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Religiosität, Corona und Krisenbewältigung

fowid-Notiz: Die österreichischen Soziologen Wolfgang Aschauer, Franz Höllinger und Claudia Herbst haben es unternommen, sowohl die Entwicklung der aktuellen Religiosität in Österreich fortzuschreiben wie auch nach den Strategien im Umgang mit der Corona-Pandemie mit Bezug auf die Religiosität zu fragen. Die Unterschiede zwischen Sehr-religiösen und Nicht-religiösen sind deutlich.

In ihrem Forschungsbericht „Religiosität in Zeiten der Corona-Krise“ zeigt sich, dass die Religiosität in Österreich (gemessen mit der Häufigkeit des Betens und der Wichtigkeit von „Religion und Kirche“ im Zeitverlauf weiter abgenommen hat und 2020 von gut zwei Dritteln der Österreicher (68 Prozent) als „nicht wichtig“ angesehen wird. Auch die Häufigkeit des Betens hat sich weiter verringert. 2020 geben 41 Prozent der Befragten an, „nie“ zu beten.

Dazu schreiben Aschauer/Höllinger/Herbst: „Aus den beiden Merkmalen (Häufigkeit des Betens und Wichtigkeit von Religion und Kirche) wurde in weiterer Folge ein Index konventioneller Religiosität berechnet. Die Befragten wurden in vier Gruppen eingeteilt. Ein Drittel der österreichischen Bevölkerung (n = 459, 32,6 %) ist nach dieser Einteilung nicht religiös, ein ähnlicher Anteil der Bevölkerung (n = 427, 30,3 %) ist gering religiös orientiert. Die Gruppe der mittelmäßig Religiösen setzt sich aus einer mäßigen Frequenz des Betens und aus einer durchschnittlichen Wichtigkeit dieses Lebensbereichs zusammen (n = 354, 25,2 %). Nur ein geringer Anteil der Bevölkerung weist eine hohe Religiosität auf, die sich durch eine hohe Frequenz des Betens und einer hohen Wichtigkeit von Religion auszeichnet (n = 167, 11,9 %).“

Diese Verteilungen lassen sich vermutlich auch auf Deutschland übertragen. Nimmt man den regelmäßigen Gottesdienstbesuch (mindestens einmal im Monat) als „hohe (gelebte) Religiosität“, so sind das in Deutschland auch 12 Prozent.

Religion und Krisenbewältigung

In Coronazeiten ist die Frage, welche Strategien der Krisenbewältigung (Coping-Strategien) angewendet werden. Mittels Faktorenanalyse vier Coping-Strategien unterscheiden: Negierung der Krise; Suche nach sozialer Unterstützung, problemorientierte Auseinandersetzung und Optimismus.

Dazu schreiben Aschauer/Höllinger/Herbst: „Positive Werte implizieren eine stärkere Tendenz zur Verwendung der jeweiligen Strategie. Im Vergleich zu Nichtreligiösen sind religiöse Menschen in der Krise aktiver und problemorientierter, sie suchen häufiger Unterstützung bei anderen Menschen und sind etwas optimistischer; Nichtreligiöse hingegen haben eine stärkere Tendenz, die Krise zu negieren.“

In den weiteren Ausführungen werden noch die Ergebnisse zu „Religiosität, individuelles Wohlbefinden und Zufriedenheit mit der gesellschaftlichen Funktionsfähigkeit“ dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die „Sehr-religiösen“ ein höheres Maß an Lebenszufriedenheit aufweisen, großes Vertrauen in Institutionen haben und mit der Bundesregierung zufrieden sind. Bei den „Nicht-religiösen“ zeigen sich die gegenteiligen Einstellungen einer geringen Lebenszufriedenheit, geringem Vertrauen in Institutionen und geringere Zufriedenheit mit der Bundesregierung.

Hinsichtlich „Religiosität, Werte und Einstellungen“ wird noch untersucht, ob in Krisensituationen und damit einhergehenden Unsicherheiten Personen verstärkt für Autoritarismus anfällig sind. Dieses Phänomen wird regelmäßig (z. B. auch aktuell in Deutschland) mit den Erscheinungsformen Konventionalismus, autoritärer Unterordnung und autoritärer Aggression gefasst. Dabei zeigt sich, das Sehr-Religiöse „eine erhöhte Neigung zu Obrigkeitsgläubigkeit (als eine Facette der Autoritarismusforschung)“ erkennen lassen. „Der christliche Wert der Solidarität wird von religiösen Menschen nicht stärker vertreten als von nichtreligiösen, zumindest nicht, wenn es um die Frage von staatlichen Maßnahmen zur Unterstützung bzw. Umverteilung zugunsten ärmerer Bevölkerungsgruppen geht.“

(CF)