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Österreich: Privatisierung des Glaubens

Das Institut für Markt- und Sozialanalysen (IMAS) in Linz hat im Juni/Juli 2016 eine Umfrage zum religiösen Verhalten und Einstellungen in Österreich durchgeführt. Kernergebnis der Studie ist: „Klares Bekenntnis der Österreicher zum Christentum, aber Privatisierung des Glaubens.“ Dieses Ergebnis erscheint fragwürdig.

Das „klare Bekenntnis zum Christentum“ wird mit den Antworten auf zwei Meinungen belegt.

Zum einen: „Österreich ist ein christliches Land und sollte so auch bleiben. Deshalb sollten christliche Werte im Kindergarten und in der Schule vermittelt werden“. Dieser Ansicht stimmen „Sehr stark“ 51 Prozent der befragten zu und „einigermaßen stark“ weitere 25 Prozent.

Zum anderen die Meinung: „Das Kreuz und andere christliche Symbole haben in Kindergärten und Schulen eigentlich nichts mehr zu suchen.“ Dieser Meinung stimmen 49 Prozent „überhaupt nicht zu“ und weitere 20 Prozent „eher nicht“.

Das sind 76 bzw. 69 Prozent der Befragten.

Dazu im Widerspruch steht die weitere Auswertung zu der Frage: „Was von dieser Liste beschreibt am besten ihre Beziehung zur Kirche und Religion?“ (Vorlage einer Liste, Mehrfachnennungen möglich).


Diese Frage wird an die „Christen in Österreich“ gestellt – wobei die Angabe 79 Prozent Christen allerdings verwunderlich ist, die nach den offiziellen Angaben der katholischen Kirche und der evangelischen Kirchen sich in 2015 - in der Zahl der Kirchenmitglieder - nur auf 63,5 Prozent beläuft.

Aus den 12 Antwortmöglichkeiten (Mehrfachnennungen möglich) werden dann aus denen, die eine Antwort gaben (sieben Prozent der Christen sagten „nichts davon“ und weitere acht Prozent machten keine Angabe) vier Gruppen von Christen erstellt: 1. „Gläubige Christen, aber Institutionsverweigerer“ (44 Prozent), 2. „Gläubige Christen & fromme Kirchenmitglieder“ (31 Prozent), 3. „Schicksalsgläubige & Profiteure“ (19 Prozent) sowie 4. „Institutions- und Glaubensverweigerer“ (6 Prozent).

Wie die Anteile dieser Gruppen berechnet worden sind, wird nicht erläutert.

Privatisierung des Glaubens

Die Privatisierung des Glaubens belegt sich nach dieser IMAS-Studie an dem hohen Anteil der gläubigen Institutionsverweigerer und an dem Abweichen von dem Zölibatsregeln der katholischen Kirche. Nur noch zehn Prozent aller Österreicher sind (seit 2007) für die Exklusivität der Priester als Männer und sind gegen eine Öffnung des Priestertums für Frauen und Verheiratete.

Seit den 1970er Jahren verringern sich die Anteile der regelmäßigen Kirchengänger (ein wöchentlicher Besuch) von 23 auf aktuell acht Prozent aller Österreicher.

Wie das zu 31 Prozent „Gläubige Christen & fromme Kirchenmitglieder“ der Christen passt, wird nicht erläutert.


Fazit:

Aufgrund der veröffentlichten Zahlen lässt sich erschließen, dass nur ein Teil der Fragen/Antworten publiziert wurde. Wie wurde beispielsweise der 79 Prozent-Anteil von „Christen“ in Österreich ermittelt?

Insgesamt ist es einerseits eine Beschreibung der Entwicklung der Meinungen zu einzelnen Themen (Zölibat) bzw. Verhaltensweisen (regelmäßiger Kirchgang), die darauf hinweisen, dass die Bindungsfähigkeit der Kirchen sich stetig verringert. Andererseits werden durch diffuse Frageformulierungen hohe Zustimmungsquoten erreicht, die als „christliches Österreich“ dargestellt werden. Was verstehen die Befragten bei der Frage: „Österreich ist ein christliches Land…“. Tradition, Kaiserhaus, Stephansdom, Klöster und Dorfkirchen, Heimat,…?

Insofern steht die Studie anscheinend in der Tradition des ‚Hochhaltens‘ des Christentums. Die Abwendung von den Kirchen, die Distanz wird als nur „Privatisierung“ hingenommen, denn Christen bleiben diese „Institutionenverweigerer“ im Glauben angeblich doch.