Sind Beruf, Familie und Kinder vereinbar?
Das Institut für Demoskopie in Allensbach untersuchte in einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Entscheidungen bei jungen Familien zwischen Beruf und Kindererziehung. Der alleinverdienende Vater ist im zurückliegenden Jahrzehnt seltener geworden. Diese Entwicklung setzt jedoch das alte vorherrschende Muster der 3-K (Kinder-Küche-Kirche) nicht außer Kraft.
Die Entscheidung, wer nach der Geburt der Kinder welchen Anteil der Erwerbs- und der Familienarbeit übernimmt, ist ausschlaggebend für die Erwerbsbiographien von Müttern und Vätern, die wirtschaftliche Situation in den Familien, die Entwicklungsmöglichkeiten der beiden Partner und die Absicherung der Rente.
Die Studie stützt sich auf eine repräsentative Befragung von Müttern und Vätern, die als Paare mit ihren gemeinsamen Kindern unter 6 Jahren zusammenleben. Im November/Dezember 2014 führten dazu rund 750 Interviewer des Instituts für Demoskopie Allensbach im gesamten Bundesgebiet insgesamt 3.151 Interviews mit Angehörigen der Zielgruppe. In 1.071 Familien wurden sowohl Vater als auch Mutter befragt, in 1.009 Familien gab jeweils ein Partner Auskunft. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Umfrage vom Dezember 2014 die Aufteilung von Berufs- und Familienaufgaben in 2.080 Familien.
Nach der Geburt des ersten Kindes und nach den Elternzeiten verändern sich die Erwerbskonstellationen der Elternpaare erheblich. Viele Mütter reduzieren ihre Berufstätigkeit oder bleiben ganz zu Hause, während die Väter Vollzeit berufstätig bleiben. Wenn vorher meist beide Partner voll berufstätig waren, entstehen nach der Geburt des ersten Kindes verschiedene Erwerbsmodelle. Oft geht die Mutter dann einer Teilzeitbeschäftigung mit unterschiedlichem zeitlichen Umfang nach.
Die Möglichkeit, dass der Vater zu Hause bleibt, wird zwar von 30 Prozent der Eltern gewünscht, jedoch nur von jeder zwanzigsten Familie tatsächlich in die Praxis umgesetzt. Nach der Elternzeit beim ersten Kind waren oder sind die Väter in lediglich 4 Prozent der Familien mit 25 bis 34 Wochenstunden berufstätig. Die wöchentliche Stundenzahl der Väter verringert sich nach der Geburt des Kindes nur wenig, von 43 auf 42 Stunden. Nach wie vor bleiben die Mütter eher zu Hause. Bei den berufstätigen Frauen verringert sich die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 37 auf 25 Wochenstunden (von 37 auf 23 in Westdeutschland und von 38 auf 31 in Ostdeutschland).
In den letzten Jahren nahm die Berufstätigkeit der Frauen zu. Nach den Daten der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse AWA wuchs der Anteil der Erwerbstätigen unter den „Familien”-Müttern mit Kindern unter 6 Jahren zwischen 2005 und 2015 von 51 auf 59 Prozent. Der Anteil der Mütter in Teilzeit mit mehr als 15 Wochenstunden ist deutlich gestiegen (2005: 24 Prozent, 2015: 33 Prozent). Aber auch die Vollzeitbeschäftigung wuchs von 14 auf 17 Prozent. Dagegen verringerten sich die Anteile der nur stundenweise Beschäftigten von 13 im Jahr 2005 auf 9 Prozent in 2015, sowie der Nichtberufstätigen von 50 auf 41 Prozent.
Die Konstellation von nichtberufstätiger Mutter und alleinverdienendem Vater als Modell für eine längere Phase nach der Geburt der Kinder ist im zurückliegenden Jahrzehnt seltener geworden. Diese Entwicklung setzt jedoch das alte vorherrschende Muster der 3-K (Kinder-Küche-Kirche) nicht außer Kraft. (Auch wenn es heute vielfach eher „Kinder-Küche-Kleinfamilie“ heißt.) Die Wertvorstellungen der sozialen Stellung der Frau ändern sich nur langsam. Immer noch sitzt es tief in den Lebensauffassungen, dass sich die Mutter um die Erziehung des Nachwuchses, die Hausarbeit und die Vermittlung und Einhaltung moralischer Prinzipien, wie sie die Kirche gebot, kümmern sollte. Nach wie vor stecken Mütter beim beruflichen Werdegang zurück. Die Berufsverläufe von Frauen zeigen, das nur bis etwa zum 30. Lebensjahr die Mehrheit der Frauen Vollzeit berufstätig ist. Danach liegt der Anteil Vollzeit erwerbstätiger Frauen deutlich unter 50 Prozent. Die Weichenstellungen im Zusammenhang mit der Familiengründung betreffen Frauen nicht nur für eine kurze Phase, sondern erweisen sich für viele als berufs- und lebensprägend.10 Prozent der Mütter kehren nach der Babypause nicht wieder ins Berufsleben zurück.
Diese konservative Teilung der Aufgaben hält zwar in vielen Familien noch an, doch es entspricht längst nicht mehr den Vorstellungen der Eltern, von denen sich ein beträchtlicher Teil eine weniger ungleiche Aufteilung von Familien- und Berufsarbeit wünscht. Für beide hat die berufliche Tätigkeit, deren Wertschätzung und auch Spaß am Beruf einen hohen Stellenwert.
Dabei bedeutet die Berufsorientierung von Müttern und Vätern keinen Gegensatz zur Familienorientierung, wie sie etwa in den Einstellungen gegenüber den eigenen Kindern und in den Leistungen für die eigene Familie sichtbar wird. Das im Hinblick auf berufstätige Mütter zuweilen noch anzutreffende Klischee der „Rabenmutter“ ist nicht richtig, da besonders auch berufstätige Mütter eine enge emotionale Bindung zu ihren Kindern haben, mit ihnen regelmäßig spielen, vorlesen und bei Krankheit liebevoll pflegen.
90 Prozent der Eltern (55 Prozent zufrieden und 35 Prozent sehr zufrieden) haben sich mit der familiären Aufgabenteilung abgefunden, obwohl dies nicht immer wunschgemäß erfolgt ist. Die gefundene Kompromisslösung ist eher die Einsicht in die Entscheidung unter den Gegebenheiten. Unter anderen Rahmenbedingungen hätten sich viele Eltern anders entschieden und vielleicht eine idealere Lösung gefunden. Bei der täglichen Umsetzung, z. B. wer das Kind zu bestimmten Zeiten aus der Betreuung holt oder mit dem Kind zum Arzt geht, entstehen auch hier Auseinandersetzungen über die Aufgabenteilung, die beträchtlichen Organisations- und Abstimmungsaufwand erfordern. Das stellt aber nicht die grundsätzliche Entscheidung zur Betreuung in Frage. Das bestätigt auch frühere Befunde zu den Ursachen von Auseinandersetzungen in der Partnerschaft. Danach hatten sich 42 Prozent der Paare schon häufiger über Ordnung und Sauberkeit gestritten, 36 Prozent über die Aufgabenteilung im Haushalt, 32 Prozent über die Aufgabenteilung bei der Erziehung, aber nur 7 Prozent über die Frage, wer im Beruf eher zurückstehen sollte (Vorwerk Familienstudie 2013, IfD-Umfrage 11012).
Die Mütter nahmen im Durchschnitt 19 Monate Elternzeiten beim ersten Kind in Anspruch (20 Monate in West- und 15 Monate in Ostdeutschland). Die Mütter, die danach in Vollzeit oder längerer Teilzeit arbeiteten, nahmen kürzere Auszeiten, während die danach stundenweise tätigen Mütter die längere Elternzeit in Anspruch nehmen (durchschnittlich 21 Monate).
Die meisten Väter gehen mit Hilfe der Partnermonate beim Elterngeld für höchstens zwei Monate in Elternzeit. Die mittlere Dauer der beruflichen Auszeit nach der Geburt des Kindes beträgt bei ihnen 7 Wochen.
Auch wenn diese Werte sich noch nicht wesentlich verändert haben, zeigen sie dennoch einen Trend und den Beginn eines Änderungsprozesses. Bei den Müttern haben sich die Elternzeiten besonders in Westdeutschland verkürzt und sie bleiben heute nach der Geburt eines Kindes wesentlich kürzer zu Hause als noch vor einigen Jahren. Aber bei den Vätern wird die Änderung deutlicher sichtbar. Vor Einführung des Elterngelds waren nur rund 5 Prozent der Väter in Elternzeit (Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2005). Für die Väter, deren erste Kinder ab 2011 geboren wurden, zeigt die Umfrage jetzt bereits Berufsunterbrechungen zur Kinderbetreuung bei insgesamt 31 Prozent (einschließlich längerer „Betreuungsurlaube“).
Die Bedeutung des Elterngeldes für die Elternzeiten der Väter wird deutlich, wenn man die Motive bei der Verteilung der Aufgaben betrachtet. Die staatliche Förderung ermöglichte also die Nutzung der Väter-Elternzeiten. Für die Verwirklichung einer solchen Elternzeit sind aber auch die Einstellungen des Arbeitgebers und die Vorgaben des Betriebs zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf von großer Bedeutung. Da hier in der Regel gleich mehrere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, unterbrachen auch von jenen Vätern, die ihre Kinder gern selbst betreut hätten, am Ende erst 50 Prozent ihre Berufstätigkeit zur Betreuung.
Wenn Mütter ihre Erwerbstätigkeit für längere Zeit unterbrechen ist die durchgehende Berufstätigkeit des Vaters für die materielle Sicherung meist notwendig. Besonders betrifft das Familien, die enge finanzielle Spielräume haben, wo das Einkommen der Mutter kaum Einfluss auf das Familienbudget hat. Dort gibt es aus materiellen Gründen keine Möglichkeit für eine Elternzeit des Vaters. Dabei hätten sich 54 Prozent der Väter, die nach ihrer Elternzeit bereits wieder in ihren Beruf zurückgekehrt sind, eine längere Elternzeit gewünscht. Durch den erkennbaren Wandel der Muster könnte es Vätern in Zukunft leichter fallen, ihre Wünsche nach einer Elternzeit zu realisieren, weil es inzwischen auch etliche Arbeitgeber ermöglichen und akzeptieren, dass Väter dies in Anspruch nehmen.
Während noch vor einigen Jahrzehnten das Ernährer-Hausfrauen-Modell gelebt wurde, sind Frauen heute zunehmend sowohl Ernährerinnen als auch Betreuerinnen ihrer Kinder. Die Familienpolitik berücksichtigt dies in unterschiedlichem Ausmaß.
Leitbilder und Idealvorstellungen zur Berufstätigkeit und zur Kinderbetreuung beeinflussen auch heute noch die Entscheidungen der Eltern. Dazu kommen spezifische Einflussgrößen wie berufliche Stellung und Einkommen vor der Geburt des Kindes. Mütter, mir hoher beruflicher Verantwortung kehren schneller in ihren Beruf zurück als andere.
Aber auch die Rahmenbedingungen in den Betrieben und die Betreuungsangebote haben Auswirkung auf den Wiedereinstieg in den Beruf vor allem bei Müttern. Bei den Vätern steht oft nur die Frage, ob sie eine Elternzeit beanspruchen und wie stark sie sich an der Familienarbeit beteiligen.
Etwa die Hälfte der Eltern leben immer noch nach dem Ernährer-Hausfrauen-Modell, bei der sich der Vater um die Berufsarbeit und die Mutter um die Betreuung und Erziehung der Kinder kümmert. In der Vergangenheit ist diese Einstellung besonders in Westdeutschland stark ausgeprägt. Wo dies auch die individuelle Idealvorstellung ist, betreuen die Mütter ihr Kind in den ersten Jahren selbst und bringen es nicht in eine Betreuungseinrichtung. Für 52 Prozent der jetzt befragten Mütter und Väter ist dies so. Die Politik stärkt noch die traditionelle Rollenaufteilung der Geschlechter. Sie geht von Frauen aus, die ihre Kinder zu Hause erziehen und belohnt sie für dieses Engagement. Charakteristische Elemente sind Betreuungsgeld, lange Elternzeiten oder eine Förderung der Teilzeitarbeit als ideale Form der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Eine langfristige und vollständige Spezialisierung wie durch das „Hausfrauenmodell“ wird heute allerdings nur noch von einer Minderheit der Eltern befürwortet: Lediglich 17 Prozent der Eltern, 18 Prozent in West- und 9 Prozent in Ostdeutschland, erklären dies als ideale Verteilung der Aufgaben. Sogar in Familien, in denen die Mutter nach der ersten Elternzeit nicht in den Beruf zurückkehrte, wird diese Einstellung von nicht mehr als etwa 36 Prozent der Eltern vertreten. Von daher handelt es sich hier meist um das Ideal einer „partiellen“ Spezialisierung, in der die Mutter nach längerer Elternzeit in kürzerer Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung wieder berufstätig ist.
Wie sich die Einstellungen zu dieser Frage insbesondere in Westdeutschland verändert haben, zeigt der Vergleich mit älteren Umfrageergebnissen: 1982 sprachen sich erst 11 Prozent der westdeutschen Bevölkerung für die Berufstätigkeit von verheirateten Frauen mit kleineren Kindern aus; 58 Prozent lehnten sie eher ab. Gleichzeitig erklärten 61 Prozent ihr Einvernehmen mit der Äußerung, dass verheiratete Frauen, die kleine Kinder haben, nicht berufstätig sein sollten.(Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 4008, Mai 1982)
Dagegen steht das Leitbild einer Berufstätigkeit beider Elternteile, bei der sich die Beschäftigung der Mutter nicht in der Rolle einer „Zuverdienerin“ erschöpft. 53 Prozent der Mütter und Väter legen Wert auf eine gute berufliche Perspektive beider Elternteile. 44 Prozent denken, dass beide Elternteile zum Haushaltseinkommen beitragen sollten.
Für den Wiedereinstieg der Mütter in den Beruf sind die Haltungen der Väter von Bedeutung: Nur wenn die Väter der Berufstätigkeit der Mutter entsprechende Bedeutung zuerkennen, entscheiden sich Mütter deutlich häufiger für eine zeitlich umfangreichere Berufstätigkeit. Wenn auch die Karrieremöglichkeiten der Mütter für wichtig erachtet wurden, gehen bei 41 Prozent der Paare die Väter einer Vollzeitbeschäftigung nach und auch die Mütter sind mit längerer Teilzeit oder Vollzeit berufstätig. Dies lässt sich in aller Regel nur mit der Bereitschaft der Väter bewerkstelligen, zur Entlastung bei der Kinderbetreuung und bei der Familienarbeit beizutragen.
Nach wie vor erledigen die Mütter durchschnittlich den größeren Anteil bei der Betreuung der Kinder und bei der übrigen Familienarbeit. Aktuell übernehmen ca. 74 Prozent der Väter weniger als die Hälfte der Kinderbetreuung, davon 37 Prozent etwas weniger als die Hälfte und 37 Prozent nur einen kleinen Teil. Das entspricht kaum den Idealvorstellungen vieler Eltern. Viele Väter würden sich lieber mehr an der Kinderbetreuung beteiligen, als es ihnen möglich ist und ca. 30 Prozent der Mütter erhoffen sich mehr Unterstützung durch ihren Partner.
Fazit
Die von vielen Eltern gewünschte gleichmäßige Aufgabenverteilung wird nur durch einen sehr geringen Teil von Eltern tatsächlich praktiziert (6 Prozent). Dies sind Paare, die beide voll berufstätig sind bzw. etwa gleiche Arbeitszeiten haben (20 Prozent). Das trifft für überdurchschnittlich viele Eltern in Ostdeutschland (35 Prozent) sowie Mütter und Väter mit abgeschlossenem Studium (33 Prozent) zu.
Vor Geburt des ersten Kindes gab es bei denen weniger große Einkommensunterschiede als bei anderen Paaren. Bezeichnend für die Gruppe ist die relativ starke Berufsorientierung der Mütter: 55 Prozent der Mütter finden hier eine Berufstätigkeit sehr wichtig. In ihrer Berufsorientierung werden die Mütter überdurchschnittlich häufig von den Vätern unterstützt.
Zudem sind die Möglichkeiten der Kinderbetreuung, Verständnis der Arbeitgeber sowie vermittelte Leitbilder ausschlaggebend für gleichmäßige Verteilung der Aufgaben in einer Partnerschaft.
(SFE)