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Konfessionsfreie in Irland, 1961 - 2022

Irland gilt, neben Polen, als das katholischste Land in Europa. Das war 1961 noch zutreffend, als 95 Prozent der Iren römisch-katholisch und 0,04 Prozent konfessionsfrei waren. Das hat sich mittlerweile deutlich verändert, da die Katholiken noch einen Anteil von 68 Prozent an der Bevölkerung darstellen, die Konfessionsfreien von 15 Prozent. Das ist erst einmal nicht sehr viel, aber die Trends sind eindeutig zugunsten der Konfessionsfreien.

Nach dem fowid-Artikel zum Zensus 2011 in der Republik Irland folgen nun weitere Ergebnisse, auch erste Daten aus dem Zensus 2022, dessen detailliertere Ergebnisse zur Religion in Irland ab Oktober 2023 vorliegen werden.

Die erste Auswertung für den Zensus 2022 beziffert die Anzahl der Konfessionsfreien („No Religion“, Agnostiker und Atheisten) in der Republik Irland mit 14,5 Prozent. Das sind in absoluten Zahlen 740.125 Personen, was gegenüber dem Zensus von 2016 (mit 481.388 Konfessionsfreien) einen Anstieg um 54 Prozent (= plus 258.737 Irinnen und Iren) bedeutet.

In Entwicklung einer Zeitleiste wurden in den Volksbefragungen 1861-1936 jeweils sieben Religionen genannt: Katholiken, Protestantische Episcopale (Anglikaner), Presbyterianer, Methodisten, Juden, Baptisten und Andere. Im Zensus 1946 werden „Andere, (inkl. keine Angabe)“ genannt. Eine Klassifikation, die im Zensus 1961 übernommen wird, wobei erstmalig in den 11.487 „Anderen“ 1.107 „Ohne Religion“ enthalten sind und 5.625 Personen mit „Keine Angabe“. Das wiederum wird in der Berichtserstattung zum Zensus 1971 aufgenommen und es sind 7.616 „Ohne Religion“ sowie 46.648 Personen mit „Ohne Angabe“. Im Zensus 1981 werden 39.572 Personen „ohne Religion“ beziffert sowie 79.976 „Ohne Angabe“. Im Zensus 1991 sind es dann 66.270 „ohne Religion“ und 83.375 „ohne Angabe“. Erstmalig werden auch „Agnostiker“ und „Atheisten“ genannt. Bemerkenswert ist dabei, dass „No Religion“, Agnostiker sowie Atheisten stets getrennt gezählt werden. 

In der Zeitreihe der Zuwachsraten der Konfessionsfreien zwischen den Jahren des jeweiligen Zensus zeigt sich ein kontinuierlicher Trend der Zuwachsrate von jährlichen 0,02 Prozentpunkten (1961 bis 1971) auf 0,7 Prozentpunkte (2016 bis 2022).

Parallel zu diesem Anstieg der Konfessionsfreien verringert sich der Anteil der römischen Katholiken von 94,9 Prozent (1961) auf 86,8 Prozent (2006), 84,2 Prozent (2011), dann 78,3 (2016) und schließlich 68,3 (2022). Die Verringerung des Anteils der dominierenden Katholiken um 18,5 Prozentpunkte (von 2006 bis 2022) entspricht jedoch nicht dem Zuwachs der Konfessionsfreien (im gleichen Zeitraum) von10,1 Prozentpunkten. Rechnet man jedoch die Iren hinzu, die „Keine Angabe“ machen, so sind für diesen Zeitraum 15,2 Prozentpunkte Zuwachs.

Warum sollte eine Irin oder ein Ire in einem Land, in dem der Katholizismus sozusagen zur National-DNA und zur kulturellen Tradition gehört, „Keine Angabe“ machen, wenn nach der Religion gefragt wird? Der Einfluss der katholischen Kirche war erheblich.

Der Kondomverkauf wurde in Irland erst 1985 erlaubt. Bis 1994 war Irland - neben Malta - das einzige europäische Land, in dem Paare sich nicht scheiden lassen konnten. Bis 1993 stand Homosexualität unter Strafe. (Quelle: BpB) Im Juli 2011 rief Irland seinen Botschafter im Vatikan zurück – aus Protest gegen die Einmischung des Vatikans in die irische Aufklärung der Missbrauchsfälle -, was der konservative, katholische Premierminister Enda Kenny ‚unter Tränen‘ im Parlament erklärte. (2014 wurde eine neue Botschafterin ernannt.) Im Mai 2015 wurde in einer Volksabstimmung (mit 62 Prozent Zustimmung) die „Ehe für Alle“ legalisiert. Im Mai 2018 votieren 66 Prozent der Iren in einem Referendum dafür, dass der Schwangerschaftsabbruch legalisiert wird, in Dublin sind es 80 Prozent. Im Dezember 2018 wird vom Parlament die Abtreibung bis zur zwölften Woche für straffrei erklärt.

Alle diese ‚katholischen Bastionen‘ gehören nunmehr der Vergangenheit an. („Die schwierige Abkehr von der Allmacht der Kirche.“ DLF) Aber: „91 Prozent der Grundschulen sind in katholisch[er Trägerschaft].“ Erst 2017 wurde der Religionsunterricht an den wenigen staatlichen Schulen abgeschafft.

Diese Ereignisse und Zustände sind Basis für die Annahme, dass sich unter denjenigen, die „Keine Angabe“ angeben, vor allem (frühere) Katholiken befinden, die sich zwar noch nicht distanziert positionieren, aber sich vermutlich so stark vom Klerus abgewendet haben, dass sie zwar noch katholisch gläubig, aber dennoch eher konfessionsfrei („non affiliated“) sind.

Aus den Auswertungen zum Zensus 2016, Kapitel 8, sollen drei Aspekte zitiert werden: der Altersaufbau, die Zuwanderung und die Stadt-Land-Unterschiede.

Der Vergleich der Entwicklung von 2006 bis 2016 zeigt zum einen, dass die Vergößerungen in der Anzahl der Konfessionsfreien in allen Altersgruppen stattfindet, zum anderen, dass auch die Zahl der Unter-10-Jährigen ebenfalls stark zunimmt. Das ist sozusagen der ‚Nachwuchs‘, der bereits konfessionsfrei aufwächst. Dem entspricht, dass die 25-39-Jährigen, die ‚Elterngeneration‘, die größte Anzahl bildet.

Die Konfessionsfreien („No Religion“) haben nach den Katholiken und den Anglikanern den vergleichsweise geringsten Zuwanderungsanteil, der bei den Muslimen und vor allem den Orthodoxen wie den Hindus knapp bzw. deutlich mehr als Hälfte ausmacht. Religiöse ‚Diversity‘ ist auch in Irland ein wesentlicher Aspekt der Zuwanderung.

In den regionalen Verteilungen der Konfessionsfreien zeigen sich die höheren Anteile in den urbanen ‚Ballungsräumen‘ wie Dublin, Cork, Waterford und Galway sowie deren Umland. Dublin hat 2016 einen Anteil der Konfessionsfreien von 41,5 Prozent der Einwohner. Die Stadt Longford, Bezirksstadt mit rund 10.000 Einwohnern im nördlichen Binnenland des Landesinneren, hat den geringsten Anteil mit 0,4 Prozent Konfessionsloser.

(CF)