Sie sind hier

Parteipräferenzen. Profile.

Zentrales Element dieser Auswertungen und Grafiken ist die Frage, wie man unübersichtliche Ergebnisse von Umfragen, die erst einmal in Tabellenform vorliegen, anschaulicher darstellen kann. Mit verschiedenen Beispielen wird illustriert, dass diese Veranschaulichung gelingen kann. Beispiele dafür sind die politischen Parteipräferenzen in Verbindung mit ausgewählten Themen und Aussagen. Dabei zeigt sich, dass die klassische Links-Rechts-Verteilung sich bei Sachthemen durchaus anders sortiert.

Von Carsten Frerk.

Nach einer Datenanalyse stellt sich manches Mal die Frage, wie man die Ergebnisse veranschaulichen kann – insbesondere, wenn man sich nicht nur an das Fachpublikum wendet. Tabellen, zudem mit vielen Zahlen, lassen sich nicht ohne weiteres erschließen, ebenso Listen von Korrelationskoeffizienten, etc., also nutzt man Grafiken. Wenn man nun aber der ständigen Balken-, Säulen- und Liniendiagrammen leid geworden ist, bleibt die Frage, was es sonst noch gibt.

Bei Fragen mit „Ja/Nein“-Antworten hat man keine große Auswahl – außer Balken- oder Säulendiagrammen. Anders ist es bei Fragen mit Antwortmöglichkeiten, die den Befragten 4, 5, 7, 10 Kategorien abgestufter Möglichkeiten geben, von z. B. „stimme voll zu“, „stimme zu“, „weder noch“, „stimme nicht zu“, Stimme gar nicht zu“. Das lässt sich in eine entsprechende mehrstufige Skala umsetzen, die für verschiedene Fragen und ihre Antworten anschaulich vergleichbar werden. Das soll im Folgenden an der Thematik der Parteipräferenzen und daraus resultierende Meinungen ­ bzw. umgekehrt – gezeigt werden.

Anregungen zu dieser Bearbeitung gaben verschiedene Publikationen, wie Rainer Hampel: „Die AfD und ihre Sympathisanten - extrem und psychologisch auffällig?“ (Februar 2021)/ Franz Urban Pappi, Anna-Sophie Kurella, Thomas Bräuninger: „Working Paper. Die Politikpräferenzen der Wähler und die Wahrnehmung von Parteipositionen als Bedingungen für den Parteienwettbewerb um Wählerstimmen“ / Klages, H., & Will, S. (2019). Politische Spaltung in Deutschland? Politbarometeranalysen auf Basis des Links-Rechts-Kontinuums. (Informationsdienst Soziale Indikatoren, 63, 16-28) / Friedrich-Ebert-Stiftung: Parteien und ihre Wählerinnen und Wähler zur Bundestagswahl 2017 sowie SINUS: „Zusammenarbeit mit AfD wird deutlich stärker abgelehnt als Zusammenarbeit mit Linke.“

Exkurs: Parteipräferenzen und Wahlbeteiligung

Die „Parteipräferenz“ wurde in der ALLBUS-Umfrage mit zwei Fragen festgestellt. Zum einen mit der Frage: „Viele Leute in der Bundesrepublik neigen längere Zeit einer bestimmten politischen Partei zu, obwohl sie auch ab und zu mal eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen: Neigen Sie - ganz allgemein gesprochen - einer bestimmten Partei zu?“ Wenn der/die Befragte mit „Ja“ antwortete (was 62 Prozent taten) wurde gefragt: „Sagen Sie mir bitte auch noch, welche Partei das ist?“.

Nun könnte man meinen, wenn nur 62 Prozent eine Parteipräferenz angeben, dass die Meinungen dieser Gruppe nicht repräsentativ für eine politische Willensbildung seien. Das trifft jedoch insofern nicht zu, da von den Befragten, die eine Parteipräferenz angeben, 93 Prozent bei der Bundestagswahl gewählt haben, von der kleineren Gruppe der Befragten ohne Parteipräferenz jedoch nur 33 Prozent. Oder anders gesagt, von den Wählern von CDU-CSU, Grünen, SPD und DIE Linke haben mehr als 70 Prozent eine Parteipräferenz. Insofern kann man davon ausgehen, dass die Befragten, die eine Parteipräferenz angeben, maßgeblich am politischen Geschehen beteiligt sind.

Zwischenbemerkung: Im Folgenden geht es um diese genannten Parteipräferenzen der Befragten. Wenn also von CDU-CSUlern oder SPDlern gesprochen wird, sind damit nicht die Parteien oder die Parteimitglieder gemeint, sondern die Befragten mit ihren Parteipräferenzen. Zum anderen ist die Anzahl der Befragten für die kleineren Parteien zumeist unter 100 Befragten, was eine belastbare Interpretation erschwert, da der Fehlerbereich zu groß wird. Für diese Parteien (FDP und AfD, teilweise auch DIE LINKE) handelt es sich also um Tendenzen.

ALLBUS-Umfrage 2018

Die ALLBUS-Umfrage 2018 (Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften) hat u. a. Gruppen von mehreren Fragen hinsichtlich der Meinung zu Sachthemen, zum Vertrauen in Institutionen und zu „populistischen“ Ansichten.

Eine erste Auswertung zeigt die Meinungen der Befragten. Für jede Themengruppe sind die skalierten Werte zu jeder Frage dargestellt. So wird zum einen auf den ersten Blick erkennbar (weit auseinander liegenden Parteipräferenzen), welche Fragen umstritten sind (z. B. „Zuzug von Flüchtlingen unterbinden?“) bzw. worin eine größere Einigkeit besteht (dicht beieinander liegende Parteipräferenzen) wie (zustimmend) für „Härtere Maßnahmen für Umweltschutz?“ bzw. (ablehnend) „Frauen bei gleicher Eignung bevorzugen?“


(Auswertung und Grafik: Tobias Wolfram)

Zum anderen wird deutlich, ob die Meinungen sich im dargestellten linken Bereich befinden („Stimme nicht zu“) wie für die Aussage „Gleichgeschlechtliche Ehe verbieten“ oder sich im rechten Bereich befinden („stimme zu“) wie für das Thema „Schwangerschaftsabbruch freistellen“. Die Raute kennzeichnet dabei den Bevölkerungsdurchschnitt von Ablehnung oder Zustimmung zur angegebenen Aussage.

Das Gleiche gilt für die Meinungen zum Vertrauen in Institutionen.

Relativ einhelliges Vertrauen besteht in die Polizei, die Hochschulen/Universitäten und in das Gesundheitswesen. Politischen Parteien, der Kommission der EU und dem Fernsehen wird weniger vertraut. Bemerkenswert ist dabei, dass die AfDler – egal wie breit oder eng das Meinungsspektrum insgesamt ist –, sich stets am Rande bei „Kein Vertrauen“ positionieren.

Das Gleiche gilt für Aussagen, die hier als „populistische Meinungen“ dargestellt werden. Die einzige Aussage, die eine zustimmende Mehrheit findet, ist: „Politiker reden zu viel, handeln zu wenig.“

Bemerkenswert ist hier auch wieder, wie weit entfernt sich die AfDler von den anderen Parteipräferenzen positionieren und dass der ‚Gegenpol‘ – die bei diesen Aussagen im Mittel am weitesten von der AfD entfernt sind – eher die Anhänger der Grünen sind.

Diese Verteilungen sollen im Weiteren genauer betrachtet werden.

Exkurs: Parteipräferenzen und Parteien

Mithilfe dieser Darstellungen lässt sich auch veranschaulichen, ob die eigenen politische ‚Verortung‘ mit den Zuordnungen zu den Parteien übereinstimmen.

Auf einer ‚klassischen‘ ´10er-Links-Rechts-Skala (1 = links, 10 = rechts) wurden die Befragten einmal aufgefordert „sich selbst“ auf dieser Skala einzuordnen, zum anderen haben sie die Parteien auf ebendieser Skala eingeordnet.

Während die Einstufungen im ‚Mittelfeld‘ (Bündnis90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und CDU-CSU) zwischen Selbsteinstufung und Zuschreibung nahezu identisch sind – wobei die rechtere Einstufung der CSU im Vergleich zur CDU plausibel erscheint – werden die beiden ‚Außenseiter‘ (DIE LINKE bzw. die AfD) als Parteien von allen Befragten deutlich weiter links- und rechtsaußen eingestuft, als die Parteianhänger dieser beiden Parten sich selber sehen, AfD = 9,1 statt 6,8 und DIE LINKE 2,0 statt 2,7. Die AfD wird dabei weiter am rechten Rand des Links-Rechts-Spektrums gesehen als die Partei DIE LINKE am linken Rand.

Die beiden ‚Außenseiter‘ werden zudem homogener bewertet als die anderen Parteien (siehe Tabelle 1.2.). Während bei der Partei DIE LINKE von 89 Prozent in den (linken) Kategorien 1 und 2 eingestuft werden, sind es bei der AfD 85 Prozent in den (rechten) Kategorien 9 und 10. Alle anderen Parteien haben divergierende Zuschreibungen.

In diesen Zuordnungen bestätigt sich das Links-Rechts-Schema, zu dem es heißt:

„Die Meinungsforscherin Noelle-Neumann hat beschrieben, was Menschen unter rechten und was sie unter linken Werten verstehen. Als linke Werte gelten danach: Gleichheit, Gerechtigkeit, Nähe, Wärme, Formlosigkeit, das ‚Du‘, Spontaneität, das Internationale und Kosmopolitische. Ihnen stehen als rechte Werte gegenüber: Betonung der Unterschiede, Autorität, Distanz, geregelte Umgangsformen, das ‚Sie‘, Disziplin, das Nationale.“

Die dargestellten Werte der jeweiligen Einstufungen veranschaulichen dabei den skalierten Mittelwert, der nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Meinungsspektren innerhalb der jeweiligen Anhängerschaft – trotz dieser Schwerpunkte – eine größere Bandbreite haben, was sich nicht nur in den Tabellen, sondern auch in einem Liniendiagramm darstellt.

Um diese Bandbreite zu beschreiben, wurde in den Tabellen für die einzelnen Parteipräferenzen eine zweistufige Homogenitätsangabe dargestellt. In der ersten Stufe ist es der Prozentanteil in der am häufigsten genannten Bewertung, in Stufe 2 ist es die Summe der Kategorien der zwei häufigsten Bewertungen. Normalerweise befinden sich diese beiden höchsten Werte direkt nebeneinander. (In Tabelle 1.2. grau unterlegt.)

Parteipräferenzen und Meinungen

Nachfolgend veranschaulichen vierzehn Grafiken mit Darstellung der Mittelwerte die Positionen von Meinungen, geordnet nach den Parteipräferenzen. (Die dazu gehörenden Tabellen folgen, aus Gründen der Übersichtlichkeit, danach in einem Anhang.)

Vertrauen in Institutionen / Politik

Für die Darstellungen wurde bewusst die Reihenfolge der vorgegeben Antwortmöglichkeiten beibehalten, um eine (sich optisch anbietende) zu vereinfachende Links-Rechts-Darstellung zu erschweren.

Ruhe und Ordnung

Im ALLBUS 2018 wurden vier politische Ziele zur Auswahl gestellt, mit der Bitte, sie nach persönlicher Wichtigkeit (1. – 4.) zu benennen: (A) Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in diesem Land, (B) Mehr Einfluss der Bürger auf die Entscheidungen der Regierung, (C) Kampf gegen die steigenden Preise, und (D) Schutz des Rechtes auf freie Meinungsäußerung. Das insgesamt als „Am wichtigsten“ genannte Ziel ist (mit 42 Prozent) „Ruhe und Ordnung“, das zweitwichtigste (28 Prozent) die „Freie Meinungsäußerung“, das drittwichtigste (26 Prozent) „Mehr Einfluss der Bürger“ und als viertwichtigstes Ziel (4 Prozent) der „Kampf gegen steigende Preise“.

Für die CDU-CSUler ist „Recht und Ordnung“ das wichtigste Ziel (56 Prozent), gefolgt von den Anhängern der AfD (42 Prozent) und der SPD (41 Prozent), gefolgt von den FDPlern (36 Prozent), während die Partei DIE LINKE (24 Prozent) und die GRÜNEN (20 Prozent) andere Prioritäten haben. (Die Mittelwerte und Meinungsverteilungen in Tabelle 6.) Für die Anhänger der GRÜNEN ist die „Freie Meinungsäußerung“ am wichtigsten, für die Anhänger der AfD und der LINKEN der „Bürgereinfluss auf Entscheidungen der Regierung“.

Ost-West-Anteile

In Fragen, die im weitesten Sinne etwas mit der ehemaligen DDR zu tun haben, verteilen sich die Präferenzen deutlich anders. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes für die Zweitstimmen bei der Bundestagswahl 2017 hat die Partei DIE LINKE einen Zweitstimmenanteil ihres Wahlergebnis in den östlichen Bundesländern von 34 Prozent, die AfD von 31 Prozent (Vgl. Tabelle 7.2.). Die SPD hat ein zwiespältiges Verhältnis zum Sozialismus, auch wenn die Jugendorganisation „Jusos“ ausgeschrieben immer noch „Jungsozialisten“ heißt. Der SDS – die frühere Studentenorganisation der SPD: „Sozialistischer Deutscher Studentenbund“ – wurde 1961 aus der Partei ausgeschlossen.

Alle drei Parteianhänger positionieren sich im Mittelwert zustimmender zur Idee des Sozialismus als die übrigen Parteianhänger. Dabei sind die ablehnenden Meinungen bei den SPDlern und der AfDlern ausgeprägter (Vgl. Tabelle 7.1.).

Der Aussage, dass man nicht nach einer möglichen früheren Mitarbeit bei der DDR-Staatssicherheit fragen sollte, wird mehrheitlich eher zugestimmt (vor allem von den AfDlern).

Flüchtlinge / Muslime

Diese relative Einigkeit der ‚Mitte‘ ist nicht mehr vorhanden, wenn es um Themen der Flüchtlinge und der Muslime geht. Bei der Frage, ob man den Zuzug von Flüchtlingen unterbinden solle, können die Meinungsunterschiede zwischen den AfDlern (zustimmend) und den GRÜNEN (nicht zustimmend) kaum größer sein. Hinsichtlich der Einstellung zu Muslimen liegt bei den GRÜNEN, der LINKEN, den CDU-CSUlern und den SPDlern der Schwerpunkt auf „weder (positiv) noch (negativ)“, während die FDPler und den AfDler den Schwerpunkt bei „eher negativ“ bzw. sehr negativ“ haben. (Vgl. Tabelle 10)

Nationalsozialismus

Hinsichtlich der Fragen zu den Einstellungen zum Nationalsozialismus nehmen die AfDler eine besondere Position ein, die sich nicht nur in den Mittelwerten deutlich von den anderen Parteien abhebt, sondern es zeigt sich (vgl. Tabelle 11 und 12), dass rund 20 Prozent der AfDler den Aussagen eher zustimmen, dass der Nationalsozialismus auch gute Seiten hatte sowie, dass Hitler ohne den Holocaust heute positiv als großer Staatsmann angesehen wäre.

Umweltschutz

Zum Thema der härteren Maßnahmen für den Umweltschutz gibt es keine allzu großen Unterschiede. Obwohl es bei den AfDlern wiederum eine Gruppe gibt, die überdurchschnittlich (21 Prozent) den Maßnahmen für Umweltschutz „eher oder gar nicht“ zustimmt.

Homogenität von Meinungen

Hinsichtlich der Meinungen der Parteianhänger zeigt sich 2018 der Unterschied, dass (vgl. Tabelle 14) die Anhänger der Parteien, die sich – wenn auch unterschiedlich - als koalitionsfähig ansehen, sich deutlich von den AfDlern unterscheiden. Die Anhänger von CDU-CSU, GRÜNE, SPD, FDP und DIE LINKE sind sich beispielsweise in der Ablehnung des Nationalsozialismus und in härteren Maßnahmen für den Umweltschutz einig. Aus dieser ‚Mittelposition‘ bewegen sich die CDUler etwas anders, wenn sie „Ruhe und Ordnung“ als wichtigstes von vier politischen Zielen ansehen. Die SPDler haben - für die ausgewählten Themen – ebenso wie die Anhänger der Partei DIE LINKE keinen besonderen Schwerpunkt, die Anhänger der Grünen sprechen sich entschieden für den Zuzug von Flüchtlingen aus, die FDPler haben die größten Vorbehalte gegen Kirchen und religiöse Organisationen und sind eher ablehnend gegen Muslime. Die AfDler haben zwei Schwerpunkte: zum einen das Misstrauen gegen den bestehenden Staat und seine politischen Vertretungen und die Ablehnung des Zuzugs von Flüchtlingen.

Anhang / Tabellen 2 – 14