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Konfessionsfreie in Europa

Der Trend des Anstiegs von Konfessionsfreien in Deutschland zeigt sich auch in weiteren Ländern Europas, vor allem Westeuropas. Die Entwicklung in Deutschland liegt dabei im Mittelfeld. Der Aspekt, ob das Land eine katholische oder evangelische Tradition hat, spielt dabei keine offensichtliche Rolle: Norwegen und Spanien sind die Spitzenreiter bei den Zuwächsen an Konfessionsfreien.

1. Allgemeine Übersicht
2. Distanz zu Religion und Konfessionsfreie
3. Konfessionsfreie, Religionsgemeinschaften / Datenbasis

1. Allgemeine Übersicht

In den European Values Studies (EVS) wird seit 1981 in 14 Ländern und seit 1990 in 26 Ländern auch nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft gefragt. Die Antwort der Befragten ist damit das persönliche Bekenntnis, einer Religionsgemeinschaft anzugehören oder nicht.

In den dargestellten Ländern ist die Entwicklung, dass die Anteile der Konfessionsfreien größtenteils mehr oder minder stark steigen. In Bulgarien, Litauen und partiell Estland verläuft der Anteil rückläufig. In der grafischen Darstellung für die acht Länder, für die vollständige Zeitreihen vorliegen (und ohne Großbritannien, dessen 1999er Wert völlig unplausibel ist), zeigt sich dieser Trend.

In einer Sortierung nach dem höchsten Anteil im Befragungszeitraum 2017-2021 sind von den zehn Ländern mit den höchsten Anteilen vier mit katholischer Tradition (Tschechien, Frankreich, Umgarn, Spanien), vier mit evangelischer Tradition (Niederlande, Großbritannien, Schweden und Norwegen) und zwei mit gemischten Anteilen (Estland und Deutschland).

In einer Sortierung nach den größten Veränderungen in den Anteilen der Konfessionsfreien für den Zeitraum 1990 versus 2017/2021 sind die TOP5 Norwegen, Spanien, Schweden, Großbritannien und Frankreich.

Während die Anteile der Konfessionsfreien in Tschechien, Frankreich und den Niederlanden bereits 1980/1999 auf einem vergleichsweise hohen Niveau waren, haben die anderen Länder seinerzeit einen Anteil von unter zehn Prozent. Deutschland spielt dabei eine Sonderrolle, dass die Daten von 1981 sich nur auf Westdeutschland beziehen.

2. Distanz zu Religion und Konfessionsfreie

Die Frage zur Feststellung der persönlichen Konfessionsfreiheit lautete: „Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?“ („Do you belong to a religious denomination?”) und diejenigen, die bekundeten „Keiner“, wurden als Konfessionsfreie kategorisiert. Das bezieht sich auf die (formale) Nicht-Zugehörigkeit zu einer Konfession / Bekenntnisgemeinschaft – „Confessio“ / Religionsgemeinschaft. Würde man stattdessen fragen: „Sind Sie religiös?“ würde man andere Antworten und Anteile erhalten. Für Deutschland ist es aus ALLBUS-Umfragen bekannt, dass sich Kirchenmitglieder (Konfession) sich nicht unbedingt als religiös verstehen. Und, ob die Konfessionsmitglieder regelmäßig ihren Glauben öffentlich praktizieren, indem sie mindestens einmal im Monat in die Kirche gehen, ist wiederum ein anderer Aspekt. Und wenn man Mitglied in einer Religionsgemeinschaft / Kirche ist, müsste man ihr doch vertrauen? Mitnichten.

Vergleicht man den Aspekt der Selbsteinstufung, dass man Konfessionsfrei sei, mit Einstellungen zu anderen religionsbezogenen Merkmalen – wie der Frage, ob man eine religiöse Person sei oder ob man an Gott glaube oder ob man an Gottesdiensten teilnehme und wie das Vertrauen in die Kirche sei –, so zeigt sich (für die letzte Befragung 2017-2021) für fünf ausgewählte Länder (Deutschland, sowie Frankreich, Spanien mit katholischer Tradition und die Niederlande und Dänemark, mit evangelischer Tradition) als Gemeinsamkeit, dass in allen fünf Ländern die Nichtteilnahme am Gottesdienst höher ist als der Anteil der Konfessionsfreien. In Frankreich, Spanien und den Niederlanden nehmen rund zwei Drittel so gut wie niemals an einem Gottesdienst teil.

Für diese fünf Länder zeigt sich als zweite Gemeinsamkeit, dass weitestgehend alle Merkmale, die in unterschiedlichster Weise die Distanz zu Religion und Kirche zeigen, sich über die Jahre verstärken, d. h., dass die Distanz der Bevölkerung größer wird. Dass dabei religiöse Traditionen keine Automatismen sind, zeigt der Vergleich der Niederlande mit Dänemark. Während die Niederlande den höchsten Anteil an Konfessionsfreien haben (62 Prozent), sind es in Dänemark nur 19 Prozent, obwohl die anderen Merkmale der Distanz zu Religion und Kirche rund doppelt so hoch sind. Das könnte dafür sprechen, dass es in Dänemark – trotz der sich ebenfalls verstärkenden Distanz zu Religion und Kirche – als kulturelle Tradition gilt, evangelisch zu sein. In den Niederlanden gilt das offenbar nicht und die Angaben zur Konfessionsfreiheit befinden sich in einer ähnlichen Größenordnung wie die anderen Distanzen.

Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass in diesen Ländern die Religionsdistanz in einer Bevölkerung größer und ausgeprägter ist, als es sich in der Anzahl der Konfessionsfreien darstellt.

3. Konfessionsfreie, Religionsgemeinschaften / Datenbasis

in der „Swiss Metadatabase of Religious Affiliation in Europe (SMRE)” wurden für die Periode 2006-2015 die durchschnittlich dominierenden religiösen Orientierungen ermittelt und in einer Grafik wie in einer Tabelle dargestellt.

Lag der Durchschnitt des Anteils der Konfessionsfreien für die Länder der EU28 für die Periode 1996-2005 bei 25,4 Prozent, so ist dieser Anteil für die Periode 2006-2015 auf 28,9 gestiegen. Für Deutschland hat sich dieser Wert von 26,5 auf 33,1 Prozent erhöht.

Die Grundlage für diese Meta-Datenbank und ihren Berechnungen sind die sehr unterschiedlichen Ergebnisse diverser Umfragen. Für die Periode 2006-2015, mit dem Wert für Deutschland von 33,1 Prozent verbergen sich 24 Umfragen aus diesem Zeitraum, mit einer Spannweite für die Konfessionsfreien in Deutschland zwischen 23 und 46 Prozent.

Der Sinn dieser Durchschnittsberechnungen liegt darin, den Blick für Trends zu öffnen und einzelne Umfragen als relativ anzusehen, d. h. nicht so wichtig zu nehmen. Eine Einsicht, die für alle Umfragen gilt – auch für Wahl-Projektionen aufgrund von Umfragen.

(CF)