Sie sind hier

Kirchenaustritte in den Diözesen

Fowid-Statistikbeobachter: Nach Bekanntwerden der Kirchenmitgliederzahlen der katholischen Bistümer für das Jahresende 2021 begann die Suche nach den Gründen für die ungewöhnlich hohe Mitgliederverringerung, eines war der vielfach beschriebene „Woelki-Effekt“. Dafür lassen sich aber keine Daten finden.

Von der Süddeutschen Zeitung: „Exodus der Gläubigen“, über die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Woelki-Effekt: Kirchenaustritte im Erzbistum Köln erreichen Rekordniveau“ und zu den Westfälischen Nachrichten: „Woelki-Effekt“ führt zu Austritten“ – bis hin zum Münsteraner Theologen und Kirchenrechtler Thomas Schüller: “Kirchenrechtler sieht in Austritten ‚Woelki-Tsunami‘“ - ist man sich einig. Man hatte also einen ‚Schuldigen‘ gefunden. Daten dafür gibt es jedoch keine.

Es beginnt bereits damit, dass es heißt: „Das Erzbistum Köln ist Statistik-Spitzenreiter der deutschen Diözesen mit 41.000 Ausgetretenen, in Kirchenkreisen spricht man vom Woelki-Effekt.“ (Quelle: SZ) Die Zahl ist zwar korrekt, aber diese Sichtweise übersieht, dass das Erzbistum das größte katholische Bistum in Deutschland ist (1,8 Mio. Kirchenmitglieder) und – wenn in allen Bistümern der gleiche Anteil der Katholiken austreten würde –, das Erzbistum Köln damit automatisch den „Spitzenplatz“ hätte. Es reicht also nicht, die aktuelle Statistik der Deutschen Bischofskonferenz zu betrachten.

Im Hinblick auf die Jahre 2016 bis 2021 zeigt sich bei den katholischen Kirchenaustritten ein stetiger Anstieg: 2017: 167.504 / 2018: 216.078 / 2019: 272.771 / 2020: 221.930 / 2021: 353.635. Der hohe Anstieg in 2021 erklärt sich zum größten Teil durch die ‚Delle‘ in 2020, in der (Coronabedingt) die zuständigen Behörden für den Kirchenaustritt weniger Öffnungszeiten hatten und diejenigen, die austreten wollten, das offensichtlich in 2021 nachgeholt haben.

Bezogen auf das Geschehen in den einzelnen Diözesen zeigt die Berechnung der Kirchenaustritte in 2021 (mit Bezug auf die Ausgangsmitgliederzahl Ende 2020/Anfang 2021), dass Köln nicht der „Spitzenreiter“ ist.

Die höchsten Anteile an Kirchenaustritten haben 2021 die Erzbistümer Berlin und Hamburg, gefolgt von München/Freising und Köln sowie Dresden-Meißen und Limburg – alle über zwei Prozent.

In der Betrachtung von 2011 – ein Jahr, in dem das Austrittsgeschehen auf einem deutlich niedrigeren Niveau stattfand (0,51 statt 1,62 Prozent), werden die obersten drei Rangplätze wiederum von Berlin, Hamburg und München/Freising belegt, gefolgt von Hildesheim und wiederum Dresden-Meißen und Limburg. Köln befindet sich auf Rangplatz 10.

Zieht man dann noch ich in Betracht, wie sich die Anzahl der Kirchenmitglieder in den Bistümern zwischen 2011 und 2021 verändert haben, so sind die Bistümer mit den größten Veränderungen: Essen, Speyer, Trier, Würzburg Limburg, Magdeburg und (auf Rang 7) Köln.

Es ist zwar verständlich, dass das Erzbistum Köln schon immer die größte Bedeutung hatte – wer hat schon einen Kölner Dom – und dass durch die medial aufgenommenen innerkirchlichen Dispute um das Verhalten von Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki ein großes Interesse am Erzbistum Köln besteht, das wird jedoch der relativen Bedeutung des Erzbistums Köln und anderer Bischöfe und Erzbischöfe im ‚katholischen Deutschland‘ nicht gerecht.

Carsten Frerk.