Einäscherungsquote / Religionszugehörigkeiten
Geprüft werden sollte die Hypothese, dass die Religionszugehörigkeiten der Städte in einer direkten Beziehung zur Höhe der Einäscherungsquote steht und zwar in der Relation: je mehr Katholiken, desto weniger Einäscherungen, je mehr Evangelische, desto mehr Einäscherungen. Dazu wurden zu den Städten aus der Volkszählung von 1987 die Religionsanteile der Stadtbewohner hinzugezogen.
Die dunkelblaue Linie zeigt die jeweilige Einäscherungsquote der Städte, sortiert nach ansteigender Quote, d.h. Stadt 1 (Krefeld) hat die geringste Quote, Stadt 49 (Wilhelmshaven) die höchste Quote.
Die rote (Zick-Zack-)Linie sind die Anteile der Katholiken in den jeweiligen Städten, die nach rechts abfallende (durchgehende) Linie die lineare Trendlinie katholischer Anteile.
Die blauen Linien sind die entsprechenden evangelischen Anteile.
Es konnten nur die Städte berücksichtigt werden, für die sowohl die Einäscherungsquote wie die Religionszugehörigkeiten feststellbar waren.
Die zu prüfende Hypothese wird einerseits als generelle Tendenz bestätigt - je evangelischer und nördlicher, desto mehr Einäscherungen - andererseits zeigen aber gerade die Ausnahmen von diesem Trend die unterschiedlichen Bedingungen.
Bielefeld (Platz 2) und Osnabrück (Platz 4), die mit einem überwiegend evangelischen Anteil eine sehr niedrige Quote aufweisen, sind ebenso wie Oldenburg (14) stärker ländlich geprägte Städte, so dass aus dieser Tendenz die ländlichen Regionen herausgenommen werden muss.
Ebenso wäre zu prüfen, warum katholische Großstädte wie München (.Platz 17) ebenso wie die badischen Städte Freiburg (33) und Baden-Baden (35) eine höhere Einäscherungsquote aufweisen, als ihrem Katholikenanteil entsprechen würde.
Hintergrund
Der Umgang mit dem Tod, und damit auch die Bestattungsformen, sind wesentlicher Bestandteil religiöser / weltanschaulicher Ansichten einer Kultur. Insbesondere die Frage der Feuerbestattung fand im konservativen Christentum einen entschiedenen Gegner. Mit dem ausbreitenden Christentum wurde die Leichenverbrennung eingeschränkt und schließlich 785 vom Frankenkönig Karl verboten.
Am 10. Dezember 1878 fand in Gotha die erste Leichenverbrennung in einem deutschen Krematorium statt und die Frage der Feuerbestattung wurde auch zum gesellschaftlichen Machtkampf, da die christliche Tradition nur das Erdgrab kannte.[1]
Die katholische Kirche erließ 1866 ein Verbot der Teilnahme von Kirchendienern an einer Feuerbestattung, ebenso wie das Spenden von Sterbesakramenten für einen Mensch, der eine Feuerbestattung wünschte oder Mitglied in einem Feuerbestattungsverein war. Dieses Verbot blieb bis zum II. Vatikanischen Konzil 1963 bestehen.
Von Seiten der evangelischen Kirche waren die Stellungnahmen unterschiedlich - von vehement ablehnend bis zögerlich tolerierend.
Die Feuerbestattungsbewegung war in ihren Anfängen eine Bewegung des „aufgeklärt - gebildeten, säkularisierten, vor allem protestantischen Bürgertum“, deren Bedeutung zunächst marginal blieb.
1911 gestattete der wichtigste deutsche Teilstaat - Preußen - die Kremation. Der Betrieb eines Krematoriums war jedoch nur Kommunen oder Kirchengemeinden gestattet.
Der Durchbruch der Feuerbestattung war dann in den 1920er Jahren die Akzeptanz der Feuerbestattung auch in der breiten Arbeiterschaft.
1905 wurde in Berlin der Verein der Freidenker für Feuerbestattung gegründet, der die Feuerbestattung als betont atheistische und egalitäre Form der Bestattung verstand. Die Mitgliedschaft war (zunächst) an den Kirchenaustritt geknüpft und religiöse Zeremonien waren tabu.
Aus ökonomischen Gründen senkten die Großstädte die Gebühren der Kremation erheblich, um die Kosten für die Unterhaltung von Friedhofsgelände zu senken.
Der Anteil der Arbeiter unter den Eingeäscherten, der 1920 bei rund 12 % lag, stieg bis 1926 auf 45 %. Der Volksfeuerbestattungsverein von Groß-Berlin, der 1917 nur knapp 3.600 Mitglieder aufwies, hatte 1925 rund 600.000 Mitglieder. In dieser Tradition hat die DDR die Feuerbestattung gefördert, so dass sich die höchsten Einäscherungsquoten in den Neuen Bundesländern zeigen.
Mit der Streichung des Sterbegeldes zum 1. Januar 2004 wird diese Entwicklung voraussichtlich eine weitere ökonomische Bestärkung erhalten. Allerdings wird dieser Grund häufig auch nur als Vorwand betrachtet, da Kirchgänger nicht an den Bestattungskosten sparen würden.
[1] Dazu sehr informativ: Norbert Fischer: Vom Gottesacker zum Krematorium - Eine Sozialgeschichte der Friedhöfe in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert. Köln, 1996. Insbesondere Kapitel V. Eine Tradition der Moderne: Krematoriumsbau, Einführung der Feuerbestattung und der technisierte Umgang mit den Toten, S. 209-265. Die obige Darstellung beruht weitestgehend auf dem Text von Norbert Fischer.