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Perspektiven des Theismus

In einer Auswertung internationaler Umfragedaten (in 26 Ländern mit christlicher Tradition plus Israel und Japan) zeigt sich, dass sich im Zeitraum 1991 bis 2008 die Anteile der „Gottesgläubigen“ verringern (mit drei Ausnahmen) und der Anteil der „Atheisten“ sich vergrößert (mit drei Ausnahmen). Besonders auffallend ist die Altersgruppierung, in denen sich zeigt, wie der Glaube an Gott – auf unterschiedlichen Niveaus – sich bei den jüngeren Altersgruppen stetig verringert.

In einer Auswertung der ISSP-Daten von 1991, 1998 und 2008 hat Tom W. Smith (NORC/University of Chicago) in der Studie „Beliefs about God across Time and Countries“ („Glauben an Gott über Zeit und Länder“) die Ergebnisse von drei Umfragen des Internationalen Social Survey Programms (ISSP)  mit drei Fragen zum Glauben an Gott dargestellt.

Hintergrund für die Auswertung war die Prüfung von Säkularisierungsthesen und die Konzentration auf einen zentralen, aber relativ vernachlässigten Aspekt von Säkularisierung und religiösem Wandel, den Glauben an Gott.

„Die Standard-Säkularisierungstheorie argumentiert, dass Gesellschaften weniger religiös werden, wenn sie sich mit Bildung entwickeln, und der Aufstieg der Wissenschaft untergräbt sowohl religiösen Glauben als auch religiöse Praktiken (Kay, 1997; Voas, 2009). Andere haben, obwohl sie mit der Entwicklung immer noch eine Säkularisierung erfahren, die Standard-Säkularisierungstheorie modifiziert. Norris und Inglehart (2011) argumentieren, dass die Entwicklung die ‚existentielle Unsicherheit‘ reduziert und dies wiederum die Nachfrage nach (oder Notwendigkeit) von Religion verringert. Andere haben argumentiert, dass die Religion eine Wandlung durchgemacht hat und fortsetzen wird (wie eine Zunahme der Spiritualität neben einer Schwächung der organisierten Religion, Smith, 2009), aber kein deutlicher Rückgang. Wieder andere sehen wenig säkularisierende Trends (Greeley, 2003). Die so genannte Angebotsschule betont die anhaltende Nachfrage nach Religion (Stark, 1999; Stark und Finke, 2000).“

Rankings des Glaubens an Gott

Eine Sortierung der Länder in der Reihenfolge des Anteils der „Gottesgläubigen“ zeigt, dass die Top Ten (mit Anteilen von über 40 Prozent) alles Länder mit katholischer Tradition sind, plus die USA und Israel.

Die Länder mit den geringsten Anteilen (weniger als 20 Prozent „Gottesgläubige“) sind alle evangelisch, bis auf Frankreich – mit seiner eigenen Tradition der Läizität – und Japan, bei dem sich zeigt, dass die Befragten mit einer Gottesvorstellung christlicher bzw. abrahamitischer Art nur wenig anfangen können.

Hinsichtlich des Aspekts der Stärke der Veränderungen innerhalb der Länder dient der Glaube an Gott in den verschiedenen Altersgruppe als Indikator der Säkularisierung.

Der generelle Trend (bis auf die entgegensetzte Entwicklung in Israel) ist, dass die jüngeren Altersgruppen geringere Anteile für einen Glauben an Gott nennen.

Die Länder mit den größten Differenzen zwischen Älteren und Jüngeren in den Anteilen der „Gottesgläubigen“ sind durchweg Länder mit katholischen Mehrheiten. Aber trotz dieser Differenzen (Spanien 44 Prozent, Zypern 42 Prozent, Irland 41 Prozent, etc.) haben sie insgesamt immer noch hohe Gesamtanteile von „Gottesgläubigen“. Bei den Ländern mit geringeren Differenzen zwischen Jüngeren und Älteren sind es zum einen protestantischen Länder (wie Schweden 7 Prozent und Norwegen 10 Prozent), die ihre Säkularisierung bereits in den 1980/1990er Jahren erlebt haben. Zum anderen sind es Länder wie die USA (12 Prozent) und die Philippinen (10 Prozent), die bei einem vorherrschenden Glauben an Gott nur geringe Unterschiede zwischen den Altersgruppen verzeichnen. Das einzige Land, in dem dieser Trend der Verringerung der „Gottesgläubigen“ nicht gilt, ist Israel, in dem sich das Gegenteil darstellt, dass die Jüngeren einen größeren Gottesbezug nennen als die Älteren.

„Insofern gibt es Hinweise darauf, dass religiöser Wettbewerb und/oder religiöser Konflikt einen höheren Glauben fördern können. Der Glaube ist hoch in Israel, das einen scharfen Konflikt zwischen Judentum und Islam hat, in Zypern, das entlang religiöser und ethnischer Linien in griechisch/orthodoxe und türkisch/muslimische Entitäten gespalten ist, und in Nordirland, das zwischen Protestanten und Katholiken geteilt ist.“

Rankings der „Atheisten“

Alle diejenigen, die der Aussage zustimmen: „Ich glaube nicht an Gott und habe es nie getan“ werden in der Studie den „Atheisten“ zugeordnet.

Das Ergebnis ist weitgehend wie ein Spiegelbild zu den „Gottesgläubigen“. Die höchsten Anteile (mit mehr als 25 Prozent „Atheisten“) leben in traditionell (bzw. ehemals) protestantischen Ländern und Regionen, wie den östlichen Bundesländern Deutschlands, in der Tschechischen Republik, Schweden, Lettland und Norwegen plus Japan.

Und entsprechend den Anteilen in den Altersgruppen sind es spiegelbildlich zu den „Gottesgläubigen“ die jüngeren Altersgruppen, die zunehmend nicht an Gott glauben.

Die Ausnahme von dieser Tendenz sind neben den Philippinen vor allem Russland und Israel, wo der Anteil der „Atheisten“ rückläufig ist, da – so die Hypothese -, sich in diesen Ländern eine stärker werdende nationale Identität und Abgrenzung mit einer stärker bekundeten Religiosität verbindet.

Die Stärke der Veränderung zwischen den lebenden drei Generationen vermittelt der Anteilsunterschied zwischen der jüngsten und der ältesten Altersgruppe, wobei die Gruppe mit den stärksten Differenzen durchweg die (ehemals) überwiegend protestantischen Länder Westeuropas sind (plus Frankreich).


Hin zu Gott, weg von Gott

Abgesehen von diesen beiden gegensätzlichen Gruppen der „Gottesgläubigen“ bzw. der „Atheisten“ zeigt die Studie noch eine Auswertung zu den ‚Seitenwechslern‘. Von den 17 erfassten Ländern sind in sieben Ländern mehr Ungläubige zu Gläubigen geworden und in zehn Ländern waren es mehr ehemals Gläubige, die sagten, dass sie nicht mehr an Gott glauben. Auch die einzelnen Anteile sind in der „Weg von Gott“- Gruppe (mit bis zu 14 Prozent) ausgeprägter, als bei den den „Hin zu Gott“-Gläubigen.

In der zeitlichen Betrachtung der Entwicklung von 1991 zu 2008 ist es plausibel, das die Anteile der Veränderungen in der Sichtweise „Sicher, dass es Gott gibt“ in umgekehrter Korrespondenz zur Veränderung bei den Anteilen der Atheisten stehen.

Tom M. White zieht ein Fazit:

„Der Glaube an Gott ist in den meisten Ländern zurückgegangen, aber die Rückgänge sind ziemlich bescheiden, besonders wenn sie auf einer jährlichen Basis berechnet werden. Nur die Wiederholung der geringen Abnahmen in den Ländern spricht für eine generelle Verminderung des Glaubens an Gott. Dies wird weiter durch die Situation in den Vereinigten Staaten veranschaulicht. Der Glaube an Gott bleibt hoch, hat sich aber von den 1950er Jahren bis heute langsam abgeschwächt.

Wenn der zwar bescheidene aber allgemeine Trend weg vom Glauben an Gott ununterbrochen fortschreitet, wird er sich zu größeren Ausmaßen erweitern und der Atheismus, der jetzt hauptsächlich in Nordwesteuropa und einigen ehemaligen sozialistischen Staaten vorherrscht, kann sich weiter ausbreiten. Es ist aber auch möglich, dass die Pro-Glaubens- „Ausnahmen“ (Russland, Slowenien und Israel) weiter verbreitet werden und der Glaube vielleicht eher als Reaktion auf ein Wachstum der ‚existentiellen Unsicherheit‘ von einem nationalistischen, In-Group Wachstum in der religiösen Identität (z. B. arabische, islamische Bewegungen, Hindu-Nationalismus, etc.) oder aus einem anderen gesellschaftlichen Impuls entsteht.“

Selbst innerhalb der ehemaligen sozialistischen Staaten ist die Bandbreite enorm, wobei Ostdeutschland die säkulare Poleposition und Polen die Spitze der Gläubigen verankern. Während es also eine Tendenz zu einem geringeren Glauben an Gott in Übereinstimmung mit der Säkularisierungstheorie gibt, sind die Veränderungen von bescheidener Größe und gemischtem Umfang. Die Länder haben gezeigt, dass sich wahrscheinlich weiterhin große Unterschiede bei den Niveaus und Trends bezüglich des Glaubens an Gott zeigen, und eine Homogenisierung des Glaubens (oder Unglaubens) ist in absehbarer Zukunft unwahrscheinlich.“

(CF)