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Tradition und Wissen: Religiöse Feiertage 2024

Fowid-Statistikbeobachter: Das Wissen um die Bedeutung religiöser Feiertage kann auch als Gradmesser für das Vorhandensein bzw. das Vergehen religiöser Traditionen angesehen werden. YouGov hat für mehrere Feiertage nach Kenntnis ihrer Bedeutung gefragt und die Ergebnisse zeigen insgesamt geringe Kenntnisse. Zudem gibt es plausible Informationen dazu, dass diese geringen Angaben zudem noch überhöht sind.

1. Datenbasis
2. Einzelne Feiertage
3. Fazit
4. Weihachten und Ostern: Bedeutung und eigene Wichtigkeit
5. Zeitreihe / Überhöhte Angaben

1. Datenbasis

Im Jahresverlauf 2024 hat das Meinungsforschungsunternehmen YouGov für eine Reihe von religiösen Feiertagen gefragt, inwiefern die Befragten ihre Bedeutung kennen: Ostern (s. Tabelle 1), „Weißer Sonntag“ (Tabelle 2), Christi Himmelfahrt (Tabelle 3), Pfingsten (Tabelle 4), Fronleichnam (Tabelle 5), Mariä Himmelfahrt (Tabelle 6) und den Buß- und Bettag (Tabelle 7).

Da die Umfragen jeweils kurz vor den Feiertagen realisiert wurden, waren die Ereignisse den Befragten bekannt.

In der Veröffentlichung der Ergebnisse wurden von fünf Variablen die Verteilungen benannt: für Altersgruppen, Region, Geschlecht, Einkommen und Parteiaffinität. Sie werden im Folgenden referiert.

Die abgefragten Selbsteinschätzungen „Wie gut können Sie die Bedeutung des Feiertags XY beschreiben…“ wurde nicht weiter geprüft, ob diese Selbsteinschätzung zutrifft. Es ist bekannt, dass Menschen sich selbst eine Kompetenz von Kenntnissen zuerkennen, die sie tatsächlich nicht haben. (s. Abschnitt 5 dieses Textes: Überhöhte Angaben).

Neben den Feiertagen gibt es von YouGov auch die Ergebnisse von Umfragen im Jahr 2024 u. a. zu: Luther, Osterhase, Ostern oder Weihnachten?, Fastenzeit, Pilgern, Halloween, Tanzverbot, Freuen auf Weihnachten, Weihnachten versäumt? und Drei-Könige - die Namen ?

2. Einzelne Feiertage

Zur übersichtlicheren Darstellung wurden von den vier Antwortmöglichkeiten, die beiden ‚Wissenden‘ („“Kann ich eher gut beschreiben“ bzw. „Kann ich sehr gut beschreiben“) als „Gute Kenntnisse“ zusammengefasst.

Diese Kenntnisse sind nur für die Bedeutung von Ostern („Auferstehung Jesu“) bei mehr als der Hälfte der Befragten vorhanden.

Bei der Feststellung, wie viele der Befragten das genau wissen („Kann ich sehr gut beschrieben“) reduzieren sich diese Anteile für Ostern auf ein gutes Drittel, für die anderen Feiertage auf um die Zehn von Hundert.

Die Unterschiede zwischen den Merkmalsgruppen (Alter, Frauen/Männer, Region, Einkommen, Parteiaffinität) sind nur in Einzelfällen signifikant.

In den Altersgruppen besteht keine eindeutige Tendenz, dass die Älteren – die religiöseren – besser Bescheid wissen als die Jüngeren.

Auch die Unterschiede im Kenntnisstand von Frauen bzw. Männern sind nicht bemerkenswert.

Die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland (katholische Diaspora) sind hinsichtlich „Weißer Sonntag“ (Erstkommunion) und Fronleichnam plausibel niedriger.

Bei den Einkommensklassen zeigen sich, außer für Ostern, für alle anderen Feiertage parallele Tendenzen: die höheren Einkommensklassen sind auch religiös kenntnisreicher.

Ähnliche parallele Tendenzen werden bei den Parteipräferenzen durchgehend sichtbar. Die Anhänger der sich selbst als „bürgerliche Mitte“ verstehenden Parteien (CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne) haben höhere Kenntnis zur Bedeutung der religiösen Feiertage als die „Außenseiter“ (Die Linke, AfD und Keine Präferenz).


3. Fazit

Die einzige eindeutige Tendenz für den Kenntnisstand zu religiösen Feiertagen sind die überdurchschnittlichen guten Kenntnisse bei den Anhängern der CDU/CSU und bei den höheren Einkommensklassen. (s. Tabelle 8)

4. Weihnachten und Ostern: Bedeutung und eigene Wichtigkeit

Weihnachten (bisher nicht referiert) und Ostern sind die kommerziellen „Groß-Feiertage“, entsprechend bekannter ist ihre Bedeutung als die von anderen religiösen Feiertagen. Allerdings erbrachte eine Umfrage 2006 (von forsa für den „Stern“): „Jeder Zehnte kennt die Bedeutung von Weihnachten nicht“. „Drei Prozent gaben an, die Auferstehung Christi zu feiern. Ein Prozent der Befragten nannte als Grund den Winteranfang.“

Und das Wissen um die Bedeutung lässt keine Schlussfolgerung zu, dass die Befragten sich auch ‚christlich-religiös‘ verhalten würden. Die „Weihnachtsstudien“ der Universität der Bundeswehr zeigen für 2024, dass sich der Besuch der Weihnachtsgottesdienste von 24 Prozent (2019, vor Corona) seit 2022 gleichbleibend auf rund 15 Prozent verringert hat. Und von dem, was den Befragten zu Weihnachten wichtig ist, werden am meisten genannt: „Zeit mit den Liebsten verbringen“ (73 Prozent), „Ruhe, Besinnlichkeit“ (64 Prozent) sowie „Gutes Essen und Plätzchen“ (60 Prozent). Die geringsten Präferenzen haben: „Soziales (bspw. Spenden, anderen helfen“ (18 Prozent), „Geschenke bekommen“ (16 Prozent) sowie „Glaube, Kirche und Religion“ (13 Prozent). Entsprechend ist Weihnachten für 74 Prozent der Bevölkerung das „Fest der Familie“ (domradio) mit oder ohne Religion. Auf die Frage: „Wenn Sie eine Entscheidung treffen müssten, welche Festtage finden Sie persönlich schöner: Ostern oder Weihnachten?“ wird entsprechend Weihnachten (60 Prozent) mit Abstand zu Ostern (16 Prozent) genannt.

Für die traditionelle religiöse Bedeutung von Ostern ist der Kenntnisstand hoch, hat aber nur wenig mit dem zu tun, was die Befragten auf Basis einer anderen YouGov Umfrage - am häufigsten persönlich damit verbinden: den Frühling.

Gruppiert man die Antworten nach Inhalt, dann verbindet die Hälfte der Befragten (53 Prozent) Ostern mit „Im Frühling, ein langes Wochenende, Urlaub/Ferien“. In einer anderen Umfrage, ebenfalls aus 2024, „Haben Sie als Kind an den Osterhasen geglaubt?“ sagten, in allen Altersgruppen, die Hälfte der Befragten „Ja“. Diese Verbindung hat sich, in der Nennung von „Ostereier suchen/Schokohasen“ bei 19 Prozent der Erwachsenen erhalten. Ein Anteil, der ebenso groß ist, wie diejenigen, die Ostern mit „Christi Auferstehung“ verbinden (18 Prozent).

5. Zeitreihe / Überhöhte Angaben?

Die Umfragen zum Wissen um die Bedeutung der Feiertage haben generell mit dem Problem zu tun, dass es immer wieder Befragte gibt, die meinen, die Bedeutung richtig zu kennen, sich dann aber bei Nachfrage herausstellt, dass es nicht stimmt, d.h. dass die Befragten sich irren („Dunning-Kruger-Effekt“). Die in Umfragen erhaltenen Angaben zum Kenntnisstand sind entsprechend zu hoch.

So hatte der Informationsdienst der Evangelischen Allianz (idea) 2015 nach der Bedeutung von „Christi Himmelfahrt“ gefragt. Es ergab eine Mehrheit für den „Vatertag“ (48 Prozent) und immerhin fünf Prozent der Befragten hielten es für eine „Luftfahrtschau“.

Pfingsten, auch als „Geburtstag der Kirche“ bezeichnet, erfährt in Umfragen besonderes Interesse und wurde auch bereits in den fowid-Artikeln: „Feiertage des Osterfestkreises“ und „Wissen um die Bedeutung der Feiertage“ (2012) behandelt. Daraus lässt sich – auch bei Unterschiedlichkeit der Fragestellung (s. Tabelle 9) – eine Zeitreihe bilden. Sie zeigt – in allen Merkmalsverteilungen – den Rückgang des Wissens um die Bedeutung von Pfingsten, das sich von 2002 auf 2014 in etwa halbiert (von 74 auf 36 Prozent).

Die EMNID-Umfrage hinsichtlich Pfingsten für „Chrismon“ (2002) hat die Besonderheit, dass den Befragten eine Liste vorgelegt wurde, mit der Frage: „Welches der folgenden Ereignisse verbinden die christlichen Kirchen Ihrer Meinung nach mit dem Pfingstfest?“. Die Daten der Antworten zeigen, dass Dreiviertel der Befragten (74 Prozent) meinten, das zu wissen, aber nur ein Drittel (33 Prozent) tatsächlich das richtige Ereignis nannte.

Der „Dunning-Kruger-Effekt“ beläuft sich also auf 1,8 zu 1 ‚Überhöhung‘ des Kenntnisstandes.

Versucht man diesen Effekte auch für 2024 zu klären, so bietet sich die Aufgliederung der „Guten Kenntnisse“ auf die beiden darin enthaltenen Antwortkategorien an. Die Befragten mit den „eher guten“ Kenntnissen sind mehr als doppelt so viele (25 Prozent) wie die mit den „sehr guten“ Kenntnissen (11 Prozent).

Geht man davon aus, dass die Befragten mit den „sehr guten“ Kenntnissen die richtige Bedeutung kennen und das bei den mit den „eher guten Kenntnissen“ nicht unbedingt der Fall ist, so wäre das eine ‚dünne‘ Basis für die Auffassung eines „christlichen Deutschlands“ – wenn nur rund jede/jeder Zehnte von Hundert die richtige Bedeutung von Pfingsten kennen würde.

Carsten Frerk

Tabellen

(Im Anhang befindet sich eine auslesbare Excel-Datei mit allen Daten der Tabellen und Grafiken)