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Weihnachten 2021 als „Abschiedsfest“?

Fowid-Notiz des Statistikbeobachters: Das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) hat – obwohl Weihnachten war – anscheinend alle Hoffnung aufgegeben. Man fragt sich dort: „Gehört das Christentum noch zu Deutschland?“ Oh Schreck, ist es verschwunden? Das verwundert nicht, aber es sind nicht die aktuellen Finanzskandale oder die ungeklärten Missbrauchsfälle, nein es ist die „schleichende Veränderung der Gesellschaft“. Was und wer schleicht denn nachts um das christliche Haus? Still und heimlich, angsteinflößend… Licht an!

Pünktlich zum christlichen Weihnachtsfest fragt Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allenbach in der FAZ: „Gehört das Christentum noch zu Deutschland?“ Auf der Internetseite des IfD noch angekündigt als „Christliche Kultur ohne Christen. Zum letzten Mal Weihnachten mit einer christlichen Bevölkerungsmehrheit?“

„Am kommenden Wochenende werden viele Menschen christliche Weihnachtslieder singen. In manchem Haus wird die Weihnachtsgeschichte gelesen, und die meisten Kirchen werden nur deswegen nicht voll besetzt sein, weil die Vorgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dies nicht zulassen. Auch im öffentlichen Raum ist das Christentum allgegenwärtig.
Dort, wo es noch erlaubt ist, können die Kinder auf den Weihnachtsmärkten prächtige Krippen besichtigen, und in den Schokoladenregalen der Lebensmittelgeschäfte finden sich kaum weniger Engel als Weihnachtsmänner. So könnte man leicht übersehen, dass das kommende Weihnachtsfest auch ein Abschiedsfest ist: Es wird voraussichtlich das letzte sein, an der die Christen in Deutschland in der Mehrheit sind.“

„Abschiedsfest“? Diese Betrachtung ist eine eigenartige Verkürzung der „Christen in Deutschland“ auf die Mitglieder der beiden großen Amtskirchen, der EKD-Landeskirchen und der römisch-katholischen Bistümer. Es ist zwar richtig, dass deren Anteil im Laufe des Jahres 2021 (gezählt zum Jahresende, publiziert im Sommer 2022) voraussichtlich 2021 unter 50 Prozent an der Bevölkerung gefallen sein wird. Aber sind die Orthodoxen (rund 2 Prozent der Bevölkerung) oder die evangelischen Freikirchen (rund 1 Prozent) oder die Evangelikalen (rund 1 Prozent) keine „Christen“? Zusammen sind das rund 4 Prozent und falls die Anzahl „der Christen“ sich jedes Jahr weiter um rund einen Prozentpunkt verringert, so wird es erst Ende 2025 sein, dass die Anzahl „der Christen“ sich so verringert hat, dass der 50-Prozent-und mehr-Bevölkerungsanteil unterschritten sein wird.

Worum geht es? Also, noch einmal: Die Zahl der Mitglieder der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Bistümer wird sich im Laufe des Jahres 2021 um weitere 1,2 bis 1,4 Prozentpunkte an der Bevölkerung verringern. Das ist ein Trend, der sich - in unterschiedlicher Stärke der Ausprägung – seit spätestens der Volkszählung 1987 zeigt. Aber! Es wird eine ‚magische Grenze‘ überschritten: Die jetzigen 51 Prozent, also 50+ verringert sich auf 50-. Und das heißt, die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist nicht mehr evangelisches oder katholisches Kirchenmitglied. Die Mehrheit! Und damit ist es nicht mehr „normal“ (als Frage der Häufigkeit) Kirchenmitglied zu sein.

Und das löst anscheinend im IfD Allensbach eine tiefe Betroffenheit aus. Das war alles vorauszusehen und gerade Demoskopen haben dazu doch die passenden Daten? Ja, aber, es geht um eine nicht auffällige aber fundamentale „schleichende Veränderung der Gesellschaft“.

„Tatsächlich lässt sich bereits seit Jahrzehnten eine Erosion des Christentums in Deutschland beobachten, die langsam, aber beharrlich fortschreitet, letztlich unberührt von aktuellen Ereignissen. Es handelt sich um eine zwar schleichende, deswegen im Alltag nicht auffällige, aber dennoch fundamentale Veränderung der Gesellschaft.“

Die Daten der aktuellen Dezember-2021-Umfrage des IfD Allensbach zeigen zwar die bekannten Tendenzen, aber nicht diese Dramatik.

„In der Allensbacher Umfrage vom Dezember 2021 gaben 23 Prozent der befragten Katholiken an, dass sie ein gläubiges Mitglied ihrer Kirche seien und sich dieser eng verbunden fühlten. Das entspricht knapp sechs Prozent der Gesamtbevölkerung. Von den Protestanten taten dies gerade 12 Prozent – etwas mehr als drei Prozent der Bevölkerung insgesamt.“

Und: Ist die Kirche noch wichtig? Bei den Älteren sagen knapp die Hälfte noch Ja, bei den Jüngeren sind es nur noch weniger als ein Drittel.


Carsten Frerk