Parteimitglieder 1946-2018
Oskar Niedermayer, Prof. em. für Politische Soziologie an der FU Berlin, hat seine Parteimitgliederanalyse bis 2018 aktualisiert. Die Ergebnisse liegen im langfristigen Trend. Alle im Bundestag vertretenen Parteien – außer den Grünen und der AfD – verlieren weiterhin Mitglieder. Nimmt man 1990 als Bezugsjahr, so ist die Zahl der Parteimitglieder um knapp die Hälfte gesunken: Von 2,405 Millionen auf 1,226 Millionen.
Als Zusammenfassung der Ergebnisse schreibt Oskar Niedermayer:
„Im Bundestagswahljahr 2017 stieg die Zahl der Parteimitglieder um 1,8 Prozent. Das war der erste deutliche Zuwachs seit 1990 (ein Zuwachs war auch 2013 zu verzeichnen, er betrug jedoch nur 0,4 Prozent). Von der politischen Mobilisierung im Jahr der Bundestagswahl profitierten in unterschiedlichem Maße alle Parteien außer der CDU und der CSU (vgl. Tabelle 1). Der langfristige Trend des Abschmelzens der Parteimitgliedschaften wurde dadurch jedoch nicht umgekehrt, wie die Zahlen für 2018 zeigen. In diesem Jahr verloren die CDU 2,6 und die CSU 1,9 Prozent ihrer Mitglieder, und auch die SPD (-1,2 Prozent) und die Linkspartei (-0,5 Prozent) mussten Mitgliederverluste hinnehmen. Die FDP hingegen konnte nach dem enormen Zuwachs von 2017 (17 Prozent) auch 2018 eine weitere leichte Mitgliedersteigerung (+1,4 Prozent) verbuchen. Die Grünen erzielten mit 15,7 Prozent den größten Mitgliederzuwachs seit 1985, und die AfD konnte ihre Mitgliederzahl sogar um 21,3 Prozent steigern. Insgesamt verringerte sich die Zahl der Parteimitglieder 2018 leicht um 0,2 Prozent. Betrachtet man den gesamten Zeitraum seit 1990, so haben alle Parteien außer den Grünen und der AfD Mitglieder verloren, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Am stärksten hat es die Linke getroffen, die – trotz des Zuwachses durch die Vereinigung von PDS und WASG – Ende 2018 78 Prozent weniger Mitglieder hat als die PDS Ende 1990. Die FDP hat seit 1990 62 Prozent ihrer Mitglieder verloren, die SPD 54 Prozent, die CDU fast 48 Prozent und die CSU 26 Prozent. Die Grünen hingegen konnten ihre Mitgliedschaft seit 1990 um 82 Prozent steigern, die AfD seit ihrer Gründung 2013 um fast 90 Prozent. Nimmt man alle Parteien zusammen, so ist die Zahl der Parteimitglieder seit 1990 um knapp die Hälfte gesunken.“
Aus der Fülle des publizierten Materials (Mitgliederentwicklung, Mitgliederzahlen in den Bundesländern, Anteile der Frauen, Altersaufbau, etc.) seien nur drei Beispiele aus diesem Material bearbeitet, die generelle Mitgliederentwicklung seit 1946, der Proportionalitätsquotient zum Altersaufbau in der Gesellschaft sowie die Frauenanteile.
Mitgliederentwicklung seit 1946
Die SPD hat über Jahrzehnte die mit Abstand größte Mitgliederzahl. Der Gipfelpunkt liegt im Jahr 1976 mit 1,022 Mio Mitgliedern. Danach hat sich die Zahl der Parteimitglieder beständig verringert und ist seit 2005 gleichauf mit der CDU.
Die CDU hat in den 1970-1980er Jahren einen stetigen Mitgliederzuwachs, mit dem Gipfelpunkt 1983. Der hohe Mitgliederzuwachs nach der Deutschen Einheit (ein Plus von 127.000 Mitgliedern) ist nach fünf Jahren bereits wieder ‚abgeschmolzen‘ mit ebenfalls stetiger Tendenz des Sinkens der Mitgliederzahl.
Die CDU und die SPD haben seit 1990 kein einziges Jahr, in dem sich die Zahl ihrer Parteimitglieder nicht verringert hätte. Das summiert sich im Vergleich von 2018 zu 1990 auf eine Halbierung der Mitgliederzahlen (SPD minus 54 Prozent, CDU minus 48 Prozent).
In der gleichen Größenordnung liegt die Partei DIE LINKE. Für die gesamte Zeit 1990 bis 2018 sind es zwar minus 78 Prozent, aber wenn man die anfänglichen vier ‚Findungsjahre‘ (1990 bis 1993) beiseite lässt, sind es für den Zeitraum 1994 bis 2018 ebenso genau die Hälfte von minus 50 Prozent an Parteimitgliedern.
Der Zusammenschluss von Linkspartei.PDS mit der WASG bedeutet zwar 2007 einen Mitgliederzuwachs, dessen Wirkung aber nach drei Jahren wieder verschwunden ist.
Das gleiche ‚Nachwende-Phänomen‘ wie für die LINKE gilt auch für die FDP, die ebenfalls drei ‚Findungsjahre‘ nach der Wende hat. Für 1990 bis 2018 hat die FDP zwar einen Mitgliederrückgang von insgesamt 62 Prozent, berücksichtigt man jedoch nur die Jahre 1993 bis 2018 so sind es 32 Prozent. Der generelle Trend ist aber rückläufig. Der Zuwachs von 2017 (um rund 9.000 Mitgliedern) scheint einmalig zu sein.
Die Geschichte der AfD ist zu kurz (seit 2013) und zu verschiedenartig (radikaler Richtungswechsel), als dass sich mehr sagen lässt, dass sich gegenüber 2013 die Zahl der Parteimitglieder auf niedrigen Niveau beinahe verdoppelt hat (plus 90 Prozent).
Die Partei Bündnis90/Die Grünen ist seit 1980 (in den westlichen Bundesländern) vorhanden und hat 1993 (Vereinigung mit dem Bündnis90 aus den östlichen Bundesländern) einen ersten deutlichen Anstieg der Mitgliederzahlen, dem 1999 bis 2007 eine Stagnation folgt, die wiederum in den Jahren 2010/11 und seit 2016 von einem deutlichen Anstieg der Mitgliederzahlen abgelöst wird. Diese insgesamt langfristig positive Tendenz (1990 bis 2018 ein Plus von 82 Prozent) unterschiedet sie deutlich positiv von den anderen im Bundestag vertretenen Parteien.
Altersgruppen
Für die Darstellung der Repräsentanz der Parteimitglieder entsprechend der Altersgruppen der Bevölkerung verwendet Niedermayer einen Proportionalitätsquotienten (PQ). Es ist der Anteil der Altersgruppe an der Parteimitgliedschaft/Anteil der Altersgruppe an der jeweiligen beitrittsberechtigten Bevölkerung (CSU für Bayern). Ist der Wert entsprechend, ist es ein PQ von 1, ist der Anteil der Altersgruppe innerhalb der Parteimitglieder kleiner als in der Bevölkerungsgruppe ist der Wert geringer als 1, sind es in der Partei proportional mehr, so ist der Wert größer als 1.
In den drei Altersgruppen 30-und-Jünger, 31-60-Jahre und 61-Jahre-und-älter zeigt sich, dass in allen Parteien die Unter-30-Jährigen unterrepräsentiert sind, insbesondere bei CDU, SPD und CSU.
Die älteste Gruppe (61-Jahre-und Ältere) ist bei allen Parteien, außer bei den Grünen, überrepräsentiert.
Das trifft insbesondere auf die Partei Die Linke bei den 80-Jahre-und-Älteren zu.
Anteile von Frauen
Hinsichtlich der Gleichberechtigung und Gleichverwirklichung zeigt sich, dass die Anteile der Frauen unter den Parteimitgliedern gleichsam einer Rechts-Links-Verteilung zu folgen scheint.
Allerdings zeigt sich auch eine Sonderrolle der Grünen, deren Frauenanteil sich einerseits nicht in ein Rechts-Links-Schema einpasst und andererseits die parteispezifische Glaubwürdigkeit einer Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann belegt.
(CF)