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Die Teilnehmer der Katholikentage

Im Unterschied zur zählfreudigen und dokumentationsfleißigen katholischen Bischofskonferenz ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) recht schweigsam. In den gedruckten Dokumentationen finden sich ein paar Zahlen, aber nicht durchgängig. Im Internet gibt es kein entsprechendes Archiv. Aber es gibt zwei universitäre Studien zu Katholikentagen, die Transparenz über Motive und Meinungen der Katholikentagsbesucher herstellen.

Die Katholikentage gibt es seit 1848. (Bis 1928 hießen sie „Generalversammlung der Katholiken Deutschlands“.) Seit 1868 werden sie vom ZdK in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Bistum organisiert. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist die nationale Plattform für die katholischen Laien und einer Vielzahl von aktiven Laienorganisationen in Deutschland. Sie prägen auch die Katholikentage.

Die Teilnehmer der Katholikentage sind eher weiblich (57 Prozent) als männlich (43 Prozent). Neun von zehn Teilnehmern (89 Prozent) sind katholisch, 8 Prozent evangelisch und knapp 3 Prozent anderen Glaubens oder konfessionsfrei. Das ist über die Jahre von 1998 bis 2016 weitgehend gleich geblieben.

Deutlich verändert haben sich die Anteile der Altersgruppen. Waren 1998 mehr als 45 Prozent unter 30 Jahre alt, so verringert sich dieser Anteil kontinuierlich und beträgt 2016 noch 30 Prozent. Der Anteil der mittleren Altersgruppe (der 30-49-Jährigen) wird ebenfalls, aber moderater geringer, der Anteil sinkt von 32 auf 29 Prozent. Folgerichtig steigt der Anteil der Altersgruppe der Über-50-Jährigen von 30 auf 41 Prozent.

Hat sich mit der ‚Altersverschiebung‘ auch die Motivation für den Katholikenbesuch verändert? Ja und Nein. Gaben 2004 die Besucher das „Gemeinschaftserlebnis“ als wichtigstes Besuchsmotiv an (mittlerer Wert von 7,8 auf einer 10er-Skala), so folgt an zweiter Stelle die Präsentation des eigenen Verbandes auf der ‚Kirchenmeile‘ (6,8), gefolgt von programmatischem Interesse (6,2) und der Möglichkeit einer Glaubensvertiefung (6,1).

Für den Katholikentag 2014 haben Gert Pickel, Yvonne Jaeckel und Alexander Yendell (Religionssoziologen an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig) durch ein Clusterverfahren drei Typen von Kirchentagsbesuchern erstellt, von denen die Gruppe der „Gestaltenden, gemeinschaftsorientierten Religiösen“ (mit 43 Prozent der Kirchentagsbesucher) die größte der drei Gruppen stellen. Sie sind primär auf der Suche nach „neuen Ideen für das eigene religiöse Leben“ (97 Prozent) und haben den „Wunsch nach Gemeinschaft mit anderen Christen“ (95 Prozent). Auch insgesamt sind das die beiden am meisten genannten Motive. Der „Austausch mit religiös Gleichgesinnten“, der für die genannte Gruppe an dritter Stelle folgt (92 Prozent), rangiert insgesamt etwas niedriger, da die beiden anderen Gruppen daran deutlich weniger Interesse zeigen. Interessierter sind die beiden anderen Gruppen an „gesellschaftspolitischen Fragen“ (insgesamt 72 Prozent) und ebenso wollen sie „den Glauben feiern“ (71 Prozent).

Die Gruppe 1 „Passive Gelegenheitsnutzer“ sind weniger religiös als der Durchschnitt, im Schnitt 44 Jahre alt und eher an gesellschaftspolitischen Fragen interessiert. Dieser Gruppe wurden 30 Prozent als Katholikentagsbesucher in Regensburg zugeordnet.

Die Gruppe 2 der „Gestaltenden, gemeinschaftsorientierten Religiösen“ sind mehrheitlich Frauen, sind bereits mehrfach auf Katholikentagen gewesen. Sie sind hochreligiös und im Schnitt 43 Jahre alt. Nahezu drei Viertel dieser Gruppe sucht neue Ideen für die eigene Gemeinde. Zu dieser Gruppe gehören 43 Prozent der Besucher in Regensburg.

Die Gruppe 3 der „Jungen Neugierigen“ sind durchschnittlich 26 Jahre alt, mehrheitlich zum ersten Mal auf einem Katholikentag, mit Vorrang einer „Erlebnisdimension“. Zu dieser Gruppe zählen 27 Prozent der Besucher des Katholikentages,

Die in allen drei Besuchertypen geringste Wichtigkeit als Motiv eines Kirchentagsbesuch ist die Absicht „sich politisch zu äußern“ (25 Prozent) oder der „Austausch mit politisch Gleichgesinnten“ (21 Prozent).

Diese geringen Motive einer politikbezogenen Kommunikation verweist darauf, dass es sich bei den höher genannten „gesellschaftspolitischen Fragen“ eher um die seit Jahren innerkirchlich diskutierten Themen handelt (u. a. Zölibat, Anerkennung homosexueller Lebensformen, Ökumene und die Zulassung von Frauen zum Amt des Priesters).

Dem entspricht, dass die größte Wahlpräferenz für die CDU/CSU besteht (39 Prozent der Kirchentagsbesucher), dicht gefolgt von der Wahlpräfenz für die Grünen (32 Prozent). Während die CDU-Wähler also in etwa der Größenordnung der Bundestagswahl repräsentiert sind, ist der Anteil der Grünen unter der Besuchern des Katholikentages vierfach so hoch, wie bei der Bundestagswahl. Es ergibt sich eine schwarz-grüne Mehrheit von 72 Prozent.

Diese Übereinstimmungen zeigen sich auch in der Frage der Veranstaltungspräferenzen und in der Frage der Zukunftspotentiale des Katholikentages.

Die Favoriten unter den Veranstaltungen, die „sehr gern“ bzw. „relativ gern“ besucht werden, sind kulturelle Angebote (wie Musik), die von 87 Prozent der Besucher „gerne“ besucht werden, gefolgt von den Gottesdiensten (80 Prozent) und dem Flanieren/Informieren auf der Kirchenmeile (74 Prozent), wo sich die zahlreichen katholischen Verbände präsentieren. 70 Prozent besuchen gern theologische Vorträge/Diskussionen und 66 Prozent sind gern bei politischen Vorträgen/Diskussionen dabei. Die geringste Wertschätzung haben Bibelarbeiten und arbeitsintensive Workshops.

Die kirchlich-religiösen Präferenzen äußern sich auch darin, dass 55 Prozent der Besucher motiviert wären, einen zukünftigen Katholikentag zu besuchen, wenn es mehr ökumenische Angebote geben würde. Prominente erleben und mehr spirituelle Angebote würden 41 Prozent für einen zukünftigen Besuch motivieren. Das größte Abschreckungsmoment (für 25 Prozent der Katholikentagsbesucher) wäre, wenn mehr Vertreter säkularer Gruppen auf der Kirchentagsmeile teilnehmen würden. Und, bekunden zwei Drittel der Besucher (64 Prozent), mehr Raum für Stille und Gebet sielt für sie keine Rolle wiederzukommen.

Der Eindruck, dass es sich bei der Mehrheit der Besucher um hoch religiös Motivierte handelt, darauf verweist auch die Verteilung der Gottesbilder bei den Katholikentagsbesuchern. 72 Prozent von ihnen glauben „Es gibt einen persönlichen Gott“ und 19 Prozent „Es gibt so etwas wie ein höheres Wesen“. Alle anderen Auffassungen bleiben marginal.

Die Altersverteilung bei den Gottesbildern verweist darauf, dass die christliche Glaubensbasis „Es gibt einen persönlichen Gott“ sich kontinuierlich verringert. Haben 90 Prozent der Über-65-Jährigen diesen Glauben, so wird dieser Anteil von Altersgruppe zu Altersgruppe geringer und bei den Unter-18-Jährigen mehrheitlich nicht mehr geglaubt (44,3 Prozent).

Diese Verringerungen der ‚Markenbindung‘ – an einen der wichtigsten Glaubensinhalte der katholischen Kirche – bei den jüngeren Altersgruppen, zeigt sich parallel auch in der Hinsicht der ‚Kundenbindung‘ – wie stark man sich mit der Kirche verbunden fühlt.

Zwar sind die Trends nicht so gleichförmig wie bei der geringer werdenden ‚Markenbindung‘, die Unterschiede zwischen den Älteren und den Jüngeren sind aber deutlich. Bedeutet für rund 80 Prozent aller Katholikentagsbesucher über vierzig Jahre die Mitgliedschaft in der Kirche viel, so sind es bei den Jüngsten nur die Hälfte (53 Prozent). Deutlich mehr als 60 Prozent der Katholikentagsbesucher über 30 Jahren meinen: „Die katholische Kirche passt immer noch gut in die heutige Gesellschaft“, was von den Jüngeren nur noch gut 40 Prozent meinen.

Insbesondere die hohe Zustimmung der Jüngeren zu der Haltung „Man kann auch ohne Kirche religiös sein“, die sich dann stetig verringert, verweist auf die schwächer gewordene ‚Kundenbindung‘, denn wer für seine Religiosität keine Kirche braucht, hat eine geringere Bindung.


Fazit

In der Zusammenfassung der verschiedenen Befunde zeigt sich, dass die Besucher der Katholikentage kein Abbild der Mitgliedschaft in der katholische Kirche darstellen. Dafür sind es zu viele Ältere und zu viele, die eine feste, persönliche Glaubensüberzeugung haben. Sie sind zudem, was hier nicht weiter ausgeführt wurde, sehr viel besser gebildet (71 Prozent haben Abitur bzw. einen Universitätsabschluss) und sind innerkirchlich hoch organisiert (61 Prozent nehmen an kirchlichen Veranstaltungen teil und 46 Prozent haben im Rahmen der katholische Kirche und Verbände Leitungsaufgaben). Es ist eine innerkirchliche Veranstaltung mit eng vernetzten und innerkirchlich Organisierten sowie Engagierten mit Diskussionen über vorrangig religiöse und innerkirchliche Fragen ohne weitere Ausstrahlung.

Für die Darstellung des Geschäftsführers des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Dr. Stefan Vesper, dass die Katholikentage eine „große gesellschaftliche Bedeutung“ hätten, denn: „Die Themen der Katholikentage sind ein Spiegelbild der aktuellen politischen Debatten in unserem Land, von der Klima-, über die Flüchtlings-, Europa-, Friedens-, Entwicklungs- und Sozialpolitik bis hin zu Fragen der Menschenwürde und -rechte. Kurz gesagt: Katholikentage sind ein bedeutender Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs in unserem Land“, lässt sich kein Beleg finden. Weder in den aktuellen Daten noch in der Historie der Katholikentage in der Bundesrepublik Deutschland.

Zur Geschichte der Katholikentage in der Bundesrepublik Deutschland schreibt der Historiker Thomas Mittmann in „Kirche im performativen Wandel“: „Bereits mit Beginn der 1950er Jahre wurden dann deutliche Veränderungen in der Ausrichtung der Katholikentage erkennbar. Hatten sich die katholischen Großveranstaltungen vor 1933 durch ihren ausgesprochen politischen Charakter ausgezeichnet und waren von strittigen Debatten und zeitaktuellen Resolutionen geprägt, entwickelten sie sich im Verlauf der 1950er Jahre ‚zu frommen Veranstaltungen, zu Bühnen opulenter kirchlicher Selbstdarstellung‘, so dass mit Recht von ihrer ‚Entpolitisierung‘ und ‚Verkirchlichung‘ gesprochen werden kann. Die katholischen Verbände sahen sich nun an den Rand gedrängt, während der Klerus in den Mittelpunkt der Christentreffen rückte.“ (S.111/112)

In einer Betrachtung von Frank Walter zum „Katholizismus in der Bundesrepublik“ heißt es für die Zeit nach 1968, als auf dem Katholikentag in Essen der Laienkatholizismus gegen die Enzyklika „Humana Vitae“ protestierte und die Jugend den Kirchentag ‚übernahm‘: „Klare Botschaften gingen von den Katholikentagen neuen Typs nicht aus. Beschlüsse wie auf denen der alten Prägung wurden nicht gefaßt. Die Programme der Katholikentage zerfaserten in den 80er Jahren immer mehr, bald über tausend Einzelveranstaltungen und Podiumsgespräche zu allen damals gesellschaftlich frei flottierenden Themen. Das wirkte pluralistisch, offenherzig, diskussionsfreudig, aber eine katholische Meinung zu den zentralen Fragen schälte sich nicht heraus, konnte wohl auch nicht, angesichts der normativen Fragmentierung im Lager der deutschen Katholiken. Es herrschte gewissermaßen eine halbwöchige pluralistische Unübersichtlichkeit, die das Episkopat nicht band. […]

Doch lief sich auch der Katholikentag neuen Typs, die dauerhafte, aber folgenlose Fröhlichkeit, der bunte, aber beliebige Markt der Möglichkeiten in der zweiten Hälfte der 80er Jahre tot. Nun griff die Depression, die Krisenstimmung, ja die Verzweiflung über die Lage der Kirche, die in vielen Gemeinden herrschte, auch auf die Katholikentage über. Die Katholikentage der 90er Jahre beschäftigten sich jetzt in erster Linie mit den Problemen ihrer Kirche selbst. Die Frustrationen, die sich schon seit Jahren angesammelt hatten, brachen nun aus. Jeder Redner, der eine Spitze gegen die Bischöfe formulierte, erhielt viel Beifall; jeder Referent, der Kritisches über den Papst vortrug, wurde von den Katholikentagsteilnehmern gefeiert. Der Graben zwischen den Moralvorstellungen des Gros der deutschen Katholiken und denen des Papstes hatte sich weiter vertieft. […] Diese Haltung reicht mittlerweile bis tief in die katholischen Kernschichten hinein. Auch dort wird jetzt mehr Demokratie in der Kirche gefordert, die Abschaffung der Zölibatspflicht für Priester postuliert, die Möglichkeit der Priesterweihe für Frauen verlangt, die positive Bejahung der  Sexualität durch die katholische Kirche gewünscht. Dies waren auch die zentralen Themen und Botschaften der Katholikentage 1992 in Karlsruhe und 1994 in Dresden. Und sie waren das Anliegen des Kirchenvolksbegehrens vom Herbst 1995.“ (S. 1108/1109)

Über den Kirchentag 2014 in Regensburg berichtet die Süddeutsche Zeitung: „Weltverbesserer. Sie haben es schwer in dieser Welt, gelten als anstrengend, nervend, moralinsauer. Auf der Katholikentagsmeile aber, wo Gruppen, Initiativen, Verbände und Pfarreien vorgestellt haben, was sie tun, um den Weltfrieden oder das Klima zu retten, Projekte in Afrika zu unterstützen, Flüchtlinge zu betreuen oder die Oma von nebenan, da hat sich gezeigt: Die Welt verbessern kann Spaß machen. Und sind nicht auch all die Politiker Weltverbesserer?“

Und der Katholikentag in Leipzig 2016? Der Präsident des ZdK, Prof. Dr. Thomas Sternberg,  sagt dazu im Deutschlandfunk: „Katholikentage waren im Anfang die Selbstverständigung von katholischen Vereinigungen, Verbänden - zunächst übrigens Männern - auf die Fragen der politischen Gegenwart. Das wird heute eher in den Stellungnahmen und Entscheidungen des Zentralkomitees in den Vollversammlungen gemacht. Im Katholikentag präsentiert sich ein pluraler, vielfältiger Katholizismus, der auf der Basis der Entscheidungen und der Festlegungen, die in den Vollversammlungen getroffen wurden, seine Themen aufarbeitet.“

(CF)

Literatur

Mittmann, Thomas: „Kirche im performativen Wandel – Die Entwicklung der Katholikentage und der Evangelischen Kirchentage in der Bundesrepublik Deutschland, in: Frank Bösch/Lucian Hölscher (Hrsg.), Jenseits der Kirche. Die Öffnung religiöser Räume seit den 1950er Jahren, Göttingen: Wallstein 2013, S. 107-148.

Pickel, Gert/Yvonne Jaeckel/Alexander Yendell: „Glauben feiern, Spaß haben und über Politik diskutieren. Eine religionssoziologische Studie zum Besuch des Katholikentags in Regensburg.“ Münster: Monsenstein und Vannerdat, 2016, 89 Seiten. (Darin verschiedene Einzelbeiträge der Autoren.)

Schenk, Thomas: „Katholiken- und Kirchentage als touristische Events – eine geographische Betrachtung“, Inaugural-Dissertation, Freiburg, 2006, 203 Seiten.

Walter, Franz: „Katholizismus in der Bundesrepublik. Von der Staatskirche zur Säkularisierung.“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 9-1996, S. 1102-1110.

Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Hrsg.):  „‘Gebt Zeugnis von eurer Hoffnung‘. 93. Deutscher Katholikentag, 10.6.-14.6.1998 in Mainz. Dokumentation.“ Kevelaer: Butzon & Bercker, 1999, 903 Seiten.

dto.: „‘Leben aus Gottes Kraft‘. 95. Deutscher Katholikentag, 16.-20. Juni in Ulm. Dokumentation.“ Kevelaer: Butzon & Bercker, 2005, 264 Seiten.

dto.: „‘Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht‘. 96. Deutscher Katholikentag, 24.-28. Mai 2006 in Saarbrücken. Dokumentation.“ Kevelaer: Butzon & Bercker, 2007, 264 Seiten.

dto.: „‘Du führst uns hinaus in die Weite‘. 97. Deutscher Katholikentag, 21.-25. Mai 2008 in Osnabrück. Dokumentation.“ Kevelaer: Butzon & Bercker, 2010, 816 Seiten.

dto.: „Einen neuen Aufbruch wagen. 98. Deutscher Katholikentag, 16.-20. Mai 2006 in Mannheim. Dokumentation.“ Kevelaer: Butzon & Bercker, 2013, 600 Seiten.