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Kirchentage 1982 -2019

Die evangelischen und katholischen Kirchentage verstehen sich als Glaubensfeste und Treffen christlicher Laien. Bei mehrtägigen Großveranstaltungen werden Themen zum christlichen Glauben, Engagement für die Zukunft von Kirche und Welt diskutiert und christliche Rituale vollzogen. In der Regel finden diese Kirchentage jeweils alle 2 Jahre statt, so dass nahezu jedes Jahr entweder der evangelische Kirchentag oder der Katholikentag stattfindet.

Historie der Kirchentage

Bereits 1848 fand der erste deutsche Katholikentag in Mainz als „Generalversammlung des katholischen Vereins Deutschlands“ statt. Initialzündung dafür war die Zusammenkunft von vielen Tausend Pilgern, die 1844 zur Ausstellung des „Heiligen Rock“ nach Trier kamen. Viele der Katholiken fühlten sich seit dem Wiener Kongress 1814–1815 von der protestantischen Regierung unterdrückt und waren von den bürgerlich-demokratischen Veränderungen ab März 1848 begeistert. Der erste Katholikentag war eine reine Delegierten-Versammlung, zu der nur Vereinsabgeordnete, einige Geistliche und wenige Laienteilnehmer eingeladen waren. Danach fanden die Katholikentage bis 1913 nahezu jährlich statt. In den Jahren bis 1920 und von 1933 bis 1947 gab es keine Katholikentage. Seit 1950 gibt es diese Veranstaltung alle zwei Jahre.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag entstand ebenfalls in Reaktion auf die Revolution von 1848. In der Schlosskirche zu Wittenberg fand im September 1848 eine „Versammlung evangelischer Männer“ statt, die als Kirchentag bezeichnet wurde. Johann Hinrich Wichern hatte hier seine Vorstellungen zur Gründung des „Centralausschusses für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche“ geäußert. Bei den weiteren 15 Kirchentagen bis 1872 waren vorrangige Themen soziale Probleme, die Erneuerung der Kirche und die Innere Mission. Danach gab es bis keine Kirchentage, weil Luthertum und preußische Union unvereinbar waren. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine zweite Kirchentagsbewegung. 1919 fand in Dresden ein Kirchentag statt, zu dem die einzelnen Landeskirchen mit dem Ziel der Gründung eines Kirchenbundes zusammenkamen.

1949 fand in Hannover auf Einladung des Landesbischofs eine deutschlandweit initiierte, Evangelische Woche statt, die heute als erster Kirchentag betrachtet wird. Der Präses der EKD-Synode und spätere Bundespräsident Gustav Heinemann verlas hier die Gründungserklärung eines fortan regelmäßig durchzuführenden Deutschen Evangelischen Kirchentages, der

„der Zurüstung der evangelischen Laien für ihren Dienst in der Welt und in der christlichen Gemeinde dienen sowie die Gemeinschaft und den Austausch mit den Laien der im Weltrat der Kirchen zusammengeschlossenen Kirchen fördern“ sollte.


Kirchentage in der DDR

Nach der Teilung Deutschlands 1961 wurden gemeinsame deutsche Kirchentage immer schwieriger. In der DDR fanden daher eigene regionale Kirchentage statt. 1969 wurde der „Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR“ (BEK) gegründet und damit ein eigener Weg beschritten. Die evangelische Kirche hatte sich als „Kirche im Sozialismus“ in der DDR eingerichtet und hielt regelmäßig eigene große Treffen ab. Wegen der mißtrauischen Haltung den Kirchen und ihren Gemeinden gegenüber, waren überregional organisierte einzelne Großveranstaltungen kaum möglich.
Als Lösung etablierten sich mehrere regionale Veranstaltungen. Hauptorganisatoren der Kirchentage waren die Landesausschüsse des Kirchentages in den einzelnen Landeskirchen.
Anfangs wechselten sogar die Bezeichnungen der Veranstaltungen. Der Höhepunkt der Kirchentagsgeschichte war 1954 in Leipzig. Rund 650 000 Menschen nahmen am Schlussgottesdienst in den Parkanlagen im Rosental teil. Bis dahin war dies die größte christliche Versammlung in Deutschland, mit ca. 60.000 Dauerteil­nehmern. Der DDR-­Regierung mussten die Organisatoren versichern, keine politischen Themen zu diskutieren oder gar öffentliche Kritik an den Verhältnissen in Ostdeutschland zuzulassen.

Ab 1978 wurde auch medial von den Kirchentagen berichtet und die Abschlussgottesdienste konnten mitten in den Städten stattfinden. Anlässlich des 500. Luthergeburtstages 1983 wurden die Kirchentage in mehreren Städten geplant. Unter dem Motto „Vertrauen wagen“ wurden dann sieben Kirchentage in Erfurt, Wittenberg, Frankfurt/Oder, Magdeburg, Eisleben und Rostock durchgeführt, zu denen auch Gäste aus dem Ausland eingeladen wurden. Das einzige Katholikentreffen fand 1987 in Berlin statt. Diese Kirchentage waren von einer inneren Fixierung zur Stärkung des christlichen Miteinanders in einem sozialistischen Umfeld geprägt. Dennoch boten die Veranstaltungen in der DDR Raum für kontroverse Gespräche und Aktionen, was besonders für die Jugend wichtig war.

Kirchentage in Deutschland

Teilnehmer Kirchentage

Seit 1950 gibt es die Katholikentage alle zwei Jahre (abwechselnd mit dem Evangelischen Kirchentag). Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist seit 1970 Träger des Katholikentags. 1992 fand in Karlsruhe der erste Katholikentag nach der Deutschen Wiedervereinigung statt.

Während der meist fünftägigen Veranstaltung finden zahlreiche Podiumsdiskussionen mit Vertretern aus Kirche, Wissenschaft und Politik zu aktuellen gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Themen statt. Kirchliche Verbände und Gruppen gestalten Workshops und Mitmachaktionen. Je nach Interesse kann man das Familienzentrum, Frauen- und Männerzentrum (Genderfragen), Jugendzentrum (2008 zum ersten Mal mit eigener Jugendkirche), das Eine-Welt-Zentrum, das Ökumenezentrum oder auch die Zentren für christlich-jüdischen und christlich-islamischen Dialog besuchen.

Dauergäste

Rechtsträger des Deutschen Evangelischen Kirchentages ist der „Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages e. V.“ mit Sitz in Fulda. Auch beim Evangelischen Kirchentag sind an den 5 Tagen um Himmelfahrt politisch-gesellschaftliche Themen neben dem christlichen Dialog Diskussionsgrundlage bei vielen Veranstaltungen. Inzwischen hat sich da ein relativ gleiches Ablaufschema entwickelt. Gemeinsam ist beiden Kirchentagen, dass sie am Sonntag mit einem großen Abschlussgottesdienst enden.

Der erste Ökumenische Kirchentag fand 2003 in Berlin statt. 2010 war München Gastgeber des zweiten Ökumenischen Kirchentages. Die ökumenischen Kirchentage werden gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) organisiert. Der Dritte soll 2021 in Frankfurt/Main stattfinden.

Inzwischen finden Kirchentage in einem immer mehr entchristlichten und säkularen Umfeld statt. Die hohen Austrittszahlen aus den Kirchen zeigen, dass die Kirchen immer mehr an Anziehungskraft verlieren. Doch die Kirchentage sind nach wie vor Massenveranstaltungen mit hohem Besucherandrang – die Zahl der Dauerteilnehmer liegt bei ca. 100.000 Menschen, wobei in diesem Jahr ca. 20 Prozent weniger nach Dortmund gekommen sind (2019: 80.000).

Anfang der 1960er Jahre waren die evangelischen Kirchentage fast bedeutungslos. Nach Düsseldorf kamen 1973 nur ca. 7500 Christen. Erst als die Kirchenobersten begriffen hatten,  „daß Kirche nur dann attraktiv sein kann, wenn sie die ganze Realität dieser Welt hereinläßt“ (Bischof Kurt Scharf 1974, Berlin), erlebten die Kirchentage wieder Zulauf. Je mehr soziale und politische Themen zur breiten Diskussion angeboten wurden, je mehr Leute kamen - vor allem junge.

Nach Berlin kamen 1977 59.000, zwei Jahre später nach Nürnberg 79.000, 1981 nach Hamburg 120.000. Über die Hälfte der Teilnehmer (59 Prozent) waren jünger als 29 Jahre. Damit hatte eine kirchliche Großveranstaltung immense politische Bedeutung erlangt. Doch diese Massenbewegung war nicht das, was gewollt war. Besinnung, Rückkehr zum Glauben, Angebote zur Bibelarbeit, Gottesdienste blieben nach Meinung der Kirchenoberen auf der Strecke. In Hannover (1983) wurde erstmals wieder versucht christlich-kirchliche Themen in den Vordergrund zu rücken. Es sollte eine Trendwende weg vom politischen Betätigungsfeld werden.

Doch die Kehrseite ist, dass Themen wie die Friedensforderungen Anfang der 1980er Jahre bzw. politisch relevante Themen wie Umwelt- und Frauenrechte, Migration in den letzten Jahren nur wenig zu finden waren. Inzwischen werden verschiedenste spirituelle Glaubenszugänge präsentiert und finden ihren Platz. Auf dem „Markt der Möglichkeiten“ haben kirchliche Gruppen, Musiker und alle anderen, die etwas anbieten wollen ein weites Betätigungsfeld. Die Vielzahl an kulinarischen und sportlichen Erlebnisständen, verschiedene Spiel- und Sportstationen sowie Techno-Gottesdienste machen den beliebigen Großevent-Charakter deutlich.

2017 war für die Protestanten das Jahr, in dem sie sich an den Beginn der Reformation erinnern. Darum organisierte die Evangelische Kirche das Laientreffen mit. Es wurden zwei Orte ausgewählt: Berlin für die Veranstaltungsreihen und Wittenberg für den Festgottesdienst. Auch hier waren wieder über 100.000 Gäste, jedoch nur 36 Prozent unter 30 Jahre. Das Programm des Kirchentages beinhaltete neben den Themen religiöse Pluralität und Reformation auch wieder politische Themen wie Flucht und Migration, Zusammenhalt in Deutschland und Europa.

2019, der gerade zu Ende gegangene Kirchentag in Dortmund, brachte eine kleine Enttäuschung, da von den geplanten 100.000 Dauergästen nur ca. 80.000 kamen. Am Abschlußgottesdienst, der an zwei Orten in Dortmund stattgefunden hat, nahmen nach Angaben des Kirchentags insgesamt 37.000 Menschen teil - 5.000 an der Seebühne im Westfalenpark und 32.000 im Fußballstadion des BVB. Auch dies sind weniger als von den Organisatoren erwartet.

Im Vergleich der Kirchentage fällt auf, dass zunehmend die mittlere Altersgruppe der 18-39-Jährigen wegbleibt, hingegen die 50-65-Jährigen mehr Interesse zeigen.

Und während 2005 noch über ein Drittel der Besucher zum ersten Mal zu einem Kirchentag gekommen sind, gehört 2017 fast ein Drittel zu den Besuchern, die bereits mehr als sechsmal bei einem dieser Events waren.

Mehrfachbesucher

Kosten und Subventionierung der Kirchentage

In den letzten Jahren wurden Stimmen laut, die nach der Finanzierung der Kirchentage fragten.

Kostenverteilung
Kostenverteilung Grafik

Neben einigen Großkonzernen (2017 - VW, 2019 - Deutsche Bahn, sowie Kärcher, Drogeriemarkt dm und einige Medienkonzerne) finanziert auch die öffentliche Hand den Kirchentag maßgeblich mit. Durch Land, Bund und Stadt kommt meist etwa die Hälfte des Gesamtetats zusammen. Religiöse Großereignisse sollten jedoch allein aus Teilnahmebeiträgen und kirchlichen Mitteln finanziert werden. Für den Staat sind die Kosten noch deutlich höher, denn die Kosten z. B. für die Polizei und Bereitstellung öffentlicher Gebäude wie Schulen und Turnhallen für Übernachtungen bleiben unberücksichtigt. Einige Sponsoren wie Polizei- und Feuerwehrverbände werden sogar ganz oder weitgehend vom Steuerzahler finanziert.

Die Stadt Münster (Gastgeber des Katholikentages 2018) lehnte in einem Beschluss 2015 erstmals die Bezuschussung des Katholikentages mit Barzuschüssen in der beantragten Höhe ab. Spenden und Sponsoren sollten für die verbleibende Lücke gewonnen werden. Am Ende zahlte die Stadt doch die knappe Million Euro zum Katholikentag.

Laut einer Studie von „markt.forschung.kultur” nach dem Kirchentag 2009 in Bremen („32. Evangelischer Kirchentag, Regionalwirtschaftliche Auswirkungen, 20. Mai 2009 - 24. Mai 2009, Marktforschungsstudie zum evangelischen Kirchentag in Bremen“) ist der positive wirtschaftliche Aspekt, der meist von den Gastgeberstädten in den Vordergrund geschoben wird, sehr differenziert zu betrachten. Das Kirchentagsgebiet und die Umlandgemeinden haben zwar besonders in der Gastronomie- und Beherbungungsbranche höhere Umsätze, doch läßt sich oft nicht feststellen, wer von den Mehreinnahmen tatsächlich profitiert. Zudem ist es zu hinterfragen, ob die Kirchentagsteilnehmer tatsächlich so viel Mehreinnahmen für die Region bringen. In der Studie wurde ein durchschnittlicher Tagessatz von ca. 46 Euro ermittelt, den die Teilnehmer ausgeben. Die Hälfte der Besucher wollen die Ausgaben insgesamt auf maximal 150 Euro beschränken. Davon werden bereits ca. 51 Prozent für Unterkunft und Verpflegung aufgewendet. Es wurde andererseits festgestellt, dass die Restaurants und Geschäfte der Innenstädte in dieser Zeit von den üblichen Besuchern der Stadt wegen zu hohen Menschenaufkommens gemieden werden, damit also die üblichen Umsätze wegfallen.

Ausgaben Gäste
geplant

(SFE)