Die Polarisierung in der Islamfrage
Bereits in den vergangenen Tagen widmete sich fowid den Daten des aktuellen ALLBUS, welche einen reichhaltigen Schatz an Informationen zu einer Vielzahl von tagespolitisch und weltanschaulich relevanten Themen enthalten. Hierbei wurde eine erste deskriptive Untersuchung im Hinblick auf die Einstellungen der Bundesbürger gegenüber dem Islam vorgenommen, wobei sich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Ablehnung durch nahezu alle politischen Lager zog. Im Folgenden möchten wir auf diesen Analysen aufbauen und versuchen, besser zu verstehen, inwieweit die Einstellungen gegenüber dem Islam in Deutschland eine klar abgegrenzte Lagerstruktur zeigen.
Von Tobias Wolfram
Gibt es eine klare Polarisierung zwischen starken Befürwortern und Skeptikern des Islams, wie sie nicht zuletzt im Lichte der Diskussionen um Echokammern und Filterblasen in sozialen Netzwerken und der teils hart geführten Auseinandersetzungen über die Rolle dieser Religion in Deutschland in den letzten Wochen, Monaten und Jahren plausibel erscheint? Wenn ja: Was charakterisiert diese gegensätzlichen Gruppen? Oder findet im Gegenteil überhaupt keine Lagerbildung statt und es existiert ein gradueller Übergang von starken Befürwortern zu starken Gegnern?
Clustering
Der Ansatz, den wir zur Beantwortung dieser Frage wählen, ist der der Clusteranalyse. Die Clusteranalyse ist ein Teilbereich der multivariaten Statistik, welcher sich der Suche von Ähnlichkeitsstrukturen in Daten widmet. Ein klassisches Beispiel hierfür sind verschiedene Lilienarten, welche sich im Hinblick auf diverse messbare Merkmale unterscheiden: So sind ihre Blütenblätter unterschiedlich lang und breit, das gleiche gilt für ihre Kelchblätter. Misst man nun mehrere hundert Liliengewächse aus, ist zu erwarten, dass sich die Exemplare einer Art mit Blick auf die Maße der Blüten im Schnitt weniger stark unterscheiden, als die verschiedener Arten – die einzelnen Arten bilden Gruppen bzw. Cluster. Zahlreiche mathematische Verfahren existieren, um diese Cluster zu identifizieren, eines der simpelsten und effektivsten ist der sogenannte k-Means-Algorithmus, welchen wir in diesem Fall anwenden. Eine detaillierte Erklärung seiner Funktionsweise würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen, kurzgesagt versucht er Beobachtungen so zuzuordnen, dass die Summe ihrer quadrierten Abweichungen von den einzelnen (iterativ zu bestimmenden) Mittelpunkten der Cluster minimal ist. Die folgenden Befunde zeigen sich jedoch auch robust gegenüber der Anwendung anderer Clustering-Verfahren (EM-Clustering, hierarchisches Clustering, K-Medoid-Clustering, t-SNE).
Vorgehen
Wir greifen auf die sechs Hauptfragen zur Einstellung zum Islam zurück, die bereits in der vorangegangenen Analyse im Mittelpunkt standen und wenden auf diese das beschriebene k-Means-Verfahren an. Ein simples und etabliertes Verfahren zur Ermittlung der optimalen Clusterzahl ist der Scree-Test. Dieser zeigt, dass eine 3-Cluster-Lösung die bestmöglichen Ergebnisse zeitigt und der Nutzen von höheren Clusterzahlen stark abnimmt. Tatsächlich kann mehr als die Hälfte der Varianz der Daten durch die Clusterstruktur erklärt werden. Dieses Gütemaß ist stark kontextabhängig, weshalb wir es mit den Clusterstrukturen der ebenfalls im Datensatz vorhandenen Frageblöcke zur deutschen Identität, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Einbürgerung vergleichen, um ein Gefühl für die Qualität des Clusterings zu erlangen: In allen Fällen liefern Modelle mit einer derartig geringen (und teilweise auch signifikant höheren) Clusterzahl deutlich schlechtere Ergebnisse. Dies impliziert eine überraschend eindeutige und für sozialwissenschaftliche Sachverhalte starke Lagerbildung in der Islamfrage. Die Qualität der 3-Cluster-Struktur wird zudem durch ihre prädiktive Stärke von mehr als 0.8 zusätzlich validiert. Dies bedeutet, dass wir davon ausgehen können, dass hier ein tatsächliches Muster und nicht reines Zufallsrauschen für die Ergebnisse verantwortlich ist.
Ergebnisse
Das Clustering wurde anhand von sechs Variablen durchgeführt, was eine zweidimensionale Darstellung erschwert, da sich das Cluster nur in einem sechsdimensionalen Raum korrekt abbilden ließe. Mit vertretbaren Informationsverlusten von knapp 30 Prozent können wir das Resultat zu Anschauungszwecken jedoch mit Hilfe einer Hauptkomponentenanalyse in den zweidimensionalen Raum projizieren. Die Werte der X- und Y-Koordinaten sind dadurch zwar nicht mehr direkt interpretierbar, das Ergebnis aber trotzdem aufschlussreich:
Im zweidimensionalen Raum sind die Cluster auf Grund des Informationsverlustes nicht klar getrennt. Gleichzeitig zeigt sich, dass primär zwei Extremgruppen existieren, zwischen denen eine mittlere Gruppe mediiert. Die Trennung verläuft primär an der x-Achse, auf die sich ganze 57 Prozent der Varianz des sechsdimensionalen Raums abbilden lassen, während die y-Achse nur weitere 13 Prozent liefert.
Doch was repräsentieren die Cluster inhaltlich? Wenn wir die durchschnittliche Zustimmung zu allen islambezogenen Fragen berechnen und sie vorher so umpolen, dass hohe Werte immer eine islamkritische Haltung widerspiegeln, sehen wir erste deutliche Indikationen:
Cluster 1 zeigt eine niedrige Zustimmung zu den islamkritischen Aussagen, stimmt jedoch nur selten in allen Fragen überhaupt nicht zu, während die Personen in Cluster 2 bei nahezu jeder Frage die höchste oder zweithöchste Zustimmung gegeben haben. Cluster 3 bewegt sich dazwischen, stimmt jedoch tendenziell eher zu. Auf der Basis dieser Befunde bezeichnen wir im weiteren Cluster 1 als „islambefürwortend“, Cluster 2 als „islamskeptisch“ und Cluster 3 als „moderat“.
Demografie
In welcher Hinsicht unterscheiden sich die Cluster? Um dies zu verstehen, analysieren wir die Soziodemografie aller drei Gruppen. Wir beginnen mit dem Alter. Es zeigt sich hierbei, dass die Befragten des islamskeptischen Clusters deutlich älter sind als jene des moderaten Clusters (57 zu 51 Jahren). Islambefürworter sind im Vergleich dazu jedoch erneut jünger: Gerade einmal 45 Jahre messen sie im Durchschnitt.
Eine weitere Dimension, anhand derer sich deutliche Unterschiede erkennen lassen, ist Bildung: So zeigt sich, dass das Islambefürwortende Lager deutlich mehr Bildungsjahre durch Schulbesuch plus anschließendes Studium akkumuliert, als dies für die beiden anderen Gruppen der Fall ist. Man könnte annehmen, dass dies entweder durch unwahrscheinliche Ausreißer (ein Fall mit mehr als 30 Bildungsjahren in Cluster 1) oder die Unterschiede in der Altersverteilung (ein Hochschulabschluss oder auch schlicht ein Abitur war früher deutlich weniger verbreitet) bedingt sein könnte. Doch sowohl eine Beschränkung der Stichprobe auf Personen unter 40 als auch eine Analyse des robusteren Medians anstelle des Mittelwerts brachte keine sichtbare Veränderung des Ergebnisses zu tage, sodass die Ergebnisse als valide gelten können.
Mit Blick auf die Alters- und Bildungsverteilung überrascht es nicht, größere Unterschiede im Einkommen zwischen den Clustern zu identifizieren. So liegt der durchschnittliche monatliche Nettoverdienst der Islambefürworter annähernd 500 Euro über dem der Islamskeptiker mit den Moderaten in der Mitte zwischen den beiden Lagern. Dies ist allerdings primär durch die heterogene Altersverteilung zu erklären: Beschränken wir die Analyse auf Personen unter 40, verschwinden die Unterschiede im Einkommen nahezu vollständig.
Politische Einstellungen
Die Positionierung in der Debatte um den Islam und seine Rolle in Deutschland ist eine inhärent Politische. Vor diesem Hintergrund ist es von begründetem Interesse zu erfahren, wie sich die drei Cluster über die Parteien (gemessen durch die Wahlabsicht der Befragten) verteilen.
Erwartungsgemäß gibt es eine einzige Partei, in deren Wählerschaft die Islambefürworter mehr als 50 Prozent der Wähler stellen: Die Grünen. Die Islamskeptiker sind hier in einer deutlichen Minderheit. An zweiter Stelle folgt die Linkspartei, in welcher Cluster 1 immer noch die größte Gruppe stellt. Allerdings zählt auch ein Drittel der Linken-Wähler zu den Islamskeptikern. Während sich die SPD nicht sichtlich vom bürgerlichen Lager (Union und FDP) unterscheidet, da in allen drei Fällen die Moderaten ohne absolute Mehrheiten dominieren, ist das Bild bei der Alternative für Deutschland ein gänzlich anderes: Als einzige im Bundestag vertretene Partei sind ihre Wähler mit einer bemerkenswerten Mehrheit von 71 Prozent dem islamskeptischen Lager zuzurechnen. Tatsächlich bilden sie dort (obwohl absolut deutlich weniger Menschen sie wählen als die Union) die zweitgrößte Gruppe nach der CDU. Islambefürworter sind in der AfD quasi nicht präsent. Mit Ausnahme der beiden Extrempunkte AfD und Grüne scheint die Islamfrage demnach die Wählerschaft quer durch alle Parteien zu polarisieren. Da Moderate und Islamskeptiker jedoch beide eher den oben genannten Islamkritischen Aussagen zustimmen, sind die moderaten bis starken Islamkritiker in sämtlichen Parteien mit Ausnahme der Grünen in der Mehrheit.
Kann man daraus schließen, dass das islamskeptische Cluster deutlich rechter als die beiden anderen Gruppen ist? Eine Selbsteinschätzung der Befragten im Links-Rechts-Spektrum (1 = Sehr Links, 10 = Sehr Rechts) zeigt, dass die Unterschiede nicht ausgesprochen groß sind. Tatsächlich sehen sich Islamskeptiker als ähnlich „rechts“ wie CDU-CSU- oder FDP-Anhänger und sind gleichzeitig bedeutend linker als AfD oder gar NPD. Die Links-Rechts-Einschätzung von Islambefürwortern ist demgegenüber nahezu identisch mit jener der Grünen-Wähler.
Werte
Unabhängig von relativ konkreten politischen Indikatoren wie dem Wahlverhalten stellen die Wertevorstellungen der Individuen in den einzelnen Clustern eine hochrelevante Dimension dar, welche es detaillierter zu analysieren gilt. Zu diesem Zweck liefert der ALLBUS-Datensatz einige interessante Variablen, angefangen mit der Frage, wie stolz die Befragten sind, Deutsche zu sein. Das Ergebnis überrascht: So existieren zwar statistisch hochsignifikante Unterschiede im Stolz der Befragten auf ihr Land zwischen den drei Gruppen (wobei Islambefürworter weniger stolz sind als Islamskeptiker, mit den Moderaten dazwischen), doch sind diese weniger stark ausgeprägt, als man vermuten könnte, wie die folgende Grafik zeigt[1]. Im Schnitt sind alle Gruppen „Ziemlich Stolz“ auf ihr Land.
Ebensowenig lassen sich deutliche Unterschiede im Hinblick auf die Inklusivität der Deutschen Identität erkennen: Auf die Frage, ob Ausländer echte Deutsche werden können, antwortet in jedem Cluster eine absolute Mehrheit mit Ja, sofern die Personen bereits lange in Deutschland sind. Nur Minderheiten in Cluster 1 und 2 tendieren zu den Extrempositionen, dass Ausländer bereits nach kurzer Zeit Deutsche werden können (Islambefürworter, immerhin jedoch mehr als 25 Prozent) bzw. dass dies nie möglich ist (Islamskeptiker, weniger als 15 Prozent).
Deutlich drastischere Unterschiede zeigen sich jedoch, wenn die Interviewten darauf angesprochen werden, inwieweit sie sich durch Ausländer fremd im eigenen Land fühlten. Auf einer Skala von 1 („Stimme überhaupt nicht zu“) bis 7 („Stimme voll zu“) fühlen sich Islamskeptiker durch Ausländer deutlich fremder im eigenen Land, 45 Prozent stimmten der Aussage zumindest teilweise zu (höherer Wert als 4). Demgegenüber widersprechen 85 Prozent der Menschen in Cluster drei der Aussage, davon alleine 60 Prozent mit der stärksten möglichen Ablehnung.
Ein ähnliches, jedoch weniger stark ausgeprägtes Bild ergibt sich mit Blick auf die Sorge, dass die Anwesenheit von Ausländern in Deutschland den sozialen Zusammenhalt unterminieren würde. Sowohl in Cluster 1 und 3 sprechen sich deutliche Mehrheiten gegen diese Aussage aus, doch selbst unter Islamskeptikern gibt es keine klare Zustimmung.
Präferenz für Diversität
Ein interessantes Muster zeigt die Wohnortgröße. Die folgende Grafik stellt die Verteilung der Gruppen nach der Größe des Lebensmittelpunkts der Befragten dar. Pro Wohnort summieren sich die Anteile somit zu 100 Prozent auf. Die Lager der Islambefürworter und Islamskeptiker zeigen hier klar gegenläufige Tendenzen: Während in kleinen Gemeinden die Mehrzahl der Menschen klar dem islamskeptischen oder dem moderaten Cluster zugehörig ist, fällt der relative Anteil der Skeptiker mit wachsender Bevölkerungszahl zu Gunsten der Islambefürworter, welche in Großstädten die Mehrheit darstellen.
Wenn wir die Anzahl der Ausländer im Straßenabschnitt betrachte, zeigt sich ein ähnlich gegenläufiger Trend: Islamskeptiker und Moderate leben deutlich eher in Wohngegenden mit geringerem Bevölkerungsanteil von Immigranten verglichen mit Islambefürwortern, welche eher in Straßenzügen mit hohem Ausländeranteil wohnen. Dies impliziert jedoch nicht notwendigerweise, dass eine größere Diversität der Wohngegend zu stärkerer Akzeptanz des Islams führt. Genauso könnte auch ein Selektionseffekt vorliegen, der dazu führt, dass islamskeptische Bürger eher aus Gegenden mit hohem Ausländeranteil wegziehen.
Ein Beleg hierfür findet sich in einer Fragebatterie des ALLBUS, in welcher die Interviewten angeben mussten, ob sie in einer Nachbarschaft wohnen wollten, die über einen gewissen prozentualen Ausländeranteil verfügt. Die Aufschlüsselung des Antwortverhaltens nach den drei Clustern zeigt ein verblüffend eindeutiges Ergebnis:
So zeigt sich, dass Islambefürworter überraschenderweise eine starke Aversion gegen ethnisch homogene Nachbarschaften besitzen: Annähernd 30 Prozent von ihnen würden nicht in einer Gegend wohnen wollen, in der ausschließlich Deutsche leben. Die minimale Ablehnung ist erst bei 25 Prozent Ausländeranteil erreicht, danach steigt ihre Aversion jedoch exponentiell an – in eine Nachbarschaft, in der man selbst der einzige Deutsche ist, möchte clusterübergreifend so gut wie niemand leben. In schwächerem Maße sind gleichen Tendenzen im moderaten Lager erkennbar. Islamskeptiker hingegen zeigen über die Schwelle von 8 Prozent Ausländeranteil hinaus einen klar linearen Zusammenhang zwischen dem Ausländeranteil und ihrer Ablehnung einer Wohngegend.
Gleichzeitig lässt sich sowohl bei Moderaten als auch bei Islamskeptikern keine generelle Abneigung gegenüber anderen Ethnien bzw. Kulturen als Nachbarn erkennen: Italienern, Aussiedlern, Polen und Juden gegenüber sind beide Gruppen neutral oder positiv eingestellt. Nachbarn aus dem islamischen Kulturkreis (Asylbewerber und Türken) betrachten jedoch beide Cluster als eher unangenehm. Islambefürworter sehen im Einklang mit ihrer Präferenz für ethnisch heterogene Nachbarschaften demgegenüber alle erfragten Gruppen als tendenziell eher angenehme Nachbarn.
Konfessionelle Prägung
Ein besonderes Augenmerk in unseren Analysen gilt der Heterogenität über Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften hinweg. Aus diesem Grund schlüsselt die folgende Grafik die Verteilung der Cluster nach den drei größten entsprechenden Gruppen, Protestanten, Katholiken und Konfessionsfreie, auf. Hierbei zeigt sich, dass die moderaten und islamskeptischen Cluster in allen drei konfessionellen Gruppen mehr aus zwei Drittel der Befragten auf sich vereinen. Auffällig ist jedoch die starke Dominanz der Islamskeptiker unter den Konfessionsfreien. Gerade einmal ein Drittel der Konfessionsfreien ist dem islambefürwortenden Lager zuzurechnen. Nicht abgebildet, aber ins Bild passend ist der Befund, dass 49,9 Prozent aller Personen im Islamskeptischen Lager konfessionfrei sind.
Fazit
Auf der Basis von Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) 2016 versuchten wir uns in der vorliegenden Analyse der Frage zu nähern, inwieweit sich in der gesellschaftlichen Debatte um die Rolle des Islams in Deutschland eine kleine klare Lagerbildung erkennen lässt. Mit Hilfe Clusteranalytischer Verfahren überprüften wir deshalb, ob im Antwortverhalten zu sechs Fragen, die die Einstellung zum Islam evaluierten, ein deutlicher Zerfall der Interviewten in verschiedene Gruppen erkennbar war.
Tatsächlich zeigte sich eine für sozialwissenschaftliche Analysen überraschend eindeutige und robuste Struktur von drei Clustern. Während Cluster 1 dabei potentiell sehr Islamfreundliche bzw. –befürwortende Positionen vertritt, ist Cluster 2 dem Islam hochgradig skeptisch gesonnen. Cluster 3 ist moderater und zwischen den beiden Extremen einzuordnen, besitzt allerdings eine Tendenz in Richtung Skepsis und Ablehnung. Demographisch ist Cluster 1 jünger und besser ausgebildet als Cluster 2, Cluster 3 ist (wie in nahezu allen Fällen) dazwischen anzusiedeln. Primär auf Grund der Altersunterschiede zählen Islambefürworter zudem im Mittel eher zum besserverdienenden Teil der Gesellschaft. Zudem wohnen sie eher in Großstädten und sind deutlich eher Mitglied in einer der Großkirchen, während das islamskeptische Lager zu einem deutlich höheren Anteil aus Konfessionsfreien besteht.
Politisch gesehen sind Wähler der AfD zwar sehr häufig Islamskeptiker, Cluster 2 speist sich jedoch primär aus starken Lagern in allen anderen Parteien mit Ausnahme der Grünen, bei denen als einzige Partei eine absolute Mehrheit dem Islambefürwortenden Lager zuzurechnen ist. Islamskeptiker sind dabei keineswegs rechtsextrem: Auf einer Links-Rechts-Skala sieht sich Cluster 2 im Schnitt nur leicht rechts der Mitte auf einer Höhe mit Union und FDP, während Cluster 1 deutlich stärker Links der Mitte steht.
Alle drei Cluster sind überraschend nationalbewusst und stolz darauf, Deutsche zu sein. Sie vertreten jedoch alle mehrheitlich eine inklusive, nicht ausschließlich ethnisch fundierte nationale Identität, die auch Menschen aus anderen Ländern, die bereits lange hier leben, zuteil werden kann. Gleichzeitig fühlen sich Islamskeptiker in drastischem Maße durch die starke Einwanderung der letzten Jahre und Jahrzehnte entfremdet und befürchten im Mittel deutlich eher, dass mehr Ausländer den Zusammenhalt in Deutschland untergraben.
Obwohl sie nicht grundsätzlich Probleme mit Nachbarn aus anderen Kulturen haben, möchten sie eher ungerne neben Asylbewerbern oder Menschen aus muslimischen Kulturkreisen (Türken) wohnen. Sie möchten ebenso wie die Moderaten aus Cluster 3 ungerne in Wohngebieten mit hohem Ausländeranteil leben. Das gleiche gilt nur mit Einschränkungen für Islambefürworter: Ein nicht unwesentlicher Prozentsatz von ihnen möchte nicht in Regionen mit keinen Ausländern leben, und ihre Toleranz gegenüber einem hohen Anteil von Migranten in der eigenen Nachbarschaft ist deutlich höher, selbst wenn auch die Mehrzahl von ihnen eine Nachbarschaft mit weniger als 50 Prozent Ausländeranteil bevorzugt. Diesen Divergenzen in Präferenzen trägt die geographische Realität Rechnung: So wohnen Islamskeptiker deutlich eher in Straßenzügen mit geringem Ausländeranteil, während die Menge von Islambefürwortern proportional zum Ausländeranteil der Umgebung ansteigt.
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[1] Individuen konnten ausschließlich auf einer vierpoligen Skala antworten, zwecks besserer Darstellung wurden die einzelnen Beobachtungen innerhalb der Antwortkategorien auseinandergezogen (Jittering).