Studierende: Theologie, Religionslehre – 1979-2021
Die Wahl des Hauptfaches für ein Hochschulstudium ist auch als Indikator zu betrachten, wie wesentlich dieses Fach für einen selbst oder als Berufsperspektive angesehen wird. Eine genauere Analyse der Studierendenzahl für „Theologie, Religionslehre“ verdeutlicht, dass diese Studiengänge – im betrachteten Zeitraum - kontinuierlich in den Anteilen an allen Studierenden verlieren und 2021 nur noch 0,7 Prozent aller Studentinnen und Studenten diese Studiengänge als Hauptfach belegen.
1. Datenbasis
2. Immanente Betrachtung der Studierendenzahlen
3. Systematische Analyse der Studierendenzahlen
4. Islamische Theologie
5. Tätigkeitsfelder
6. Fazit
1. Datenbasis
Die Zahlengaben der Studierenden beruhen auf den Daten der Hochschulen, die die Anzahl der eingeschriebenen Studierenden im 1. Studienfach benennen. (z. B. Studierende nach Fächern, Sommersemester 2021. Frühere Jahrgänge (dieser Fachserie 11 / 4/1) in der Statistischen Bibliothek.)
Diese Zahlenangaben sind die Fokussierungen auf das 1. Studienfach, das ‚Hauptfach‘, für dessen Wahl sowohl die intrinsische (persönliche Gründe) wie extrinsische Motivation (Berufsperspektive) bestimmend sein dürften. (In der folgenden Tabelle hervorgehoben.) Was nicht davon ablenken soll, dass in den 2. und 3. Studienfächern, den ‚Nebenfächern‘, eine durchaus gleich große Zahl von Studentinnen und Studenten eingeschrieben sind. Es sind gleichsam jeweilige ‚Momentaufnahmen‘ der in den genannten Semestern realisierten Studienwünsche.
Das Studienfach „Evangelische Theologie, - Religionslehre“ beinhaltet Diakoniewissenschaft, Evangelische Religionspädagogik/kirchliche Bildungsarbeit und Evangelische Theologie/- Religionslehre. Das Studienfach „Katholische Theologie, - Religionslehre“ beinhaltet Caritaswissenschaft, Katholische Religionspädagogik/Kirchliche Bildungsarbeit und Katholische Theologie/- Religionslehre.
Als Hochschulen sind erfasst: Universitäten, Gesamthochschulen, Pädagogische Hochschulen, Theologische Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachhochschulen, Verwaltungsfachhochschulen. Nicht enthalten sind die Privaten Hochschulen.
Als Abschlussvarianten sind ausgewertet: Diplom und entsprechende Abschlussprüfungen, Staatliche Lehramtsprüfungen sowie Fachhochschulabschlüsse. Nicht dargestellt sind die Promotionen und die sonstigen Abschlüsse.
Von diesen Zahlen wären (theoretisch annäherungsweise) die „Studienabbruchquoten für deutsche Studierende im Erststudium an Universitäten nach Fächergruppen, ausgewählten Studienbereichen und Geschlecht, Zeitreihe: 1999 – 2006“ abzuziehen, die für die „Sprach- und Kulturwissenschaften“ bei rund 30 Prozent liegt, bzw. die Erfolgsquoten zu berücksichtigen, die jedoch nicht Studienfächerspezifisch vorliegen.
2. Immanente Betrachtung der Studierendenzahlen
Die Auflistung und die Darstellung der absoluten Zahl der Studierenden der Evangelischen wie Katholischen Theologie, - Religionslehre vermittelt das Bild von zwei Zyklen: Bei den Evangelischen (ausgeprägt) von 1979-2003, mit ‚Gipfelphase‘ 1983/1984, und von 2003-2021, mit ‚Gipfelphase‘ 2014/2016.
Bei den Studierenden der Katholischen Theologie, - Religionslehre sind diese Zyklen zwar nicht so ausgeprägt, aber doch erkennbar.
Diese Zyklen, die sich in den absoluten Zahlen darstellen, sind aber dennoch eine Täuschung.
3. Systematische Analyse der Studierendenzahlen
Die absoluten Zahlen der Studierenden eines Faches sind im Zeitverlauf auch davon abhängig, wie sich die Zahl der Studierenden insgesamt verändert bzw. wie sich die Präferenzen für eine Fächergruppe (hier: „Sprachen- und Kulturwissenschaften“) entwickeln.
Die Gesamtzahl der Studierenden hat sich recht kontinuierlich erhöht. Bereits im früheren Bundesgebiet stieg ihre Anzahl von 972.000 (1979) auf 1,5 Mio. (1989). Seit 1992 wiederum von 1,8 Mio. auf 2,8 Mio. (2021) Studentinnen und Studenten.
Nach der schlichten Wahrscheinlichkeit, dass sich die absoluten Zahlen der Studierenden in den verschiedensten Studienfächern (außer in den Fächern mit NC - Numerus Clausus) bei einem Anstieg der Gesamtzahlen auch parallel dazu erhöhen, ist der Anteil der Studienfächer an den Gesamtzahlen und der Fächergruppe zu prüfen.
Sowohl tabellarisch wie grafisch zeigt sich, dass sich der Anteil der Studierenden in der Fächergruppe „Sprach- und Kulturwissenschaften / Geisteswissenschaft“ von 1979-1992 langsam, aber beständig verringert (von 23 auf 17 Prozent), dann einen Aufwärtstrend hat (bis 23 Prozent in 1993) um sich schließlich langsam wieder auf 18 Prozent zu verringern.
In einer gesonderten Darstellung nur für die Anteile der Theologie, Religionslehre innerhalb der Fächergruppe „Sprach- und Kulturwissenschaften“ zeigen sich parallele Entwicklungen, die aber insgesamt einen Rückgang von 10,9 Prozent (1979) auf 8,5 Prozent (1989) beinhalten und einen weiteren Rückgang des Anteils von 7,3 Prozent (1992) auf 3,7 Prozent (2021).
Bezieht man diese Anteilszahlen auf die Anzahl aller Studentinnen und Studenten, so ist der Trend zur Verringerung noch ausgeprägter.
Waren es 1979 noch 2,5 Prozent, so sind es 1989 noch 1,6 Prozent, 1992 dann 1,3 Prozent und 2021 schließlich 0,7 Prozent aller Studierenden, die im Hauptfach „Theologie, Religionslehre“ studieren.
4. Islamische Theologie
Seit 2010 wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Islamische Theologie an Universitäten in Deutschland gefördert, „um auf die wachsende Pluralität der religiösen Strömungen in Deutschland zu reagieren“.
„Das BMBF hatte den Vorschlag des Wissenschaftsrats vom Januar 2010 aufgegriffen, die Islamische Theologie an Hochschulen in Deutschland zu etablieren. Damals hatte der Wissenschaftsrat seine „Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen“ vorgelegt. Die Diagnose war eindeutig: Das Wissenschaftssystem musste auf die wachsende Pluralität der religiösen Strömungen in Deutschland reagieren. In den vergangenen zehn Jahren ist dieser Anspruch umfassend eingelöst worden.“
Von der „Islamischen Theologie“ ist dabei die „Islamwissenschaft“ zu unterscheiden, die klassisch in die Fächergruppe „Außereuropäische Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften“ eingeordnet wurde, in der Statistik für 2021 unter „Sonstige Sprach- und Kulturwissenschaften“. 2020 gibt es für die „Islamwissenschaft“ 38 Professuren an 23 Standorten mit 1.510 Studierenden (987 Frauen, 523 Männer, Frauenquote: 65 Prozent), von denen 100 ein Lehramt anstreben. Entstanden ist diese Islamwissenschaft bereits im 19. Jahrhundert, als sich die „Orientalistik von der Theologie emanzipierte“ und in verschiedenen eigenständigen Fächern weiterentwickelte, wie die Turkologie, die Judaistik, u. a. m.
2014 hat die „Islamische Theologie“ sich so weit entwickelt, dass sie in der Bildungsstatistik als eigenständiges Studienfach genannt wird.
Seit 2019 werden – neben den bestehenden Zentren für Islamische Theologie in Frankfurt, Münster, Osnabrück und Tübingen – auch die Institute für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie an der Universität Paderborn gefördert.
Hinsichtlich der Frage wie viele Studierende es für Islamische Theologie gibt, werden auch Zahlenangaben von mehr als 2.000 Studierenden genannt – bis zu „mehr als 2.500“. Diese Zahlenangaben und weitere Analysen beruhen auf der „AIWG-Expertise: Wer studiert Islamische Theologie? Ein Überblick über das Fach und seine Studierenden“, in der es diverse Schätzungen gibt und 71 Studierende befragt wurden. Die Unterschiede zur Studierendenstatistik, deren Zahlen geringer sind, beruhen vermutlich darauf, dass die Studierendenstatistik (wie in Tabelle 1 dargestellt) nur das 1. Studienfach (‚Hauptfach‘) zählt, andere Statistiken auch die ‚Nebenfächler‘, was zu höheren Zahlen führt.
Noch ist die Entwicklung zu kurz, um etwas über Trends sagen zu können, doch erste Befunde liegen vor: „Fast die Hälfte bricht Berliner Islam-Studium ab“, „Imame werden die wenigsten“ sowie „Islam-Studenten meist weiblich“ (2020).
5. Tätigkeitsfelder
Da die theologischen Universitätseinrichtungen die Thematik kennen, dass sich die Absolventen nicht unbedingt für einen Pfarrdienst entscheiden, wird unter dem Stichwort: „Evangelische Theologie – Tätigkeitsfelder“ eine Vielzahl von beruflichen Möglichkeiten auch außerhalb der Kirchen dargestellt.
„Auch wenn sich viele Absolventinnen und Absolventen für den pfarramtlichen Dienst entscheiden, finden Theologen und Theologinnen, die nicht in den pfarramtlichen Dienst wollen, gute Beschäftigungsperspektiven in außerkirchlichen Bereichen, beispielsweise
- in Bildungseinrichtungen und Erwachsenenbildung,
- in Kultureinrichtungen und im Medienbereich,
- in sozialen Bereichen oder der Diakonie,
- im Personal- und Versicherungswesen,
- in der therapeutischen Beratung,
- in Verwaltungseinrichtungen,
- in der Forschung.“
Das gleiche gilt katholisch für die „Berufsfelder für Absolventen/-innen eines theologischen Studiums“ und unter dem Titel: „Theologiestudium: Büffeln und brennen“ wird in der F.A.Z darüber berichtet, wie positiv sich formal religions- und kirchenferne Karrieren darstellen.
„Nur knapp die Hälfte aller Berliner Studenten wollen Pfarrer werden. An der Humboldt-Universität (HU) kann man auch Theologie aufs Lehramt studieren oder sich für den neuen Studiengang „Religion und Kultur“ einschreiben. Wer heute Theologie wählt, hat die Möglichkeit, ins Verlagswesen zu gehen oder ein Seniorenheim zu leiten. Dozenten und Kirchenvertreter schwärmen gern von Absolventen, die in der freien Wirtschaft landen, im Personalmanagement von Unternehmen. Solche Karrieren dürften nur möglich sein, wenn sich die Betreffenden Zusatzwissen aneignen. Einen Überblick über die Einsatzfelder bietet das Buch ‚Berufschancen für Theologinnen und Theologen‘ aus dem Herder Verlag.“
Für die Berufsperspektiven von Absolventen der islamischen Theologie wurde eine „Verbleibstudie“ initiiert.
6. Fazit
Der Bedeutungsverlust von Theologie und Religion in Deutschland zeigt sich bei der Zahl der Studentinnen und Studenten im Hauptfach Evangelische und Katholische Theologie/Religionslehre - im Anteil an allen Studierenden – kontinuierlich seit 1979. Waren es 1979 – für beide Studiengänge/Fächer - noch 2,5 Prozent aller Studierenden, 1992 noch 1,3 Prozent, so sind es 2021 noch 0,7 Prozent, die sich für ein Hauptfach Theologie/Religionslehre entscheiden.
Insofern zeigt sich der Rückgang der Wichtigkeit von Religion in diesen sich verringernden Präferenzen sehr viel früher und deutlicher, als er sich gesamtgesellschaftlich erstmalig 1970/1974 in dem Anstieg der Kirchenaustritte und (abgesehen von der Sondersituation 1990-1993 mit den Kirchenaustritten in den östlichen Bundesländern) erst ab 2007 stärker werdend zeigt.
Carsten Frerk.