Sie sind hier

UK: Konfessionsfreie – Zensus 2021

Fowid-Notiz: Am 21. März 2021 ist in England, Wales und Nordirland der Zensus 2021 durchgeführt worden und wie der Guardian berichtete, wird erwartet, dass in Britannien weniger als die Hälfte der Bevölkerung sich als Christen identifizieren werden. Falls das zutreffen sollte, wären die Ergebnisse u. a. der Umfragen des National Centre for Social Research sozusagen amtlich, dass die Konfessionsfreien („No Religion“) im Vereinigten Königreich die Mehrheit stellen.

Der Zensus 2021 fand am 21. März 2021 in England, Wales und Nordirland statt, in Schottland, Coronabedingt , erst 2022. Für die Online-Befragung war den Bewohnern ein 16-stelliger Zugangscode übermittelt worden. Falls gewünscht konnte auch ein ausgedruckter Fragebogen angefordert werden.

Voraussagen

Die Voraussagen, dass die Konfessionsfreien die Mehrheit bekommen werden, beruhen auf den Trends, die sich u. a. aus den Umfragen NCSR (National Centre for Social Research) ergeben. Der Zensus ist jedoch keine Stichprobe sondern eine Volkszählung, die nur geringe Schwankungsbreiten hat und insofern genauer und ‚amtlich‘ ist.

Nach den letzten Publikationen des NCSR „British Social Attitudes 2018: Religion - Identity, behaviour and belief over two decades” ist der Trend für England und Wales eindeutig.

Zur Religion fragt die NCSR: „ Fühlen Sie sich einer bestimmten Religion zugehörig?“ („Do you regard yourself as belonging to any particular religion?”) – es geht also um die persönliche Identifikation („Identität“) mit einer Religionsgemeinschaft und nicht um die Frage, ob man z. B. einmal getauft wurde oder nicht.

Die Veränderungen in den vergangen 20 Jahren werden, neben dem Nachwachsen von Konfessionsfreien der zweiten Generation, vor allem über die Verluste der Church of England (der anglikanischen Staatskirche) begründet, was sich in der Identifikation mit der Church of England in den jeweiligen Altersgruppen zeigt: bei den jüngeren Altersgruppen ist sie so gut wie nicht mehr vertreten.

Es zeigt sich ebenfalls in der selbst eingeschätzten Religiosität, bei der die Gruppe der „Sehr oder extrem Nicht-Religiösen“ von 14 Prozent (in 1998) auf 33 Prozent (in 2018) gestiegen ist.

Der Altersaufbau der Konfessionsfreien – je jünger desto mehr Konfessionsfreie – zeigt sich auch in einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Britischen Humanisten. Zwei Drittel (66 Prozent) der 18-24-Jährigen und 68 Prozent der 25-34-Jährigen identifizieren sich mit keiner Religion.

Reziprok steigt der Anteil der Christen von 12 Prozent (bei den 18-24-Jährigen) kontinuierlich auf 51 Prozent (bei den 55-Jahre-und-Älteren).

Im Zensus 2011 für England und Wales sahen die Ergebnisse erheblich anders aus. Auf die Frage: „What is your religion?“ antworteten 59,3 Prozent der Bevölkerung in England und Wales, sie seien Christen und die Konfessionsfreien erhielten 25,1 Prozent.

Im Zensus 2011 für Schottland war gefragt worden: „What religion, religious denomination or body do you belong to?“ Die Konfessionsfreien waren die größte Gruppe (36,7 Prozent), gefolgt von der Church of Scotland (32,4 Prozent) und den römischen Katholiken (15,9 Prozent). Diese Verteilungen bestätigen auch die YouGov-Umfrage (Tabelle 4), dass Schottland für die Konfessionsfreien ‚eine sichere Bank‘ ist.

Abgesehen davon, dass die direkte (formale) Frage „What is your religion / do you belong to?“ leicht höhere Zahlen für die organisierten Religionen erbringen („belonging but not believing“), fehlt in den bisher referierten Umfragedaten für 2018/2021 Nordirland.

Nordirland hatte im Zensus 2011 rund 42 Protestanten und 41 Prozent Katholiken. Konfessionsfrei waren 17 Prozent. Nordirland hat jedoch (2019) nur 1,89 Mio. Einwohner, gegenüber 66,65 Mio. des Vereinigten Königreiches, und stellt somit nur 2,8 Prozent der Bevölkerung. Insofern wird dadurch der Anteil der Konfessionsfreien für das gesamte Vereinigte Königreich nur marginal reduziert.

„If you are not religious – SAY SO!”

Die Britischen Humanisten haben im Vorfeld des Zensus 2021 eine Kampagne gestartet, die dafür sorgen soll, dass die Konfessionsfreien im Fragebogen tatsächlich die Antwort „No religion“ ankreuzen und keine Spaßreligion wie „Jedi Ritter“ oder „Kirche des Fliegendes Spaghettimonsters“, wie es bereits geschehen war: Im 2001 Zensus bezeichneten sich 390.127 Bürger von England und Wales solcherart – 0,7 % der Bevölkerung. (In Australien wurde 2016 eine vergleichbare Kampagne veröffentlicht: „Don’t mark yourself as ‚Jedi‘!“) 2011 hatte sich die Anzahl der Anhänger der Jedi-Religion in England und Wales zwar auf 176.632 verringert, aber bei knappen Mehrheitsverhältnissen zählt jede Stimme.

Die Anteile im britischen Zensus haben sehr praktische Konsequenzen, wie die Britischen Humanisten argumentieren:

„Übertriebene Religionszahlen haben dazu geführt, dass Zeit und Geld für die Aufrechterhaltung ungerechter religiöser Diskriminierung in unserer Gesellschaft aufgewendet wird. In den letzten zehn Jahren hat dies beinhaltet:

  • Die Erhöhung der Anzahl von Glaubensschulen.
  • Erzwingen von obligatorischen christlichen Gottesdiensten in Schulen.
  • Vergabe von öffentlichen Dienstleistungen an religiöse Organisationen, die nicht-religiöse oder LGBT-Nutzer diskriminieren können.
  • Die Beibehaltung von 26 Bischöfen, die im Parlament abstimmen.
  • Ausschluss religiöser Gruppen aus den Gleichstellungsgesetzen und anderen neuen Gesetzen.
  • Noch mehr rein religiöse Sendungen in der BBC, wie z. B. „Thought for the Day“.

Umgekehrt, wenn die Nicht-Religiösen genauer gezählt werden, wird dies ermutigen:

  • Mehr staatliche Schulen, die alle Schüler gleichermaßen akzeptieren, unabhängig vom Glauben ihrer Eltern.
  • Mehr Schulen, die den obligatorischen Gottesdienst durch integrative Versammlungen ersetzen.
  • den Austausch von konfessionellem Religionsunterricht in Schulen gegen inklusiven Unterricht über alle verschiedenen Glaubensrichtungen und Werte.
  • Gleiche seelsorgerische Unterstützung für nicht-religiöse Menschen in Krankenhäusern, Gefängnissen und bei den Streitkräften - nicht nur religiöse Seelsorger.
  • Ein zweiter Blick auf die religiöse Diskriminierung in unseren Gesetzen, einschließlich Dingen wie dem Wahlrecht für Geistliche im Parlament (die einzigen Länder, die das tun, sind Großbritannien und der Iran!).

(CF)