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Gottesdienstbesuch 1953 - 2023

Der sonntägliche Gottesdienstbesuch gehörte einstmals zu den legendären Ritualen christlicher Familien. Die Daten der Anteile der Kirchenmitglieder sprechen für sich: Abgesehen von den EKD-Evangelischen, von denen nie mehr als 5 Prozent in die Kirche gegangen sind, verringert sich seit Beginn der Bundesrepublik Deutschland der Anteil der katholischen Gottesdienstbesucher kontinuierlich von einstmals 50,2 Prozent auf aktuell 5,7 Prozent. Es ist gleichsam ein evidenzbasierter Beleg für die Verringerung der Bedeutung von Religion.

1. Zähltage: Statistiken der Kirchen
2. Daten 1953 – 2022
3. Umfragen 2018 / 2023
4. Freizeitverhalten 2023

Die Häufigkeit des Gottesdienstbesuchs zählt zu den ‚Daten des kirchlichen Lebens‘, ebenso wie die Taufen, Erstkommunionen, Konfirmationen/Firmungen, Trauungen und Bestattungen. Gezählt werden die kirchlichen Handlungen für die ein Pfarrer/eine Pfarrerin notwendig ist („Kasualien“). Diese Daten werden von den beiden großen Kirchen in Deutschland ‚seit jeher‘ gezählt, wie in „Kirchliches Leben Evangelische Kirche in Deutschland 1953 – 2017“ bzw. „Kirchliches Leben in der Katholischen Kirche 1953 – 2017“ dokumentiert. Dazu sind die Daten auch auf der Organisationsebene der Landeskirchen wie der Bistümer vorhanden.

Was anfangs wie eine Dokumentation des Erfolgs und der ‚Lebendigkeit‘ des kirchlichen Lebens innerhalb der Kirchen und der Gesellschaft aussah, hat sich in den letzten rund dreißig Jahren eher zu einer Dokumentation des Niedergangs der kirchlichen ‚Verankerung‘ gewandelt: Die Anzahl der Kasualien verringerte sich beständig. Bei der Anzahl der Kirchenmitglieder gab es seit 1980 einen festen Satz von 0,6 Prozentpunkten der Verringerung, allerdings mit zuletzt steigender Tendenz. Bei den einzelnen Kasualien waren die Verringerungen unterschiedlich, aber seit den 1970er-Jahren besteht ein Taufdefizit in beiden Kirchen, d. h. es gibt weniger Taufen als Bestattungen.

1. Statistiken der Kirchen

Die Anzahl der Gottesdienstteilnehmer, oder des „Kirchgangs“, werden seitens der Kirchen in der Weise erfasst, dass an zwei normalen „Zählsonntagen“ (Invokavit im Frühsommer und 1. Advent im Herbst) die Anzahl der Gottesdienstbesucher in den Pfarreien gezählt wird. Das wird dann als die ‚normale‘ Kirchganghäufigkeit angesehen.

Die von der EKD publizierten Zählungen an verschiedenen Sonn- und Feiertagen verdeutlichen, dass die beiden Zähltage, die in die Statistik einfließen, keine ‚Ausreißer‘ sind, im Gegenteil. Für die Zeitreihe der Zählungen ist das korrekt, da nach den gleichen Kriterien gezählt wird. Mehr als die Anzahl an diesen beiden Tagen ist dann allerdings nicht bekannt.

2. Daten 1953-2023

Für den Gottesdienstbesuch ist entsprechend z. B. für den Zeitraum seit 1953 bekannt, dass diese Teilnehmerzahlen – betrachtet als Anteil der Gottesdienstbesucher an den Kirchenmitgliedern -, für die EKD-Landeskirchen gleichbleibend niedrig sind, bei den römischen Katholiken ist es – seit Anfang der Bundesrepublik mit einer einzigen Ausnahme (1961) eine kontinuierliche Verringerung dieses Anteils von 50,2 Prozent (1953) auf 5,7 Prozent (2022).


3. Umfragen 2018 / 2023

Will man mehr wissen, müssen dazu weitere Daten erhoben werden. So, wie es die Sozialwissenschaften tun, indem sie in Umfragen nach der tatsächlichen Häufigkeit des Gottesdienstbesuchs fragen. Dafür haben sich die Kategorien eingebürgert: „Mehr als einmal pro Woche“, „Einmal pro Woche“, „Ein bis dreimal im Monat“, Mehrmals im Jahr“, „Seltener“ und „Nie“. Galt früher „einmal pro Woche“ als regelmäßiger Kirchgang, so werden heute die ersten drei Kategorien, also mehrmals pro Woche bis einmal im Monat, als „regelmäßiger Gottesdienstbesuch zusammengefasst.

Auch wenn diese Umfragen – mit normalerweise um die 1.000 Befragten – nicht allzu sehr belastet werden können, da die Anzahl der Befragten in den Auswertungskategorien zu gering werden (können), so zeigen sie doch plausible Tendenzen an.

In der Zusammenfassung der beiden Häufigkeiten „Seltener (als mehrmals im Jahr)“ sowie „Nie“ sind es nach der ALLBUS-Umfrage 2018 bei den EKD-Evangelischen 60 Prozent der Befragten und bei den römischen Katholiken 51 Prozent, die „sehr selten oder nie“ einen Gottesdienst besuchen. Die jeweils größte Gruppe davon sind (in der Kategorie 5) die „Drei-Tages-Christen“, die nur an Ostern und Weihnachten in die Kirche gehen.

In den Altersgruppen zeigt sich für beide Konfessionen (2018) die gleiche Verteilung, dass von den Jüngeren zu den Älteren die Kirchganghäufigkeit ansteigt und dass die Jüngeren häufiger „sehr selten oder nie“ in die Kirche gehen. Das ist sozusagen allgemeiner Kenntnisstand.

Die neueste Umfrage dazu (2023) von YouGov für katholisch.de ist insofern bemerkenswert, da sich einerseits in der Berichterstattung dazu: „Jeder zweite Katholik in Deutschland geht nie in den Gottesdienst“ ein Erstaunen über diese an sich bekannte Tatsache ausdrückt, und andererseits sich 2023 in dieser Umfrage eine Verhaltensänderung in den Altersgruppen zeigt.

Je älter die Befragten sind, desto geringer wird der Gottesdienstbesuch. Sind es bei den 18-24-Jährigen bereits 53 Prozent, die „nie“ einen Gottesdienst besuchen, so sind es, ansteigend, bei den 55 Jahre und Älteren 74 Prozent.

Auch wenn diese älteste Altersgruppe sehr undifferenziert alle 55-Jahre-und-Älteren zusammenfasst, so könnte man es auch als Hinweis auf die Veränderungen im Verhalten der Kirchenmitglieder verstehen. Bereits bei den Kirchenaustritten waren (in München) im Vergleich von 2006 und 2018 („Kirchenaustritte 2006 und 2018 nach Alter“) die Kirchenaustritte (2018) in allen Altersgruppen angestiegen. Und in einer chrismon-Umfrage (2016) antworten auf die Frage: „Was glauben Sie kommt nach dem Tod?“ die Befragten mit zunehmendem Alter: „Es kommt nichts mehr“ Von den 14-29-Jährigen sind es 33 Prozent, um dann kontinuierlich anzusteigen, und bei den Über-60-Jahre-und-Älteren sind es dann 49 Prozent. Warum dann also noch am Sonntag in die Kirche gehen? Dazu passt, dass der Anteil der Kirchenmitglieder, die sich nicht kirchlich bestatten lassen, mittlerweile auf ein Drittel der verstorbenen Kirchenmitglieder beläuft.

Wie weit sich zudem die Erfahrungen aus der Coronapandemie darin darstellen, bei denen die Älteren besonders betroffen waren und zu Hause blieben, könnte ein weiterer Aspekt sein. So meinte der Religionssoziologe Detlef Pollack (laut katholisch.de), dass der Gottesdienstbesuch nicht wieder steigen werde.

„Der frühere Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack rechnet nicht damit, dass mit dem Abflauen der Corona-Pandemie die Menschen wieder in die Gottesdienste zurückkehren werden. „Sie haben sich daran gewöhnt, dass man gar nicht zur Kirche gehen muss, sondern dass man auch Streamingdienste in Anspruch nehmen kann“, sagte Pollack dem Kölner Online-Portal „domradio.de“ am Montag. „Die Menschen haben an vielen Stellen erlebt, dass sie viele Dinge, die sie über Jahre hinweg gemacht haben, gar nicht so sehr brauchen.“

4. Freizeitverhalten

Für den „Freizeit Monitor 2023“ der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, fragte das Meinungsforschungsinstitut GfK mehr als 100 unterschiedliche Freizeitaktivitäten ab, die in einer Liste vorgegeben waren. Der Gottesdienstbesuch war auch dabei.

Die Zeit resümiert, dass vor allem die außerhäuslichen Aktivitäten zugenommen haben.

„45 Prozent der für die Studie Befragten gaben an, mindestens einmal pro Jahr ins Museum oder in eine Kunstausstellung zu gehen (2013: 28 Prozent). Rock- und Popkonzerte sind bei 41 Prozent der Deutschen beliebt (2013: 26 Prozent) und 38 Prozent der Befragten gehen regelmäßig in Freizeit- oder Vergnügungsparks (2013: 30 Prozent). Auch das Kino ist wieder populärer geworden. Nur die Beliebtheit von Discos und Clubs ist zurückgegangen.“

Der Gottesdienstbesuch ist jedoch nicht dabei.

Dazu schreibt die dpa: „Freizeit-Monitor 2023: „Die Couch ist das Epizentrum der modernen Freizeitgestaltung“.

„Laut der Studie finden auch gemeinsame Aktivitäten mit dem Partner, den Freunden und der Familie gerne im häuslichen Umfeld statt - seien es Koch- oder Spieleabende, Zeit für Gespräche, gesellige oder gemütliche Abende. ‚In einer Zeit und Welt, die oftmals von äußeren Einflüssen und Schnelllebigkeit geprägt ist, gewinnt die Gestaltung der Freizeit daheim immer mehr an Bedeutung - sei es als Quelle der Erholung, der persönlichen Interessen und der zwischenmenschlichen Verbundenheit‘, sagte Reinhardt, der Leiter der Stiftung.“

(CF)

Im Anhang befindet sich die auslesbare Excel-Datei mit den Daten der Tabellen 2.1. und 2.2.