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Konfessionsfreie in Polen 2011, 2021

Der Zensus 2021 bestätigt, dass die 90 Prozent-Angaben für den Anteil der bekennenden römischen Katholiken in Polen der Vergangenheit angehören. Von 2011, als der Anteil sich noch auf 88 Prozent belief, ist dieser Anteil bis 2021 auf 71 Prozent gefallen. Der Anteil der bekennenden Konfessionsfreien hat sich von 2,4 auf 6,9 Prozent erhöht. Ebenso hat sich aber auch der Anteil derer erweitert, die sich weigern, eine religiöse Orientierung zu benennen: von 7 auf 21 Prozent.

1. Zählergebnisse
2. Nicht-religiöse
3. Antwortverweigerer
4. Perspektiven

1. Zählergebnisse

Gab es 2011 noch 929.000 Bürger in Polen, die sich als konfessionsfrei bekannten, so belief sich nach den jetzt publizierten Auswertungen des Zensus ihre Anzahl (2021) auf 2,6 Millionen Personen und ihr Anteil in der Bevölkerung hat sich von 2,4 Prozent auf 6,9 Prozent erhöht, also nahezu – auf niedrigem Niveau - verdreifacht.

Das ist als unterer Wert anzusehen, denn ebenso hat sich vom Zensus 2011, dessen Ergebnisse in der Publikation „Religious denominations in Poland 2019-2021“ zu finden sind, der Anteil derjenigen, die auf die freiwillige Frage nach der Religionszugehörigkeit die Antwort schlicht verweigern, von 2,7 Mio. Polen (= 7,1 Prozent) auf 7,8 Mio. (= 21 Prozent) erhöht.

Immer noch stellen die Polen, die sich zur römisch-katholischen Kirche bekennen, mit 71 Prozent die Mehrheit der Religionszugehörigkeiten, auch wenn das gegenüber 2011 einen Verlust von 16,3 Prozentpunkten bedeutet. Im Jahresschnitt ist das ein jährlicher Verlust (im Zeitraum 2011 bis 2021) von 1,6 Prozentpunkten oder rund 660.000 bekennenden Kirchenmitgliedern pro Jahr.

Eine Eigenart der staatlichen Statistik ist es, verschiedene Grundgesamtheiten zugrunde zu legen – Insgesamt / Alle, die die Frage beantwortet haben / nur die Religiösen – und darüber verschiedene Prozentsätze zu erzeugen. So werden aus den 71,30 Prozent dann 89,77 Prozent und schließlich 98,26 Prozent, was dann heißen mag, so gut wie alle Polinnen und Polen sind römisch-katholisch.


2. Konfessionsfreie

Die offizielle Einstellung zu den Konfessionsfreien zeigt sich z. B, auch darin, dass im Statistischen Jahrbuch 2005 (S. 220-221) nur Angaben zu den Religionsgemeinschaften publiziert werden und wenn sie auch noch so wenige Mitglieder haben. Angaben zu den Konfessionsfreien fehlen.

Die geografische Verteilung der Konfessionsfreien (2011) zeigt die Schwerpunktbildung in den Städten.

Daneben gibt es noch eine Ost-West-Verteilung in dem Sinne, dass in den polnischen Westprovinzen Niederschlesien und Westpommern der Anteil der Konfessionsfreien überdurchschnittlich bei rund 10 Prozent liegt, während es in den östlichen Provinzen Karpatenvorland und Podlachien nur um die 3 Prozent sind.

Diese Ost-West-Verteilung gilt ebenso für die Anteile der „Antwortverweigerer“, die sich im Westen Polens auf rund 24 Prozent belaufen, im Osten auf 14 Prozent.

Dass diese Unterschiede politisch auch aktuell eine Rolle spielen, beschreibt ein Kommentar zu den Parlamentswahlen Oktober 2023.

„Diese Widersprüchlichkeit zeugt von der tiefen kulturell-politischen Spaltung des Landes, die grob etwa so aussieht: PiS hat seine Wähler im Osten des Landes, in den ländlich geprägten Regionen. Diese Gegenden, auch Polen B genannt, sind nach zwei Jahrzehnten EU-Mitgliedschaft schon lange nicht mehr hoffnungslos abgehängt oder verarmt. Aber es überwiegen hier traditionalistische Orientierungen. Ihnen verspricht Kaczyński: Ihr müsste euch nicht ändern. Tenor: Fahrt weiter Auto, esst weiter Fleisch, Frauen sind mit den Kindern zu Hause gut aufgehoben, die Schwulen sollen nicht so viel Aufhebens machen, die EU mit ihrem elitären Neuerungswahn halten wir auf Distanz und muslimische Migranten kommen hier nicht rein! Dazu erhöhte PiS den Mindestlohn und die Renten, aktuell zahlt sie 800 Złoty, umgerechnet 176 Euro, Kindergeld.“

In diesem Sinne könnte die politische PiS-Positionierung des katholischen Klerus zu einer weiteren Entkirchlichung Polens führen, wie sie auch für Westeuropa festzustellen ist.

Dass dabei zwischen Kirche und Glaube unterschieden wird, zeigen u. a. die Ergebnisse der European Values Studies für Polen (aus dem Jahr 2017/2018): 90 Prozent der befragten Polinnen und Polen bekennen: „Ich glaube an Gott“, für 51 Prozent ist Gott „wichtig im Leben“ (8, 9, 10 auf einer 10er Skala), 83 Prozent betrachten sich als „religiöse Person“, für 78 Prozent ist Religion „sehr wichtig“ bzw. „ziemlich wichtig“ im Leben, aber 55 Prozent sagen auf die Frage: „Sollten religiöse Autoritäten die Gesetze interpretieren?“ sehr eindeutig „Nein“ (1-3 auf einer 10er-Skala).

3. Antwortverweigerer

Bemerkenswert ist die bereits erwähnte Vergrößerung des Anteils derjenigen Polinnen und Polen, die auf die freiwillige Angabe zur Religionszugehörigkeit verzichten („Antwortverweigerer“).

Es ist anzunehmen, dass sich in dieser Gruppe noch ein guter Teil an Konfessionsfreien befindet, die ihre Gründe haben, das nicht zu nennen, aber ebenso liberale Katholiken, die immer noch katholischen Glaubens und Mitglied der Kirche sind, aber mit diesem konservativen Klerus nichts zu tun haben wollen. Es ist jedoch müßig über Größenordnungen zu spekulieren.

Betrachtet man sich die dargestellte Verteilung der Konfessionsfreien auf die Verwaltungsbezirke, so fällt auf, wie sehr sie sich in den Städten konzentrieren und deren unmittelbare Umgebung, hier dargestellt am Beispiel Warschau und Umgebung. Das lässt immerhin den Schluss zu, dass die Religionsfreiheit, die ja auch die Freiheit ist keine Religion zu haben, auf dem ‚Land‘ nicht so ausgeprägt oder willkommen ist. So kann man annehmen, dass der Anteil der Konfessionsfreien höher ist, da er in den ländlichen Regionen eher verschwiegen wird.

Der andere Aspekt ist, dass sich in dieser Gruppe der „Antwortverweigerer“ auch ein Gutteil von liberalen römischen Katholiken befinden kann, die sich vom konservativen Klerus, d. h. der Kirche, abgewendet haben, ohne ihren katholischen Glauben aufzugeben.

In der Auswertung von Umfragen in Polen zwischen 1990 bis 2022 zeigen sich diese ansteigenden Vorbehalte gegen einen Schulterschluss des politisch aktiven Klerus mit der regierenden national-konservativen PiS-Partei deutlich.

Insbesondere die Frage der Nicht-Möglichkeit einer Abtreibung hatte einen großen Widerspruch in der Bevölkerung ausgelöst und zu Kirchenaustritten geführt.

4. Perspektiven

Generell heißt es, auch in katholischen Medien: „Polen wird zunehmend säkularer – vor allem Junge kirchendistanziert“.

„Weniger als die Hälfte der Polen vertrauen der katholischen Kirche. Nur noch 48 Prozent der für die Studie „Kirche in Polen 2023“ Befragten schenken der Kirche noch ihr Vertrauen, zehn Jahre zuvor waren es noch 65 Prozent. […] In den Zahlen zeigt sich ein deutlicher Altersunterschied. Während Über-50-Jährige weiterhin eine hohe Identifikation mit der Kirche zeigten, nehme die Kirchenbindung der Menschen unter 40 Jahren deutlich ab. Diese Altersgruppe teile sich zur Hälfte auf Kirchentreue und Kirchendistanzierte.“

Hinsichtlich der Tendenz einer Säkularisierung heißt es in dieser Studie, dass die bisherige „schleichende Säkularisierung“ sich in eine „galoppierende Säkularisierung“ gewandelt habe.

„Ungeachtet des großen apostolischen Potentials, der immensen pastoralen und erzieherischen Arbeit und der entwickelten Aktivitäten in anderen Bereichen ist die Kirche in Polen - wie der Bericht zeigt - in den letzten Jahren mit vielen Problemen von bisher nicht gekanntem Ausmaß konfrontiert worden. Zu den wichtigsten gehören - wie wir bereits oben gezeigt haben - ein Rückgang der Religiosität, vor allem unter jungen Menschen, gefolgt von einem Rückgang der Zahl der Priester- und Ordensberufungen, ein Rückgang der Autorität der Kirche im öffentlichen Raum sowie Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch einige Geistliche. Die internen Schwierigkeiten der Kirche bieten einen hervorragenden Nährboden für eine Beschleunigung der Säkularisierungstendenzen. Soziologen sprechen seit Jahren von einer ‚schleichenden Säkularisierung‘, und heute beginnen sie, den Begriff ‚galoppierende Säkularisierung‘ zu verwenden. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Kirche in Polen in einen ziemlich gefährlichen ‚Strudel‘ ihrer Geschichte gerät. Vieles hängt davon ab, wie sie ihn überwinden kann.“

(CF)