Gewalt und Religion
Fowid-Notiz: Ein Umfrageexperiment des WZB unter Christen, Muslimen und Juden in sieben Ländern zeigt die mobilisierende Kraft religiöser Schriftquellen. Gewaltlegitimierende Verse in religiösen Schriften steigern Unterstützung für tödliche Gewalt. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den drei abrahamitischen Religionen.
Die WZB-Forscher Ruud Koopmans und Eylem Kanol haben gemeinsam mit der deutsch-kanadischen Politikwissenschaftlerin Dietlind Stolle eine experimentelle Studie entworfen und realisiert: „Scriptural legitimation and the mobilisation of support for religious violence: experimental evidence across three religions and seven countries.” In einer Mitteilung dazu haben sie Inhalt und Ergebnisse erläutert.
Für die Studie wurde 8.000 Christen, Muslimen und Juden in sieben Ländern (Deutschland, USA, Zypern, Libanon, Israel, palästinensische Gebiete und Kenia) die Frage gestellt, ob sie tödliche Gewalt gegen Glaubensfeinde für gerechtfertigt halten oder nicht. Einer Hälfte der Befragten wurde die Frage unvermittelt gestellt, die andere Hälfte bekam zuerst ein Zitat aus der Bibel, dem Koran oder der Thora vorgelegt, in dem Gewalt gegen vermeintliche Glaubensfeinde gutgeheißen wird.
Sie konnten erstmals belegen, dass gewaltlegitimierende Verse in religiösen Schriften die Unterstützung für die Tötung von Glaubensfeinden steigern.
Allerdings war dieser Effekt unter Juden und Christen schwächer ausgeprägt als unter Muslimen. Über alle sieben Länder gerechnet, unterstützten 9 Prozent der christlichen Gläubigen Gewalt ohne und 12 Prozent mit vorherigem Bibelzitat. Unter jüdischen Gläubigen waren es 3 ohne bzw. 7 Prozent mit Thorazitat. Unter Muslimen befürworteten 29 Prozent Gewalt gegen Glaubensfeinde ohne und 47 Prozent mit vorangehendem Koranzitat.
Für Deutschland fallen diese Werte allerdings deutlich geringer aus:
Der wichtigste Grund für die Unterschiede zwischen den drei Religionen, so zeigen die Forscher, ist der größere Anteil muslimischer Gläubiger, die einer fundamentalistischen Glaubensauffassung anhängen. Fundamentalistische Gläubige zeichnen sich dadurch aus, dass sie die heiligen Schriften ihrer Religion wörtlich nehmen und auch in der Gegenwart für unverändert gültig halten. Deshalb sind sie im Vergleich empfänglicher für Versuche, Gewalt durch den Hinweis auf religiöse Schriftquellen zu legitimieren.
Die Befunde haben Bedeutung für die Bekämpfung des religiösen Extremismus. „Religiöse Ursachen und Motivationen müssen ernst genommen werden. Gewalt darf nicht nur auf sozioökonomische und psychologische Ursachen reduziert werden“, sagt Ruud Koopmans.