

(CF)